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SWR2 Wort zum Tag

Ich mag große, festliche Gottesdienste: Wenn viele Menschen mitfeiern, der Priester feierlich mit den Ministranten einzieht, die Orgelkläänge den gäänge den ganzen Kirchenraum erfüüllenen und ein Kirchenchor, vielleicht sogar unterstüützt von Orchester und Solisten, die Liturgie bereichert. Oft sind solche Gottesdienste besser besucht als sonst, weil die Musik vielen Menschen etwas bedeutet.
Musik ööffnet die Seele. Und die Kirchenmusik zumal ist eine großße Einladung, die Seele bis zu Gott hin zu weiten. Wir haben einen unglaublichen Reichtum an Kirchenmusik: von der Gregorianik üüber Bach, Mozart und Bruckner bis hin zur Musik unserer Tage, zu der auch Gospel und Sacro-pop gehöören, und diese Musik spricht auch Menschen an, denen ein Gottesdienst sonst wenig sagt.
Aber ohne Säängerinnen und Säänger bliebe ssie stumm stumm.. Ohne die Kirchenmusiker, die sich immer wieder bemüühen, die Musik zum Klingen zu bringen. Und dazu braucht es vor allem bei den Verantwortlichen einen langen Atem: viele Chorproben, die Suche nach den richtigen Stüücken, die ewige Müühe, Gelder aufzutreiben, um Instrumentalisten und Solisten zu bezahlen, die Organisation von den Probenpläänen bis zum Aufbauen der Podeste. Doch dann kommt der Moment, wo der Dirigent den Einsatz gibt und sich alle Mühen in Klang verwandeln. Wo die vielen Einzelnen in der gemeinsamen Musik verschmelzen. IIn diesen großßen Seelenraum kann ich mich zuhöörend kann ich mich als Zuhöörerin hinein nehmen lassen. Ich kann innerlich mit einstimmen sei es in den Jubel oder in das flehentliche Bitten. Noch intensiver ist es, selbst mitzusingen. Denn beim Singen kommt unser Inneres in Bewegung. Ausatmen und einatmen - dieser unaufhöörliche Rhythmus, der uns mit der Welt , ja mit dem Leben verbindet, wird beim Singen bewusster erlebt. Und so kann sich auch meine Seele ööffnen in der Hoffnung, dass es Einen gibt, der mich höört. Singen ist Beten. Und manche entdecken im Singen ihren Weg zu Gott. Jede und jeder ist im Gottesdienst eingeladen, mitzusingen. Und wenn viele mitsingen, dann wird eine Gemeinschaft im Glauben erfahrbar., dass wir gemeinsam glauben. Jede Stimme ist dabei wichtig. Deswegen darf zum Abschluss eines feierlichen Gottesdienstes auch das Lied „Großßer Gott, wir loben dich" nicht fehlen, bei dem jeder mit einstimmen kann.

 

 

11.6.2011 SWR 2 WzT Wie wird es weitergehen mit der Kirche?

von Mechthild Alber, Stuttgart

Die Kirche gibt es schon seit 200 Jahren - trotzdem hat sie mit großßen Problemen zu käämpfen. Wie kann es weitergehen?

Morgen an Pfingsten feiert die Kirche ihren Geburtstag, denn dieses Fest erinnert an die Entstehung der Kirche. In der Bibel wird davon erzäählt, wie der Heilige Geist damals den veräängstigten Jüüngern Mut und ÜÜberzeugungskraft gab, so dass sie die Botschaft von der Auferstehung Jesu in alle Welt hinaus tragen konnten. Das war vor 2000 Jahren.

Heute ist das Christentum eine der großßen Weltreligionen. Und ÜÜberall auf der Welt gibt es Christen, üüberall wird in Gottesdiensten das Brot gebrochen, das uns an Tod und Auferstehung Jesu erinnert und uns mit ihm verbindet. bBesonders dUnsere ie europääische Geschichte und Kultur ist undenkbar ohne das Christentum. Also eine Erfolgsgeschichte. Einerseits.

Andererseits steht es um die Kirche - und ich meine hier besonders die katholische Kirche - nicht gut. Die Kirchenbäänke leeren sich immer mehr, obwohl außßerhalb der Kirchen die Spiritualitäät boomt. Doch die Kirche hat scheinbar anscheinend ihre Anziehungskraft verloren. Und seit dem Offenbarwerden derdie Missbrauchsskandale ööffentlich geworden sind, ist sie füür viele auch nicht mehr glaubwüürdig. hat auch ihre Glaubwüürdigkeit schweren Schaden genommen.

