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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Wie ein Feuer ist Gottes guter Geist - so haben es die ersten Christen empfunden. Das Pfingstfest erinnert daran bis heute. Wie ein Feuer ist der Geist Gottes auf sie gekommen und hat ihren Glauben neu entzündet, erzählt die Bibel. Die nach seiner Hinrichtung enttäuschten und nach seiner Himmelfahrt verwirrten und ängstlichen Anhänger Jesu hatten neuen Mut gefasst und fingen an davon zu reden, was sie von Jesus gelernt und mit ihm erlebt hatten.
Damit hat vor ziemlich genau 2000 Jahren eine Erfolgsgeschichte begonnen. Immer mehr Menschen haben sich ihnen angeschlossen. Heute gibt es Christen überall auf der Welt. Und für viele ist das Leben leichter geworden, weil sie im Namen Gottes Hilfe und Trost erfahren haben.
Aber, sagen Sie jetzt vielleicht, eine Unheilsgeschichte war das doch auch, die damals begonnen hat. Wie viel Unglück haben die Christen, wie viel Unheil hat die Kirche angerichtet, bis heute. Ist es da ein Wunder, wenn Menschen sagen: mit diesem Laden will ich nichts zu tun haben? Ist es ein Wunder, wenn das Feuer des Glaubens erstickt im Qualm und unter der Asche und Schlacke von Jahrhunderten?
Und genauso kann ja auch in einem einzelnen Leben das Feuer des Glaubens verschüttet werden. Es ist schwer, am Glauben festzuhalten in schweren Zeiten. Und in guten ist es anscheinend auch nicht leicht.
Aber es fehlt eben doch was, ohne dieses Feuer des Glaubens, finde ich. Es ist dunkler und kälter in einem Leben ohne Glauben und in der Welt auch. An Pfingsten möchte ich Sie und mich deshalb erinnern: Es ist wichtig, dem Glauben Nahrung zu geben, so, wie man bei einem Feuer ab und zu nachlegen muss.
Wie das gehen kann? Da kann ich nur von mir reden: Mir helfen die Gottesdienste am Sonntag. Da kriegt mein Glaube Nahrung. Manchmal durch ein paar kluge Sätze in der Predigt. Manchmal durch ein Lied, das wir da singen. Manchmal sind es die Geschichten, die aus der Bibel vorgelesen werden oder die auf den Gemälden und Fenstern abgebildet sind. Hoffnungsgeschichten sind das allesamt. Geschichten, die mich erinnern: Menschen können wieder auf die Beine kommen. Keiner muss sagen, ich habe alles verdorben und jetzt habe ich nichts mehr zu erwarten. Und eines Tages wird Gott die Tränen abwischen und dann wird die Welt so sein, wie sie sein sollte.
Bei mir halten solche Geschichten das Feuer des Glaubens am Brennen. Sie geben meinem Glauben Nahrung. Und Gottes guter Geist macht, dass es brennt. Dann kann ich mich wieder aufs Leben einlassen - mit neuem Mut und mit Wärme für die Menschen, die mir begegnen.

 

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SWR2 Zum Feiertag

Wolf-Dieter Steinmann im Gespräch mit Christian Wolff, Pfarrer an der Thomaskirche Leipzig

 begegnungen > wolff.jpg

 Steinmann:
„Pfingsten", das heißt schon in der Bibel:
Christen werden öffentlich. Christen haben eine Mission.
Christian Wolff ist immer in diesem Sinn öffentlich Christ und Pfarrer gewesen. Jahrgang 1949. Mit einer spannenden Biographie: Bis 1991 war er Pfarrer in Mannheim. Engagiert in der Friedensbewegung, wechselte dann 92 nach Leipzig und ist dort seither Pfarrer an der Thomaskirche, der Kirche J.S. Bachs. In einem atheistisch geprägten Umfeld. Für Kirche schwierig und spannend. Was überwiegt eigentlich

 Wolff:
Also ganz sicherlich ist es mehr spannend als schwierig. Natürlich ist die Aufgabe, Menschen zu trösten, zu stärken, zu Verantwortung zu rufen, Gewissen zu schärfen, keine leichte Aufgabe. Aber wir haben hier in Leipzig die Situation, dass nach der friedlichen Revolution auf der einen Seite ein relativ offenes Klima da ist: Die Menschen sind offen, sie suchen nach einem Werteraster, das ihnen hilft, ihr eigenes Leben zu bewältigen. Ich merke das auch im Taufunterricht für Erwachsene: So sehr sie Interesse haben am Kennenlernen des christlichen Glaubens so sehr sind sie aber auch distanziert gegenüber jeglicher Form einer Vereinnahmung Sie wollen weder über noch unter den Tisch gezogen werden. Sie wollen überzeugt werden und das heißt:
Meine Aufgabe ist, den christlichen Glauben, neu zu buchstabieren,  dass Menschen, die nicht in der Tradition groß geworden sind, davon überzeugt werden, dass sie sagen: ‚Das ist sinnvoll, mich zu diesem Glauben zu bekennen.'

Steinmann:
An welchen Punkten des Lebens wird das denn am ehesten möglich?
Wo sind die Lebenssituationen, an denen der christliche Glaube anschlussfähig ist?

Wolff
In den ersten 10 Jahren waren ja hier die Menschen sehr stark beschäftigt mit diesem radikalen Veränderungsprozess, der auch ganz tief ins persönliche Leben eingegriffen hat. Und da spielt natürlich die Kirche eine wesentliche Rolle als Gemeinschaft, die auch so die Verwerfungen des Lebens auffangen kann.
Ein anderer Punkt war, dass die Kirche nun öffentlich wirken könnte. Sie musste nun auch in einer entchristianisierten Gesellschaft neu ihren Standort finden und auch lernen, ihre Position zu formulieren
.

Steinmann
Wie hat da die politische Öffentlichkeit in Leipzig darauf reagiert?

Wolff
In den ersten Jahren war es relativ selbstverständlich, dass die Kirche sich auch weiterhin einmischt in die gesellschaftspolitische Debatte. In der Friedensfrage.
Jetzt sind wir in einer Situation, in der wir klare inhaltliche Positionen beziehen.

fotos > universitaetskirche.jpgDas ist insbesondere in der Auseinandersetzung um die Universitätskirche deutlich geworden. Ebenso bei der Frage, dass eine Rektorin einer Grundschule das Einüben des Chorals „Jesus bleibet meine Freude" in den Vorbereitungen der Thomaner verboten hat, weil da ja Jesus drin vorkommt und das sei Atheisten nicht zuzumuten. An der Stelle gab es nun eine Auseinandersetzung über Wochen: 'Ja, was erlaubt sich hier die Kirche, wir leben doch in einem weltanschaulich neutralen Land. Da kann es z.B. keine Kirche geben im Bereich der Universität.'

