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SWR4 Abendgedanken RP

„Singt ein neues Lied dem Herrn“, heißt ein Lied im Gotteslob, dem Katholischen Gesangbuch. Und damit das mit dem neuen Lied auch klappt, soll nach über dreißig Jahren ein neues Gebet- und Gesangbuch herausgegeben werden. Auch das ist neu: die Kirchengemeinden dürfen mitarbeiten an diesem neuen Buch. Im heutigen Blickpunkt verfolgen wir den Beginn dieses ehrgeizigen Projekts.

Teil I

Gau-Algesheim hat es gut. Die Katholische Gemeinde Sankt Cosmas und Damian hat nämlich einen erfahrenen Kirchenchor. Und deshalb kann die Gemeinde schon mal testen, was vielleicht schon bald bundesweit in katholischen Kirchen im Advent gesungen wird: Zum Beispiel „Tochter Zion“
Tochter Zion hat zwar schon mehrere hundert Jahre auf dem Buckel, aber trotzdem war es nicht drin im alten Gesangbuch. Und vierstimmig schon gar nicht. Neue Töne in der Katholischen Kirche – nach über dreißig Jahren soll es ein neues Gesangbuch geben. Neue Lieder, das heißt auch: zeitgemäße Stücke, beliebte Taize-Gesänge und mehrstimmige Lieder. Sie sollen ab jetzt bis nächstes Jahr Pfingsten getestet. „Unsere Besten“ aus 2000 Liedern sozusagen. Für diesen Testlauf wurden bundesweit cirka 180 Gemeinden ausgewählt, städtische und ländliche Gemeinden, mit oder ohne Kirchenchor, der ganz normale Durchschnitt eben. Sankt Cosmas und Damian in Gau-Algesheim gehört auch dazu. Der Vorsitzende des Christian-Erbach-Chores Benno Neuhaus erklärt, wie die ganze Gemeinde bei diesem Testlauf mitmacht:

Das immer kleine Elemente schon mal mit reingenommen werden, dass man auch immer rückfragt, wie das denn bei den Menschen ankommt und dann so peu a peu Dinge ersetzt, bis wir dann tatsächlich irgendwann auch mal das komplette neue Buch haben werden ...
Bis dahin heißt es erst mal neue Lieder ausprobieren, Fragebögen ausfüllen, Bewertungen aufschreiben und die Ergebnisse einsenden. In Würzburg wird dann eine bundesweite Kommission die endgültige Auswahl der Lieder treffen, die dann ins neue Gesangbuch aufgenommen werden.


Aber nicht nur Lieder werden getestet. Auch Gebete und Vorschläge für christliche Familienfeiern soll das neue »Gotteslob« enthalten. Auch die werden schon jetzt von einigen Test-Familien in der Praxis erprobt. Gertrud Krassuski hat schon einige Anregungen für Weihnachten gefunden.



Verständlich und zeitgemäßer soll es werden, das neue Gesangbuch, und die Lebenssituation der Menschen von heute besser wiederspiegeln. Kerstin Kitzinger bringt ihre Wünsche auf den Punkt:

Das halt für jeden was dabei ist, also bekannte Lieder, aber auch neue Lieder, und halt auch Lieder, die die Kinder von der Melodie und auch vom Text her schnell lernen können.
Wie das geht? Kerstin Kitzinger hat schon klare Vorstellungen, was passieren muss, damit das neue Gesangbuch auch in den Familien ankommt. Vor allem, so sagt sie, müssten die Texte in der Sprache von heute sein.
Das es eigentlich ja auch irgendwie ein gewisses Bild in einem hervorruft und nicht so abstrakt ist, also es müsste ein bisschen blumigere Sprache sein und mehr so plakativ.


In Gau-Algesheim ist das neue Gesangbuch schon angekommen. Aber was passiert mit den Erfahrungen in dieser und anderen Gemeinden? Und: Was muss noch passieren, bis endlich das neue Gesangbuch vorliegt? Das hören Sie nach der nächsten Musik.

Teil 2

Ein schmales Buch, einfach und edel, in Grau und dunklem Rot, vierhundert Seiten, das ist der Testkandidat. Ausgewählte Teile des neuen Gebet- und Gesangbuches werden seit dem ersten Advent in ausgewählten Gemeinden und Familien auf ihre Praxistauglichkeit getestet. Etwa vom Christian-Erbach-Chor in Gau-Algesheim. Diözesankirchen-Musikdirektor Thomas Drescher betreut den Testlauf in der Diözese Mainz. Dabei interessieren ihn gleich mehrere Dinge:

Ist das machbar, ist das singbar, zum Beispiel auch mehrstimmige Sachen, kann man das mit einer Gemeinde machen, ist das Lied zu neu, oder ist der Text zu schwierig, ist das layout in Ordnung, kann man die Noten gut lesen, so verschiedene Dinge werden einfach probiert, das wird dann evaluiert, und im Herbst nächstes Jahr wird das dann entschieden wie es gemacht wird, was reinkommt...