Der Bischof von Rottenburg-Stuttgart - Gebhard Füürst - stellt sich dieser Krise. „Die Kirche sei zerrissen, und oft sei nicht mehr drin, was drauf steht", so sagte er bei einer großßen Tagung vor einigen Wochen, bei der es um eine missionarische Kirche ging. Das sind füür einen Bischof sehr selbstkritische Tööne. Nicht die andern, sondern die Kirche selbst muss missioniert werden. Die Kraft und Lebendigkeit des Heiligen Geistes ist in ihr nicht mehr zu spüüren.

Beim ersten Pfingstfest damals in Jerusalem, hatten die Apostel deswegen so großßen Erfolg, weil jeder sie in seiner Muttersprache verstehen konnte. Das heißßt, die Apostel verstanden es, zu Herzen zu reden und die Menschen in ihrem Innern zu erreichen. Heute dagegen ist die kirchliche Sprache füür viele zu einer Fremdsprache geworden, die sie nicht mehr verstehen.

Gelingende Kommunikation Wer miteinander reden will, braucht eine gemeinsame Sprache. Und diese erwäächst aus Beziehung. Wenn man Anteil aneinander nimmt und die Welt des andern zu verstehen sucht, wenn man sich gegenseitig erzäählt, was einen bewegt, woran man zweifelt, aber auch worin man Halt und Vertrauen findet, kann daraus eine gemeinsame Sprache des Glaubens erwachsen.

Füür eine gelingende KommunikationDamit ein echtesMenschen im Gesprääch entstehen kannsind, braucht es auch eine Haltung, die in der katholischen Kirche noch lange nicht selbstverstäändlich ist. Näämlich anzuerkennen, dass jeder Christ müündig ist und seinen Glauben in eigener Verantwortung lebt. Wenn nicht bevormundet wird, wenn aus einem bevormundenden Monolog ein echter Dialog wird, dann hat der Heilige Geist eine Chance. Und mit ihm die Vielen in den Kirchen und außßerhalb, die nach Gott fragen und suchen.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

Der Glaube braucht den freien Himmel. Ich spüre das in diesen frühsommerlichen Tagen wieder deutlich. Schon wenn ich sehe, wie viel sich bei uns zu Hause unter freiem Himmel abspielt. Die Kinder rasen auf der Straße herum. Ich trinke Tee im Garten. Wir mähen den Rasen. Machen eine Fahrradtour. Das Leben draußen tut einfach gut. Frische Luft, Regen ab und zu, Sturm auch - aber immer wieder die Aussicht auf Sonne. Da blüht auch die eigene Seele auf.
Auch mein Glaube hat viel mit dem freien Himmel zu tun. Gerade jetzt, in den Tagen zwischen Christi Himmelfahrt und Pfingsten wird mir das wieder einmal deutlich. Die blühenden Pfingstrosen im Beet, der duftende Rasen nach dem Mähen, die Vögel in den Bäumen. Sie sind doch Bilder für die Natur, die auch eine wunderbare und bis heute immer noch geheimnisvolle Schöpfung ist. So vieles gibt es, was wir unter dem freien Himmel noch nicht entdeckt oder verstanden haben. So entdecken Wissenschaftler Jahr für Jahr neue Tierarten, und auch ich selbst habe den Eindruck, jedes Jahr neu die Natur zu sehen, immer Neues zu entdecken. Dass die Kletterrose dunkelgelb blüht und dann langsam immer heller wird. Dass die Meisen schon seit Tagen aus dem Nest geflüchtet sind, und als wir den Kasten aufmachen, findet sich doch tatsächlich ein kleiner toter Vogel. Ich erlebe da immer wieder: die Natur ist ein guter Ort, um Gott zu begegnen. Sie hilft nämlich, den Blick und die Gedanken frei zu haben. Einen Atemraum der Freiheit zu haben. Klar, was ich unter freiem Himmel spüren und erleben kann, dass kann ich im Idealfall auch in geschlossenen Räumen erleben, in Kirchen, Kapellen, oder auch der eigenen Küche. Aber die blühenden Kletterrosen oder das tote Meisenkind bringen mein Denken noch einmal auf andere Spuren. Hier sehe ich Leben und Tod ganz greifbar. Hier frage ich nach Sinn. Frage nach dem, was mich trägt und mein Leben ausmacht. Unter offenem Himmel weitet sich die Perspektive, kommt Neues in den Blick. Das tut auch dem Glauben gut.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