 Steinmann:
Und was sind Eure Positionen gegen eine so laizistische verstandenes Verhältnis von Kirche und Staat?

Wolff
Einmal dass es diese weltanschauliche Neutralität überhaupt nicht gibt. Auch nicht im Grundgesetz.
Aber die inhaltliche Frage ist ja viel wichtiger. Nämlich wie wichtig und notwendig es im universitären Bereich ist, dass wir eine lebendige Auseinandersetzung haben zwischen Glauben und Vernunft, Religion und Wissen und dass der wissenschaftliche Fortschritt auch vor allem die gesellschaftliche Verantwortung der Wissenschaft es erforderlich macht, dass wir diese Debatte führen und dass es dafür auch Räume geben muss.
fotos > kirchenfenster thomaskirche.jpgUnd die Tradition dieser Universität, die ja in der Thomaskirche gegründet worden ist, ist so, dass die 1968 von den Kommunisten gesprengte Universitätskirche immer ein Ort war, der akademisch und gottesdienstlich und musikalisch genutzt worden ist.
Wir müssen uns doch einfach auch fragen:
Woher kommt es, dass in den Chefetagen unserer Gesellschaft so viel Fehlleistungen auch sind, weil in der Ausbildung auch vernachlässigt wird eine kritische Auseinandersetzung mit den Grundwerten unserer Gesellschaft und das ist ohne lebendige Auseinandersetzung mit den Grundwerten der jüdisch-christlichen Glaubenstradition nicht zu machen.

Steinmann:
Es geht nicht darum zu klerikalisieren?

Wolff:
Wir tragen etwas dazu bei, dass es politischer wird. Im Sinne, dass wir stärker über die Grundfragen unseres Zusammenlebens debattieren, dass wir diese schreckliche Verengung auf Finanzfragen überwinden: Wie wollen wir eigentlich zusammenleben?
Und im Übrigen sollten wir voller Selbstbewusstsein immer wieder darauf hinweisen: Städte ohne Kirchen sind nicht lebensfähig! Das haben 40 Jahre DDR gezeigt. Jeder Politiker, der in einer Kommune tätig ist, wird sehr schnell merken: Die verlässlichsten Partner für ihn sind die Kirchgemeinden. Denn nirgendwo wird so umfassend und verantwortlich das Leben in der Ganzheit gesehen.

Steinmann:
Wie sehen denn Bildungsprozesse bei Euch in der Kirchgemeinde aus, diese Lebensbildung wie gelingt das?

Wolff:
Wir haben einen musikalischen Bildungscampus „forum thomanum" gegründet, den wir um den Thomanerchor und die Thomasschule gruppieren und wir haben jetzt schon eine Kindertagesstätte mit 100 Plätzen und wir werden in diesem Jahr eine Grundschule gründen mit elementarer Musikpädagogik und sprachlich englisch und italienisch.

fotos > thomaner.jpg
Das ist etwas Wunderbares, dass wir also diesen Dreiklang "glauben- singen -lernen", dass wir den jetzt auch hier  in die Stadt kommunizieren. Und ich denke insgesamt für die Bildung ist dieser Dreiklang von größter Bedeutung. Aber wir wollen damit auch ausstrahlen auf die gesamte Bildung, dass wir sagen, ‚Leute denkt über diese drei Säulen nach: Ohne die geht's eigentlich nirgendwo.
Was ich hier entdeckt habe ist ein uraltes reformatorisches Thema, nämlich der enge Zusammenhang von Glauben und Bildung. Wir müssen in einer atheistisch geprägten Gesellschaft den Glauben so zu kommunizieren, dass er auch von einem Nichtchristen nachvollzogen und verstanden werden kann.

Steinmann:
Kannst Du ein Beispiel sagen, wie das dann aussehen könnte?

Wolff:
Ich habe an Himmelfahrt gepredigt und Himmelfahrt ist für mich das Thema ‚Globalisierung'. Der christliche Glaube ist der erste große Globalisierungsschub auf dieser Welt gewesen und nicht etwa Coca-Cola.
Als Christen haben wir eine Weltverantwortung. Wir haben aber gleichzeitig auch die Aufgabe, vor jeder Form von Verengung von Globalisierung auf die Finanzmärkte zu warnen und dem auch entgegen zu treten und wir haben uns immer wieder klar zu machen: Das kirchlich gebunden Wort für Globalisierung ist ‚Ökumene', nämlich das Zusammenleben auf dieser einen Erde.

Steinmann:
Von Leipzig aus in den Südwesten geguckt: Wie ist die Situation und die Aufgabe von Christen aus Deiner Sicht „drüben"?

Wolff:
Seit ich hier bin, bin ich der festen Überzeugung, dass wir in Westdeutschland ein Schuldbekenntnis sprechen müssen. Und zwar haben wir es zugelassen, dass die Menschen scharenweise der Kirche den Rücken gekehrt haben und wir haben weiter gemacht als ginge uns das nichts an. Haben nicht nur finanziell von der Substanz gelebt, sondern haben Mission -wenn überhaupt-, dann als eine Angelegenheit betrachtet für das evangelikale Lager. Und das ist ein sträfliches Manko.
Ich habe hier gelernt, es gibt kein Gesundschrumpfen, schrumpfen ist ein Krankheitsprozess. Deswegen ist für mich wichtig, dass wir werben für Mitgliedschaft in der Kirche, für aktive Beteiligung an einem wunderbaren Gesamtthema des Lebens, nämlich dem christlichen Glauben.
Meine Faustregel lautet so: Wir müssen fundamental und elementar von unserem Glauben reden ohne fundamentalistisch und banal zu werden. Ich sehe unter
80 % Nichtchristen mindestens 10 % die suchen. Wie oft kommt es vor, dass jemand in die Sprechstunde kommt, sich hinsetzt, seufzt und sagt: 'Dafür habe ich jetzt 2 Jahre gebraucht und dann den Wunsch hat, sich taufen zu lassen oder nach 30 Jahren, wieder in die Kirche einzutreten.
Da ist noch viel viel möglich grade auch unter den Jugendlichen. 12-14 jährige zu begleiten, ihnen die Grundlagen des Glaubens anzubieten, mit Kopf und Herz.
Und Eltern haben doch drei Ängste, was ihre Kinder angeht: dass sie kriminell werden, dass sie drogenabhängig werden und dass sie rechtsradikal denken. Alles drei widerspricht den Grundlagen des christlichen Glaubens. Also kann ich nur sagen: Wer diese Ängste hat: Schickt eure Kinder in den Konfirmandenunterricht. Wir können einen Beitrag dazu leisten, dass aus Kindern und Jugendlichen - ganz platt gesagt - was Anständiges wird.