Thomas Drescher weiß schon jetzt, wo nachgebessert werden muss: Zum Beispiel beim äußerlichen Erscheinungsbild. Die blasse Schrift können ältere Gottesdienstbesucher nur schlecht lesen. Bei den Liedern ist die Sache nicht ganz so einfach:

Es ist ja mit der Liedauswahl sehr schwierig, denn im Fundus sind über zweitausend Lieder, die gesichtet worden sind, und es können vielleicht dreihundert oder vierhundert in das Gesangbuch kommen, von daher weiß man, dass lange nicht alle Wünsche erfüllt werden können, und es wird sicher immer welche geben, die sagen, och warum ist das nicht reingekommen, das wird bei uns so gern gesungen, das lässt sich nicht verhindern.

Aber auch für diese aussortierten Lieder gibt es noch eine zweite Chance. Während noch gar nicht klar ist, welche Lieder in das deutschlandweite Gebet- und Gesangbuch kommen, arbeitet Thomas Drescher schon mit einigen Kollegen an der Auswahl für den Mainzer Anhang.
Einfacher ist es, die Gebete auszuwählen. Denn da gibt es kaum regionale Vorlieben. Der Test in Familien und Gemeinden soll zeigen, ob die Gebete und Texte in der Praxis auch angenommen werden. Wer will, kann das gleich im Advent ausprobieren:

Gütiger Gott, voll Freude erwarten wir das Fest der Geburt Jesu, deines Sohnes. Er macht hell, was in unseren Herzen dunkel ist, er kann trösten, wo wir traurig sind. Lass uns spüren, dass er uns nahe ist. Gib uns die Kraft, selbst aufzubrechen, und ihm entgegenzugehen, Christus unserem Bruder und Herrn. Amen.

Mit diesem Gebet könnte eine Familienfeier im Advent beginnen. Dazu findet man im Neuen Gesangbuch noch einige Vorschläge zu Texten aus der Bibel und Liedern, die dazu passen. Ob das bei den Menschen ankommt, das wollen die Macher des neuen Gesangbuches wissen. Warum dieser riesige Aufwand betrieben wird und warum ein neues Gesangbuch so wichtig ist, das hören Sie nach der nächsten Musik.

Teil 3

„Wer singt, betet doppelt“, hat schon der heilige Augustinus gesagt. Und neuere Forschungen belegen, dass gemeinsames Singen glücklich machen kann. Der Atem fließt besser, der Stress wird langsam kleiner und manchmal werden sogar Glückshormone ausgeschüttet. Wer in einem Chor oder in einer Band singt, kann das bestätigen. Es ist ein tolles Gefühl, wenn viele Stimmen zusammen einen Raum zum Klingen bringen, einen Kirchenraum füllen. Nicht umsonst gibt es in vielen Gemeinden Gospelchöre oder Jugendbands. Singen ist eine tiefe Form von Spiritualität.
Aber was singen? Zwar liegt in jeder Katholischen Kirche das Gotteslob aus, das Gesangbuch der Kirche. Doch viele Menschen können mit den Liedern darin nur noch wenig anfangen. Verstehen die Sprache aus dem achtzehnten Jahrhundert nicht. Haben Schwierigkeiten mit der Spiritualität von Neunzehnhundertvierzig. Wehren sich gegen Liedzeilen wie: „Der Satan löscht die Lichter aus.“
Das alte katholische Gesangbuch, das Gotteslob, ist in die Jahre gekommen – von der Sprache, von der Theologie, von den Themen her. In vielen Gemeinden gibt es deshalb zusätzliche Liederhefte. Dort finden sich die ganzen Hits aus Jugend- und Familiengottesdiensten.
Das neue Gotteslob hat sich ein ehrgeiziges Ziel gesetzt: Es will neu und alt verbinden, die Generationen zusammenbringen, das Buch für den Glauben der Glaubenden werden. Will für das ganz normale religiöse Leben einer Familie da sein, die Sprache von Menschen heute sprechen, will genutzt werden – nicht nur im Raum der Kirche. Eine klasse Idee. Viele Familie heute wollen gemeinsam singen und beten können. Aber dafür braucht es ein praktisches Gebets- und Gesangbuch. Mit Liedern, die Kinder mögen, oder zeitgemäßen Gospels, die man auch unterm Weihnachtsbaum singen kann, ohne dass es kitschig wird. Und Gebeten, die in einer Sprache geschrieben sind, die wir heute verstehen. Also, höchste Zeit für ein neues Gesangbuch! Wenn jetzt einige Gemeinden an der Entstehung eines neuen Gesangbuches beteiligt werden, ist das nur sinnvoll. Nur so kann das Gesangbuch auch das Buch aller Menschen werden.
Aber das Probeexemplar zeigt auch: Es braucht Mut, diese Ziele umzusetzen. Und manche Lieder und Texte lassen erkennen, dass es manchmal nicht so einfach ist, mutig zu sein.
Trotzdem: Das neue Gotteslob ist wichtig. Vor allem, wenn es die Lieder enthält, die die Menschen etwas von der Nähe Gottes in einem Ton, einer Melodie, einem Satz spüren lassen.
Deshalb muss die Katholische Kirche insgesamt viel Herzblut in ihre Kirchenmusik stecken. Jede Gemeinde sollte die Möglichkeit haben, einen Kirchenchor, eine Jugendband oder ein Gospelprojekt zu finanzieren. Gemeinsame Singwochenenden könnten vielen Familien den Zugang zur Musik und zum Neuen Gesangbuch wieder erleichtern. Und dabei könnte auch der Schatz entdeckt werden, der in vielen alten Kirchenliedern steckt. Es gibt noch viel zu tun, bis das neue Gebet- und Gesangbuch bei den Menschen ankommt. Aber das Ziel ist klar: „Wer singt, betet doppelt“.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=2698
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SWR2 Wort zum Tag

