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SWR1 3vor8

Ich bin Peter Kottlorz von der Katholischen Kirche. Einen schönen guten Morgen!
In einem Stuttgarter Kino vor 3 Wochen: als der Film vorbei ist kommen der Regisseur und der Hauptdarsteller in den Raum und stellen sich vor die Leinwand. Nach und nach erheben sich alle Zuschauer, klatschen stehend Beifall, nicht wenige mit Tränen in den Augen. Sie klatschen für den Dokumentarfilm das Herz von Jenin.
Der Film beschreibt die wahre Geschichte von Ismael Khatip. Einem Palästinenser, der im Flüchtlingslager Jenin lebt. Seinem 12jährigen Sohn Achmed wird von einem israelischen Soldaten in den Kopf geschossen – aus Versehen, weil er mit einem Plastikgewehr gespielt hat. Achmed ist hirntot. Sein Vater Ismael wird im Krankenhaus gefragt ob er sich vorstellen könne seinen Sohn zur Organspende freizugeben. Nach langem Nachdenken und nachdem er mit seiner Frau, politischen Führern und religiösen Autoritäten der Palästinenser gesprochen hat, sagt er ja. Die Organe seines toten Sohnes sollen anderen Kindern das Leben ermöglichen. Egal welchen Glaubens, also auch jüdischen.
6 Kinder erhalten lebenswichtige Organe. Nach 2 Jahren begibt sich Achmeds Vater auf eine Reise durch Israel und besucht 3 drei der 6 Kinder. Dabei macht er so schöne wie schmerzliche Erfahrungen in einem von Unfrieden gezeichneten Land.
Heute ist Pfingsten, das Fest an dem Christen den Geist Gottes feiern. Den Geist der weht wo er will, der Mauern durchbricht und Grenzen überschreitet. Grenzen von Nationen und Religionen. Die Geschichte von Ismael Khatip ist für mich ein Zeichen dafür, dass es diesen lebensspendenden Geist Gottes gibt und dass er wirksam ist. Überall.
Der Palästinenser Ismael Khatip hatte jahrelang gegen die Israelis gekämpft, war mehrfach im Gefängnis. Im Angesicht seines toten Sohnes hätte er die Schraube des Hasses und der Gewalt bis zum Anschlag weiter drehen können.
Aber was auch immer ihn im tiefsten Grunde seines Herzens bewogen hat genau das nicht zu tun, es war so unerwartet, so groß und so außergewöhnlich, dass es das Leben Anderer im Innersten bewegt. Ganz konkret das Leben der Kinder die durch die Organspende leben können. Bewegung hat er auch in die furchtbar schwierigen Friedensbemühungen in Palästina gebracht. Dort leitet er jetzt ein Kulturzentrum für junge Menschen. Und bewegt hat er 400 Menschen in einem Stuttgarter Kino. Die ihm, dem ernsten, stillen und bescheidenen Mann stehend Beifall klatschen. Tief berührt von einem Geist der sie spüren lässt, dass scheinbar Unmögliches möglich ist.
Ein schönes Pfingstfest wünsch ich Ihnen! https://www.kirche-im-swr.de/?m=6121
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SWR1 Begegnungen

Wolf-Dieter Steinmann trifft Günter IhleGünter Ihle, Pfarrer in der dt.-frz. Grenzstadt Kehl

Kirchen an der Grenze, die keine mehr ist

Zwischen Kehl und Straßburg ist die Grenze keine Grenze mehr. 4 Brücken, dicht beieinander, verbinden Kehl und Straßburg auf der französischen Rheinseite. In 10 Minuten sind Günter Ihle und ich zu Fuß drüben. Pausenlos überqueren Autos, Eisenbahn und Tram die Grenze, die keine mehr zu sein scheint. Auch als evangelischer Pfarrer mag Günter Ihle dieses Miteinander und lebt es.

Es wird hier in unserer Fußgängerzone selbstverständlich französisch gesprochen. Wir hören das. Wir haben da schon ein anderes Flair als manch andere Städte in Baden.

Vor 2 Generationen war das anders. Ich bin auch noch mit Geschichten aufgewachsen, da war Frankreich fremd, feindlich.
Günter Ihle kannte das auch. Heute ist er mit einer Französin verheiratet. Seine Kinder leben 2-sprachig. Aber er weiß:

Auch in einer deutsch-französischen Beziehung muss man lernen, sich auf unterschiedliche Kulturen und Vorstellungen einzulassen und wenn es nach dem Großvater meiner Frau gegangen wäre, dann wären wir nicht zusammen, der hätte das nicht gewollt.

Viele Franzosen wohnen heute in Kehl. Und die Kirchen wollen das Miteinander mitgestalten: Auf Straßburger Seite entsteht gerade ein neues Viertel für 20000 Menschen. Eine Herausforderung. Die Elsässer Evangelischen haben in Baden angeklopft.

Es war ein Anliegen erst mal der französischen Seite, dass wir schauen, wie wir diese Menschen auch kirchlich begleiten und da diese Grenze keine Grenze mehr ist, war auch von vornherein klar, dass wir das gemeinsam machen sollten.
Es ist schon mal genial und einmalig in der Zusammenarbeit unserer beiden Kirchen, dass wir jetzt so eine pastorale Arbeit gemeinsam verantworten. Pfarrerin van der Keere und ich jeweils mit einem entsprechenden Stellenanteil.

Sie wollen keine „feste“ Gemeinde gründen, sondern neues probieren. Einen ersten Anlaufpunkt gibt es schon: „Die Kapelle der Begegnung“ (chapelle de rencontre); die kleine alte Kirche: lag im Dornröschenschlaf. Ist bisschen heruntergekommen. Günter Ihle hofft, dass da Neues wächst.

Zum einen, wir wollen Menschen begegnen, nicht nur im kirchlichen Kontext, wahrnehmen, was sie bewegt, welche Sorgen, Nöte aber auch Hoffnungen sie haben. Und umgekehrt wollen wir auch Begegnung ermöglichen zwischen Kirche und Kunst. Die zweite Achse zB. Dass eine deutsche und ne französische Taizégruppe ein gemeinsames Taizégebet halten. Und  wir geben Möglichkeit zu neuen spirituellen Erfahrungen. Und das andere ist, dass wir natürlich im Blick haben die Kinder und Jugendlichen in diesem Viertel.

