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SWR2 Wort zum Tag

Der Dialog zwischen den Religionen und Kulturen ist für die einen mit Hoffnung verbunden, andere haben Angst davor und wehren sich. Mir ist deutlich geworden, dass dieser Dialog vor allem die Bereitschaft erfordert, demütig zu werden. Sehr eindrücklich ist mir ein Gespräch in Erinnerung, an dem ich kürzlich im indischen Poona teilgenommen habe – ein Gespräch mit Professor Francis D’Sa, einem Jesuitenpater und international renommierten Religionswissenschaftler. Der bescheidene Mann ist ein leidenschaftlicher Vorkämpfer des Dialogs zwischen dem Christentum und den nichtchristlichen Religionen, vor allem mit dem Hinduismus. Er lebt und arbeitet in der vielgestaltigen religiösen Welt Indiens, die stark durch den Hinduismus geprägt ist. Aber was er zu sagen hat, reicht weit über diese konkrete Situation hinaus.
Besonders eingeprägt hat sich mir der Leitgedanke, unter den er seine Arbeit stellt: Es geht darum, sagt er, den anderen so zu verstehen, wie er sich selbst versteht – damit er lernt, mich zu verstehen, wie ich mich selbst verstehe. Man dürfe nicht in erster Linie das Trennende, das Unterscheidende sehen, sondern die positive Herausforderung, die in jeder Religion enthalten sei. In allem Wahren, Schönen und Guten in der Religion und im Glauben anderer Kulturen könne Christus gegenwärtig sein, sagt Francis D’Sa. In allem könne das Wirken des Heiligen Geistes erfahren werden. Eine solche Haltung, davon ist er überzeugt, mache es auch für Angehörige anderer Religionen möglich, das Christentum anzuerkennen.
Der Weg dazu ist für Professor D’Sa allerdings nicht die theoretische Auseinandersetzung, sondern die religiöse Erfahrung und die praktizierte Liebe. Was können wir gemeinsam beitragen, damit mehr Friede, mehr Gerechtigkeit in der Welt lebendig wird? Das ist für ihn die Brücke, die ein Gespräch möglich macht. Nach den gemeinsamen Herausforderungen für eine bessere Welt müsse man suchen, dann finde man auch zu einem besseren religiösen Verständnis für einander.
Schlichte, einfache Sätze – in der Tat. Aber Francis D’Sa ist auch Realist. Der Dialog zwischen den Religionen und Kulturen habe noch gar nicht begonnen; allenfalls sei man bei der Vorbereitung, meint er.
Doch in seinem Grundsatz bleibt er unbeirrt: Den anderen so zu verstehen lernen, wie er sich selbst versteht – damit dieser mich so zu verstehen lernt, wie ich mich selbst verstehe. Das bedeutet für ihn heute das Wunder von Pfingsten – das Wunder, dass der Heilige Geist Menschen unterschiedlichster Sprachen lehrt, auf einander zu hören und einander zu verstehen. Aber, so sagt er, dafür müsse man sehr demütig werden.

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SWR3 Gedanken

Am zweiten Weihnachtstag bin ich
nie wirklich gerne in die Kirche gegangen.
Na klar: da gab es noch die Geschenke auszuprobieren,
vielleicht war’s trocken und das neue Fahrrad durfte raus …
Und außerdem: nach Christmette und Weihnachts-Hochamt,
da sollte es am zweiten doch wohl genug gewesen sein!?
Ein bisschen später hatte ich dann etwas gelernt:
Es gibt eben Feste im menschlichen Leben,
die wären viel zu schnell vorbei, wenn man sie nur einen Tag lang feiert.
Ostern und Pfingsten, eine richtige Hochzeit
oder ein großer runder Geburtstag: Das braucht mehr als einen Tag.
Und das gilt für Weihnachten ja wohl erst recht.
Aber meine Unlust am zweiten Weihnachtstag blieb.
Und das lag daran, dass es im katholischen Gottesdienst so…
na sagen wir mal: durchwachsen zugeht.
Einerseits singen wir die schönen Weihnachtslieder; alte und neue.
Ros entsprungen und Stern über Betlehem.
Aber ausgerechnet am zweiten Weihnachtstag
feiern die Kirchen zugleich den Namenstag des heiligen Stephanus.
Und lesen aus der Bibel vor, wie er zu Tode gesteinigt worden ist.
Stephanus war einer der ersten Diakone in Jerusalem;
den hatte ein Gericht wegen Gotteslästerung verurteilt –
und dafür wurde er gesteinigt.
Der erste christliche Märtyrer.
Aber warum müssen diese Geschichten ausgerechnet heute dran sein?
Na gut – als Diakon war er für’s Teilen und Verschenken zuständig –
und das hat ja was mit Weihnachten zu tun.
Vielleicht ist es auch wirklich gut, gerade am heimeligen Weihnachtsfest
auch auf die harte Wirklichkeit zu blicken.
Eine Wirklichkeit, die natürlich was mit dem Jesus zu tun hat:
Am Anfang der Stall, die Krippe – am Ende das Kreuz.
Wer sich mit dem verbrüdert, wie Stephanus in Jerusalem,
für den gibt es nun mal keine Garantie auf weihnachtliche Gemütlichkeit.
Ein bisschen ungemütlich – auch heute wieder. Das muss wohl so sein.
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SWR2 Wort zum Tag