Heute ist Allerheiligen. Der Tag geht zurück ins 4. Jahrhundert und wurde ursprünglich am Sonntag nach Pfingsten gefeiert, wegen der Nähe zu Ostern. Denn Allerheiligen war das Osterfest der Heiligen, ihr Auferstehungsfest.
Um 800 wanderte es in Irland auf den 1. November, den Neujahrstag des keltischen Jahres. Neben der Verbindung mit Ostern wurde jetzt die Jahreszeit wichtig: über der vergehenden Natur scheint die unvergängliche Welt der Heiligen auf.
Auferstehung der Heiligen, neues Leben aus dem Tod wird hier gefeiert. Ostern war nicht nur ein einmaliges Ereignis für Jesus persönlich, auch nicht ein allgemeines Versprechen für die Menschheit, sondern ganz bestimmte Menschen haben ihr Ostern erreicht, das Leben konkreter Menschen ist vollendet. Allerheiligen sagt: Gottes Liebe kommt tatsächlich zum Ziel. Menschen können erreichen, was Gott sich gedacht hat, als er sie ins Leben rief. Das hat die Kirche zuerst von Maria, der Mutter Jesu, angenommen und dann von den Märtyrern, die für ihren Glauben gestorben sind, schließlich von anderen Menschen, deren Leben dem Evangelium besonders nahe kam. Viele hat die Kirche im Lauf der Jahrhunderte für heilig erklärt. Ihnen gilt das Fest Allerheiligen, und auch denen, die heilig sind, ohne von der Kirche heiliggesprochen zu sein. Dieser Gedanke wurde im 20. Jahrhundert ausdrücklich mit dem Fest verbunden.
In einem der liturgischen Gebete für heute heißt es: „Gott, im Himmlischen Jerusalem loben dich auf ewig... unsere Brüder und Schwestern, die schon zur Vollendung gelangt sind.“
Allerheiligen – ein altes Fest also, das Vergangenheit und Zukunft umfasst. Es verbindet uns mit der bunten Schar derer, die vor uns geglaubt und die Bruchstücke ihres Lebens schließlich Gott in die Hände gelegt haben. Und es lädt ein: Glaube an das Ostern für Dich, habe Vertrauen, dass dein Leben sich vollendet.
Allerheiligen gibt aber auch Impulse dafür, wie wir jetzt schon unser Leben verstehen können. Glauben, dass ich vollendet werde, ist schließlich keine bloße Zugabe, die das Leben vorher unverändert lässt. Auf Vollendung zugehen bedeutet nach christlichem Verständnis zum Beispiel: es gehört zum Menschen, auf Gott angelegt zu sein. Wir leben nicht allein aus uns selbst und den andern und der Natur. Und wir leben nicht nur für uns und die andern. Wenn wir das versuchen, bleibt ein Teil von uns unentwickelt, unverwirklicht. Denn wir fragen, ahnen und spüren ja auch über all das hinaus.
Das Fest Allerheiligen erinnert also daran, dass in jedem Menschen Unauslotbares begegnet. In religiöser Sprache heißt das: In jedem Menschen scheint auch etwas auf von Gott. Zu jedem Menschen gehört eine offene Zukunft. Menschen können heilig werden, d.h.: Leben kann glücken, kann gelingen, auch wenn es gescheitert oder fragmentarisch erscheint. Und es gehört zum Leben, über das Sichtbare und Fassbare hinauszublicken.
Mir scheinen solche Gedanken z.B. dann wichtig, wenn wir über Menschenwürde nachdenken. Denn sie unterstreichen, dass ein Mensch mehr ist als ein Körper und seine Funktionen, als seine Taten und sogar als seine Gedanken und Gefühle. Was das ist, dafür hat wohl nur die religiöse Sprache Worte. Eines davon ist das Wort heilig. Wir können es vielleicht übersetzen mit: ganz in der Sphäre Gottes leben und so zu sich selbst kommen. Wer darauf zugeht, darauf hinlebt, trägt jetzt schon Heiliges in sich. Auch deshalb muß uns das Leben jedes Menschen heilig sein.
Ich wünsche Ihnen einen gesegneten Feiertag.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=2434
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SWR3 Gedanken

Lagerfeuer kennt Volker noch aus seiner Jugend. Und kokeln mag er immer noch gerne. Also war er gleich dabei, als der Pfarrer zum großen Feuer einlud.
In der Nacht vom Samson auf Pfingstsonntag sollte ein alter Baumstamm verbrannt werden. Viele aus der Gemeinde kamen.