Sie verstecken dabei nicht, dass sie Kirche sind. Aber sind offen für jede. Nicht missionieren, den Menschen in christlichem Geist begegnen. Sie wollen mithelfen, dass aus dem nicht einfachen Viertel was Gutes wird.

Und natürlich diese Botschaft der Hoffnung, die wir auch in ein Stadtviertel hineintragen, das auch sehr prekär ist und da ist die interessante Erfahrung, dass wir gerade auch bei nichtkirchlichen Partnern offen empfangen werden.

Neuland entdecken

Wenn ich so unbekanntes Neuland betreten müsste wie Günter Ihle, mir würde das zusetzen. Er ist Pfarrer in Kehl am Rhein. Seine Stadt wächst zusammen mit Straßburg. Ein deutsch- französischer Lebensraum entsteht. Das fordert ihn. Zusammen mit seiner evangelischen Kollegin in Straßburg erfindet er neu, wie Kirche da sein kann für Menschen in einem Stadtviertel, das gerade neu entsteht für 20000 Leute.

Einerseits bin ich ganz glücklich und happy, was wir erreicht haben, aber vor so einem unentdeckten Land zu stehen, das macht natürlich auch unruhig.

Was kann einem helfen in so einer Situation, dass einem das Neue nicht über den Kopf wächst. Ich glaube, bei Günter Ihle kommen mehrere Dinge zusammen. Zum einen: Sein Glaube motiviert ihn, was zu bewegen für die Menschen. Und er macht ihn offen und neugierig.

Wir sind alle Kinder Gottes, wir machen keine Unterschiede egal welcher Herkunft, welcher Sprache, welcher Religion sie sind. Und ich seh als Leitbild für mich auch das Bild vom wandernden Gottesvolk, wo deutlich wird, dass wir Freud und Leid miteinander teilen, auf dem Weg des Reiches Gottes und da vielleicht auch schon Momente davon erleben. Das macht mir Zuversicht, auch wenn ich nicht immer weiß, wohin der Weg führt.

Als Zweites. Sie fangen ein neues Projekt an, aber es hilft, sich klar zu machen: „Nicht bei null. Wir bauen auf auf guten Erfahrungen“. Und die prägen den Geist zwischen den Kirchen am Rhein.

Dieser Geist hängt natürlich auch zusammen mit Versöhnungsarbeit, die die Kirchen hier schon seit Jahrzehnten leisten. Auf diesem Boden ist jetzt etwas gewachsen, was weitergeht. Das wird natürlich schon geschätzt, dass wir so etwas hineingetragen als Hoffnungsträger auch.

Und das dritte: das Ziel, das einen lockt. Einstehen für Versöhnung auch im All- täglichen. Er ist sicher, dass sich dafür der Einsatz lohnt.

Wir können hier Erfolgsgeschichten erzählen, wir müssen aber auch sagen, wie schwierig es ist, eben auch den Alltag der Versöhnung zu leben und zu gestalten, gerade auch im grenzüberschreitenden Miteinander, um deutlich zu machen: Ja, auch das weitere Leben aus der Versöhnung ist möglich und entscheidend wichtig.

Und auch das Miteinander tut gut. Die Evangelischen sind in Frankreich eine kleine Minderheit. Aber sie bringen damit Erfahrungen ein, von denen Günter Ihle profitiert.

Ganz grundsätzlich zu lernen, Minderheiten zu respektieren und ernst zu nehmen. Und natürlich, wenn Kirche immer weniger selbstverständlich ist, in der Gesellschaft entsprechend aufzutreten, auch mit den geringeren Ressourcen etwas zu erreichen.

Kehl-Straßburg, das ist „Europa im Kleinen“. Den Frieden, den wir haben, alltäglich mit Leben zu füllen, dazu gehört auch, sich auf Neuland zu wagen. Ich nehme von Günter Ihle und Kehl mit: Wir haben Ressourcen als Menschen und Christ*innen, mit denen das gelingen kann.

Wir haben einen Frieden, der nicht mehr wegzudenken ist. Dass das natürlich für andere fruchtbar gemacht werden kann. Und das ist schon noch meine Hoffnung hier, dass das was wir hier erleben und leben, ausstrahlt und dann auch von beiden Völkern, Deutschen und Franzosen, weitergelebt wird.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=26506
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SWR1 Begegnungen

Elmar Kos ist Professor für Moraltheologie an der Universität Osnabrück. Ich habe ihn in Bramsche, einem Vorort von Osnabrück, besucht, um
mich mit ihm über Pfingsten zu unterhalten. Pfingsten gilt als der Geburtstag der Kirche, weil die Jüngerinnen und Jünger vor
2000 Jahren den Mut fassten, sich zu Christus zu bekennen.
Plötzlich konnten sie Menschen aus anderen Ländern in ihrer
Sprache verstehen. Der Heilige Geist ermuntert die christlichen Kirchen auch heute, das Evangelium immer neu und zeitgemäß zu verkünden. Elmar Kos definiert das Pfingstfest so: 

 

Pfingsten steht für mich für diese Idee, dass die Kirche eigentlich ne barrierefreie Gemeinschaft sein sollte. Das kommt in dem Sprachwunder symbolisch sehr schön zum Ausdruck, wenn plötzlich alle Apostel sich in der jeweiligen Sprache hören und verstehen. So wünsche ich mir auch die Kirche, dass sie bei den Menschen ist und von den Menschen in der jeweiligen Situation verstanden wird.

Eine Kirche, die bei den Menschen ist.  Eine Kirche, die im Auftrag Gottes das Evangelium verkündet. Warum braucht es dazu eine Kirche? 

Die Kirche ist die Form, in der Gott jetzt in unserer Zeit präsent sein will. Er schafft einen Raum, wo sein Geist erfahrbar ist. Erfahrbar zumindest sein sollte als das Heil, das er für uns Menschen gedacht hat. Das finde ich ne schöne Idee und auch nen kritischen Maßstab, an dem die Kirche sich immer wieder messen lassen müsste.  

In der Kirche sollte der Geist Gottes wirken. Ein großes Wort, das Elmar Kos gelassen spricht. Steht doch die Kirche derzeit in keinem guten Ruf. Und doch bleibt der Anspruch, eine besondere Gemeinschaft zu sein. 