„Begeisterung- die ist uns am Wichtigsten. Dafür haben wir viel investiert." Das hätte ein Pfarrer sagen können. Aber es war der Geschäftsführer von Mainz 05, als er uns das neue Fußballstadion, die Coface- Arena erklärt hat.
Die Begeisterung war uns das Wichtigste. Als wir das neue Stadion geplant haben, hat er gesagt. Deshalb sind Beispiel die Ecken im Stadion zum Durchgucken und verglast. Man kann also beim Spiel über die Felder ringsrum schauen, fast wie zu Hause im Wohnzimmer. Außerdem sind die Plätze der Fans so nah am Spielfeld wie möglich und es gibt so viele Stehplätze wie möglich. Weil: im Stehen können die Fans besser schreien und singen.
Beim Gang durchs neue Fußballstadion habe ich begriffen: Begeisterung braucht Raum. „Feuer-und- Flamme- sein"- das versteht sich nicht von selbst. Das muss man schützen. Indem man die Räume entsprechend gestaltet. Das hat mich nachdenklich gemacht. Wenn ich in eine neue Wohnung oder in ein neues Büro umziehe, frage ich mich eigentlich nur: Was ist zweckmässig? Wie kann ich am besten arbeiten? Oder am schnellsten? Ich frage weniger: wie bleibt mir meine Begeisterung in den neuen Räumen erhalten? Was muss ich da bedenken, dass mir die Lust am schaffen, am kämpfen, am spielen nicht verloren geht?
Die Begeisterung muss mit umziehen, die Begeisterung der Fans. Die ist am wichtigsten. Meint der Chef- Fußballer von Mainz 05.
In zwei Wochen feiert die Begeisterung IHR Fest: Pfingsten, das Fest des Heiligen Geistes. Vor 2000 Jahren, erzählt die Bibel, sind Menschen verschiedenster Kulturen und Sprachen zusammen gekommen und zu so etwas wie einer einzigen Fangemeinde zusammengeschmolzen. Gemeinsam kämpfen, gemeinsam siegen, gemeinsam die Niederlage miteinander tragen. Das war die Erkenntnis. Und die Geburtsstunde der christlichen Kirche. Seitdem hat die Begeisterung viele Kirchen und andere Räume bekommen. Weil sie das wichtigste ist in einem Christenleben.
Wer an den Geist Jesu glaubt, wer mit diesem Geist Gottes beseelt ist, der wächst tatsächlich ständig über sich selber hinaus. Der kann sogar nach einer Heimniederlage sagen: alles ist möglich dem, wer glaubt.