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SWR1 Begegnungen

Bruno Sonnen trifft Sergio Fernandez

Teil 1

Seit 50 Jahren gibt es die Partnerschaft zwischen dem Bistum Trier und der Kirche Boliviens Seit 50 Jahren engagiert sich das Bistum Trier in dem südamerikanischen Land mit materieller Hilfe, aber auch mit Personal. So arbeiten seit jeher Trierer Priester und Ordensleute in Bolivien. Doch heute ist die Partnerschaft keine Einbahnstraße mehr, sondern Begegnung auf Augenhöhe: Bolivianische Priester kommen als Seelsorger ins Bistum Trier. Einer von ihnen ist Sergio Fernandez.

Am Anfang, als der Bischof mir gesagt hat, ich soll mich vorbereiten, ich habe gefeiert. Ich habe mich sehr gefreut, ich habe gesagt: Ja, gut, ich gehe. Und jetzt vor einem Monat, ich habe gesagt, h verlängere noch ein, zwei Jahre und vielleicht kommen noch mehr. Das bedeutet, ich fühle mich sehr gut hier.

 Sergio Fernandez ist 37 Jahre alt und kommt aus der Region Chuquisaca in Zentralbolivien. Er kommt aus einfachen Verhältnissen, die Eltern sind Landwirte, Sergio ist das fünfte von sieben Kindern. Mit Deutschland kam er schon früh in Kontakt, nicht nur durch die Partnerschaft zwischen Trier und Bolivien, sondern vor allem auch durch mehrere Priester aus Bayern, die in seiner Heimat arbeiteten.

 Und deswegen, ich habe gesagt, wenn ich werde Priester, nach fünf Jahren als Priester fliege ich nach Deutschland, um zu arbeiten.

 Und so ging ein Traum in Erfüllung, als ihn sein Bischof bat, im Rahmen der Partnerschaft als Seelsorger für drei Jahre ins Bistum Trier zu gehen.

 Und dann kam ein Sprachkurs in Bolivien. Ich habe da vielleicht nur fünf Prozent gelernt, ein bisschen. Aber meine Idee war immer, in Deutschland, wenn ich nach Deutschland kommen kann, ich lerne mehr, ich habe noch Zeit,

 Der Sprachkurs in Bonn würde es schon richten, dachte er sich.

 Aber auch das war schwierig, weil ich konnte nicht eine Frage stellen, weil ich habe fast nie verstanden. Und die Mitschüler, es waren 15, waren schon ein bisschen vor, und die Lehrerin hat gefragt: Habt ihr verstanden? Und die anderen sagten alle: Ja, ja, weiter - nur ich nicht.

 So richtig Fortschritte hat er dann erst in seinen Einsatzpfarreien im saarländischen Mettlach gemacht, auch wenn er immer noch nicht zufrieden mit sich und seinem Deutsch ist:

 Ich habe einen Lehrer, und er korrigiert am Ende meine Predigt. Die Grammatik, das ist für mich noch schwierig. Bis heute ich lese noch meine Predigt vor. Das ist anders, in Bolivien ich habe nie ein Predigt gelesen.

 Seit gut zwei Jahren ist der Priester aus Bolivien mittlerweile in Deutschland, und im Gespräch mit ihm merke ich, wie froh er ist, sich endlich so ausdrücken zu können, dass er als Seelsorger arbeiten kann.

 Ich treffe mich immer mit den kleinen Messdienern und mache eine Katechese oder etwas von Liturgie und dann noch in diesem Jahr wir haben viel gearbeitet mit den Jugendlichen, mit der Firmgruppe, Firmlingen und auch mit den Kommunionkindern - etwas Katechese und Vorbereitung für die Sakrament.

 Und die Erwachsenen, sind die vielleicht zurückhaltender ihm gegenüber, will ich wissen.

 Nee, nee, die Leute sind sehr nett. Manchmal ich habe schon eine Familie besucht,  und die Familie, ich glaube wenn der Priester besucht eine Familie, sind ganz froh. Ich glaube, die Präsenz von einem Priester in der Familie ist, glaube ich, schon super.

  Teil 2

Die Partnerschaft des Bistums Trier mit Bolivien macht es möglich: Als Priester aus Bolivien arbeitet Sergio Fernandez zurzeit als Seelsorger im Bistum Trier in einer Pfarreiengemeinschaft im saarländischen Mettlach. Dabei macht er natürlich auch Beobachtungen, vergleicht sein Land und Deutschland. An Deutschland und den Deutschen sind ihm zwei Dinge besonders aufgefallen. Eher wenig überraschend: die Pünktlichkeit.

 Eine Minute vorher, eine Minute nach, mehr geht nicht - aber in Bolivien geht, das ist kein Problem. Wir sagen, ich komme gleich, das bedeutet: nicht eine Minute, sondern zwei Stunden, drei Stunden, vier Stunden kann man sagen. 

 Schon überraschender ist der zweite Punkt, das Essen. Hier hat sich der Sohn eines einfachen Bauern vom Land schon über Tiefkühlkost und Supermarkt gewundert. In Bolivien sei das noch anders, wenigstens aus dem Land, sagt er:

 Etwas mehr Natur. Hier kann man alles in Aldi oder so kaufen. Manche von diese Sachen sind nicht mehr ganz Natur. Und in Bolivien, wir essen noch viele Sachen auf dem Feld. Jede Familie hat seine Garten und so wir brauchen nicht besonderes etwas kaufen. Wir haben keine großes Markt oder Aldi oder so. Jede Familie hat seine Sachen.

 In Bolivien habe man ihm gesagt, mit dem Glauben in Deutschland gehe es bergab, und die Leute seien nüchtern und kalt, erzählt er mir. Doch seine Erfahrungen sind andere.

 Nee, das ist nicht so, die Leute sind nett. Ja, wir sind arme Leute, und hier reiche Leute, aber die Leute hier haben noch ein großes Herz für die Armen. Manche Leute sind nicht reich, kann man sagen, verdienen auch nicht viel Geld, aber sie haben eine gute Herz und spenden viel noch für die Armen.

 Auch den Glauben hierzulande erlebt er als durchaus lebendig:

 Kann man nicht sagen, dass hier in Deutschland die Leute schon verloren haben die Frömmigkeit. Manche Leute sind noch ganz fromm und leben nicht nur mit dem Wort sondern mit Herz auch und Tat ihren Glauben.