Ohne Pfingsten, ohne Geistsendung, ohne die Gabe des Heiligen Geistes, wäre sie ne Institution wie alle anderen gesellschaftlichen Institutionen auch, ein Verein unter Vereinen. (…) Das sollte sie nicht sein. Das bedeutet natürlich auch, dass sie ihre institutionelle Verfasstheit (…) auch als ein Zeichen des Geistes verstehbar machen muss.

Ist das der Fall?, frage ich Elmar Kos in unsrem Gespräch. Kann man sehen, dass die Kirche vom Geist erfüllt ist und so bei den Menschen ist?

Vorsichtig formuliert gibt es noch einiges an Entwicklungspotential. (…) Von der Bevölkerung wird sie eher als Monolith, als fremder Bereich wahrgenommen, der eher für nen inneren Kreis redet und relevant ist. 

Der Heilige Geist steht auch für die Vielfalt in der Kirche. Wie das genau gelingen kann, dazu mehr nach der Musik. 

…und mit Elmar Kos. Der 56-jährige Professor für Theologie lehrt seit 12 Jahren an der Universität Osnabrück.  Er ist in Farndau bei Göppingen großgeworden.  - Pfingsten ist für ihn das Fest des Heiligen Geistes, der die Kirche offen macht für Neues, offen für neue Spielräume in der Verkündigung. Für diese Offenheit gibt es für Elmar Kos einen Namen:

Diese Öffnung, die jetzt wohl durch Papst Franziskus erfolgt, besteht darin, dass er viel mehr Vielfalt zulässt, als er sagt, ich will das jetzt nicht von Rom aus festlegen, sondern ich will hier aufrufen, dass vor Ort Lösungen gefunden werden, die dort von den Menschen verstanden werden, die an anderen Orten eher Irritationen auslösen würden, aber die Offenheit lässt er jetzt zu. Und das ist das, was wir jetzt auch nutzen sollte.

Eine Kirche, die nicht zuerst mit Gesetzen und Normen kommt, sondern den Menschen Ernst nimmt in seiner Größe und in seinen Nöten. Elmar Kos wünscht sich,

 …dass es der Kirche gelingt, Modelle des gelingenden Lebens zu vermitteln, Beispiele zu geben. Nicht im Sinne von Normen, die vorgeschrieben sind, eher Modelle, an denen sich Menschen orientieren können und ihr eigenes Leben führen können.

So kann Pfingsten jeden Tag geschehen. Pfingsten – das Fest steht eher im Schatten von Weihnachten und Ostern, mit denen die meisten Menschen mehr anfangen können als mit dem Pfingstfest.

Das finde ich schade, weil wir mit Pfingsten tatsächlich ein Fest feiern, das uns (…) immer wieder ermuntert, auf die Menschen zuzugehen, verständlich zu reden, so, dass wirklich jeder in seiner Sprache mit uns etwas anfangen kann und uns gleichzeitig zu einem Vorbild macht.

Elmar Kos hat vier Kinder, die beiden Großen sind jetzt außer Haus. Ob und wie die Kirche in der Sprache von heute spricht, das erlebt er in der eigenen Familie.

Das ist das Problem, das ich mit meinen Kindern in der Kirche habe. Die sind natürlich immer artig mit uns in die Kirche gegangen. Aber das Ergebnis war immer, dass sie auf lange Sicht das Gefühl hatten, da ist von uns nicht die Rede.

Da steht die Familie Kos wohl nicht alleine. Der Anspruch, in der Sprache der Menschen von heute zu reden, bleibt bei allen Schwierigkeiten bestehen. Ob er denn schon einmal ein persönliches Pfingsten erlebt habe, frage ich Professor Elmar Kos.

Wenn mir im akademischen Rahmen, in der Auseinandersetzung mit theologischen und philosophischen Fragen, Dinge schlagartig aufgehen, und zwar in einer Art, wo ich denke, das ist jetzt nicht etwas, was ich mir selbst erarbeitet habe – das hat nen Geschenk-Charakter! Das überwältigt mich jetzt! Da denke ich schon, dass man das mit dem Wirken des Heiligen Geistes verbinden kann. 

Der Heilige Geist als Geschenk Gottes an die Kirche. Das ist lange her und bleibt für Elmar Kos immer neu aktuell:

Ich wünsche mir natürlich, dass die Erinnerung an das Ereignis von vor 2000 Jahren dazu führt, dass wir jeden Tag neu uns klar machen, wenn wir Kirche als Geschöpf des Heiligen Geistes verstehen, dann müssten wir auch in der Lage sein, diesen Geist erfahrbar zu machen. 

Kirche – offen für Neues, offen für die Menschen von heute. Das Gespräch mit Elmar Kos hat mir Mut gemacht, als Christ und Theologe daran weiterzuarbeiten.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=22017
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SWR2 Zum Feiertag

Kalle Grundmann von der katholischen Kirche im Gespräch mit Barbara Rudolph, Oberkirchenrätin der Evangelischen Kirche im Rheinland

„Das Pfingstfest ist das Geburtstagsfest der Kirche"

Grundmann

Der Pfingstmontag ist landauf landab ein Tag, an dem es in vielen Städten und Dörfern ökumenische Gottesdienste gibt. Frau Rudolph, Sie sind in der Evangelischen Kirche im Rheinland zuständig für Fragen der Ökumene, warum ist das so?

Rudolph

Das Pfingstfest ist das Geburtstagsfest der Kirche. Und alle Kirchen weltweit feiern dort Geburtstag und da ist es sinnvoll, wenn man es mit den andern Kirchen am Ort gemeinsam tut.

Grundmann

Das Pfingstfest ist das Geburtstagsfest der Kirche, wie kann man das verstehen?

Rudolph

Es ist 50 Tage nach Ostern und das ist der Tag, an dem der Heilige Geist zu den Jüngern kam. Sie waren in der Zeit zwischen Ostern und dem Pfingstfest auf sich selbst gestellt. Jesus hat sie von Zeit zu Zeit gesehen. Aber am Pfingstfest bekamen sie den Heiligen Geist, das heißt den Geist Jesu. Und wie er sind sie ab dann losgezogen in die Welt und haben die Taten Gottes und die Erfahrung, die sie mit Gott gemacht haben, weitergegeben.

