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SWR2 Wort zum Tag

20MAI2021
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Manchmal ist es gut, wenn ich als westlicher Christ einen ordentlichen „Schuss“ Begeisterung von „anderen“ Christinnen und Christen aus der weiten Welt bekomme - so wie ich ihn vor einiger Zeit von meinem Freund Kim aus Südkorea erhalten habe.

Gerade mal zwei Stunden war er da, da saß er schon bei mir am Küchentisch, Kaffeetasse in der Hand, der Jetlag hatte ihn fest im Griff. Aber er hat gleich angefangen zu erzählen und wurde dabei immer wacher, so begeistert war er von der Sache, die er mir erzählen wollte: „Ich musste doch etwas machen,“, hat er zu mir gesagt.  „Stell Dir vor: Wir haben diese riesengroße Universität bei uns in Seoul, mehrere tausend Studenten. Aber weil das Christentum nicht so verbreitet ist, können diese Studenten den christlichen Glauben nicht kennenlernen!“ „Und was hast Du gemacht, Kim?“, frage ich ihn. „Nun“, sagt Kim und lächelt, „ich habe eine eigene Kirche gegründet.“ „Du hast -  was?“ frage ich. „Ja“, sagt mein Gast – „wir Koreaner gründen immer wieder Kirchen. Das sind am Anfang ganz kleine Gemeinden. So wie bei mir. Ich bin mit einer Reihe von Studenten in Kontakt gekommen, und nach einer Weile haben mir acht davon versprochen, mit mir zusammen eine Gemeinde anzufangen. Wir treffen uns jeden Morgen zu einer kurzen Andacht, beten und frühstücken. Dann gehen die zur Vorlesung und ich in meinen Tag.“

„Und wovon lebst Du?“, frage ich ihn. „Lebst Du echt von der Spende von acht Studenten?“ Kim schaut mich auf einmal ganz ernst an: „Erstens sind es jetzt schon dreizehn Studierende, da geht es schon deutlich besser. Und zweitens: Ich spüre: Das hier ist das Richtige. Hierfür bin ich begeistert. Dann geht viel mehr, als man anfangs meint.“

Und ich denke mir: Am Sonntag ist Pfingsten. Der Tag, an dem der Heilige Geist Menschen dazu bewegt, Kirche zu sein. Damals, in Jerusalem fing das an, vor 2.000 Jahren. Damals gab es einen lebendigen Aufbruch, praktisch aus dem Nichts. Einige Menschen, die begeistert waren und spürten, dass sie das Richtige tun. Was ich in Deutschland oftmals vergesse: Pfingsten passiert immer wieder, auch heute noch. Auf einmal sitze ich an meinem eigenen Küchentisch und trinke Kaffee mit einem Kirchengründer! Und ich komme ins Grübeln: Wenn soviel möglich ist - was will ich selbst Neues beginnen? In der Kirche – aber auch in meinem Leben überhaupt? -  Und wie geht es Ihnen damit? - Welchen Aufbruch wollen Sie in Angriff nehmen?

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SWR1 Anstöße sonn- und feiertags

31MAI2020
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Was immer auch an Pfingsten in Jerusalem geschah – es ist schwer in Worte und Bilder zu fassen. Der Evangelist Johannes schildert das Ereignis so: „Nachdem Jesus seinen Jüngern alles gesagt hatte, hauchte er sie an sprach zu ihnen: Empfangt den Heiligen Geist“ (Johannes 20,19-32).  

In Corona-Zeiten treibt´s mir da gleich Schweißperlen auf die Stirn und ich zurre unwillkürlich an meiner Maske. Anhauchen – um Himmels willen! - So versperrt uns dieses heimtückische Virus auch noch den Zugang zum Pfingstgeheimnis, das an Intimität nicht zu überbieten ist. 20.000 mal am Tag schöpfen wir Luft, damit die Lunge das Blut mit Sauerstoff sättigen und gegen das Kohlendioxid austauschen kann. In einer „Mund-zu-Mund-Beatmung“ haucht uns Gottes Geist den Atem ein. Stoffwechsel - so intensiv will Pfingsten uns mit Gott verbunden wissen. 

„Atme in uns, Heiliger Geist“, betet heute die Kirche. Möge uns diese Atemspende so beleben wie damals die Jüngergemeinde in Jerusalem. Begeistert, befeuert vom Heiligen Geist stürmte sie plötzlich heraus aus ihrem Versteck. Was da mit diesen Menschen geschah, konnten sie gar nicht mehr für sich behalten. Das sprang über auf die Leute draußen auf der Straße. 

„Atme in uns, Heiliger Geist“ – so belebt wären wir fähig, auch anderen Atem zu spenden. Den Kranken zum Beispiel, die wir lange nicht mehr besuchen durften. Sie haben trotzdem gespürt, dass wir in ihrer Nähe waren. Unser Mitleiden wirkt auf Kranke wie eine Sauerstoffdusche. 

Wenn ich mit Trauernden weine, hoffe und bete ich, dass sie Gottes guten Geist verspüren und wieder zurück ins Leben finden. Wer rastlos getrieben und überfordert ist, erfährt es wie eine Atemspende, wenn ihm jemand aufmerksam zuhört. Wie reanimiert wirken Müde und Resignierte, die in einer Beratung ihrer Erschöpfung auf den Grund kommen. Ich glaube, es ist Gottes Geist, der sie wieder aufatmen und durchschnaufen lässt. 

„Atme Heiliger Geist“ auch in unserer Kirche, so bete ich zum Schluss. Sie muss  neue Wege finden, aufbrechen hin zu den Menschen. Rüttle uns wach, dass wir unseren Glauben leben und bezeugen in dieser zerrissenen, zerstrittenen Welt. 

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SWR2 Zum Feiertag

Wolf- Dieter Steinmann im Gespräch mit Kirchenmusikdirektor Professor Johannes Michel aus Mannheim

Steinmann:
Herr Michel, Sie sind Kantor an der Christuskirche in Mannheim, der Evangelischen Hauptkirche in Mannheim. Leiter des Bachchores. Begeisterter Organist. Sie komponieren selbst geistliche Werke. Angetan hat Ihnen es auch, auf der Orgel Kirchenmusik und Jazz zusammen zu bringen.Pfingsten ist ja kein leicht zu „greifendes“ Fest. Ganz anders als Weihnachten zB: Da hat man was konkretes. Aber begeben wir uns mal auf „Spurensuche“. Welche Musik verbinden Sie mit Pfingsten?  Gibt es eine, die Sie an Pfingsten besonders gern musizieren?