Wichtige Zeiten im Leben brauchen eine Vorlaufzeit. Es gibt Menschen, die sich auf den ersten Blick verlieben. Doch heiraten werden auch sie nicht von einem Tag auf den anderen.
Ich meine, Vorlaufzeiten sind uns Menschen angeboren. Wir springen nicht als fertige Wesen unseren Eltern aus dem Kopf wie einst die Göttin Athene dem Göttervater Zeus. Wir Menschen brauchen eine Weile! 9 Monate haben Mütter Zeit, um sich auf die Geburt ihres Kindes vorzubereiten. 9 Jahre ist der Mensch schulpflichtig bis zur Hauptschulreife. Auch die großen Kirchenfeste haben eine Vorlaufzeit: Sieben Wochen vor Ostern, eine Woche vor Pfingsten und immerhin vier Wochen vor Weihnachten. Vorlaufzeiten sind spannend, weil sie so abgründig und vielschichtig sind. Da kommt in der Verlobungszeit schon einmal die Frage auf, ob der andere tatsächlich der Richtige ist, da fragen sich Eltern, ob sie den Anforderungen eines kleinen Kindes tatsächlich gewachsen sind. Da ist ganz viel Liebe und zugleich die Angst davor, nicht genug lieben zu können - oder auch nicht genug geliebt zu werden. Und so liegen in diesen Zeiten himmelhoch jauchzende Begeisterung und unruhige Bangigkeit manchmal ganz nahe beieinander. Folgerichtig sind auch die Lieder der Adventszeit nicht durchgehend fröhlich, viele dunkle Töne gehören dazu. „Wie soll ich dich empfangen?“ fragt Paul Gerhardt in einem Adventslied, und das klingt verzagt und zärtlich zugleich, sehnsuchtsvoll und zögernd. Auch das Wort „empfangen“ ist so vielschichtig, kann die Begrüßung eines Königs genauso meinen wie die Zeugung eines Kindes und den Liebesakt. In der Tat kommt an Weihnachten all dies zusammen. Mich darauf vorzubereiten, auf die Geburt meines Königs, auf den Gott und Menschen, der mich mehr liebt als ich mich selbst, dafür braucht meine Seele Zeit. Die Adventszeit schreitet das aus, gestaltet mit ihren Ritualen den Weg zum Fest. Jede Kerze, die ich anzünde, kann mir so zum leuchtenden Fingerzeig werden, zum Licht, das in der Nacht angezündet wird und den Weg zum Ziel weist.
Sicher, manchmal würde ich auch am liebsten diesen Prozess abkürzen, so wie ein Kind. Erwachsen geworden weiß ich, dass ich Zeit brauche, dass ich mir die ganze Freude am Fest nehmen kann, wenn ich nicht auch die Höhen und Tiefen durchhalte, die zur Vorbereitung dazugehören.
Am Ziel geschieht die Geburt, am Ziel ereignet sich das Fest. Und ich merke dann, rückblickend, dass ich meine Zeit gebraucht habe, um jetzt aus vollem Herzen, strahlend und geliebt, mitfeiern zu können.