„Was uns verbindet, ist weltweit mehr als das, was uns trennt."

Grundmann

Wieso ist das jetzt ein Anlass, insbesondere der Ökumene zu gedenken?

Rudolph

An diesem Pfingstfest wird erzählt, das Petrus eine Predigt gehalten hat und die hat 3000 Menschen so überzeugt, dass sie sich gleich haben taufen lassen. Die erste Gemeinde dieser Welt, die erste christliche Gemeinde. Und seitdem denken alle Kirchen an diesem Tag als ihren Geburtstag und wissen, dass bei allen Trennungen, die wir haben, bei allen Unterschieden und bei allen Traditionen, die verschieden sind, es die eine Kirche ist, die wir an diesem Tag feiern. Und dass das, was uns verbindet, weltweit mehr ist als das, was uns trennt. Und das wollen wir zeigen in Gottesdiensten.

Grundmann

Die Situation der Ökumene in Deutschland ist ja im Moment - ja man hat das Gefühl - in den Hintergrund getreten. Es gab 2003 den ersten Ökumenischen Kirchentag in Berlin, 2010 in München und der nächste soll erst 2019 stattfinden. Man hat den Eindruck, die beiden großen Kirchen scheinen im Moment sehr stark mit sich selbst beschäftigt zu sein. Bei Beiden stehen große Strukturreformen an. Ist die Ökumene im Moment in Deutschland in den Kirchen eher ein Randthema?

Das Reformationsjubiläum 2017 gemeinsam feiern

Rudolph

Ich hab den Eindruck, sie nimmt gerade wieder Fahrt auf. Also zwischendurch muss man feiern. Das war so 2003 und 2010 bei den großen ökumenischen Kirchentagen. Jetzt habe ich den Eindruck, es wird richtig konstruktiv miteinander gearbeitet. In der Vorbereitung des Reformationsjubiläums 2017 fangen die Bistümer hier in der Evangelischen Kirche im Rheinland zum Beispiel an uns zu fragen, wie wollt ihr das dann mit uns feiern?

Grundmann

Die katholischen?

Rudolph

Die katholischen Bistümer fragen, wie wollt ihr das denn mit uns feiern? Wir wollen mit feiern, zeigt uns mal den Platz. So dass wir mit unserer römisch-katholischen Tradition auch dort vorkommen. Und da arbeiten wir richtig dran. Das ist nämlich gar nicht einfach, sich das zu überlegen, wie man das miteinander feiert, aber so dass das evangelische Profil auch deutlich wird aber die Katholiken sich auch zuhause fühlen. Also da gibt es richtig viel Arbeit im Hintergrund. Und ich denke irgendwann wird das auch deutlich werden.

Und bei den Strukturen gibt es was ganz Spannendes. Die katholische Kirche lädt uns ein, auf ihre Strukturen mit zu achten und zu beraten und umgekehrt haben wir vor, auch die katholische Kirche einzuladen und bei uns mit drauf zuschauen.

Grundmann

Sie sprachen gerade das große Reformationsjubiläum an - 2017: fünfhundert Jahre Reformation. Wenn's da um gemeinsames Feiern geht, in welche Richtung kann das dann gehen, wenn die Katholiken mitfeiern?

Rudolph

Die große Entwicklung der Reformation war die Bibel und war dass Jesus Christus alles für uns getan hat und wir nichts dafür tun müssen, um in den Himmel zukommen oder nicht in die Hölle zukommen. Das war ja die große Angst, die in dieser Zeit beherrschend war, für die Martin Luther auch steht. Und zur selben Zeit wo wir uns auf das Reformationsjubiläum vorbereiten, feiert die römisch-katholische Kirche das Jubiläum des II. Vatikanums und in dessen Mittelpunkt stand wieder die Entdeckung der Bibel. Das heißt, wenn wir uns darauf konzentrieren, dass wir in der Bibel Jesus Christus entdecken und das miteinander feiern sind wir - glaube ich - an ganz vielen Stellen viel näher als wir das manchmal so im Alltag miteinander empfinden.

Bedeutung der „kleinen Kirchen" für die Ökumene

Grundmann

Nun ist aber Ökumene mehr als die Zusammenarbeit von römisch-katholischer Bistümer und evangelischer Landeskirchen, sondern es gibt ja auch noch eine ganze Reihe von kleineren Kirchen, auch orthodoxe Christen leben in Deutschland. Welche Rolle spielen diese Kirchen im Prozess der Ökumene?

Rudolph

Eine sehr große. Denn die meisten dieser kleinen Kirchen in Deutschland sind weltweit groß, also zum Beispiel die evangelisch-methodistische Kirche. Das sind dreißig Tausend in Deutschland im Vergleich zu 25 Millionen Katholiken oder 25 Millionen aus der Evangelischen Landeskirche klingt das wenig. Weltweit ist das eine sehr große Kirche, die in den USA, in Afrika, in Asien ganz groß ist. Und das sind in Deutschland auch die Ökumenetreiber. Die kleinen Kirchen drängen die großen mit ihnen zu reden. Und das tut ihnen gut. Bei der Ökumene zur Zeit ist es ganz wichtig, dass wir lernen zum Beispiel von den Orthodoxen, die uns die Verfolgten und Unterdrückten dieser Welt nahe bringen. Noch heute Morgen habe ich eine Email bekommen von einem koptischen Bischof, der mir mitteilt, wie es in Syrien aussieht oder wie es in Ägypten aussieht.

Und die Freikirchen sind für uns ganz wichtig, wenn es darum geht auch zu gucken, wie wir die Reformation so feiern, dass die kleinen Kirchen mit im Boot sind. Im wahrsten Sinne des Wortes und im übertragenen Sinne des Wortes.

Gemeinschaft der Religionen

Grundmann

Ökumene bedeutet ja wörtlich die bewohnte Erde, es geht also um die Verantwortung für den ganzen Erdkreis und für alle Menschen. Gibt es auch so etwas wie eine Ökumene der Religionen, also insbesondere natürlich auch der abrahamitischen Religionen, also sprich Juden, Christen und Muslimen?