Michel:
Also wir musizieren an jedem Pfingsten eine Bachkantate. Das ist natürlich ne herrliche Gelegenheit, eine groß besetzte und festliche Musik zu hören und dabei den Heiligen Geist zu spüren, der an diesem Tag - ich sag mal völkstümlich - gefeiert wird. Aber ich verbinde mit Pfingsten ganz besonders die alten Chöräle aus der Reformationszeit und aus der Barockzeit, die eine oft sehr  blumige und heute etwas fremde Sprache mit sich führen, von vielen Theologen heute nicht mehr so geschätzt werden, weil sie natürlich bei vielen Leuten auf Unverständnis stoßen. Aber ich kann nachher gern zeigen, dass das die richtige Methode ist, um sich dem Phänomen Heiliger Geist zu nähern.

Steinmann:
Ah da bin ich gespannt. Gibt es denn eine Passage, die musikalisch oder textlich, den Heiligen Geist besonders spürbar macht?

Michel:
Da gibt es ein Werk, die Bachkantate „O ewiges Feuer, du Ursprung der Liebe“. Deren Schlusssatz „Friede über Israel“ zu den Stücken gehört, bei denen ich - trotz 30jähriger Profitätigkeit - die Tränen in den Augen kaum zurückhalten kann, wenn ich es dirigiere.

Steinmann
Dann müssen wir das mal hören.

Musik Coro „Friede über Israel“ track 5 aus CD Bach cantates Vol. 48 BWV 34 „O ewiges Feuer, Du Ursprung der Liebe“
BIS RECORDS SACD 1881 Bach Collegium Japan Maasaki Suzuki    

Steinmann:
Was ist es? Was Ihnen besonders Tränen in die Augen treibt? Ist es mehr das Musikalische oder auch der Text. Spielt der auch eine Rolle?

Michel:
Das kann ich Ihnen nicht erklären. Und das finde ich das Interessante, dass hier Musik und Heiliger Geist so ein paar Parallelen haben, die frappierend sind. Den Heiligen Geist kann man nicht malen, man kann ihn auch nicht so ganz erklären, man kann ihn nicht fassen. Das stört uns Protestanten natürlich oft, dass man es nicht so richtig gut erklären kann.Und das ist doch ganz ähnlich mit der Musik. Es gibt unendlich viele Bücher über Musik, aber erklären, was Musik ist, kann keiner, man kann sie nicht sehen, man kann sie trotz aller Bemühungen über Jahrhunderte eigentlich nicht in Worte fassen.
Hier bei diesem Schlusschor aus der Bachkantate kommt natürlich dieses „Friede über Israel“ noch als starkes Textmoment dazu, wo ich einerseits an das Land Israel und das jüdische Volk denke, aber auch ‘Israel’ als Synonym für die ganze Welt verstehe. Und dass dieser Wunsch nach Friede - mit dieser großartigen Kadenz, die da am Anfang steht - mit diesem Pathos, den diese Musik hat, diesem positiven Pathos, finde ich besonders anrührend.

Steinmann:
Ich habe das Gefühl, dass wir es dieses Jahr und für die nächsten Jahre angesichts dessen, was gerade so passiert, politisch, besonders brauchen können, die starke Einschärfung des Friedens.

Michel:
Ja. Ich will da mal ein Beispiel geben, wie die alten Liederdichter, den Heiligen Geist versuchen zu beschreiben. Und das ist natürlich für unsere heutigen Ohren oft sonderbar. Da heißt es: „Eine geistlich Salb, an uns gewandt; zünd uns ein Licht an im Verstand, gib uns ins Herz der Lieb Inbrunst, des Feindes List treib von uns fern.“ Das war jetzt im ausgehenden Mittelalter. Oder wenn Sie in die Barockzeit gehen, da wird es noch viel blumiger. „Tröster der Betrübten, Siegel der Geliebten, Geist voll Rat und Tat, lass die Zungen brennen.“
Das sind alles wunderbare Bilder, sprachlich mit einer enormen Kraft, die Gefühle beschreiben und Zustände, mit denen der Heilige Geist gefühlt werden kann. Und die Musik ist dazu, glaube ich, das richtige Medium, weil hier unaussprechliche Dinge am Werke sind, die wir fühlen oder spüren können.

Steinmann:
Die Pfingstgeschichte in der Bibel erzählt, dass die Jünger*innen Jesu den Glauben wiederfinden an Pfingsten, den sie durch die Kreuzigung ein Stück weit auch verloren hatten. Ich könnte mir vorstellen, dass Sie selbst oder auch bei Sänger*innen beim Singen vielleicht auch so etwas ähnliches erleben: Der Glaube kommt näher, den man beim Sagen vielleicht gar nicht so aussprechen könnte.

Michel:
Das ist in der Tat so. Allerdings den Begriff ‘der Glaube kommt mir näher’ darf man sich nicht zu gegenständlich oder zu festgelegt vorstellen. Ich meine, das sind Dinge, die spielen sich in jedem Menschen in einer anderen Intensität ab. Das können starke oder schwache Intensitäten sein und nicht jeder hat ein Bekehrungserlebnis, weil er am Morgen einen Bachchoral gesungen hat.
Es sind eigentlich die feineren Dinge: Die einen Menschen bewegen, die einen Menschen seelisch heilen, die ihm Mut geben und Kraft für den Tag, für die Woche, für sein Leben. Und die ihm dann auch zeigen, dass es noch etwas anderes gibt, als das was wir auf dieser Welt sehen, hören, fühlen oder schmecken können. Und da ist die Musik, glaube ich, ganz besonders im Vorteil, das zu zeigen.

Steinmann:
Herr Michel; Sie komponieren selbst, geistliche Musik. Sie sind, kann man sagen, nach theologischem Verständnis auf den Spuren des Schöpfers unterwegs. Ein schöpferischer geistiger Prozess ist das Komponieren ja allemal. Kennn Sie so etwas beim Komponieren, dass Sie auf einmal spüren, dass der schöpferische Geist von außen gewissermassen zu ihnen kommt?