Mittwoch, 2.12.09
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SWR1 3vor8

Fest der Heiligen Dreifaltigkeit – so heißt dieser Sonntag, der Sonntag nach Pfingsten. Gemeint sind damit nicht Maria und Josef und das Jesuskind. Gemeint ist Gott, genauer: der verrückte Gedanke, dass Gott dreifaltig ist, ein Gott, bestehend aus Vater, Sohn und Heiligem Geist. Gott, der Vater, als Schöpfer, der die Welt und alles erschaffen hat, der Sohn, der ein Mensch war und mit uns gelebt hat, der Heilige Geist, den es auch immer schon gab und der alles belebt und neue Ideen bringt und der uns Gott ahnen lässt, was ja schließlich nicht selbstverständlich ist. Und die drei sind einer. In allen dreien begegnet uns der eine Gott.
Immer wieder haben Theologen versucht, diesen alten Glauben zu erklären, ihn erst einmal selber zu verstehen. Und Künstler haben immer wieder den dreifaltigen Gott dargestellt.
Mich beeindrucken besonders die Bilder mit dem merkwürdigen Namen Gnadenstuhl. Da ist in der Mitte Gott Vater, meistens sitzend, in den Händen hält er vor sich das Kreuz, an dem Jesus hängt, und zwischen dem Kopf des Vaters und dem Kopf Jesu schwebt in Gestalt einer Taube der Hl. Geist. Das ist Gott, müsste man unter diese Bilder schreiben. So ist Gott. Und es ist richtig, ihn in drei Gestalten darzustellen. Das sagt nämlich aus: Gott thront nicht einsam. Zu ihm gehört Gemeinschaft. Zu ihm gehört Beziehung. Offene Beziehung. Drei ist etwas anderes als zwei. Der Dritte ist wie eine ausgestreckte Hand.
Dieses Bild zeigt, was mit dem Glauben an einen dreifaltigen Gott gemeint ist. Es will sagen: Gott ist Beziehung, Gott ist Gemeinschaft. Das ist nicht zusätzlich, sondern es gehört zu ihm. Mir scheint, dass wir diesen alten Glauben zumindest teilweise vergessen haben. Er ist ja auch wirklich schwierig und verrückt. Gott als einer, der nicht zuerst in sich ruht und dann zusätzlich Beziehungen hat. Wir Menschen haben Beziehungen, Gott ist Beziehung. Und wo Beziehung ist, da ist Leben, da ist Wandel, da verändert sich, entwickelt sich etwas. Ich finde es atemberaubend, an diesen Gott zu glauben. https://www.kirche-im-swr.de/?m=6143
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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

03JUN2009
DruckenAutor*in
Es ist nicht einfach, Pfingsten in Bilder zu fassen. Einmal sind es "feurige Zungen", die vom Himmel auf die Jünger Jesu herabkamen - aber vor allem das Symbol der Taube.
Dabei haben sich die Künstler an das Evangelium von der Taufe Jesu gehalten, demzufolge der Heilige Geist "sichtbar wie in Gestalt einer Taube" auf Jesus herabkam (Lukas 3,22).
Schon im alten Babylon galt die Taube als Botin der orientalischen Liebesgöttinnen. Auch in der Bibel steht die Taube für Erotik und Liebe.
Der Apostel Paulus schreibt in seinem Brief an die Christen in Rom: „Die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsere Herzen durch den Heiligen Geist, der uns gegeben ist“ (Römer 5,5). Gottes Heiliger Geist ist die Kraft der Liebe in uns, die uns Flügel verleihen kann,
die uns beflügelt und beschwingt, die uns beseelt und inspiriert.
Die christliche Theologie bezeichnet den Heiligen Geist als die Liebe zwischen Gott und Jesus Christus. In diese Liebesbeziehung sind wir hineingenommen worden.
Gratis, ohne eigene Leistung, sind wir von Gott mit dem Heiligen Geist beschenkt.
Von Anfang an und für immer bedingungslos geliebt.
Gott hat die Initiative ergriffen, weil er Interesse an uns hat. Er will mit uns sein, weil er die Liebe ist, das Leben in Fülle.


https://www.kirche-im-swr.de/?m=6076
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SWR1 3vor8