Rudolph

Ich selber nenne das nicht Ökumene, weil die Ökumene nach der Definition - auch des ökumenischen Rates der Kirchen - im Mittelpunkt den gemeinsamen Glauben an Jesus Christus hat. Das geht mit anderen Religionen nicht. Aber eine Gemeinschaft der Religionen, die sehe ich sehr wohl. So wie wir ernsthaft an Gott glauben, der uns in Jesus Christus eben deutlich geworden ist, so entdecke ich bei Muslimen, bei Juden, auch bei Buddhisten, die es in diesem Land viel gibt, eine große Ernsthaftigkeit und das verbindet uns sehr miteinander. Wir haben eine ganz intensive Beziehung zu den Juden, mit denen wir in der Tat an den einen Gott glauben. Auch wenn uns die Frage, wer Jesus Christus ist, trennt. Wir haben hervorragende gemeinsame Traditionen mit den Muslimen. Und wir als Kirche legen großen Wert darauf, die Stärke dieser Religionen auch wach zu halten. Weil sie heutzutage auch so missbraucht werden. Aber ein Islamist ist eben nicht ein Moslem. Und deswegen suchen wir das Gespräch mit den Muslimen in unserem Land.

Grundmann 

Welchen Beitrag kann denn so eine Gemeinschaft der Religionen zum Frieden und zur Frage der Gerechtigkeit in der Welt leisten?

Rudolph

Religionen und auch Konfessionen kommen nur miteinander weiter, wenn sie nicht über einander reden, sondern miteinander reden und miteinander arbeiten. Also ein kleines Beispiel: Wenn in Köln zum Beispiel in einem Viertel, in dem viele verschiedene Menschen aus verschiedenen Kulturen und Religionen zusammen leben, zusammen einen Spielplatz gestalten auf einer etwas heruntergekommenen Grünfläche. Und dort haben sie zum Beispiel eine Wippe aufgestellt und sagen: Wenn das Verhältnis der Religionen in der Waage ist, wenn man miteinander im Gespräch ist, miteinander kommuniziert wie auf einer Wippe, dann sind wir ein Stück weiter. Also miteinander arbeiten in diesem Land. Es braucht die Kräfte aller Menschen, die guten Willens sind. Und Religionen haben immer den Blick über den Horizont hinaus. Also nicht nur das, was man sieht, sondern auch das, was man erhofft. Und dazu können sie sehr viel beitragen in diesem Land.

„Miteinander etwas tun für diese Welt"

Grundmann

Frau Rudolph ganz kurz zum Abschluss. Ich frag mal so: Ökumene. Was erhoffen sie sich an Fortschritten in der Ökumene der christlichen Kirchen hier in Deutschland ich sag mal so für die nächsten 10 Jahre?

Rudolph

Ich habe den Eindruck, dass der neue Papst in Rom ein Papst ist, der in den Mittelpunkt stellt den Einsatz für Gerechtigkeit und Armut. Ich hoffe, dass wir nicht so sehr einander über komplizierte Strukturfragen sprechen oder über Fragen, an denen wir nicht weiterkommen, sondern miteinander etwas tun für diese Welt, dass die Armen mehr Gerechtigkeit bekommen und die Reichen dadurch auch ein Stückchen glücklicher werden.

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SWR3 Worte

Das heutige Pfingstfest geht zurück auf eine Geschichte in der Bibel. Mit den verängstigten Jüngern Jesu passierte damals Erstaunliches.

Als der Pfingsttag gekommen war, befanden sich alle (Jünger) am gleichen Ort. Da kam plötzlich vom Himmel her ein Brausen, wie wenn ein heftiger Sturm daher fährt, und erfüllte das ganze Haus, in dem sie waren. Und es erschienen ihnen Zungen wie von Feuer, die sich verteilten. Alle wurden mit dem Heiligen Geist erfüllt und begannen, in fremden Sprachen zu reden, wie es der Geist ihnen eingab.

In Jerusalem aber wohnten (...) fromme Männer aus allen Völkern unter dem Himmel. Als sich das Getöse erhob, strömte die Menge zusammen und war ganz bestürzt; denn jeder hörte sie in seiner Sprache reden.

Sie gerieten außer sich vor Staunen und sagten: Sind das nicht alles Galiläer, die hier reden? Wieso kann sie jeder von uns in seiner Muttersprache hören? (...) Wir hören sie in unseren Sprachen Gottes große Taten verkünden.

Aus der Apostelgeschichte im Neuen Testament

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SWR3 Worte

Wir sind auf der Suche
nach der Kraft,
die uns aus den Häusern
aus den zu engen Schuhen
und aus den Gräbern treibt.

Aufstehen und
sich dem Leben in die Arme werfen -
nicht erst am jüngsten Tag,
nicht erst, wenn es nichts mehr kostet
und niemandem mehr weh tut....

Dies ist der Tag, den Gott macht.

Uns erwartet das Leben.
Wann, wenn nicht jetzt?

Jutta Sutter- Rehmann
Aus:  Sich dem Leben in die Arme werfen. Auferstehungserfahrungen

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SWR3 Worte

Ein Gedicht zum morgigen Pfingstfest von Andreas Knapp: 

was wir wirklich empfinden
wir können es nicht sagen
die zungen würden uns brechen 

manchmal aber wie vom himmel gefallen
geistesgegenwärtiges verstehen
ich kann dein inneres betreten 

alle sprachlosigkeit findet ein ende
es brennt auf der zunge
ich finde mein wort 

simultanübersetzung unserer gefühle
es liegt jemand in der luft
der zur liebe bestürmt

(Quelle: Knapp, Andreas, Höher als der Himmel, Göttliche Gedichte von Andreas Knapp, echter Verlag 2010, S. 45.)

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SWR2 Lied zum Sonntag

31MAI2020
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Wir leben in Zeiten, wo man nicht immer weiß, woher der Wind weht. Die einen sagen so, die anderen so. Und nicht selten reden alle heillos durcheinander. Wir erleben es gerade bei der Corona-Pandemie.
Aber etwas Neues ist das nicht! An zwei Stellen der Bibel wird ein solches Durcheinander- und oft auch Gegeneinanderreden exemplarisch geschildert. In der Geschichte vom Turmbau zu Babel rotten sich Menschen zusammen und wollen sich an die Stelle Gottes setzen. Sie stürzen dabei in eine heillose sprachliche Verwirrung. Das andere Mal ist Pfingsten. In der biblischen Geschichte vom Pfingstwunder geschieht genau das Umgekehrte. Einander fremde Menschen, die aus allen Himmelsrichtungen zusammengekommen waren, erleben, dass man einander verstehen kann.