Michel:
Also ich verstehe Musik auch als Teil der Schöpfung Gottes und auch Werke, die keinen geistlichen Text haben, können für mich einen ganz starken schöpfungstheologischen Aspekt haben. Als erstes fallen mir Beethovensymphonien ein. Da kann man den „lieben Gott“ auch entdecken. Bruckner hat zum Teil seine Werke dem lieben Gott gewidmet. Ich selber habe, wenn ich etwas Neues komponiere - ich denke jetzt mal an eine größere Arbeit - ne lange Phase des Suchens und des Abtastens, des Sortierens von Gedanken. Ich lese dann auch oft viel über den Gegenstand: Wenn es ein theologischer Text ist, ein biblischer Text ist, dann lese ich theologische Interpretationen und dann irgendwann formiert sich in mir ein Bild, da kommen auch sehr schnell musikalische Formvorstellungen, musikalische Themen zusammen und dann geht es eigentlich immer recht schnell, wenn man mal den Anfang zu schreiben gefunden hat. Wenn man dann am Schluss eine Partitur von 30 Minuten für Chor und großes Orchester vollendet hat, dann wächst die über einen selbst hinaus. Denn so eine recht große Arbeit, wo man dann auch selbst bei der Aufführung das Gefühl hat ‘jawoll, das hat toll funktioniert und der Spannungsbogen war da und das Publikum war begeistert.’ Das wächst über einen selbst hinaus und man kann natürlich nicht genau erklären, woher was kommt. Ich kann natürlich im Nachhinein die formalen Prozesse musiktheoretisch analysieren. Aber das kommt dann zustande und das hat tatsächlich so einen Moment, dass man das Gefühl hat, vielleicht hat mir da auch jemand die Hand geführt.

Steinmann
Ich schreibe keine Musik, aber ich schreibe Texte. Da gibt es immer wieder mal den Moment, wo es nicht weitergeht. Passiert das beim Musik komponieren auch?

Michel:
Ja, selbstverständlich. Das ist der sogenannte „horro vacui“. Man hat Angst vor dem leeren Blatt und man weiß nicht, welches Wort oder welchen Ton man als ersten schreiben soll. Da gibt es über Jahrhunderte entwickelte Methoden um diesen horror vacui zu überwinden. Die „fons inventionis“ der alten Rhetorik, das sind also Techniken, wie man Erfindungsörter schafft. Sich selber zu Phantasie und zur Erfindung und zu einem Anfang anregt.

Steinmann:
So Einfallschneisen für den „spirit“. Die biblische Pfingstgeschichte erzählt auch vom Verstehen.
Da sind in dieser Szene sehr verschiedene Menschen zusammen. Obwohl sie alle aus dem Judentum kommen, aber sie sind in alle Welt verstreut und verstehen sich nicht. Dann kommt ein neuer Geist der sie verbindet, der sie sogar einander verstehen lässt. Mannheim ist ja auch kulturell und ethnisch sehr vielfältig. Kann Musik, geistliche Musik, auch Menschen kulturell miteinander verbinden?

Michel:
Das ist ja gerade das Charakteristikum der Musik, dass sie keine nationale Sprache braucht. Ich spreche zunächst mal nur von der westlichen Musik und dabei auch von der geistlichen Musik. Das verbindet ja natürlich über die Musik selbst und selbst wenn ich kein französisch oder schwedisch kann, kann ich doch mit Musikern aus diesen Ländern ohne Probleme stundenlang und wochenlang zusammen musizieren. Wir musizieren aus einem Geist, obwohl wir uns dann hinterher gar nicht darüber unterhalten können. Ein bisschen anders ist es, wenn man an außereuropäische Musik denkt, während ja umgekehrt man den Eindruck hat, dass die westliche Musik in China, Japan und diesen Ländern sehr populär ist und riesige Konzerthallen gebaut werden, in denen unsere Orchester, unsere Organisten und unsere Chöre sehr viel konzertieren. Es gibt wohl eine Musik und es scheint diese Dur-Moll-tonale Musik zu sein, die überall auf der Welt verstanden wird.

Steinmann:
Dann wollen wir hoffen, dass der Pfingstgeist auch im Leben in Zukunft Spuren hinterlässt.

Michel:
Also da kann ich nur an alle Hörerinnen und Hörer appellieren: Hören Sie viel Musik an Pfingsten oder besser, singen Sie selbst.