Und während sie so ums Feuer standen und zuschauten, wie es knisterte und Funken sprühte, fing der Pfarrer auf einmal an, übers Feuer zu reden. Vom Feuer, in dem Gott den Menschen begegnet.

Wie damals vor 2000 Jahren an Pfingsten. Nachdem Jesus am Kreuz gestorben, auferstanden und wieder im Himmel verschwunden war, passierte etwas sehr merkwürdiges:

Da gab es ein Feuer. Genauer: die Jünger und Jüngerinnen von Jesus fingen Feuer. Der Geist Gottes kam über sie, heißt es in der Bibel, und sie erzählten voller Begeisterung, was sie alles mit Jesus erlebt hatten.
Und dabei sah es so aus, als ob Flammen auf ihren Köpfen tanzten

Dieses Feuer - sagte der Pfarrer- das gibt es bis heute. Das Feuer Gottes brennt immer noch in den Köpfen und Herzen der Menschen.
Es macht die Kirche zu dem, was sie ist: Gemeinschaft der Heiligen, Frommen und Engagierten. Eine verschworene Gemeinschaft- das ist Kirche, dort wohnt Gott.

„Na, dachte Volker, von dem Feuer hätte ich aber in den Gottesdiensten gern mal was gespürt!“ Und als ob er es gehört hätte, erzählte der Pfarrer weiter.
„Manche,“ sagte er, „sind nicht zufrieden mit dem Feuer Gottes in der Kirche. Sie wollen es größer und eindrucksvoller haben oder aber kleiner und definitiv weniger gefährlich.
Manche nehmen einen brennenden Holzscheit aus dem großen Feuer heraus, tragen ihn zu sich nach Hause und wärmen sich dran, ganz privat für sich.
Und wenn das kleine Feuerchen auszugehen droht, gehen in die Kirche und holen sich eine neue Flamme vom großen Feuer Gottes. Und wenn sie sich dann am großen Feuer wärmen, denken sie- gemeinsam ist doch nicht so schlecht. Und wärmer ist es auch.

Als Volker das hörte, lief ihm auf einmal ein Schauer über den Rücken. Einfach so.
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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Am Sonntag nach Pfingsten feiern die christlichen Kirchen den Dreifaltigkeitssonntag. Sie bekennen dabei ihren Glauben an den drei-einen, dreifaltigen Gott, den Vater, den Sohn und den Heiligen Geist.
Schwer zu verstehen? Stimmt.
Auch nach zig Jahren Theologiestudium ringe ich noch immer mit der Frage, wie sich das Denken und Sagen lässt. Und ich schaffe es nicht, dieses Geheimnis des Glaubens an den drei-einen Gott sprachlich auf den Punkt zu bringen.
Aber einen Versuch, diesem Geheimnis auf die Spur zu kommen will ich beisteuern.
Die Idee verdanke ich einem Kollegen, der versuchte Kindern im Schülergottesdienst diesen Drei-einen Gott nahe zu bringen. Etwas von ihm sichtbar und begreifbar werden zu lassen.
Dazu hatte er drei lange weiße Kerzen mitgebracht. Drei Kinder bekamen eine Kerze in die Hand und durften diese anzünden. Drei Kerzen brannten. Drei Flammen waren zu sehen. Nun bat er die Kinder die Kerzen aneinander zu halten.
Aus den drei Flammen wurde eine einzige Flamme – ein helles Licht, das sich aus drei Quellen speist.
Keine Trennlinie konnte ausgemacht werden, niemand konnte mehr sagen wo die eine Flamme aufhört und die andere beginnt.
Ein schlichter Versuch…und doch sehr einleuchtend. Sie sind drei und doch eins. Ein starkes Symbol für Vater, Sohn und Geist.
Vor einer strengen Dogmatik wird dieser schlichte Versuch mit den Kerzen vielleicht nicht Stand halten.
Mir war er eine Seh-hilfe eine bildliche Vorstellung für das zu bekommen was mit - dreifaltig Einer - gemeint sein könnte. Und diese eine Flamme ermuntert mich, das Geheimnis des dreieinigen Gottes als Geheimnis zu bewahren und ihm gleichzeitig auf der Spur zu bleiben. Scheint doch eine unübersehbar leuchtende Kraft von ihm auszugehen.