Heilger Geist ins Himmels Throne,
Gleicher Gott von Ewigkeit
Mit dem Vater und dem Sohne,
Der Betrübten Trost und Freud!
Allen Glauben, den ich find,
Hast du in mir angezündt,
Über mir in Gnaden walte,
Ferner deine Gnad erhalte.

Wo Gottes Geist weht, verstehen Menschen einander. „Heilger Geist ins Himmels Throne, gleicher Gott von Ewigkeit, mit dem Vater und dem Sohne, der Betrübten Trost und Freud! Allen Glauben, den ich find, hast du in mir angezündt.“

So hat es der Chor gesungen. Es ist der Choral aus der Bach-Kantate „Höchsterwünschtes Freudenfest“. Aufgeführt in der Pfingstzeit des Jahres 1724 in Leipzig. Ja, Pfingsten ist ein „höchsterwünschtes Freudenfest“, weil da ein neuer Wind weht, ein neuer Geist. Das trostlose „Ja, hört mich denn keiner? Ja, versteht mich denn niemand?“ ist vorbei.
Ich bin überzeugt, Pfingsten ist ein notwendiges Fest! Gerade in Zeiten von Fake-News, wo aus allen Ecken alles Mögliche bläst, Wahres und Falsches und Vermischtes.

An Pfingsten macht Gott der Sprachverwirrung und dem Riss in unserer Kommunikation ein Ende. Und schenkt seinen heiligen Geist, so dass gegenseitiges Verstehen wächst. Und Gemeinschaft. Und ich spüren kann: da bewegt ein anderer, ein guter Geist die Menschen.
Um diesen Geist zu bitten, dazu lädt uns dieses Lied ein, dass er mich wissen und spüren lasse, woher der Wind weht! Dass er mir Orientierung schenke in diesen aufgeregten Zeiten! Dass er den Ewigkeitsfunken in mir aufglühen lasse! Und ich erfahre, zu welchem Ziel ich unterwegs bin.

Deine Hilfe zu mir sende,
O du edler Herzensgast!
Und das gute Werk vollende,
Das du angefangen hast.
Blas in mir das Fünklein auf,
Bis daß nach vollbrachtem Lauf
Ich den Auserwählten gleiche
Und des Glaubens Ziel erreiche
.

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„Heilger Geist ins Himmelsthrone“, aus der Kantate „Höchsterwünschtes Freudenfest“, Track 12 aus CD2 : „BWV 194, J.S.Bach, Die kompletten Werke, 2000 Hänssler Classic

https://www.kirche-im-swr.de/?m=31003
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SWR2 Zum Feiertag

Maria Meesters im Gespräch mit Prof. Hans-Joachim Sander, Salzburg  

Pfingsten. Die Jünger Jesu haben sich in einem Haus verkrochen.
Plötzlich stürmt es da drin, es tauchen Feuerzungen auf, und auf einmal werden die Jünger mutig. Sie predigen, finden die richtigen Worte; und viele Menschen verschiedener Nationalität werden spontan Christen.

Ich spreche über dieses Ereignis mit Hans-Joachim Sander. Er ist katholischer Theologe und Professor für Dogmatik in Salzburg, und das Verhältnis der Kirche zur übrigen Welt ist schon lange eines seiner Arbeitsthemen.

 

Herr Sander, ganz gleich, wie das damals genau gewesen ist – es hat ja einen Anfang gegeben, den das Neue Testament so beschreibt. Was steckt denn in diesem Anfang an Anregung für heute? 

Es steckt in diesem Anfang die Auferstehung, für die Kirche eigentlich da ist, und zugleich aber auch die Kreuzeserfahrung, von der sie herkommt. Also, man hat ja in den drei großen Festen Weihnachten, Ostern und Pfingsten eine innere Verbindung. Das Ganze geht von Ostern aus. Und der entscheidende Punkt ist, wie bei Ostern, bei den drei heiligen Tagen, die Umschlagserfahrung von der Kreuzigung zur Auferstehung, Bewältigung des Karsamstag, und hier jetzt bei Pfingsten, dass diejenigen, die fürchterliche Angst haben nach der Erfahrung der Kreuzigung, der Auferstehung und der Himmelfahrt - die haben Angst davor, was jetzt alles da geschehen könnte; deswegen sind sie so auf sich bezogen – daß die mit einem Male allen Mut zusammengerafft bekommen, und das kann man nur im Passiven sagen, denn sie haben ihn nicht zusammengerafft, sondern der Geist kam und hat sie hinausgetrieben, und man erfährt in dem Auf-die-Marktplätze-Gehen das, wofür die Auferstehung steht.

In der katholischen Kirche blickt man in diesem Jahr zurück auf das Ende des Zweiten Vatikanischen Konzils vor 50 Jahren, und besonders dabei auf ein Dokument, das damals erarbeitet wurde zum Thema „Kirche in der Welt von heute“ oder „in der Welt dieser Zeit“. Das fängt an mit den Worten: „Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Menschen von heute, besonders der Armen und Bedrängten aller Art, sind auch Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Jünger Christi.“ Was hat dieser Satz mit Pfingsten zu tun?

Er beschreibt Pfingsten in unserer eigenen Gegenwart. Es ist ein Satz, der sich identifiziert als eine Spiritualität. Es ist die Spiritualität der Kirche, die dieses Konzil gemacht hat, und es ist ein Satz, in dem sich die Jünger und Jüngerinnen Christi mit denen identifizieren, mit denen sie gemeinsam in der gleichen Zeit auf dieser Erde leben. Und Pfingsten beschreibt nichts anderes, denn die Jünger, die den Geist empfangen in Form von Feuerzungen, sprechen plötzlich Sprachen, die nicht die ihren sind, aber die die ansprechen, mit denen sie es zu tun haben, und zwar als die Muttersprache derer, die jetzt da auf dem Marktplatz versammelt sind. Und das sind offenbar sehr viele. Das ist ein plurales, multikulturelles, klassisch hellenistisches (Publikum), wir können auch sagen: eine normale Stadterfahrung von heute, und es wird nicht die Sprache der Kirche gesprochen, sondern es werden die Sprachen der Anderen gesprochen, und das sagt dieser erste Satz genau gleich.