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SWR2 Wort zum Sonntag

Heute feiern Christen das Pfingstfest. Ein Hochfest der Kirche, das mit besonderen Gottesdiensten begangen wird. Das war nicht von Anfang an so. Pfingsten galt schlicht als das Ende der 50tägigen Festzeit nach Ostern. Erst um das Jahr 300 n Chr entwickelte sich der Brauch, zunächst die Himmelfahrt Christi als Festtag zu begehen. Dem folgte als eigenständiges Fest dann bald auch der 50. Tag als Fest der Geistausgießung - Pfingsten. Mittlerweile bedeutet Pfingsten für die meisten Leute ein verlängertes Wochenende, das mit Urlaub oder mit Im-Stau-Stehen verbracht wird.
Dass das Pfingstfest wenig im gesellschaftlichen Bewusstsein ist, ist verständlich. Denn anders als Weihnachten und Ostern, ist es nicht so greifbar. Es hat mit etwas zu tun, das man nicht sehen kann: mit dem Heiligen Geist. In manchen Gegenden gab es deshalb den Brauch, dass man an diesem Festtag in der Kirche den Heiligen Geist wie eine Taube herabschweben ließ, in Form einer Holztaube, die dazu aus der Decke herunter gelassen wurde. So sollte die Erzählung von Pfingsten wenigstens ein bisschen vorstellbar werden.
In der Apostelgeschichte wird erzählt, dass Jesus seine Jüngerinnen und Jünger an Pfingsten mit dem Geist der Kraft und der Zuversicht beschenkt. Sie sollen die Botschaft von Gottes Liebe weiter tragen.
Der Erzähler berichtet, dass die Jüngerinnen und Jüngern in den Tagen nach Jesu Tod am Kreuz hinter verschlossenen Türen saßen, aus Angst vor den Leuten, weil sie fürchteten, es könnte ihnen wie Jesus ergehen, ohne Hoffnung und Perspektive. Was sollte aus ihnen werden? Jesus war nicht mehr bei ihnen. Wohin sollten sie gehen, ohne ihn?
Als die Tage des jüdischen Wallfahrtsfestes kamen, 50 Tage nach dem Passahfest, 50 Tage nach Ostern, strömte die ganze Welt nach Jerusalem. Pilger aus allen Ländern und Kulturen kamen zum Tempel um zu feiern, dass Gott sein Volk Israel einst mit der Gabe der Gebote am Berg Sinai beschenkt hatte. Da, so die Erzählung, ereignet sich erneut, wie einst am Berg Sinai, eine große Offenbarung: Jesus beschenkt seine Jüngerinnen und Jünger mit dem Lebensatem und der Kraft Gottes, und mit der Gabe des Verstehens.
Denn Unglaubliches geschieht: Gottes Atem durchweht vom Himmel her das Haus ihrer Angst und ihrer Abgeschlossenheit, rüttelt die Türen und Fenster auf, lässt frischen Wind herein und gibt ihnen den Mut, nach draußen zu gehen. Wie Prophetinnen und Propheten sind sie von Leidenschaft und Feuer für die Sache Gottes erfüllt. Sie überwinden ihre Erstarrung und ihre Angst. Sie öffnen ihren Mund, erzählen von ihrem Glauben - und werden verstanden. Sie öffnen ihre Ohren, hören die Fragen - und sie verstehen. Sie sind gesegnet mit der Gabe des Verstehens und Verstandenwerdens, über alle Nationen und Kulturen, über alle Sprachen und Traditionen hinweg.
Das ist das Pfingstwunder: Gott erfindet für dieses Verstehen nicht eine Einheitssprache. Sondern die Menschen werden verstanden, jede und jeder in seiner und ihrer Muttersprache. Und sie können sich verständlich machen. Im Wunder des Verstandenwerdens wird der Reichtum der Verschiedenheit und der Unterschiede sichtbar. Das Ziel ist nicht Vereinheitlichung, auch wenn das politisch oder gesellschaftlich oft einfacher erscheint, sondern: Gott will ein Vielerlei, kein Einerlei. Gott liebt die Vielfalt, nicht die Einfalt. Gott freut sich an den vielen Kulturen, nicht nur an der einen. Der Geist, mit dem Gott an Pfingsten seine Menschen beschenkt, ist die Gabe, die Verschiedenheit von Sprache, Kultur und Tradition als Reichtum zu begreifen. Er ist die Gabe des Hörens und Verstehens, des Redens und Verstandenwerdens.
Na, wenn das kein Grund zum Feiern ist! Denn dass Menschen sich nicht verstehen, davon erfahre ich jeden Tag. Dass jemand sich nicht verstanden fühlt, passiert dauernd. Dass es mir an Verständnis mangelt, spüre ich oft genug schmerzlich. An Pfingsten dagegen höre ich vom göttlichen Geist des Verstehens und Verstandenwerdens, der den Reichtum der Verschiedenheit aufleuchten lässt. Das ist wunderbar.

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SWR4 Abendgedanken RP

Feuerflämmchen, Brausender Wind und verzückte Menschen- so erzählt die Bibel vom Pfingstwunder.
Pfingsten ist das Urdatum, an dem die christliche Kirche entstand.
Aber was ist an Pfingsten wirklich passiert? Was war vor 2000 Jahren das Besondere, was diese kleine Sekte zu einer Weltreligion hat werden lassen? Gerd Theißen, Theologe aus Heidelberg meint:

Keine andere Religion oder Philosophie hat das Leben vom ersten Augenblick bis Letzten, auch bis zum Sterben, auch das verfehlte Leben, das gestrauchelt gekommen war, so aufgewertet. Man konnte den Menschen die Gewissheit geben: auch da ist Gott immer bei Euch.

Teil 1
„Familie, Freizeit, Fahrradfahren!“ sagen viele, wenn sie nach Pfingsten gefragt werden. Für Jugendliche heißt Pfingsten so viel wie „Open Ohr Festival“. Auch am vergangenen Wochenende haben wieder Tausende von jungen Leuten eine Grünfläche der Mainzer Innenstadt zu einer Zeltstadt gemacht. Auf mehreren Bühnen spielen Theatergruppen, Kabarettisten und vor allem Musikbands.
Eine Band war zum ersten Mal da:

Das war das lässigste und coolste Festival, was ich je erlebt hab, ohne eine Markierung, wo man hin muss, man hat sich durchgeschlagen bis zur Bühne. Total lässig, total cool, die kann nichts aus der Ruhe bringen…Dass es so eine familiäre Atmosphäre hatte, es war nicht zu groß…Pfingsten ist mit Regen verbunden, weil da ist Open Ohr und da ist Regen.

Und Regen heißt bei diesem Festival: man kriecht unter Planen und Zelte, lässt den Topf mit warmer Suppe und Tee kreisen und pflegt fröhliche Gütergemeinschaft. Hip- Hopper, Pop- und Rocker, Klassikfans, Jugendliche vom Land und solche von der Stadt. Da liegen Welten dazwischen, haben mir meine Kinder gesagt. Aber die fröhliche Atmosphäre, die Begeisterung für gute und neue Musik und der Suppensozialismus verbindet sie miteinander.
Mich erinnert das sehr an die Pfingstgeschichte vor 2000 Jahren, wie sie die Bibel erzählt.

Als der Pfingsttag gekommen war, waren sie alle an einem Ort versammelt. Da kam plötzlich ein Brausen vom Himmel wie von einem gewaltigen Sturm. Und es erschienen ihnen Zungen, wie von Feuer und sie wurden alle mit dem heiligen Geist erfüllt und fingen an, in andern Sprachen zu predigen, wie der Geist es ihnen eingab. Da kam die Menge zusammen und wurde bestürzt, denn jeder hörte sie in seiner eigenen Sprache reden. Und sie fragten: Wieso hört jeder von uns seine eigene Muttersprache? Und es entsetzten sich manche. Andere sagten: sie sind voll von süßem Wein.

Schon damals haben manche das fröhliche Treiben der Pfingstgemeinde nicht ernst nehmen können. Die sind ja nur betrunken, haben sie gespottet. Aber wenn der Heilige Geist Menschen ergreift, dann geht das bunt, ausgelassen und fröhlich zu. Dann verschwinden Kultur- und Sprachbarrieren. Dann feiern sie miteinander ein Fest der Friedens und der Verständigung. Wie die Jugendlichen auf dem Open Ohr Festival oder wie wir Ältere auf unseren Dorfhocks, Wanderfreizeiten oder Gemeindefesten.
So ein Fest stand am Anfang der ersten Christengemeinde. Sagt der Heidelberger Theologe Gerd Theißen. Aber es war kein einmaliges Ereignis.