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SWR2 Wort zum Tag

„Gottes Geist bricht über uns ein, sprengt auf die verschlossene Tür, reißt uns aus den kühnsten Träumen und verwirklicht sie im Jetzt und Hier.“ So heißt es in einem Kirchenlied. Und so ähnlich haben es die Jünger vielleicht tatsächlich erlebt bei ihrem Pfingstfest. In der Bibel wird erzählt, sie hätten plötzlich in allen möglichen Sprachen geredet. Jeder, der sie hörte, konnte sie verstehen. Der Heilige Geist hat anscheinend gleich mehrere Dinge auf einmal bewirkt: Die Jünger verstehen selber, was sie in den letzten Tagen mit Jesus erlebt haben, sie sind plötzlich mutig genug, auch darüber zu reden, und sie sind auf offene Ohren gestoßen. Wenn ich mich heute mit Menschen aus meiner Gemeinde unterhalte, sieht das anders aus. Sie sind oft unsicher, was sie dem Arbeitskollegen sagen sollen, wenn er mal wieder eine kritische Anfrage hat. Am liebsten hätten sie ein ganzes Sortiment von Argumenten, um in solchen Situationen nicht dumm da zu stehen. Dabei hatten auch die Jünger keine besondere rhetorische oder gar theologische Bildung. Zugegeben, sie mussten auch noch keine kirchlichen Dokumente verteidigen oder sich zu Schwächen im System äußern. Und sie konnten von einem Menschen namens Jesus erzählen, den sie erlebt hatten. Doch heute haben die Leute ihren Glauben auch von bestimmten Menschen gelernt und manches Mal auch Jesu Nähe deutlich gespürt. Sie reden nur nicht gerne darüber. Vielleicht fehlt ihnen auch einfach die richtige Sprache. Dabei müsste die doch zu finden sein, auch mit Leuten, die gar nicht christlich glauben. Jeder schöpft doch irgendwo her Kraft, wieso sich nicht darüber austauschen?
Ein bisschen Pfingsten würde uns allen gut tun! Ich meine damit nicht, dass wir alle begeisterte Christen werden müssten. Die kleinste Stufe fände ich schon ganz toll. Wenn die Menschen den Mut haben, von dem zu reden, was sie in ihrem Leben trägt, von ihren Fragen und Zweifeln und von ihren Antwortversuchen, wenn die Menschen für solche Themen eine Sprache finden und wenn sie dabei einander zuhören und zu verstehen versuchen. Unsere Erfahrungen in diesem Bereich sind viel zu wertvoll, um sie zu verschweigen, nur weil wir unseren sprachlichen Fähigkeiten nicht trauen. Außerdem: Mit jemand, der toll reden und argumentieren kann, kann ich um die Wette diskutieren. Aber jemand, der genauso wenig mit seinen Fragen fertig ist, wie ich es bin, von dem kann ich mir mehr erhoffen, den kann ich tatsächlich verstehen. Und vielleicht können wir gegenseitig von unseren Fragen und auch von den Antwortversuchen profitieren. Das ist mein kühner Traum, den ich gerne im „Jetzt und Hier“ verwirklicht sähe.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=1422
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SWR2 Wort zum Tag