Glaube macht tolerant. Vor allem gegenüber denen, die nicht oder anders glauben.
Für mich hängt das mit dem Geist Gottes zusammen und mit dem Fest, das wir Christen heute feiern. Pfingsten. Die Bibel erzählt von einem Ereignis, bei dem der Geist Gottes die ersten Christen geradezu beflügelt hat. Wo sie vorher ängstlich waren, mutlos und unentschlossen, ist auf einmal ihr Glaube gewachsen. Von da an trauten sie sich, aus dem Geist Gottes engagiert und verantwortlich zu leben. Das war der Anfang der Kirche.
Seither sind wir Christen uns bewusst, dass wir ohne den Geist Gottes schnell am Ende wären mit unserem Mut und unserer Kraft und erst recht mit unseren Ideen. Deshalb macht Glaube tolerant. Jedenfalls müsste er das. Denn der Glaube ist ja ein Geschenk. Man kann sich in Glaubensdingen allerlei zusammen basteln, das wohl. Aber dass ich wirklich auf Gott vertrauen kann, dass ich glauben kann, dass er bei mir ist: das kann ich nicht machen. Niemand kann das aus eigener Kraft.
Das hat schon Jesus so gesehen. Daran erinnert die biblische Geschichte, die heute in den evangelischen Gottesdiensten im Mittelpunkt steht. Sie erzählt, wie Jesus seine Jünger gefragt hat, was sie denn von ihm halten. Auch damals haben die Leute ja schon sehr unterschiedlich über ihn gedacht. „Was glaubt denn ihr, wer ich bin?“ hat er gefragt. Und einer, Petrus, antwortet ganz spontan: „Du bist Christus, der Sohn des lebendigen Gottes!“ Was für ein Glaube! So klare Überzeugungen hat wirklich nicht jeder. Petrus könnte ein bisschen von oben herab auf die anderen schauen: Die haben es noch nicht kapiert. Die sind auf der falschen Spur. Die begreifen nicht, was wahr und heilsam ist. Er könnte überlegen, wie denn die anderen zu bekehren wären – ist doch nur zu ihrem Guten! Er könnte überlegen, mit welchen Worten, mit welchen Vergünstigungen sie zu überzeugen wären. Später ist man leider sogar auf die Idee gekommen, mit Gewalt nachzuhelfen, wenn Menschen anders nicht zu überzeugen waren.
Jesus hat das vielleicht geahnt. Deshalb erinnert er ihn, noch ehe Petrus sich überhebt mit seinem Glauben: Das hast Du nicht von selbst und aus eigener Kraft erkannt. Das hat Gott selbst dir eröffnet. Denn allein Gottes Geist kann Glauben wecken. Lippenbekenntnisse, klar, die kann man ablegen, aus Angst oder weil man Vorteile davon hat. Gott wirklich vertrauen kann man aber nur, wenn Gottes Geist einem dazu hilft.
Dieses Geschenk Gottes kann man nicht erzwingen. Nicht für sich selbst und nicht für andere. Deshalb müsste der Glaube einen eigentlich tolerant machen. https://www.kirche-im-swr.de/?m=6119
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SWR3 Worte

An Pfingsten wurde nach der Bibel den Menschen der Geist Gottes geschenkt. Der Apostel Paulus schreibt an die Gemeinde in Rom:

Haltet euch mit eurer Begeisterung nicht zurück;
Lasst euch von der Geistkraft entzünden und setzt euch für Gott ein
Freut Euch, weil ihr Hoffnung habt. Haltet durch, wenn ihr in Not seid, und hört nicht auf zu beten.

Röm 12, 11-12https://www.kirche-im-swr.de/?m=6113
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SWR3 Worte

Pfingsten ist die Geburtsstunde der Kirche. Doch die Kirche entsteht nicht durch einen Gründungsakt ihrer Mitglieder – und auch nicht durch das Engagement der Jünger. Es geschieht etwas, mit dem niemand rechnen konnte. […] Gottes Geist weht wo er will; er lasst sich nicht berechnen und einfangen […] Er weht über christliche Zäune hinweg, bringt Austausch mit Religionen, weht in die Offenheit und Weite der Welt hinaus. Gottes Geist bringt Christen und Muslime zusammen und lässt gemeinsam um Frieden beten. Und er sorgt dafür, dass auch heute noch Glaube entsteht.

Der Theologieprofessor Hans Martin Lübking

In: Lübking, Törner: Beim Wort genommen, Ein Andachtsbuch, Gütersloher Verlagshaus 2002https://www.kirche-im-swr.de/?m=6112
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SWR1 Begegnungen

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kreativ und neu
Die Ludwigsburger Schöpfung zum 200. Todestag von Joseph Haydn


Wie kann Altes wieder lebendig werden? Dass man auch als Mensch von heute davon begeistert wird und herausgefordert? Von alter Musik z.B. Siegfried Bauer ist Musiker, begeistert sich für klassische Musik. Haydn z.B. Vor einem Jahr hat er sich vorgenommen, Haydns berühmtes Werk, die „Schöpfung“, aufzuführen. So, dass der Funke wirklich überspringt. Er findet nämlich Haydn und seine Musik interessant.

Er war nicht der „Papa Haydn“, der ganz brav und bieder seine Musik gemacht hat. Haydn ist zunehmend witziger geworden und hat neue Ideen gehabt.
Gleichzeitig ist die Musik so einfach, dass sie eigentlich jeder verstehen kann, das ist ganz elementar.