Im Urchristentum gab es eine Fülle von solchen Außernormalen Erlebnissen und das hat die bestimmt über ihren Alltag erhoben, sie fühlten sich verbunden einer anderen Welt und bei der Zungenrede, die ja mit dem Pfingstwunder verbunden ist, meinten einige, das sie damit die Sprache der Engel sprechen .

Eine Sprache finden, die alle verstehen und die direkt aus dem Himmel kommt. Musik ist sicher eine solche Sprache. Gemeinsam essen und Trinken. Und miteinander Tanzen. Aber nicht jedes Fest ist Pfingsten. An Pfingsten weht der Wind aus einer besonderen Richtung. Ein Brausen sogar ist es, das den alten Hader und die Vorurteile der Menschen wegbläst. Sodass sie offen sind für Neues, offen für andere, fremde Menschen und für Gott.
Das ist das Besondere an diesem Fest: Gottes guter Geist berührt, ergreift und bewegt Menschen aufeinander zu. Aber wie muss man sich diesen Geist vorstellen? Und wie wirkt der?

Teil 2
Mit dem Heiligen Geist ist das so eine Sache. Man sieht ihn so schlecht. Deshalb wissen auch nicht so viele, was sie damit anfangen sollen. Aber die Jugendlichen sind mit ihrem Open- Ohr Festival in Mainz gar nicht so weit von der Pfingstgeschichte entfernt. Denn die ersten Christen hatten ja auch keine Kirchen und Gemeinden. Als Jesus gestorben waren, wussten sie überhaupt nicht, wie es weitergehen sollte. Wie sollten sie diesen grausamen Tod ihres Herrn und Meisters verstehen? Was sollten sie tun?
Als sie alle so zusammen saßen, geschah etwas mit ihnen. Da kam ein Wind, ein Brausen und ihre gedrückte Stimmung war wie weggeblasen. Es war

…offensichtlich eine Kraft, die nicht aus den Menschen stammt, die von außen ihn ergreift und zwar in einem Zustand, in dem er sich öffnet über seine Möglichkeiten hinaus, deswegen sagen die Beobachter: ja sie sind voll des süßen Weins. Man kann das „Trance“ nennen, „Extase“, „Enthusiasmus“.

Gerd Theißen, Theologe aus Heidelberg hat sein ganzes Berufsleben über die erste Zeit des Christentums geforscht. 600 Seiten dick ist sein jüngst herausgegebenes Buch über das Erleben und Verhalten der ersten Christen. Seiner Meinung nach waren es immer wieder diese gemeinsam erlebte Feste und Highlights, welche das bunt gewürfelte kleine Häuflein der ersten Christengeneration zu einer Gemeinschaft zusammenwachsen ließ.
Die Stimmung, die Atmosphäre auf diesen Festen, war eine ganz besondere. Für sie war die so etwas wie eine Lebensäußerung Gottes. Als hätte Gott ihnen selbst zugelächelt. „Geist“, so beschreibt es der Apostel Paulus, ist das, was eine Person, oder auch Gott im innersten ausmacht.

„Was im Menschen ist, kann nur der Geist sagen, der im Menschen ist.“ Und das überträgt er dann auf Gott und sagt: „Nur durch seinen Geist kann er sich authentisch offenbaren. Wenn er nicht von seinem Geist her mitteilt, können wir nie Zugang zu ihm finden.

Aber Gott teilt sich mit. Das können wir zwar nicht sehen, aber wir können es erkennen an der Wirkung. Wer von Gottes Geist ergriffen und bewegt werden, gehen wir wie selbstverständlich aus uns selbst heraus und auf Andere zu. Wir können und wollen nicht mehr nur unter uns, unter Gleichgesinnten bleiben. Der Geist bindet und verbindet uns mit denen, die ganz anders sind.

Interessant ist, es wird nicht zurückgeführt auf eine Einheitssprache. Man könnte ja auch das Wunder zurückführen, dass alle plötzlich hebräisch können. Aber nein, Lukas schildert das so: es gab zwar die Zungenrede, aber jeder hört in seiner eigenen Sprache, das heißt, die Vielfalt der Sprachen wird nicht aufgehoben, etwa zugunsten eines Schnellkurses in Hebräisch.


Man muss also nicht die Sprache, die Sitten und Gebräuche hinter sich lassen, um zu einer Gemeinschaft zu werden. Das ist die Botschaft der Pfingstgeschichte und es ist die Erfahrung der ersten Christengemeinde.
Es genügt, wenn sich wie früher, als Jesus noch lebte, alle auf das beziehen, was er gesagt und getan hat. Es genügt, wenn sie in der Wirkung seiner Worte den Geist Gottes sehen und auf diesen Geist hoffen.

Teil 3
Es gab Zeiten, da hatte es die christliche Kirche in der öffentlichen Meinung leichter. Wer darunter leidet, sollte sich mal mit der Situation der ersten Christengemeinde beschäftigen. Gerd Theißen, Theologe aus Heidelberg hat dies fast sein ganzes Berufsleben getan. Und dabei ganz spannende Dinge herausgefunden.
Die erste Christengeneration damals vor 2000 Jahren fand sich auf einem ungeheuer vielfältigen Religionsmarkt wieder, Kulte und Sekten konkurrierten miteinander und die Christen waren nur eine davon. Was war das Faszinierende an ihrem Glauben an diesen Jesus von Nazareth? Gerd Theißen:

Die Christen verbreiten sich, obwohl sie vom Land stammen- Galiläa, Palästina- am meisten in den Städten. In den Städten gab es viele Peregrine, Fremde die von außen kamen und die mussten sich neu kulturell definieren und gerade in diesen Kreisen hat das Christentum Resonanz gefunden. Das waren Menschen, die suchten nach einer Identität, wo sie unabhängig von ihrer Herkunft akzeptiert waren und das boten die Christen an. Sie sagten ja, egal wo ihr herkommt, allein durch den Glauben seid ihr gleichwertig und eins in Christus.