An Pfingsten feiern wir das Geschenk des Geistes Gottes. Er ist es, der in Menschen die Sehnsucht nach Gott weckt und der Menschen bewegt, an Jesus Christus, den Auferstandenen zu glauben. Seit dem letzten Konzil beginnt die Kirche jetzt erst wieder, sich bewusst zu werden, dass sie ein Geschöpf des Geistes ist. Ihm verdankt sie ihre Lebendigkeit. Deswegen beten wir heute, wenn wir Eucharistie feiern, wieder mit den Worten der frühen Kirche zu Gott: „Du hast als Gabe für alle, die glauben, den Heiligen Geist gesandt. Er führt das Werk deines Sohnes auf Erden weiter. ... Darum sende deinen Geist auf uns herab, sende ihn auf die Gaben, auf Brot und Wein, und heilige sie, damit sie uns werden Leib und Blut deines Sohnes, unseres Herrn Jesus Christus“. Und weiter beten wir: „Lass alle, die Anteil erhalten an dem einen Brot und dem einen Kelch, eins werden, ein Leib im Heiligen Geist.“ Dieses dankbare und bittende Gedenken des Geistes war in den Jahrhunderten vor dem Konzil aus den Messtexten verschwunden.
Erst das zweite vatikanische Konzil hat es wieder neu ins Bewusstsein gerufen: Alles, was durch Jesus von Nazareth geschehen war und, von ihm ausgehend, in den Getauften und ihren Kirchen bis heute geschieht, verdankt sich dem Wirken des Gottesgeistes, ist gewirkt durch den Heiligen Geist. „Gott sandte seinen Sohn, ... gesalbt mit dem heiligen Geist. ... Vom heiligen Geist erfüllt, sandte Christus seine Jüngerinnen und Jünger in die Welt. ... Die Kirche hat nie aufgehört, ... Gott für seine unsagbar große Gabe zu danken. ... All dies geschieht im Heiligen Geist“ (SC 5, 6). Mit diesen Worten wollen die Konzilstexte dazu anregen, Gottesdienste in der rechten Gesinnung zu feiern, und besser zu verstehen, was wir tun und was dabei geschieht. Worte und Zeichen öffnen und sie machen empfänglich für den Geist Jesu Christi.
Wie konnte das Geschenk des Geistes in den Hintergrund treten? Wahrscheinlich weil es so schwer zu fassen ist. Wie können wir es denn empfangen, greifen oder gar festhalten? Den Geist kann man nicht dingfest machen. Wir haben nichts in der Hand, nichts, was wir „schwarz auf weiß“ vorweisen und womit wir andere überzeugen könnten. Menschen, die sich vom Geist des Auferstandenen leiten und inspirieren lassen, begeben sich auf einen Weg, der im Gehen erst entsteht. Sie akzeptieren, dass sie keine Beweise haben, sondern nur Hinweise, keine klaren Richtlinien, sondern eine Bewegung, die sie erst erkennen, wenn sie sich hineinbegeben; sie folgen auch keiner zwingenden Einsicht, sondern einem Wort, das sie erst hören, wenn sie hören wollen. Dann allerdings verändert sich ihr Blick. Sie sehen die Welt, die Menschen, sich selbst, in neuem Licht, von Gott her – auf Gott hin offen.
Den aufwändig geplanten und durchgeführten Dingen nimmt dieser neue Blick nichts von ihrem Glanz – doch auch die überraschenden, unscheinbaren und einfachen Dinge beginnen zu leuchten. Einige Beispiele sollen dies verdeutlichen. Die gut gestaltete Liturgie mit festlicher Musik in einem kostbaren Raum – unbestreitbar ein Höhepunkt! Und doch: In der kleinen Gruppe, die sich in Stille um einen einfachen Holztisch versammelt, wohnt eine starke innere Kraft. Oder die gut organisierte und kompetente Sozialarbeit – ein wichtiger Dienst an der Gesellschaft! Und doch: Ein freundlicher Blick, eine Berührung, eine winzige Geste kann tiefer wirken. Oder unsere in immer neuen Büchern wohl durchdachte Theologie – wir können stolz auf sie sein! Und doch: Ein einfaches Wort, in dem ich persönlich ganz präsent bin, kann Berge versetzen.
Der Geist Gottes, der Jesus bewegte und den er seinen Jüngern weitergab, und der bis heute den Glauben von Menschen weckt, bringt Bewegung, Unordnung und neue Verhältnisse mit sich. Wenn wir uns wirklich von der Gabe des Geistes bestimmen lassen, müssen wir mit der Unsicherheit leben: Unsere mitgebrachten Maße und Maßstäbe werden immer wieder verrückt. Wenn wir dafür danken und den Geist der Unordnung und der neuen Verhältnisse feiern, so wirkt in diesem Feiern der Geist selber.

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SWR3 Gedanken

Amerika, du hast es besser!
Wählen sie mal im Internet die Seite der US-Regierung US.gov.
Alles in Englisch – und ein einziger Schalter,
mit dem sie alle Inhalte auch in Spanisch kriegen.
Europa dagegen: das pure Chaos.
europe-dot- e u bietet nicht weniger als zwanzig Sprachen an.
Welcher Aufwand – das alles zu übersetzen
für ein Minimum an Verständigung und Verständnis.
Die gemeinsame Sprache war eine Grund-Bedingung für die Vereinigten Staaten.
Wer dabei sein will, muss sich auf die eine Sprache einlassen.
Mit diesem Gründungs-Mythos wollten die frommen Gründungsväter der USA
auch ganz bewusst das hinter sich lassen,
was für die Bibel angefangen hat mit dem Turmbau zu Babel.
Da wollen die Menschen wie Gott werden;
sie bauen einen Turm bis zum Himmel.
Aber Gott zerstört den Menschen-Tempel-Turm und verwirrt ihre Sprache.
Keiner versteht mehr den anderen (und mancher nicht mal mehr sich selbst…).
Das ist Mythos, natürlich; aber mit einer Wahrheit drin:
den Menschen fehlt so oft das Verständnis füreinander.
Und das erklärt die Geschichte vom Turmbau in Babel eben so:
Es liegt daran, dass der Mensch sein will wie Gott.
Die biblische Geschichte für heute, für Pfingsten, holt das zurück.
Gottes Geist kommt auf die Freundinnen und Freunde des Jesus von Nazaret.
Ganz Jerusalem hört,
wie sie von ihrem Meister Jesus erzählen
und wie sie Gott loben.
Und jeder versteht sie.
Schon das ist ein Wunder – weil Jerusalem nämlich damals schon
fast so multikulti war wie heute: Internationale WallfahrtsTage.
Leute aus dem ganzen MittelmeerRaum und Nahost sind da.
Wo Gottes Geist am Werk ist,
da verstehen die Menschen sich gegenseitig –
so verschieden ihre Vaterländer und Muttersprachen sein mögen.
Etwas mehr gemeinsamer Geist
– vielleicht ja auch der aus der christlich-jüdischen Tradition –
und Europa wird sich ebenfalls verstehen –
trotz seiner mindestens zwanzig Sprachen.
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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