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SWR2 Wort zum Tag

Leben ist oft ungleichzeitig. Nicht das, was heute anliegt ist wichtig, sondern oft schon der nächste Tag, die nächste Woche, das nächste Jahr. Ich hab zum Beispiel im April ein Krippenspiel für den Heiligen Abend in unserer Gemeinde geschrieben, seit September planen wir zu Hause die Weihnachtsgeschenke, meine Kollegin schreibt jetzt schon eine Predigt für Pfingsten, und der Terminkalender reicht bis weit ins nächste Jahr hinein.
Mir geht das so, obwohl ich weiß, wie schlecht das immer wieder ist, dass ich so ungleichzeitig lebe. Denn dadurch kann ich den Tag heute oft genug nicht mehr richtig wahrnehmen.  Oft genug verpasse ich, was heute wichtig ist, weil ich an morgen und übermorgen denke.
Das Problem gibt's seit Jahrtausenden - und der Rat darauf lautet immer wieder: Nutze den Tag, sei aufmerksam für das, was heute passiert. Wohl wahr. Aber es gibt auch eine Kehrseite der Medaille. Und deshalb breche ich heute eine Lanze für das ungleichzeitige Leben. Für ein Leben, das schon den Blick nach vorne wirft. Klar, was heute passiert ist wichtig. Und wer weiß, ob ich überhaupt noch meine eigenen Pläne erleben kann? Nachher plane ich - und dann werde ich krank, sterbe gar vor all dem, was ich so gut überlegt habe. Trotzdem: Das ungleichzeitige Leben ist auch wichtig. Wenn ich zum Beispiel lange im Voraus meine Weihnachtsgeschenke überlege, habe ich nicht nur weniger Stress kurz vor Weihnachten, ich kann mich sogar selbst an den ausgesuchten Geschenken freuen. Oder ich kann auf das Konzert hinfiebern, für das ich schon lange im voraus die Karten gekauft habe. Oder mich schon auf den Sommerurlaub freuen, den ich vielleicht jetzt schon geplant habe. Ungleichzeitigkeit. Mit diesem Begriff hat der Theologe Johann Baptist Metz auch den christlichen Glauben gekennzeichnet. Ungleichzeitig ist er, weil er nicht allen Moden und Trends nachläuft, weil er sich aus ganz alten Quellen speist. Aber Ungleichzeitigkeit heißt mehr, als nur zurückblicken. Ungleichzeitig ist der Glaube auch, weil er nach vorne blickt. Eine Vision für das Leben in Zukunft entwirft, immer auf der Suche nach dem besseren, dem gelingenderen Leben ist. Glaube ist so doppelt ungleichzeitig: Immer verwurzelt und immer nach vorne wachsend. Ich finde deshalb den Begriff der Ungleichzeitigkeit spannend. Weil er deutlich macht: Leben geht nicht nur im Hier und Jetzt auf. Egal, ob mir das Leben gerade besonders schwer oder auch besonders leicht fällt: Ich kann immer zurück und zugleich nach vorne blicken. Ich kann mich vergewissern, was war. Und ich darf erwarten, was noch kommt.

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SWR4 Sonntags-/Feiertagsgedanken

Teil 1
Gott die Ehre geben - das war das große Thema von Johann Sebastian Bach. „Soli Deo gloria" - allein Gott zur Ehre, hat er über jedes seiner Musikstücke geschrieben. Und seinen Schülern hat er ins Heft diktiert: Es soll das Ziel aller Musik „anderes nicht als zu Gottes Ehre und Recreation des Gemüts sein. Wo dieses nicht in acht genommen wird, da ist keine eigentliche Musik, sondern ein teuflisches Geplärr und Geleier".
Als Jugendlicher habe ich Orgelspielen gelernt und damit Bachs Werke näher kennengelernt. Ich weiß noch, wie ich von dem überaus geordneten Ablauf des musikalischen Melodienflusses, von der Ordnung und Struktur seiner Kompositionen fasziniert war. Für mich hatte diese Ordnung etwas Wohltuendes, vielleicht weil sie so ganz im Gegensatz stand zu der manchmal chaotischen Erlebniswelt eines Heranwachsenden. Die klaren Strukturen in Bachs Kompositionen sind geprägt von der Vorstellung göttlicher Harmonie. Sie sind ein überwältigendes Bekenntnis zur göttlichen Schöpfung und zur liebevollen Ordnung, die Bach in ihr walten sieht.
Über Bachs Weltsicht und seinen Glauben kann man streiten. Man tat es schon zu seinen Lebzeiten. Bach provozierte dadurch, dass er alle Musik - und nicht nur die geistliche - in den Dienst Gottes gestellt hat. Er kennt nicht die eisernen Vorhänge, die wir heute zwischen Kirche und Welt herunterzulassen uns bemühen. Lassen wir uns von ihm provozieren und ermuntern, diese Vorhänge zu beseitigen. Er hat es vorgelebt. Er ermunterte Menschen, in dieser Welt zu singen und zu musizieren, weil Gott sie so schön gemacht hat. Mit seiner Musik wollte er die Welt an Gott erinnern, der sie geschaffen hat und einmal auch erlösen wird. - dafür soll Gott musikalisch bedankt und geehrt werden: „Soli deo Gloria".
Sicher gibt es Leute, denen Bachs Werke nichts sagen. Oder die seine Musik schlichtweg langweilig finden. Andere dagegen sehen in seiner Musik so etwas wie ein Pfingstwunder unserer Tage: Bei der Musik hören die Ohren in allen Sprachen und jeder versteht, was sie sagt. Wie damals an Pfingsten, als Menschen aus aller Welt auf einmal verstanden haben, was ihnen von Gott gesagt wurde. Und eigentlich kann man sogar sagen: Musik - insbesondere die von Johann Sebastian Bach - teilt die Menschen nicht in Prediger und Angepredigte auf. Die Musik beteiligt alle und lässt einem das Herz und den Mund aufgehen. Sie berührt einen - und man geht mit.
Bachs Musik kommt aus seiner tiefen Frömmigkeit und protestantischen Glaubensgewissheit. Sie öffnet einem das Herz, ganz gleich, ob man zuhört oder selbst musiziert und sie kann die Menschen zur Stille führen oder - um es mit seinen Worten zu sagen - zur „Recreation des Gemüths". Darum bin ich recht zuversichtlich, dass seine Musik auch im 21. Jahrhundert für Gottes Wort empfänglich werden lässt und den ganzen Menschen stärken kann.