Und der Funke ist übergesprungen. Durch Kreativität und Begeisterung.

Es ist ja so eine Sache mit Geburtstagen und Jubiläen. Da schwelgt man gern in der Vergangenheit und blendet die Gegenwart und Zukunft aus. Und Probleme sowieso. Das weiß Siegfried Bauer. Und genau das wollte der 65 jährige mit der Aufführung von Haydns „Schöpfung“ auf keinen Fall: Nur den guten alten Geist der Vergangenheit beschwören. Er wollte rüber bringen, der biblische Schöpfungsgedanke und Haydns Musik sind wichtig.

Bei unserer Aufführung haben wir das ja alles mit Laien gemacht und ich habe mich ein ¾ Jahr mit Haydn beschäftigt und habe natürlich vorher mir Gedanken gemacht, ob es den Leuten langweilig wird und es war genauso wie das bei guter Musik ist: Dass je länger man sich damit beschäftigt hat, je mehr Spaß hat es gemacht, je tiefer kam man.

Die 170 Chormitglieder und das Orchester für Haydns Musik zu begeistern, ist ihm -glaube ich- nicht schwer gefallen. Hätten alle sonst 40 Proben auf sich genommen und alle Stimmen auswendig gelernt? Und das Publikum? Siegfried Bauer hat gehofft, dass die Musik wirkt.

Jede Arie ist so farbig und man kann sich wirklich die Natur vorstellen, wenn die Tauben gurren oder wenn die Blumen sich öffnen. Es ist musikalisch nachgezeichnete Natur, so wie wir sie im schönsten Fall heute erleben können. Es ist natürlich auch ein bisschen problematisch, wenn so viel Schönes einem widerfährt.

Zu schön, um wahr zu sein, findet Siegfried Bauer Haydns Musik. Und das obwohl sie auch witzig und (fade in) frech sein kann. Wenn z. B. die Rinder auf der Weide deutlich hörbar „Darmluft ablassen.“

Trotzdem, eins zu eins (fade out) nachzuspielen, das wäre für ihn nicht gegangen. Dazu sind vor allem viele Texte zu problematisch. „Naiv, vordarwinistsch und frauenfeindlich,“ nennt er sie. Wenn Eva z. B. den Adam als Gebieter anhimmelt, wie es der größte Macho heute nicht mehr zu träumen wagt.
Darum haben sie in Ludwigsburg etwas Neues aus der „Schöpfung“ gemacht. Mit Tanz, Videosequenzen, alter und neuer Musik. Vor allem den Menschen haben sie in ein neues Licht gerückt.

Wir haben die Schöpfung nach dem Luthertext, aber mit heutiger Musik, erzählt und lassen den Haydn dazu schildern, Bilder zeigen. Haydn und heute. Insgesamt kann man sagen, dass der Mensch bei uns nicht die große Rolle spielt. Denn der Mensch in unserer Vorstellung, das ist ja der, der die Schöpfung eher gefährdet, der soll nicht so verherrlicht werden, wie das bei Haydn der Fall ist, obwohl das wunderbare Musik ist.

Neues schaffen aus und mit dem Alten, das heißt kreativ und schöpferisch sein. Und so hat sich z. B. die dunkle, bedrohliche Seite der Natur dann in der „neuen Schöpfung“ angehört.

Verantwortung durch Musik

Professor Siegfried Bauer ist eine feste Größe im kulturellen Leben Ludwigsburgs. Seit fast 40 Jahren leitet er eine Kantorei. Unterrichtet an der PH. Dirigiert das städtische Sinfonieorchester. Sogar in der Partnerstadt Jevpatorija auf der Halbinsel Krim hat er ein Orchester gegründet. Entsprechend war seine Kreativität auch gefragt für 2009: Zum 300. Geburtstag Ludwigsburgs sollte Siegfried Bauer eine passende Musik finden.

Und da ist mir die Schöpfung in den Sinn gekommen, weil eine Stadt natürlich auch für die Bewahrung der Schöpfung, für den Erhalt der Schöpfung verantwortlich ist, planen muss für die Zukunft und das auch schon in der Vergangenheit getan hat und dass heute natürlich die Bedrohung der Schöpfung ein Thema ist.