Wenn Menschen sich selbst Götter oder Superstars schaffen, dann ist an denen natürlich nichts Schwaches. Wer Macht haben will, darf sich keine Blöße geben. Dem gegenüber ist der Gott der Christen nichts als nur ein Mensch. Jesus von Nazareth hat wohl Menschen geheilt und Wundertaten vollbracht. Aber er hatte auch Hunger, war wütend und hatte Schmerzen. Er hat gelitten und ist am Kreuz gestorben. In allem war Gott gegenwärtig. Menschlich gesehen kaum zu glauben. Wer es dennoch tut, für den hat das Folgen:

Dann nämlich ist das ganze menschliche Leben vom ersten Augenblick bis zum letzten Atemzug von Gott akzeptiert, also es wird geheiligt und erhält einen großen Wert. Die Christen hatten keine Antwort darauf, warum es so viel Leid gibt, aber sie zogen Trost daraus, dass Gott in all diesen Leiden mit leidet und ich glaube dieser Gedanke hat dem Christentum zum Durchbruch gebracht.

Der Gekreuzigte, der Mensch, der scheinbar gescheitert ist, wird zum Ursprung des Lebens- das ist das Herz der christlichen Botschaft. Deshalb ist der Heilige Geist ist nicht die Fortsetzung des Lebenskampfes, sondern ein Protest dagegen. Ein Protest gegen alles, was Menschen erniedrigt und klein macht.
Und wie dieser Geist bis heute wirkt, erzählt mir Gerd Theißen am Beispiel einer Diakonisse. Die für seinen Geschmack etwas zu fromm war. Aber sie hat sich um Prostituierte gekümmert. Ist mit diesen Frauen vor allem auf die Ämter mitgegangen.

Sag ich „Was machen Sie denn mit den Leuten?“ Sagt sie: „Ja, wissen Sie, wenn die zum Sozialamt gehen und irgendeinen Antrag stellen, die genieren sich ja so, denn dort sitzen ihre Freier. Und dann geh mit, und dann ertragen sie das.

Gottes Geist setzt Maßstäbe fürs Leben- jenseits von Kultur und Moral. Und manchmal lässt der Geist uns herzlich über uns selber lachen. https://www.kirche-im-swr.de/?m=1424
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SWR1 3vor8

Die Frau spricht zu ihm:
Herr, ich sehe, dass du ein Prophet bist. Unsere Väter haben auf diesem Berge angebetet, und ihr sagt, in Jerusalem sei die Stätte, wo man anbeten soll.
Jesus spricht zu ihr: Glaube mir, Frau, ….es kommt die Zeit und ist schon jetzt, in der die wahren Anbeter den Vater anbeten werden im Geist und in der Wahrheit….
Spricht die Frau zu ihm: Ich weiß, dass der Messias kommt..
Jesus spricht zu ihr: Ich bin's, der mit dir redet...


Viele Menschen wissen gar nicht mehr, was an Pfingsten gefeiert wird. Ich finde das schade. Denn Pfingsten erinnert daran: Unmögliches kann möglich werden. Pfingsten erinnern, dass dort wo nur noch Stillstand ist zwischen Menschen oder Eiszeit herrscht oder noch Schlimmeres, dass da wieder etwas in Bewegung kommen kann. Wenn die Menschen nicht immer auf den alten Positionen beharren, sondern wenn auf einmal ein neuer Geist die verhärteten Fronten aufweicht und neues Leben möglich wird. Wenn Unmögliches möglich wird, da ist Pfingsten. In der Geschichte, an die heute in den evangelischen Kirchen erinnert wird, geschieht doppelt Unmögliches.
Das erste: Ein Mann redet mit einer Frau - auf Augenhöhe. Das war in biblischer Zeit unmöglich. „Was ist denn in den gefahren“, denken seine Jünger, als sie Jesus am Brunnen sitzen sehen. Er redet über Gott, woran man glauben kann und woran nicht - mit einer Frau. Und sie lernen womöglich beide dazu. ’Das gab es ja noch nie.’ Das ist Pfingsten, wenn auf einmal etwas möglich ist, was es noch nie gab. Jesus bringt einen neuen Geist ins Spiel zwischen Menschen und sie spüren: Unmöglich gibt es nicht.
Und das zweite Unmögliche, was diese Pfingstgeschichte erzählt: Die Frau und Jesus gehören zu zwei verschiedenen Stämmen und Konfessionen. Seit Jahrhunderten haben sie sich gegenseitig verachtet, manchmal sind sie übereinander hergefallen, wie bei uns früher Katholiken und Evangelische. Wie Sunniten und Schiiten heute. In Frieden leben und glauben war unmöglich. Und auf einmal redet Jesus, der Mann aus dem einen Stamm mit der Frau aus dem anderen. Und Jesus und die Frau spüren, es ist möglich. Und er sagt: Glaube mir, Frau, ….es kommt die Zeit und ist schon jetzt, in der wir den Vater anbeten werden im Geist und in der Wahrheit….Miteinander. Es weht ein neuer Geist, der die altbekannte Feindschaft wegtaut. Und auf einmal ist Aussicht auf eine bessere Zeit, auf Versöhnung und Frieden zwischen verfeindeten Menschen.
Deshalb ist Pfingsten lebenswichtig. Seit dem ersten Pfingsten weht Gottes Geist unter uns, glauben wir Christen. Wir sollten uns inspirieren lassen von Jesus. Gottes Geist macht Unmögliches möglich. Wir können uns trauen, Unmögliches zu leben, zumindest damit anzufangen. https://www.kirche-im-swr.de/?m=1388
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SWR4 Sonntags-/Feiertagsgedanken

16JUN2024
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Mein Sohn hat heute Firmung. Da kommt ein Bischof in unsere Kirche und legt jedem Jugendlichen die Hände auf den Kopf. Mit einem besonderen Öl macht er dann ein Kreuz auf dessen Stirn. Dazu spricht er die jungen Leute mit Vornamen an und sagt dann die Worte: "Sei besiegelt durch die Gabe Gottes, den Heiligen Geist."

Wenn ich mir diese Szene einmal ganz nüchtern vorstelle, dann könnte ich schon fragen: Was passiert da eigentlich? Ist das eine Art Zauberformel, mit der ein Geist, ein heiliger Geist angerufen wird? Und wozu das Ganze?