11MAI2007
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Frohe Ostern! Nein, das ist kein Scherz. Denn Ostern ist nicht nur am Ostersonntag. Ostern geht weiter! Es gibt nämlich nicht nur die sieben Wochen Fastenzeit vor Ostern , als Einstimmung und zur Vorbereitung. Es gibt auch noch sieben Wochen nach Ostern – die Osterzeit dauert bis Pfingsten. Also noch gut zwei Wochen.
Die Christen feiern an Ostern das Fest der Auferstehung Jesu. Bis heute ist das Grund zum Feiern für die Gläubigen. Denn Ostern heißt: Der Tod hat nicht das letzte Wort. Natürlich sterben noch Menschen, natürlich ist das Leid auch heute noch da, man muss da ja nur mal die Nachrichten ansehen: Massaker in einer US-Schule, Tote bei Anschlägen im Irak, Raketen der Hamas auf Israel, tragische Verkehrsunfälle bei uns und Kinder, die vernachlässigt werden und elend sterben müssen. Aber die christliche Hoffnung sagt: Das ist nicht alles. Es bleibt nicht dabei. Das Leben siegt am Ende, denn dem Menschen ist sogar ein Leben bei Gott bestimmt, in einem himmlischen Leben ohne Leid und Schmerz. Das vertröstet nicht erst auf später, sondern kann schon jetzt zuversichtlich machen.
Der Tod ist nicht das Ende. Wer das glauben kann, der hat schon jetzt wirklich allen Grund zum Feiern. Und deshalb geht Ostern im Kirchenkalender ganze sieben Wochen lang weiter. Rein äußerlich erkennt man das etwa, dass der Priester im Gottesdienst die weißen Festgewänder der Osterzeit anhat, dass die Osterkerze an einem hervorgehobenen Platz in der Kirche steht, und dass sich in den Liedern auffällig oft ein „Halleluja“ findet.
Es gibt also in der Kirche nicht nur sieben Wochen Verzichten und Fasten vor Ostern. Es gibt vor allem auch sieben Wochen Feiern wegen Ostern. Und deshalb wünsche ich Ihnen, dass Sie eine frohe Osterzeit haben, viel Sonne, und nicht zuletzt die Freude am Leben. Das ist Ostern: Freude am Leben. Also noch mal: Frohe Ostern!


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SWR3 Gedanken

Ein bisschen Robin Hood steckt in jedem von uns. Das ist das Ergebnis einer wissenschaftlichen Untersuchung an der Universität von Kalifornien. James Fowler und sein Team haben ein Spiel entworfen, bei dem es um die Verteilung von virtuellen Geldbeträgen geht.

Jeder Mitspieler erhält einen zufälligen Geldbetrag. Dadurch gibt es bei dem Experiment „Arme“ und „Reiche“, wie im richtigen Leben. In fünf Runden kann nun jeder auf eigene Kosten den anderen Teilnehmern Geld aus der Tasche ziehen und anderen zustecken. Und siehe da: 70 Prozent der Teilnehmer hatten einen starken Gerechtigkeitssinn. Sie handelten nach dem Motto: den Reichen nehmen und den Armen geben, auch wenn sie selbst dabei schlecht weg kamen. Daraus leiten die kalifornischen Wissenschaftler ab, dass uns Menschen von Natur aus eine Sehnsucht nach Gleichheit eingepflanzt ist.

Die Kirchen versuchen immer wieder, diese Sehnsucht auch praktisch umzusetzen. Am morgigen Sonntag startet deshalb die Hilfsaktion „Renovabis“, wie jedes Jahr vor Pfingsten. Renovabis wurde Anfang der 90er Jahre ins Leben gerufen, um die Ostblockstaaten nach dem Zusammenbruch des Kommunismus zu unterstützen.

Dieses Jahr wird vor allem den Familien in Osteuropa geholfen. Die Verantwortlichen legen viel Wert auf „Hilfe zur Selbsthilfe“. Ein Projekt kommt deshalb nur dann zustande, wenn die Betroffenen sich selbst aktiv beteiligen.

Finanziert werden die Hilfsprojekte durch Mittel aus der Kirchensteuer und durch Spenden. Hier kann ich zeigen, ob wirklich ein kleiner Robin Hood in mir steckt. Es geht um Chancengleichheit und Solidarität – nicht nur im Sherwood Forest, sondern in ganz Europa.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=1207
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SWR2 Wort zum Sonntag

Wut ist ein starkes Gefühl. Jeder kennt sie. Nur in der Kirche spielt Wut kaum eine Rolle, obwohl die Bibel voll davon ist. Etwa bei Essau und Jakob. "Ich bring ihn um. Ich schlag ihn tut, dieses erbärmliche Schwein". Wer da seine Wut in den Himmel schreit, das ist Esau.