Teil 2
Von Gott kann man nicht nur reden. Seine Freundlichkeit muss man auch sehen, hören, empfinden. Deshalb ist es gut, dass es die Musik gibt.
„Davon ich singen und sagen will" - so kündigt der Engel „vom Himmel hoch" die gute Nachricht den Hirten an. Es allein bei Worten belassen, - das ist zu wenig. Besungen will es sein, das Wunder: Gott und Mensch finden zusammen. Worte allein reichen da nicht aus.
„Davon ich singen und sagen will" - in der Wahrnehmung vieler Zeitgenossen verbindet sich allerdings „evangelisch" eher mit „sagen" als mit „singen". Die evangelische Kirche gilt als die Kirche der Wörter - und dadurch leicht ein bisschen kopflastig und trocken.
Ich meine, die Kritiker haben darin recht: der Kirche des Wortes tut die Ergänzung durch das Lied gut. Neben dem Sagen braucht es das Singen, neben der Predigt die Musik. Damit der ganze Mensch erreicht wird - mit seinem Herzen, seinen Gefühlen, in seiner Sehnsucht nach Gemeinschaft und nach sinnhaften und sinnlichen Erlebnissen.
Wer singt und musiziert, der weiß aus eigener Erfahrung: Singen, vor allem das Singen in der Gemeinschaft, im Chor etwa, bewirkt Erstaunliches: Kopf und Herz werden frei, das Körpergefühl verändert sich. Wer singt und musiziert, der kann Martin Luthers Erfahrung bestätigen: „Nichts auf Erden ist kräftiger, die Traurigen fröhlich, die Ausgelassenen nachdenklich, die Verzagten herzhaft, die Verwegenen bedachtsam zu machen, die Hochmütigen zur Demut zu reizen, und Neid und Hass zu mindern, als die Musik." Das genau vermag die Musik eines Johann Sebastian Bach bis heute.
Gewiss, Bachs Werk ist abgeschlossen, seine barocke Welt nicht mehr unsere Welt. Vergangen sind auch die damaligen Formen des Gottesdienstes. Vergangen auch die Gestalt der barocken Frömmigkeit, aus der heraus Johann Sebastian Bach den größeren Teil seiner Werke geschaffen hat.
Doch das bleibt: Die Musik eines Johann Sebastian Bach hilft auch Menschen des 21. Jahrhunderts, die bedrängenden Töne des Alltags abzuwehren. Sie öffnet ihnen einen Raum, in dem sie neue Töne zur Ehre Gottes hören können. Wie anders wäre es sonst zu erklären, dass die Menschen in Scharen zu den Aufführungen Bach´scher Musik drängen? Es ist gut, dass Gott uns immer wieder Künstler schenkt, wie er einer gewesen ist.
„Davon ich singen und sagen will": das Wort und die Musik - beide machen den Reichtum unserer evangelischen Tradition aus.