 Ein wenig anders aber ist doch die Art und Weise der Frömmigkeit:

 Vielleicht im ganzen Lateinamerika, kann man sagen, wir sind mehr Verehrer von Muttergottes. Die Mutter, das Bild von Muttergottes, sagt uns viel und deswegen wir haben in jeder Stadt eine Patronin und die Leute, die Gläubigen pilgern hin. Viele tausend Leute und das vielleicht, ist eine kleine Unterschied, kann man sagen. Wenn jemand hat vielleicht nicht ein Kreuz zu Hause, aber hat ein Bild von Muttergottes.

 An Pfingsten kam der Heilige Geist über die verängstigten Apostel und öffnete ihnen den Mund, machte sie sprachfähig, und sie konnten anderen von ihrem Glauben  erzählen. Daran muss ich denken nach dem Gespräch mit Sergio Fernandez. Auch er tat sich schwer am Anfang in Deutschland, fühlte sich einsam und allein, vor allem die Sprache hat ihm Kopfzerbrechen bereitet. Doch er hat durchgehalten, auch im Vertrauen auf diesen guten Geist Gottes  

 Jesus hat uns gesagt: Ich gehe zum Himmel, aber ich schicke euch einen Beistand, und ich glaube das der jetzt jeden Tag stärkt uns in unserem Glauben, unserer Arbeit. Er ist immer bei uns, immer da und wenn wir fühlen uns ein bisschen vielleicht traurig oder so. Und das ist für mich hat große Bedeutung, weil ich fühle mich nicht allein in meiner Arbeit, sondern jemand ist bei mir und er ist der Heilige Geist.

 

 

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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Welcher Geist weht eigentlich da, wo Sie arbeiten? In ihrer Schule oder in der Praxis, in ihrem Büro, in der Werkstatt oder im Lager? Und da, wo sie leben, in ihrer Familie? Welcher Geist weht da?
So sagt man doch: Da weht ein guter Geist - wenn Mitarbeiter sich gegenseitig unterstützen. Wenn Lehrerinnen und Lehrer engagiert und freundlich ein gutes Lernklima schaffen. Und wenn die Schüler auch Freude haben an der Zusammenarbeit und sich Mühe geben, dass es gelingt. Ein guter Geist wirkt irgendwie ansteckend. Der breitet sich aus. Wo ein guter Geist herrscht, da wird man hineingezogen in die wohltuende Atmosphäre der Offenheit und der Freundlichkeit. Wo ein guter Geist herrscht, da bringt man sich gern ein. Und man ist gern bereit, dafür auch selber etwas zu tun, wenn ein guter Geist herrscht.
Manchmal kann man das nicht sagen. Das gibt es nämlich auch, dass kein guter Geist herrscht. Da geht man dann nicht gern hin. Da ist man froh, wenn man bald wieder gehen kann. Da hält man sich raus. Und wenn man das nicht kann, dann darf man sich jedenfalls nichts gefallen lassen. Und dann wird man leicht selbst auch unfreundlich und missmutig. Ein schlechter Geist breitet sich leider auch aus. Und oft geht dann gar nichts mehr und das Leben wird unerträglich.
Heute an Pfingsten feiern Christen, dass Gottes Geist in die Welt gekommen ist. Bald nach Jesu Tod haben ein paar erste Christen ganz deutlich gespürt, wie das ist. Aus einem Haufen enttäuschter, ängstlicher, mutloser Anhänger Jesu wurden offene, zuversichtliche Menschen voller Hoffnung. Auf einmal wehte ein anderer Geist. Der Geist Gottes hat sie beflügelt. Er hat sie ermutigt, nicht aufzugeben. Er hat sie motiviert, weiter so zu leben, wie Jesus es ihnen gezeigt hatte. Der Geist Gottes hat sie erinnert, dass man viel tun kann, um sich gegenseitig das Leben leichter zu machen. Er hat ihnen geholfen, auf andere zuzugehen. Er hat ihnen Kraft gegeben, denen eine neue Chance zu geben, mit denen sie eigentlich schon fertig waren.
Und: dieser gute Geist hat sich ausgebreitet. Gottes Geist wirkt ansteckend. Er hat damals Menschen mitgerissen und beflügelt noch heute viele.
Mir scheint, wir brauchen ihn heute mehr denn je, diesen guten Geist Gottes. Es wäre gut, wenn er sich auch unter uns ausbreitet. Eines der ältesten christlichen Lieder bittet darum: Komm, Gott, Schöpfer, Heiliger Geist ... so fängt es an. Gut, dass das auch heute gesungen wird, überall, wo Christen Gottesdienst feiern. Denn ich glaube, Gottes guten Geist, den brauchen wir alle. Nicht bloß die Christen.

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SWR4 Abendgedanken BW

Herz aus Stein: Ein Märchen erzählt von einem armen Mann, der reich und mächtig sein wollte. Eines Tages erhält er ein Angebot: Sein Wunsch wird erfüllt, wenn er sein lebendiges Herz gegen ein Herz aus Stein eintauscht. Der Mann geht auf den Handel ein. Er wird erfolgreich, hat Geld im Überfluss, aber sein Leben ist gänzlich verwandelt. Mit seinem steinernen Herzen spürt er nur noch Kälte - keine Freude, keine Liebe, kein Glück.

Das Märchen von Wilhelm Hauff ist fast 200 Jahre alt, aber die Erfahrung, die es beschreibt:

die Erfahrung, dass Hartherzigkeit nur allzu sehr unsere Welt prägt, gilt heute genau so wie damals.

Und ich bin daran auch nicht ganz unschuldig. Ich würde zwar energisch bestreiten, ein Herz aus Stein zu haben. Aber oft genug verschließe ich mein Herz vor anderen, schaue weg, wo ich Not sehen könnte und mache meinen Mund zu wenig auf gegen Ungerechtigkeit, Kälte und Härte. Ein Herz aus Stein habe ich sicherlich nicht - aber vielleicht haben sich auch auf meinem Herzen ein paar Kieselsteine angesammelt, die mein Herz verhärten.

In Hauffs Märchen gewinnt der reiche Mann am Ende mit Hilfe eines Zauberers sein altes, liebevolles Menschenherz zurück. Und was können wir gegen die Steine auf unserem Herzen machen?

Beim Propheten Ezechiel heißt es: Gott spricht: Ich will ein neues Herz und einen neuen Geist in euch geben und will das steinerne Herz wegnehmen und ein Herz aus Fleisch geben.