Der Grund der Firmung, ihr Zweck also, der steckt im Namen. „Firmare“ kommt aus dem lateinischen und bedeutet so viel wie: stark machen, bestärken. Gott stärkt die Jugendlichen mit seinem Geist! Das ist zunächst das Wichtigste. Die Firmung ist gleichzeitig die Fortsetzung und der Abschluss der Taufe. Damals haben die Eltern versprochen, dass sie ihre Kinder im Geist und nach dem Vorbild von Jesus Christus erziehen wollen. Jetzt bestätigen die Jugendlichen das selbst.

Sich firmen zu lassen ist also eine bewusste Entscheidung. Aber das ist nur der eine Teil. Der andere ist: Für den Heiligen Geist tatsächlich Platz zu lassen im eigenen Leben. Dass junge Leute sich darauf einlassen, das finde ich ganz schön mutig!

Denn zu verstehen, wer oder was der Heilige Geist ist, das ist gar nicht so einfach. Wie der Heilige Geist wirkt, kann man am besten in der biblischen Geschichte von Pfingsten nachlesen: Die Jünger von Jesus hatten nach seinem Tod eine riesen Angst und haben sich zurückgezogen. Plötzlich ist Feuer vom Himmel gekommen, auf jedem Jünger hat sich eine Flammenzunge niedergelassen. Die Angst war weg und sie haben angefangen zu reden und zu erzählen. In lauter verschiedenen Sprachen, die eigentlich fremd für sie waren. Und Menschen aus der ganzen Welt konnten sie verstehen. Diese Feuerzungen stehen für den Heiligen Geist. Dieser Geist Gottes ist da, wo die Angst verschwindet, wo Menschen sich verständigen, wo sie auf neue Ideen kommen und Wege finden. Wo es um Frieden und Freiheit geht.

Wenn der Bischof nun also seine Hand auf den Kopf eines Jugendlichen legt, wird der Heilige Geist weitergegeben. Ich stelle mir vor: Das funktioniert etwa so wie beim Spiel „Stille Post“: In einer Runde flüstert der Erste dem Nächsten etwas ins Ohr. Was am Ende der Runde rauskommt, weiß am Anfang keiner. Der Bischof macht es ähnlich: Er schickt im Namen Gottes den Heiligen Geist los. Was davon bei den Jugendlichen ankommt, das bleibt an diesem Tag der Firmung noch offen.

 

Mein Sohn gehört zu den jungen Leuten, die heute in unserer Gemeinde gefirmt werden. Sie haben sich vorbereitet auf diesen Tag. Haben diskutiert über Gott und den Glauben, haben überlegt, was eigentlich christlich ist. Das Motto der Vorbereitung lautet in diesem Jahr: „Trotzdem.“ Trotzdem Firmung. Das zeigt schon: sich firmen zu lassen, das braucht eine klare Haltung und ein bisschen Risikobereitschaft. Denn für viele Jugendliche gilt: Ich lasse mich trotzdem firmen, obwohl ich manchmal so meine Zweifel mit Gott habe, obwohl ich mir nicht sicher bin mit dem Glauben. Und obwohl ich nicht gut finde, dass Frauen in der katholischen Kirche diskriminiert werden.

Mein Sohn hat seine Entscheidung pragmatisch getroffen. Er sagt: „Ich bin mir ziemlich sicher, dass es mehr gibt, als ich mir jemals vorstellen kann. Und deshalb halte ich es für möglich, dass es Gott gibt. Also kann’s nicht schaden, wenn ich ihm eine Chance gebe.“

Ich glaube, genau darin liegt die Stärke der Firmung. Dieses Sakrament verlangt von den jungen Leuten eine besondere Haltung. Und die hilft auch im Alltag. Denn als Gefirmter kann ich mit dem Heiligen Geist rechnen. Das bedeutet: Ich lasse mich also auf etwas ein, dass ich nicht kenne. Ich wage etwas, das auf den ersten Blick verrückt scheint. Ich probiere was aus. Und ich halte es für möglich, dass es Dinge und Situationen gibt, die ich mir nicht vorstellen kann. Für mich ist all das eine wichtige und wertvolle Übung; um in schwierigen Zeiten oder in Krisen die Zuversicht nicht zu verlieren; und um hoffen zu können!

Ich verstehe das Firm-Sakrament auch als einen besonderen Segen. Als Reisesegen - für das Leben, das jetzt vor den jungen Leuten liegt. Daran denke ich, wenn der Bischof auch meinem Sohn heute die Hände auf den Kopf legt und ihn mit seinem Namen anspricht. Er bittet dabei nicht nur um die Kraft des Heiligen Geistes für ihn, er segnet ihn auch. Mit all seinen Begabungen, Wünschen und Träumen.

Von diesem Weggefährten, vom Heiligen Geist etwas ahnen und den Mut haben, ihn mitzunehmen auf die eigene Lebensreise - das wünsche ich allen jungen Leuten, die sich, trotzdem, und gerade in diesen Zeiten firmen lassen!

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SWR3 Gedanken

19MAI2024
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Jeden Morgen radle ich an diesem Plakat vorbei. Man kann es nicht übersehen. Es ist knallblau, hat die Größe eines Bauzauns und in Riesenbuchstaben steht drauf:

Kommt zum Pfingstfest. Gutes Essen, Musik und Freiluftkegeln.

Zum Stichwort „Pfingstfest“ fällt mir noch was anderes ein: Ich denke dran, wie die Freunde von Jesus vor zig Jahren zum ersten Mal den sogenannten „Heiligen Geist“ erlebt haben. Das muss auch ein echtes Fest gewesen sein!

Nur hat das zunächst nicht so Fest-mäßig angefangen. Die Stimmung war erstmal im Keller. Denn die Jüngerinnen und Jünger haben sich ängstlich eingeschlossen, in einem Haus irgendwo in Jerusalem. Keiner weiß, wie es weitergehen soll. Erst stirbt Jesus elendig und dann taucht er doch immer wieder auf. Als Auferstandener. Und dann verabschiedet er sich endgültig. Klar, dass da alle erstmal verunsichert sind.