300 Jahre Ludwigsburg- 200 Jahre Haydn. Er hat das nicht zusammen gebracht, weil sie beide zufällig im selben Jahr Jubiläum haben. Das wäre Siegfried Bauer zu platt. Feiern und Verantwortung für die Zukunft übernehmen, das gehört für ihn zusammen. Und für ihn als Christ passt es auch sehr gut, ein Kunstwerk mit einem geistlichen Inhalt beim Fest einer Stadt aufzuführen. Er ist als Christ Bürger und als Bürger Christ. Und dabei kann man heute nicht auf heile Welt machen.

Ganz am Schluss spielen auf der Hinterbühne drei Menschen mit einem Riesenball. Das Publikum hat immer den Eindruck: er ist am Abgrund. Man hat also richtig Angst um diese Erde und dann kommt eben danach trotzdem: „die Himmel erzählen die Ehre Gottes.“

Siegfried Bauer macht aus seinem Glauben keinen Hehl. Er bringt ihn ins öffentliche Gespräch. Gerade in ein Projekt, das nicht in der Kirche, sondern auf weltlicher Bühne spielt. Bei dem Christen und religionskritische Menschen zusammen arbeiten und zusammen bringen, wie sie die Welt sehen, worüber sie sich Sorgen machen und was ihnen Hoffnung macht.

Wir waren uns auch nicht ganz einig, wie der Schluss dann sein sollte und dann kam der evangelische Kirchenmusiker in meiner Person und hat dann darauf bestanden, dass man am Schluss auch noch mal "die Himmel erzählen die Ehre Gottes“ singt als Finale, um zu zeigen, dass alles unter dem Mantel Gottes und unter seiner Herrschaft geschieht und nicht der Eindruck entsteht als ob die Menschen da was aufbauen könnten.

Nicht Angst am Schluss, sondern vertrauen und hoffen, trotz allem. Das war Siegfried Bauer wichtig, weil es um die Schöpfung geht. Ich finde er hat Recht. Wir können die bedrohte Erde nicht bewahren, wenn wir nicht spüren, dass Gottes Schöpfung schön ist und gut. Ich glaube, wir schaffen es auch nicht aus eigener Kraft. Wir brauchen Gottes Geist, der Mut macht und begeistert. Nicht nur an Pfingsten. https://www.kirche-im-swr.de/?m=6120
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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

Merseburg an der Saale. Eine Station an der „Straße der Romanik“. Wunderschön: der mittelalterliche Dom. In seiner Vorhalle steht ein Taufstein. Über 800 Jahre alt. Rund um das tonnenartige Becken entdeckt man steinerne Figuren. Sie stellen die Propheten des Alten Testaments dar. Dann die Überraschung: auf ihren Schultern hocken die zwölf Apostel. Ein sprechendes Bild: Das Neue Testament stützt sich auf das alte. Das Christentum wird vom Judentum getragen. Die klein dargestellten Apostel können so weit schauen, weil sie auf den Schultern der riesigen Propheten sitzen.
In den letzten Wochen musste ich öfter an dieses Taufbecken in Merseburg denken. Immer wieder fiel es mir ein, wenn ich die Schlagzeilen zu den unseligen Pius-Brüdern las. Für diese Leute sind die Juden noch immer die „Gottesmörder“. Sie weigern sich, jüdische Menschen als das zu sehen, was sie sind: die älteren Schwestern und Brüder der Christen.
Jesus war Jude, so wie seine Mutter, seine Geschwister und fast alle seine Freundinnen und Freunde. Der Gott Israels war sein Vater; das Alte Testament seine Bibel. Jesus ging nicht in die Kirche, sondern zur Synagoge. Er feierte nicht Weihnachten und Pfingsten, sondern Pessach und das Laubhüttenfest.
„Wer Jesus begegnet, begegnet dem Judentum“, hat Papst Johannes Paul II. immer wieder betont. Christen dürfen demnach keine Antisemiten sein. Das hat auch das II. Vatikanische Konzil ein für alle Mal klargestellt. Dahinter gibt es kein Zurück.
Vielleicht kannte der Künstler in Merseburg ein Wort des Apostels Paulus.
Im Römerbrief bekennt der nämlich voller Stolz: „Ich bin ein Israelit, ein Nachkomme Abrahams, aus dem Stamm Benjamin.“ (Röm 11,1) Die Christen – so Paulus – dürfen nicht vergessen, dass sie eine Frucht des jüdischen Glaubens sind. Deshalb schreibt der Apostel der Kirche ins Stammbuch: „Nicht du trägst die Wurzel, sondern die Wurzel trägt dich.“ (Röm 11,18)
https://www.kirche-im-swr.de/?m=5662
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