Der Prophet weiß: Ein menschliches, liebevolles Herz ist nicht selbstverständlich - es ist ein Geschenk.  Wir brauchen dazu keinen Zauber, wir brauchen Gott. Wir brauchen seinen Geist. Gottes guter Geist kann ein Herz wieder erweichen.

Wir brauchen Gottes Geist, um Mensch zu werden. Darum hat Gott jedem von uns bei der Schöpfung seinen Geist eingehaucht. Aber wir brauchen Gottes Geist auch, um als Mensch wirklich menschlich leben zu können. Und darum gab es das Pfingstereignis vor fast 2000 Jahren und darum wirkt Gottes Geist in dieser Welt und in den Herzen all derer, die an Gott glauben. Dieses Ereignis ist so wunderbar, dass ihm jedes Jahr ein Fest gewidmet ist - das Pfingstfest, das wir am Sonntag feiern: Gott schickt seinen Geist zu uns auf die Erde!

Wir brauchen uns nichts vorzumachen - wir sind Menschen; wir werden nicht aufhören, unser Herz zu verhärten. Aber das Tröstliche ist: Gottes Versprechen gilt; sein Geist steht bereit, um unsere Herzen immer wieder frei zu räumen von all dem Schutt und all den Kieselsteinen, die wir darauf angesammelt haben.

Das bedeutet Pfingsten - Ich finde, das ist wirklich ein Grund zum Feiern!

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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

In unserer Gemeinde in Stuttgart gibt es zurzeit einen „Runden Tisch". Wir haben ihn eingerichtet, um unser Orgelprojekt, das wir zusammen mit der Anglikanischen Gemeinde betreiben, voranzubringen. Neben Vertretern beider Kirchenvorstände sitzen an diesem Tisch ein Orgelsachverständiger, ein Professor der Stuttgarter Musikhochschule und der Architekt unserer Kirche. Seit etwas mehr als einem Jahr kommen sie regelmäßig zusammen, um alle anstehenden Fragen zu besprechen. Mit Erfolg, denn inzwischen ist die Orgel auf dem Weg.
Runde Tische dienen dazu, verschiedene Interessenvertreter ins Gespräch zu bringen und gemeinsame Lösungen zu erarbeiten. Die Idee ist nicht neu. Es gibt das Bild eines westfälischen Meisters aus dem 14. Jahrhundert, das ebenfalls einen runden Tisch zeigt. Er vereinigt die zwölf Apostel und Maria, die Mutter Jesu. Und es erinnert an eine Stelle aus dem Neuen Testament, in der berichtet wird, dass diese nach den österlichen Ereignissen und der Himmelfahrt Jesu in einem Jerusalemer Haus „einmütig im Gebet verharrten" (Apostelgeschichte 1,12-14). Die Ruhe vor dem großen Sturm des Pfingstereignisses.
Die christlichen Kirchen haben diese Szene aufgegriffen und in dieser Woche - der Woche vor Pfingsten  - zum Gebet für die Einheit der Christen aufgerufen. Wo man sich darauf einlässt, hat dies den Effekt eines „Runden Tisches": Angehörige verschiedener Kirchen - wenn möglich, nicht nur evangelische und katholische - kommen zusammen, um zu beten. Sie vertrauen dabei auf die einigende Kraft des Heiligen Geistes. Doch das ist nicht alles. Zuvor ist es nötig, dass Vertreter der beteiligten Kirchen die Gebetsstunden vorbereiten. Wo sollen sie stattfinden? In welcher Weise sind sie möglich? Wie können sie musikalisch gestaltet werden? Das Gespräch über solche Fragen ist mehr als nur eine Vorbereitung. Und das Gebet selbst ist mehr als nur eine Gebetsstunde. Für die einzelnen Christen ist es auf jeden Fall etwas Zusätzliches in ihrem Alltag, für das sie Zeit und nicht selten auch einen inneren Ruck brauchen. Wenn dann nach den Gebetsstunden noch Begegnungsmöglichkeiten angeboten werden und es einen kleinen Imbiss gibt, hat etwas Wichtiges stattgefunden auf dem Weg zur Einheit der Christen. Denn diese kommt vor allem durch Begegnungen und Gespräche, auch über geistliche Themen, zustande. Vielleicht wäre das auch mal was für den Freundeskreis oder die Nachbarschaft...

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SWR4 Abendgedanken RP

 

Teil 1. Das Bistum Mainz auf dem Kirchentag in München

SWR 4, der Kirchenblickpunkt, heute zum Start des II. Ökumenischen Kirchentags in München. Für hunderttausend Gäste geht's heute los, für viele Menschen in ganz Deutschland ist der Kirchentags aber schon lange Gegenstand von Planung und Vorbereitung. Auch in den Landeskirchen und Bistümern in Rheinland-Pfalz wurde das Christentreffen intensiv vorbereitet. Susanne Metzger-Rehn macht Öffentlichkeitsarbeit im Bistum Mainz und verrät, was die Besucherinnen und Besucher am Bistumsstand erwartet.

Wir haben eine riesige Leinwand, die ist 11 breit und 5 Meter hoch. Und man sieht dort wirklich detailgetreu den Martin mit dem Bettler oben auf dem Domturm stehen. Und wenn man sich davor stellt, sieht es aus, als wäre man direkt auf dem Domdach.

Der Mainzer Dom mitten in München, das hat was. Und ist ein starkes Zeichen. Es heißt: In München ist auch die Ortskirche dabei. Weil es wichtig ist, beim Kirchentag auch etwas von der Kirche und dem Glauben vor Ort zu erzählen. Die Mainzer überlegen deshalb immer genau, wie sie etwas Besonders aus ihrem Bistum auf den Kirchentag bringen können. Und das kommt an, erinnert Susanne Metzger-Rehn:

 Also wir haben viele Katholikentage lang gedruckt. Wir hatten eine Gutenberg-Druckmaschine da. Und es kamen viele Leute, die schon wussten, bei uns ist immer was los. Und die kamen schon her und hatten schon Ideen, das fand ich immer sehr beeindruckend.

Doch bei aller Freude: Gerade die jüngsten Skandale in der Katholischen Kirche sind Thema für den Kirchentag. Metzger-Rehn erlebt diese Zeit auch als schwierig, aber sie setzt vor allem auf persönliche Begegnungen, um den Glauben lebendig zu halten.

 Wir haben ein gutes Miteinander, und ich glaube, wenn man mit Menschen zusammen ist, und wirklich ganz innen drin in ihnen was ist, dann sieht man mehr Licht und sieht auch mehr Schatten. Und wenn sich das die Waage hält, und man immer wieder Licht sieht, und das sehen wir und das werden wir auch beim Kirchentag sehen, dann kann man das ganz gut leben.