Deren Freude und Hoffnung ist unsere Freude und Hoffnung.

Deren Trauer und Angst ist unsere Trauer und Angst.

Also die Sprache der Hoffnung, die Sprache der Angst, die Sprache der Trauer, die Sprache der Freude, die muss man sprechen lernen. Und das ist eine geistige Erfahrung – das ist Pfingsten.

Einerseits ist die Kirche ja damals oder heute nicht herausgehoben, Christen sind nicht anders als andere Menschen auch – andererseits hat die Kirche doch offenbar etwas zu geben, weiterzugeben. Wie verhält sich das zueinander?

Christen, Christinnen sind ganz normale Menschen, aber sie werden ermutigt, über den eigenen Schatten zu springen, und das ist ihr Beitrag. Das heißt: sie können sich und sollen sich – und nach dem Konzil sollen sie es auch wollen – auf Dinge einlassen, die sie überraschen, die sie möglicherweise sogar befremden, und wenn man sich auf das einlässt, also die Sprachen der anderen spricht, wird man etwas erfahren, was man selbst zur Verfügung hat, nämlich den Mut, über den eigenen Schatten zu gehen. Also, es gibt guten Grund für die Kirche, dass sie zu der Botschaft zurückkehrt, die sie eigentlich auf ihrem Rücken zur Verfügung hat. Aber die Sprache dieser Botschaft wird sie von den Menschen her bekommen, mit denen sie es zu tun bekommt, und das ist die Pfingsterfahrung.

Gleichzeitig höre ich da aber etwas von Gegenseitigkeit und davon, dass eben Christen und Christinnen, um sie selber zu werden, die Anderen brauchen.

Ohne die anderen hat man keine Sprache für das Evangelium. Die Kirche kennt den Text des Evangeliums, aber nicht die Sprache, die es braucht, um es zu sprechen.

Das sind die Sprachen der Anderen. Das sind die Sprachen, die der Geist der Kirche eröffnet, weil er sie konfrontiert mit diesen anderen Menschen, denen man nicht ausweichen kann. Deswegen ist diese Wechselseitigkeit eine Gnade.

Sie benutzen im Zusammenhang mit der Frage, wie Gott für uns Menschen präsent wird, häufig ein etwas rätselhaftes Wort, das Wort Andersorte.

Mit dem Fremdwort heißt es Heterotopie. Also nicht Utopie, nicht etwas, das gar keinen Ort hat, das in der Zukunft liegt; sondern etwas, das einen total anderen Ort hat. Was verstehen Sie darunter? 

Andersort ist ein Ort, der da ist, also der ist nicht anders als die anderen Orte. Aber sich diesem Ort auszusetzen, bedeutet, etwas einräumen zu müssen, was einen selbst anfasst. Heterotope sind Orte, die mit bestimmten Diskursen belegt sind, die prekär sind. Die Jünger und Jüngerinnen, die sich auf die Marktplätze wagen, zeigen sich als Leute, die das Evangelium Jesu verkünden, als des Gekreuzigten und Auferstandenen. Sie riskieren ihre Existenz. Das heißt: der Marktplatz ist nicht einfach ein leicht zu nehmender Ort. Man setzt sich aus, man kann dort scheitern, man wird auch scheitern; aber das bedeutet nicht, dass man den Mut verliert.

Und Andersorte heute? Vielleicht ganz konkret in unserem mitteleuropäischen Kontext: 

Ein Andersort, den wir heute erleben und der alle unsere Gesellschaften in Europa erfasst, ist das Mittelmeer. Das Mittelmeer, das „Mare Nostrum“ genannt wurde von den Römern, also

„unser Meer“, zeigt sich mit einem Mal als ein fürchterlicher Friedhof, bei dem viele Migranten auf einer gefährlichen Überfahrt ums Leben kommen. Die die Not haben, ihre Heimat verlassen zu müssen, und die es zum Teil erfahren müssen, dass ihnen statt geholfen wird, dass sie auch noch abgewiesen werden. Wir werden mit etwas konfrontiert, dem wir uns nicht entziehen können. Es ist dasselbe Meer, an dem viele Menschen Urlaub machen, aber dieses Meer hat eine Tiefendimension, die in dieser Andersartigkeit seine Existenz darstellt.

Das ist ein Andersort.

Und die Kunst besteht jetzt für die Kirche darin, in diesen Andersorten zu entdecken, was darin die Gottespräsenz ausmacht.

Und wie finden wir jetzt den Weg zurück zum Thema Pfingsten?

Pfingsten ist die Ermutigung, sich auf einen solchen Ort einzulassen. Weil die, die dort hingehen, nicht wissen, was sie sagen sollen. Aber wenn sie sich dem Marktplatz aussetzen, wird die Feuerzunge sie eine Sprache lehren, die sie selbst gar nicht beherrschen, die sie aber korrekt zur Sprache bringen.

Also sich einem Ort auszusetzen, der einem prekäre Themen zumutet. Der Mut, sich diesem Ort auszusetzen, wird zu einer Ermutigung, eine Sprache zu sprechen, die einen selbst überrascht und die zugleich die Demut voraussetzt, sich von diesem Ort die Themen und die

Sprache geben zu lassen, ohne die man das nicht bewältigen kann.

Und das ist die Pfingsterfahrung, die man heute machen kann.