Aber an Pfingsten ändert sich von jetzt auf gleich alles, und ein Fest beginnt. Auf einmal kommt so eine Art Sturm auf, der die Jünger so richtig wachrüttelt. Wie auch immer das genau passiert ist… laut Bibel war das der Heilige Geist. Aus den ängstlichen Jüngern werden mutige. Und zwar so richtig. Denn sie rennen wie selbstverständlich auf die Straße und erzählen allen, was sie Geniales mit Gott erlebt haben. Sie sind euphorisch und verstehen sich selbst mit Fremden eins zu eins.

Ob es bei dem Pfingstfest, was da an meinem Radweg groß beworben wird, heute auch so zugeht? Vielleicht ähnlich: Im besten Fall verstehen sich da die Leute auch - egal ob von hier oder aus einem anderen Land. Und begeisterte Gesichter gibt es bestimmt auch: Dass man zusammen ist, dass man friedlich und ausgelassen ist und dann natürlich noch die Musik.

Und noch was haben das Pfingstfest von damals und das von heute in meiner Stadt gemeinsam: dass da ein richtig guter Geist weht, wenn Leute es hinkriegen  zusammen was Gutes für alle zu schaffen.

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SWR1 Anstöße sonn- und feiertags

28MAI2023
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Ich bin bei Heike auf der Dachterrasse, irgendwo mitten in Mannheim. Und meine Freundin regt sich tierisch auf. Sie wedelt wild mit ihren Armen, um eine Taube zu vertreiben.

Eigentlich ist Heike gar nicht so, aber jetzt schimpft sie: „Diese ‚Ratten der Lüfte‘. Kleckern alles voll.“

Ich bin auch kein großer Fan von Tauben. Aber heute ist ihr Tag, denn heute ist Pfingsten. Der Feiertag für den Heiligen Geist, und die Taube ist das Symbol für diesen Heiligen Geist oder anders gesagt, für die Kraft Gottes. Heute feiern Christen, dass Gott den Menschen seinen Geist schickt – als Beistand und treuen Begleiter in allen Lebenslagen. 

Tauben sind treue Tiere. Es heißt, dass sie ein Leben lang mit ihrem Partner zusammenbleiben. Deshalb sind schön gepflegte weiße Tauben auch bei Hochzeiten so beliebt. Ich finde das kitschig, aber es steckt etwas Schönes dahinter. Die Tauben erinnern mich daran, dass auch Gott treu ist. Weil Gott auch dann da bleibt, wenn es mir nicht gut geht und es in meinen Beziehungen schwierig wird.

Aber Tauben sind nicht nur treu. Züchter schwören darauf, dass Tauben auch besonders zuverlässig sind. Man denke nur an die Brieftauben. Und sogar in Grimms Märchen kommen sie vor: bei Aschenputtel zum Beispiel. Da werden zwei Tauben zu echten Seelentrösterinnen.

Und auch in der Bibel haben Tauben eine positive Rolle. Eine Taube bringt Noah den Ölzweig als Zeichen dafür, dass die Sintflut vorbei ist. Und im alten großen Liebeslied der Bibel, im Hohelied der Liebe, vergleicht der junge Mann seine Geliebte mit einer Taube, weil sie so schön ist. Und noch ein Beispiel aus der Bibel: als Jesus getauft wird, da heißt es: „er sah den Geist Gottes wie eine Taube auf sich herabkommen“[1].  

Die Tauben sagen mir viel über Gott. Die schönen weißen Tauben der Taubenzüchter und die grauen schmutzigen Tauben, die in der Stadt überall sein können. 

Die Taube trägt gewissermaßen Gottes Geist durch die Luft und in die Welt. Und sie trägt ihn an alle Orte, egal wie schön oder hässlich, dreckig oder ungemütlich es dort zugeht.  

Das ist mir wichtig in meinem Glauben: dass Gott da ist, überall. Mit Gott geht es nicht darum, dass alles immer nur hübsch oder sauber aussieht oder ich mir die Welt schönrede.

Heute feiere ich, dass Gott als Beistand überall dabei ist. Auch im Dreck, im Müll oder auf der Straße. Gott schickt seinen Beistand oder seine Seelentröster ganz zuverlässig und treu überall hin, auch dorthin, wo Tauben sind. 

 

[1] Mt 3, 16.

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SWR3 Gedanken

28MAI2023
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Sie hatten ihren Chef verloren. Ihren Freund. Ihren Inspirator. Den, der scheinbar immer Rat wusste. Und der eine klare Idee davon hatte, wie es weitergehen könnte. Wie die Zukunft aussehen sollte. Eine gute, gerechte, friedvolle Zukunft. Nicht immer haben sie ihn verstanden. Aber er hat sie gepackt. Mit seinen Ideen. Mit seiner Zuversicht. Hat sie begeistert. Und Hoffnung gemacht. Das doch noch alles anders werden könnte. Das es eine Lösung geben würde. Und jetzt - war er plötzlich weg. Zunächst ein Schock. Was sollte werden? Irgendwie verwirrt fühlten sie sich. Und ein bisschen wütend. Im Stich gelassen. – Jesus und seine Jüngerinnen und Jünger. Eine ganz besondere Geschichte. Eine besondere Freundschaft… Und die Himmelfahrt Jesu ein schwieriger Abschied. Hat er sie doch zurückgelassen – sie, auf der Erde, mitten in der Welt. Er im Himmel. Hoch oben, weit weg. Sohn Gottes. -  Aber – es musste weitergehen. Es braucht einen neuen Plan. Erste, zögerliche Schritte, erste Treffen in der Zeit danach… doch so richtig zündete das alles noch nicht. Und dann: Ein gewaltiges Brausen vom Himmel. Wie eine neue Idee, eine Euphorie, die durch einen hindurchfährt. Wie ein Geistesblitz, der einen erfasst und packt. Mit Begeisterung. Und Stärkung. Und Klarheit. An Pfingsten.

Und sie verstanden auf einmal, was sie tun konnten: Das was Jesus ihnen gesagt hatte, weitererzählen. Die Hoffnung, die sie dabei empfunden haben, weitertragen. Sich selbst einzusetzen für die gerechte, friedfertige Welt. Andere anstecken mit ihren Ideen. Und sie gleichzeitig mit ihrer Begeisterung und Freude nicht zu überfordern. Sondern sich ganz auf sie einzulassen. Damit sie verstehen - und verstanden würden. Im Namen Gottes. Der immer bei ihnen sein würde, im Himmel und auf Erden, jetzt, und bis an das Ende aller Tage und Zeiten. Was für ein Plan.

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