Kein Wunder also, dass für die Öffentlichkeitsarbeiterin der Kirchentag mehr ist als nur Organisation und Event - sondern auch und vor allem Gewinn für den Glauben.

 Eigentlich ist so ein Kirchentag eine Verjüngungskur für den Glauben. Ich war vor vielen Jahren bei dem Münchner Katholikentag und erinnere mich noch sehr gut, dass da die U-Bahnen voller Musik waren, überall fröhliche Menschen. Man spürte, das sind ganz viele Leute, die glauben, die leben daraus. Und das geht auch mit nach Hause.

Der Kirchentag soll nicht nur einmaliges Ereignis sein, sondern soll auch für den Glauben im Alltag wichtig werden. Aus früheren Erfahrungen weiß Susanne Metzger-Rehn, wie das so ist bei solchen Großtreffen:

 Man spricht über den Glauben, tauscht sich aus, lebt miteinander, spürt das Verbindende, dass das wirklich etwas ist, was trägt, was auch trägt in die Gemeinden hinein, dass das wirkt wie ein Sauerteig. Wenn man nach Hause kommt, dass man gekräftigt ist.

Der II. Ökumenische Kirchentag soll dem Glauben einen Schub geben. Das erhofft sich Susanne Metzger-Rehn von der Öffentlichkeitsarbeit im Bistum Mainz. Und was sich ihr Bischof erhofft, darüber sprechen wir nach der Musik mit Karl Kardinal Lehmann, dem Bischof von Mainz, hier im Blickpunkt Kirche in SWR4.

 

Teil 2. Kardinal Lehmann und der Kirchentag

Ab heute sind unzählige Rheinland-Pfälzer für fünf Tage in München anzutreffen. Sie tummeln sich auf dem II. Ökumenischen Kirchentag, der heute Abend eröffnet wird. Unter den Gästen findet sich Kardinal Lehmann, der Bischof von Mainz. Im Blickpunkt Kirche bei SWR4 sprechen wir mit ihm über dieses große Christentreffen. Was macht für ihn die Faszination dieser Tage aus?

 Also einmal gibt es ja ein riesen Programm mit 800 Seiten. Da findet jeder etwas für sich im weitesten Umkreis. Alle Probleme eigentlich, die in der Gesellschaft sind, nicht nur in den Kirchen, werden angesprochen. Und vielleicht ist es auch eine ganz besondere Lust, mit vielen Menschen zusammen zu sein, Jungen, Alten, die doch eine ähnliche Einstellung also haben oder wenigstens dieselben Interessen haben.

Menschen, die sich über den Glauben austauschen und sich bestärken, die zusammen singen und beten, und die um die Ökumene, die Einheit der Kirchen ringen - all das macht das Christentreffen in München so faszinierend. Lehmann hofft, dass der Kirchentag weite Kreise zieht.

 Ich denke mir, vom Kirchentag gehen eigentlich zwei Dinge aus. Einmal wird deutlich gemacht, dass eine große Zahl evangelischer und katholischer Christen wirklich eine enge Gemeinschaft des Glaubens in Wort und Tat sein wollen. Und von einem frischen Kirchentag geht dann auch für die Kirchen selber ein neuer Schwung wieder aus. Ich denke auch für Bischöfe und kirchenleitende Persönlichkeiten. Und das halte ich für eine gute und unentbehrliche Sache.

Zumal die Kirche in den letzten Wochen und Monaten zu kämpfen hatte. Der Missbrauchsskandal ist noch lange nicht Geschichte. Aber Kardinal Lehmann sieht auch andere Seiten der Kirche.

 Dinge passieren, wo man auch in sich gehen muss, wo man auch „Mea culpa" sagen muss. Aber dann gibt es viele, viele Bereiche, wo die Kirche auch für die Gesellschaft von größerer Bedeutung ist. Und wo sie Aufgaben übernimmt, die sonst niemand übernimmt. Und das müssen wir auch gelegentlich auch mal deutlich sagen. Wir brauchen uns nicht zu verstecken.

Der Kirchentag begeistert und fasziniert. Weil sich dort so viele Menschen sichtbar auf die Suche nach dem Glauben machen. Und worauf freut sich Kardinal Lehmann ganz persönlich?

Also ich freue mich zunächst einmal an dem Interesse so vieler Menschen. Ich habe immer etwa bei Bibelarbeiten, aber auch bei Vorträgen und Diskussionen auch wenn es Tausende von Leuten waren, eine erstaunlich schöne, große Diskussion gehabt - mit viel Interesse. Und das gilt eigentlich für alles.

Der Mainzer Kardinal Lehmann erwartet vom Ökumenischen Kirchentag neuen Schwung für die Christen in ganz Deutschland. Wie der konkret aussehen könnte, dazu hören Sie gleich einen Beitrag von Thomas Weißer. Nach der Musik hier im Blickpunkt Kirche in SWR4.

 

Teil 3. Öffentlich um den Glauben ringen

SWR 4 - Blickpunkt Kirche. Heute mit Beiträgen zum II. Ökumenischen Kirchentag, der zur Stunde in München eröffnet wird.

Der Ökumenische Kirchentag - eine wunderbare Erfindung. Ich zumindest finde solche Treffen richtig und gut. Viele Menschen, die in ihrer Gemeinde für die Ökumene kämpfen, können sich hier Kraft und Ideen holen. Für den Alltag vor Ort. Und der sieht oftmals überraschend unkompliziert und leider manchmal auch ganz schwierig aus. Unkompliziert ist das: Da ist die Band, die Mitglieder sind katholisch, die in der evangelischen Kirchengemeinde eine Heimat gefunden hat. Da ist die Silvesterandacht, die traditionell ökumenisch gefeiert wird. Da sind die Gemeindefeste zu denen sich die Gemeinden gegenseitig einladen. Schwierig ist unter anderem: der ökumenische Gottesdienst am Sonntagmorgen ist immer noch unmöglich, ein gemeinsames Abendmahl in weiter Ferne, und Mitglieder der anderen Konfession können in der Schwesterkirche nicht überall arbeiten.

Bei allen berechtigten Fragen und zu klärenden Problemen: gerade vor dem Pfingstfest wird deutlich, wie skandalös die Trennung der Kirchen ist. Da lesen wir an Pfingsten, wie Menschen vom Geist Gottes erfasst werden. Sie werden wortwörtlich begeistert. Und können ihren Glauben weitersagen. In allen Sprachen. Und das heißt für mich: Die ersten Christen können ihren Glauben jedem Menschen verständlich machen. Sie können von Gott so erzählen, dass es jeder versteht. Ihre einzige Konfession, ihr Bekenntnis, ist das Bekenntnis zu Gott. Kein Lippenbekenntnis. Sondern ein funkensprühendes, ein begeisterndes Bekenntnis. Ein glaubwürdiges Zeugnis für die meisten Menschen.