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SWR4 Sonntags-/Feiertagsgedanken

Haben Sie gestern oder heute etwas geschenkt gekriegt? Wahrscheinlich nicht. Außer Sie haben Geburtstag, aber das gilt jetzt nicht.
Zu Pfingsten hat sich das mit dem Schenken irgendwie nicht eingebürgert. Anders als zu Ostern oder zu Weihnachten. Dabei, warum eigentlich nicht, sich was schenken zu Pfingsten? Jedenfalls wenn man zur Kirche gehört.
Pfingsten ist ja so etwas wie die Geburtstagsfeier der Kirche.
Vor fast 2000 Jahren ist es losgegangen: Die Jünger Jesu sind aus ihrer Mutlosigkeit und Trauer nach dem Tod Jesu aufgewacht, sie haben sich raus getraut zu den Leuten. Sie haben gesagt: Das Lebenswerk Jesu ist nicht zu Ende mit seinem Tod. Im Gegenteil, jetzt geht erst richtig los. Wir machen weiter in seinem Sinn.
Mit seinem Geist: Wir tragen seine Botschaft von der Gerechtigkeit und vom Frieden Gottes weiter und wir gründen eine Gemeinschaft, wo man diese Gerechtigkeit und den Frieden Gottes auch sehen kann und erleben. Wenigstens etwas davon.
Dieses Lebenswerk Jesu tragen Freunde und Freundinnen Jesu jetzt schon 2000 Jahren weiter. Immer noch und immer neu. Eigentlich ein guter und schöner Grund, Kirchengeburtstag an Pfingsten zu feiern.
Und ich finde, es wäre darum auch nicht verkehrt sich an Pfingsten auch gegenseitig was zu schenken. Denn wenn die Kirche als Ganze Geburtstag hat, dann auch jeder Christ und jede Christin, ein bisschen zumindest.
Irgendwie kann ich mich als einzelner Christ zu Pfingsten fühlen, wie die Einwohner von Karlsruhe in diesem Jahr:
Die Stadt hat auch Geburtstag. Dabei hat kein Karlsruher von heute die Gründung seiner Stadt vor 300 Jahren persönlich miterlebt. Aber hindert das irgendeinen daran, den Stadtgeburtstag auch persönlich zu feiern? Nein, viele haben Lust auf Fest. Gönnen sich viele Veranstaltungen, quasi als Geschenk.
Also warum nicht dasselbe zu Pfingsten in der Kirche?
Vielleicht ist das ja das schönste Geschenk: Dass Christen heute das spüren und sich zu Herzen gehen lassen: Ich gehöre zu einer weltweiten Gemeinschaft. Zu einer Kirche. Egal ob evangelisch, katholisch, orthodox oder freikirchlich. Für Gott und Jesus gibt es nur eine Kirche. Wir Menschen haben daraus viele gemacht. Aber ich bin ein Teil von etwas Großem: Als Evangelischer in Ettlingen bin ich verbunden mit Katholiken in San Francisco, Orthodoxen in St. Petersburg, genauso wie mit Christen im Irak und in Syrien, die es gerade richtig schwer haben. Gemeinsam können wir das Lebenswerk Jesu weitertragen. Auch 2000 Jahre nach ihm noch . Wenn das kein Grund zum Feiern ist.
Aber hat man auch persönlich was von Pfingsten? Als Einzelner. Oder ist Pfingsten nur was fürs große Ganze der Kirche.
Ich glaube ja, man kann dieses Fest auch ganz für sich spüren. Und sich persönlich beschenkt fühlen von Gott. Inspiriert fürs Leben. Wenn man erlebt, wie gut es tut, wenn man glauben kann und vertrauen.
Kurz, wenn einem so was Ähnliches passiert wie dem Petrus damals, noch zu Lebzeiten von Jesus. Die Bibel erzählt Folgendes:
Jesus hat sich mit seinen Freunden ein bisschen zurückgezogen. Ich glaube, er wollte mal in Ruhe mit ihnen reden, ohne viele Leute. Manchmal muss es bei ihm zugegangen sein wie einer Arztpraxis mitten in der schlimmsten Grippewelle. Jetzt können sie mal reden, was sie berührt.
Jesus fragt seine Freunde:
‚Was denken eigentlich die Menschen, wer ich bin? Was erwarten sie Eurer Meinung nach von mir?‘ So ganz verstehen die Jünger nicht, warum er das wissen will.
Aber dann sagen sie, was sie gehört haben von den Leuten.
„Für die einen bist Du wohl so etwas wie ein Arzt. Der sich immer auch intensiv um die Seele kümmert, nicht nur um die körperlichen Probleme. Sie erhoffen sich, dass sie gesund werden. Gesundheit ist das Wichtigste für viele.
Andere sehen in Dir einen Propheten, haben die Jünger damals gesagt. Einen in der Reihe mit den großen Alten. Die kein Blatt vor den Mund genommen haben. Auch nicht vor Königen. Für viele bist Du glaubwürdig: Sie wissen, dass Dir die einfachen Leute wichtiger sind als die Mächtigen. Und sie hoffen, dass Du Erfolg hast.“ Jesus hört zu. Widerspricht nicht. Wenn Menschen begreifen, dass ihm das Wohl der Kinder, der Armen und der Frauen am Herzen liegt. Für Jesus ist das ok.
Und dann wird er persönlich:
„Und was glaubt ihr, wer ich bin?“ Seine Freunde gucken sich verlegen an. Bis Petrus ganz überzeugt sagt: „Du bist Christus. Seit ich Dir begegnet bin, weiß ich, dass es Gott gibt und dass nichts auf der Welt mich von ihm trennen kann. Und Du, Jesus, Du hast Gott ein Gesicht gegeben, mir.“
Jesus nickt und sagt: ‚Nicht wahr, das ist Glück, dass Du das glauben kannst. Von allein kann das niemand. Das ist ein Geschenk, das einen durchs ganze Leben tragen kann. Auch wenn es schwer wird.“
Soweit die Geschichte aus der Bibel. Meine eigene Erfahrung ist so ähnlich: Wenn ich glauben kann wie Petrus, dass Gott bei mir ist, egal was passiert. Das ist ein echtes Pfingstgeschenk. In diesem Sinn  einen schönen Feiertag und eine gute Woche.

Matthäus 16

13 Jesus kam in die Gegend von Cäsarea Philippi.
Er fragte seine Jünger:
»Für wen halten die Leute eigentlich den Menschensohn?«
14 Sie antworteten:
»Manche halten dich für Johannes den Täufer, andere für Elija, und wieder andere für Jeremia oder einen der Propheten.«
15 Da sagte Jesus zu ihnen:
»Und für wen haltet ihr mich?«
16 Simon Petrus antwortete ihm: »Du bist der Christus, der Sohn des lebendigen Gottes!«
17 Jesus sagte zu ihm:
»Glückselig bist du, Simon, Sohn des Johannes!
Diese Erkenntnis hast du nicht aus dir selbst – sondern von meinem Vater im Himmel.

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