Eine klassische Szene in der Bibel. Ein klassischer Konflikt: Zwei Brüder, Esau und Jakob, ein Segen - und eine Wut. Man kann sie Esau nicht verdenken, seine Wut auf Jakob. Mamas unbestrittener Liebling..

Dazu noch dieser Betrug! Das Erbe, den Segen erschwindelt. Angestachelt von der Mutter. Jakob, einer der Väter des Glaubens - ein Betrüger! Auf ihn hat sich die zittrige Hand des alten Isaak gelegt. Irrtümlich den Segen gespendet, der Esau gehört. "Ich bring ihn um. Wenn der Vater nicht mehr lebt." (Gen 27, 41)

Alte Geschichten? Weit von uns entfernt? Man muß nur in die eigene Kindheit zurückgehen, ins Kinderzimmer, an den Esszimmertisch und dann in die Notariatskanzleien. Haben die Geschwister schon geerbt oder reden sie noch miteinander? Spätestens dann bricht sie auf, die stille Wut über die Schwester, die sich in der Liebe des Vaters sonnte, über den Bruder, der Mamas Liebling war und ich war es nicht.

Wut ist rot. Rot wie die Glut. Rot wie das Feuer. Rot wie der Aufruhr. Rot wie der große Weltenbrand, das apokalyptische Zorngericht am Ende aller Tag.
Ein starkes und ein unheimliches Gefühl. Es sitzt im Bauch. Nicht im Kopf. Bei Frauen wie bei Männern. Wut ist allgegenwärtig. Und selten zu sehen. Sie ist nicht gesellschaftsfähig. Man zeigt sie nicht, auch wenn man sie hat. Ein bedauerlicher Kontrollverlust. Hart an der Grenze zum Pathologischen. Cool ist in. Das kontrollierte, nicht das ausagierte Gefühl. Aber Wut ist nicht cool. Sie ist heiß. Und sie verschwindet nicht, wenn man sie nicht zeigt. Eine latente Gereiztheit, die sich manchmal entlädt, im Auto, gegenüber den Kindern.

Aber nicht in der Kirche. Denn die, die zu Christus gehören, kreuzigen ihre selbstsüchtige Leidenschaften - und die Wutausbrüche. Auch sie werden ans Kreuz genagelt. Wer solche Dinge tut, für den ist kein Platz in Gottes neuer Welt (Gal 5, 20-24).

Macht die Kreuzigung der Wut nicht erst recht wütend? "Man kann", sagt Freud in seiner betont nüchternen Art, "die Triebe kreuzigen und erwirbt sich so das Glück der Ruhe. Freilich hat man damit auch alles andere aufgegeben und das Leben geopfert." Die Kirche, der Ort, an dem alle vitalen Gefühle erstarren? "Hier fühle ich nichts" Keine Wut, aber auch keine Leidenschaft? Sein Selbst beherrscht der religiöse Mensch. Im besten Fall ist er weise, gelassen, aber nie wütend?

Warum ist die Bibel dann voller von Wut? Nicht nur auf der Erde, sondern auch im Himmel. Oder wie würde man den Vorschlag nennen, den Gott Mose am Sinai macht: "Dies ist ein widerspenstiges Volk. Ich will meinen Zorn ausschütten über sie und sie vernichten. Versuche nicht mich abzubringen! Mit dir will ich neu beginnen!" (2. Mose 32, 10). Das ist doch lupenreine, feuerglühende, destruktive, göttliche Wut. Die Wut des Schöpfergottes über seine misslingende Schöpfung und seine mißlungenen Geschöpfe.

Bliebe es im Christentum bei gekreuzigter Vitalität und einem cholerischen Wutgott, es wäre unerträglich. Aber es gehört zu den erstaunlichen Metamorphosen des jüdisch-christlichen Gottesbildes, dass die destruktive Wut, die Gott in der Sinnflut, bei Sodom und Gomorra oder am Sinai zeigt, sich wandelt in konstruktive Leidenschaft. In der Menschwerdung Gottes in Jesus Christus offenbart sich der göttliche Logos als vitale und schöpferische Macht der Liebe (1. Joh 4, 9). Gott ist das liebende, schöpferische Du, ohne das unser menschliches Ich sinnlos wäre.

Dasselbe Symbol – Feuer. Dieselbe Farbe - rot, aber nicht das Feuer der rotglühenden Wut, das vom Himmel auf Sodom und Gomorra fällt. Es ist das rotglühende Feuer der Liebe, das Feuer des Geistes, das sich an Pfingsten, auf die Menschen herabsenkt und ihre Herzen mit einem Brennen erfüllt. Ja, auch der Geist Gottes brennt, aber er verbrennt nicht. Er verwandelt die destruktive Wut in schöpferische Leidenschaft. Nein, das Leben muß nicht geopfert werden im Glauben, aber verwandelt: Die destruktive Wut in die kreative Leidenschaft der Liebe, die Neues schafft.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=992
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