Mehr denn je bin ich überzeugt: Heute brauchen wie auch ein glaubwürdiges Bekenntnis. Brauchen Menschen, die den Glauben weitersagen und leben. Das hat nichts mit frommen Worten zu tun. Glaube ist nicht nur felsenfestes Überzeugtsein, sondern hat auch Platz für Zweifel, Furcht, ja, für den Unglauben.

Ich glaube, dass hier Ökumene, die Einheit der Kirchen ganz handfest beginnt: Wenn jeder immer wieder sich bemüht, dem Glauben sein persönliches Gesicht zu geben. Und eine Sprache, die die anderen Menschen verstehen. Der Ökumenische Kirchentag könnte hier helfen: Er kann Mut machen, mit dem Glauben wieder anzufangen.

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SWR2 Wort zum Sonntag

Welche Sinne brauche ich, um die Kirche wahrzunehmen? Diese Frage geht mir immer dann durch den Kopf, wenn ich auf meinem Weg in die Innenstadt an einem bestimmten Geschäft vorbeikomme. Die Auslagen im Schaufenster signalisieren eine Mischung aus östlicher Religion und Esoterik. Und aus der meist geöffneten Tür strömt ein Duft heraus, eine Mischung aus Räucherkerzen und ätherischen Ölen, die den Sinnen der Vorbeieilenden ein verheißungsvolles Wohlgefühl versprechen. Der Duft passt zu dem, was dort verkauft wird. Man kann das dort feil gebotene religiöse Versprechen riechen und schmecken.

Immer wieder, wenn ich an dem Geschäft vorbeigehe, verlangsame ich  meinen Schritt und nehme eine Nase voll Sinnennahrung mit. Und dann frage ich mich regelmäßig, wonach denn die Kirche riecht. Und ob man ihre Angebote auch schmecken kann. Die römisch-katholische Kirche mag da immerhin noch mit Weihrauch locken. Aber wie ist es da denn um die evangelische Kirche bestellt?

Um die Kirche mit meinen Sinnen wahrzunehmen, reicht es nicht aus zu schmecken und zu sehen. Es braucht dazu nicht selten noch einen weiteren Sinn, nämlich das Gehör. Wer heute an einer offenen Kirchentür vorbeigeht, hört das Singen der Gemeinde. Und hört womöglich noch häufiger als sonst einen Chor, eine Gesangssolistin. Hört einen Bläserkreis oder ein kleines Instrumentenensemble.

Das ist kein Zufall. Heute ist im Kirchenjahr der Sonntag Kantate. Kantate ist ein Imperativ. Singt! heißt der mit einem Wort übersetzt. Seit ihren Anfängen können die Menschen die Kirche am Singen erkennen. Lieder des Lobens und des Klagens, Lieder, die einfach schön sind und zu Herzen gehen. Am Anfang waren es Psalmen und kurze Bekenntnistexte. Nicht selten auch Lieder des Widerstandes. Mit der Zeit wurden die Texte ausführlicher und erzählender. Und ab dem 16. Jahrhundert, nach der Reformation, entstehen dann die Choräle mit manchmal über 20 Strophen. Viele stehen auch heute noch im Gesangbuch. Und viele Feste des Kirchenjahres sind ohne die dazugehörigen Lieder gar nicht zu denken. Zu Ostern gehört das gesungene Bekenntnis „Christ ist erstanden". An Pfingsten wird in den Gottesdiensten häufig wieder „O komm, du Geist der Wahrheit" gesungen.

Singen, vor allem das gemeinsame Singen, das tut nicht nur einfach gut. Singen hat eine heilende Wirkung. Wenn wir Singen - das hat die Wissenschaft längst nachgewiesen - produziert unser Körper Stoffe, die das Glücksgefühl und die Gesundheit fördern. Unser Gehirn schüttet so genannte Transmitter aus, die jene Nerven aktivieren, die unsere Sinnen und Emotionen fördern Wer singt, versorgt seine Seele also mit einer Art Seelendroge, die höchst bekömmlich und gesundheitsfördernd  ist. Dass Menschen singend zugleich auch noch wichtige Botschaften des Glaubens in ihr Gedächtnis einschreiben, ist eine wichtige Begleiterscheinung. Wir müssen unser Singen aber gar nicht verzwecken. Wir müssen nicht gleich wieder ein Ziel damit erreichen. Es reicht, dass wir uns und anderen damit gut tun. Auch das Lob Gottes und der Schöpfung klingt singend am schönsten.

Die Kirche schmeckt also nach guten Worten. Worte, die gesprochen werden. Aber viel stärker noch, Worte, die wir singen. Schmecket und sehet, wie freundlich Gott zu uns Menschen ist, heißt es in der Liturgie des Abendmahls. Und Paulus schreibt der Gemeinde in Korinth: „Ihr seid ein Wohlgeruch Christi!" Und ein Wohlklang dazu, möchte ich gleich anfügen. Und beim nächsten Mal, wenn mir der Duft aus dem Geschäft mit den Ölen und Räucherkerzen in die Nase steigt, singe ich leise einfach eine Liedstrophe. Weil meine Art zu glauben zu Ohren und dann zu Herzen geht. Und weil ich möchte, dass auch andere Menschen Geschmack an meinen Glauben finden.

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SWR2 Wort zum Tag

Das Osterfest liegt schon einige Wochen hinter uns. Aber Ostern liegt auch immer vor uns. Das unzerstörbare Leben mit Gott als den Sinn und die Kraft meiner eigenen Existenz anzunehmen, zu verinnerlichen, mein Leben daraus zu gestalten - damit komme ich nie an ein Ende. Auch meine Kirche kommt damit nie an ein Ende. Ich hoffe es jedenfalls.
Was die Evangelien erzählen über das Verhalten der Jüngerinnen und Jünger nach der Katastrophe des Karfreitags und nach den noch nicht wirklich verstandenen Begegnungen mit dem Auferstandenen, das ist bis heute exemplarisch: Sie sitzen versammelt hinter verschlossenen Türen und haben Angst. Sie haben Angst vor öffentlichem Druck und vor Verfolgung. Vielleicht haben sie auch Angst davor, dass die Gräber sprengende, die Tote auferweckende Kraft ihres Herrn sie aus ihrer verschworenen Gemeinschaft hinausdrängen würde. Sie müssten mit Mut und großer Freiheit vor eine Öffentlichkeit hintreten, die ihnen oft mit Kritik und Aggression begegnet. Sie müssten eingestehen, dass Unglaubwürdigkeit und Verrat auch bei ihnen zu finden sind. Sie hätten den Menschen aber auch zu sagen, dass der Glaube an den Auferstandenen eine Kraft ist, die zu menschenwürdigem Leben hilft und die auch angesichts von Scheitern und Tod nicht verzagen lässt.
Es brauchte einen langen Prozess, bis die Freundinnen und Freunde Jesu den Mut fanden, die verschlossenen Türen der Angst zu öffnen, öffentlich hinzustehen für ihren Glauben. Dass sie es geschafft haben, ist ein Wunder. Auferstehung heißt dieses Wunder. Pfingsten heißt dieses Wunder. Dem Leben mehr zutrauen als dem Tod; erfüllt werden vom Heiligen Geist, darum geht es. Öffentlich auftreten für den Glauben an den rettenden Gott. Auf die Menschen zugehen und eine Sprache sprechen, die sie verstehen. Die eigenen Schwächen und Fehler ehrlich bekennen und trotzdem nicht daran verzweifeln. Ein langer Prozess - er dauert bis heute.
Meine Kirche, an der ich sehr vieles sehr kritisch sehe und die ich doch liebe -  sie erinnert mich angesichts massiver öffentlicher Kritik an die biblische Szene: Man sitzt bei verschlossenen Türen beieinander und hat Angst. Ich wünschte mir, der Auferstandene träte überraschenderweise herein und sagte: Habt keine Angst. Durch menschliche Schuld verursachte schwere Verwundungen prägen das Bild der Kirche, gewiss. Da gibt es keine Entschuldigung - nur den Mut, um Vergebung zu bitten. Da sind Strukturen in der Kirche, die alles Bemühen um Glaubwürdigkeit immer wieder in Frage stellen. Ich hoffe, dass der Sturm manche Mauern einstürzen lässt - nicht von außen, sondern aus innerer Besinnung. Und ich hoffe - nein ich vertraue darauf -, dass der Auferstandene uns von der Angst befreit. Dass er uns hilft, beides zu bekennen: unsere Schuld, aber auch die Freiheit, die uns der Glaube an den ihn  schenkt.

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SWR2 Wort zum Sonntag

Vor Ostern heißt es für viele: Sieben Wochen ohne! Die vorösterliche Fastenzeit als bewusste Wegbegleitung des Leidensweges  Jesu - mit Entsagung und Enthaltsamkeit.
Und nun? Nach Ostern? Nach dem christlichen Fasten brechen - für viele mit Lammbraten und Wein, mit Eiern und süßen Speisen gefeiert: Was ist jetzt dran in der Zeit zwischen Ostern und Pfingsten? Sieben Wochen mit? Aber womit?
Was heißt es, im Licht der Auferstehung Jesu von den Toten zu leben? Nach sieben Wochen Fasten - nun sieben Wochen Völlerei und Ausschweifungen? Oder ist die Osterzeit nur die schlichte Wiederherstellung von Normalität? Alles geht wie vorher weiter, nur die Entsagung hat ein Ende.
Wie „Österlich leben"? Und geht das überhaupt? Ist die Auferstehung Jesu von den Toten nicht eine einmalige Geschichte von Dort und Damals? Und kommt gerade nicht an im Hier und Jetzt, in meinem Alltag?

Im Osterlied von Friedrich von Spee wird ein anderer Ton angeschlagen.
Da heißt es: „Die ganze Welt Herr Jesu Christ - weil du erstanden fröhlich ist..."  Und auch der  Name des heutigen 2.Sonntags nach dem Osterfest steht für diese Oster-Expansion: „Misericordias Domini" - nach Psalm 35 - „der Güte des Herrn ist die Erde voll." Doch wie kann sich Ostern ausbreiten?
In meiner Einstellung zum Leben - zur Zukunft. Ostern vertreibt Zynismus.
So sagt es Paulus: „Wenn die Toten nicht auferstehen, dann »lasst uns essen und trinken; denn morgen sind wir tot!«  (1. Kor 15,34)
Ohne Auferstehungsglaube ist mein Leben hoffnungslos verstrickt in alte Lebensmuster. Ohne Ostern müsste ich mich den Krisen und Bedrohungen in der Welt fatalistisch ergeben.
Alle Schriften in der Bibel, die von Jesus handeln, haben seine Auferstehung gewissermaßen im Rücken. Sie treiben uns an zu einem „Leben aus der Auferstehung", zu österlichem Leben.
Doch mich überrascht, wie  österliches Leben in der Bibel charakterisiert wird. Wenn es z. B. heißt:
Werdet doch einmal recht nüchtern ... ! (1.Korinther 15,34)
Enthaltet euch der fleischlichen Begierden, die gegen die Seele streiten. Benutzt die neue „Freiheit nicht als Deckmantel der Bosheit" (1.Petr. 1,13;2,11+16) So legt nun ab ... Betrug... Heuchelei, ... Neid und ... üble Nachrede. (1.Petr. 2,1
)
Lange Zeit habe ich diese Mahnungen als Kopiervorlage für kleinbürgerliche Moralvorstellungen abgetan. Aber in der Bibel sind das alles Ermahnungen zu einem österlichen  Leben.

Besser habe ich das dieses Jahr begreifen können.
In der Osternacht haben Jugendliche in der Gemeinde Gegenbilder zum Kreuzweg Jesu gemalt. „Was muss geschehen, dass  sich der Leidensweg umkehrt?" Das war ihre Aufgabe. Ein Jugendlicher hat ein Hochzeitspaar gemalt - schwarzer Anzug - weißes Brautkleid. Und über den beiden ein Banner mit der Aufschrift: „Ewige Treue". Ich konnte zunächst ganz und gar nicht verstehen, wie das ein Gegenbild zur Passion Jesu sein soll. Bis mir erklärt wurde: „Ewige Treue! Das ist doch das Gegenteil von der Untreue, die Jesus erfahren hat: Verlassen und allein gelassen werden, verleugnet und verraten werden." Dann war auch bei mir der Groschen gefallen: Treue und Liebe - Gegenmächte eines Beziehungs-Todes. Auch so - in gelebter Treue - kann Ostern expandieren - kann der Geist und die Kraft der Auferstehung lebenswirklich werden. Auch eine Partnerschaft ist ein Feld, um mit dem eigenen Leben zu bezeugen: Christus ist auferstanden...!

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