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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Kinder werden groß, Kinder werden flügge. Das kann weh tun, ist aber auch spannend, wenn die Kinder von einst woanders Heimat entdecken. Wenn sie erwachsen werden und ihre eigenen Wege gehen, ohne sich nach den Eltern umzugucken. Ich habe diese Erfahrung in einer Geschichte aus dem Neuen Testament wiedergefunden. Sie erzählt von Maria und Josef und ihrem zwölfjährigen Sohn Jesus. Gemeinsam hatten sie in Jerusalem das Paschafest verbracht. Auf dem Heimweg nach Nazareth merken die Eltern, dass Jesus nicht mehr bei ihnen ist. Sie suchen ihn in der ganzen Reisegruppe, bei Bekannten und Verwandten. Schließlich gehen sie nach Jerusalem zurück und suchen dort weiter. Nach 3 Tagen schließlich finden sie ihn: er sitzt im Tempel und redet mit den Lehrern, und alle staunen über das, was er sagt. „Seine Eltern waren sehr betroffen", schreibt der Evangelist Lukas, und seine Mutter macht ihm Vorwürfe: „Wie konntest du uns das nur antun? Dein Vater und ich haben dich voller Sorge gesucht." Und Jesus antwortet: „Warum habt ihr mich gesucht? Wußtet ihr nicht, dass ich in dem sein muß, was meinem Vater gehört? (Lk 2,48 f.)
Drei Tage sein Kind suchen und sich dann anhören müssen: Wieso habt ihr mich überhaupt gesucht? Das ist stark! Für Lukas, der die Geschichte aufgeschrieben hat, ist die Eltern-Kind-Beziehung allerdings nicht so wichtig. Er will auf Jesus hinweisen, will sagen, dass er Gottes Sohn ist. Deshalb bleibt er im Tempel, dem Haus Gottes, und lässt die Eltern alleine ziehen. Aber die begreifen die Welt nicht mehr. Lukas sagt wörtlich: „Sie verstanden ihn nicht". Und weiter: „Dann kehrte Jesus mit ihnen nach Nazareth zurück und war ihnen gehorsam.
Seine Mutter bewahrte alles, was geschehen war, in ihrem Herzen." Das Familienleben geht also normal weiter, aber es hat sich etwas geändert. Jesus hat fast brutal deutlich gemacht: Für mich ist die Welt bei Euch zu klein. Ich gehöre woanders hin. Der Sohn hat sein Zeichen gesetzt. Und dann geht er wieder mit nach Hause. Für eine Reihe von Jahren. Maria begreift nicht, aber sie behält im Kopf und im Herzen, was da geschehen ist. Maria stellt sich Jesus nicht in den Weg, als er dann wirklich weggeht. Die beiden bleiben verbunden. Auch wenn Jesus noch öfter sehr schroff zu seiner Mutter war. Die Bibel erzählt, daß sie nach seinem Tod mit seinen Jüngerinnen und Jüngern zusammen gelebt hat. Mit ihnen zusammen an Pfingsten den Heiligen Geist empfangen hat. Sein Ort ist schließlich ihr Ort geworden.

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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Fest der Heiligen Dreifaltigkeit - so heißt der Sonntag nach Pfingsten. Gemeint sind damit nicht Maria und Josef und das Jesuskind. Gemeint ist Gott, genauer: der etwas schwierige Gedanke, dass Gott dreifaltig ist, ein Gott, bestehend aus Vater, Sohn und Heiligem Geist.
Gott wird verehrt als der Schöpfer, der die Welt und alles erschaffen hat, als der Sohn, in dem dieser Gott Mensch geworden ist und mit uns gelebt hat, als der Heilige Geist, der auch immer schon da war und alles belebt und die Ahnung von Gott in jedes Menschenherz legt. Immer wieder haben Theologen versucht, diesen alten Glauben zu erklären, ihn erst einmal selber zu verstehen. Und Künstler haben immer wieder den dreifaltigen Gott dargestellt. Mich beeindrucken besonders die Bilder mit dem merkwürdigen Namen Gnadenstuhl. Da ist in der Mitte Gott Vater, meistens sitzend, in seinen Händen hält er vor sich das Kreuz, an dem Jesus hängt, umfängt es sogar mit seinen Armen, und dann schwebt da in Gestalt einer Taube der Hl. Geist. Das ist Gott, müsste man unter diese Bilder schreiben. So ist Gott. Und ich glaube es ist richtig, ihn in drei Gestalten darzustellen. Das sagt nämlich aus: Gott thront nicht einsam. Zu ihm gehört Gemeinschaft.
Es gehört zu ihm, dass er mit uns zu tun hat. Das zeigt sich besonders in Jesus, im Sohn, im Bruder der Menschen. Gott ist einer, der nicht zuerst in sich ruht und dann zusätzlich auch noch Beziehungen hat. Sondern die ausgestreckten Hände und ausgebreiteten Arme gehören zu ihm. Dieser einfache Gedanke steht hinter dem schwierigen Wort Dreifaltigkeit.
Vielleicht entdecken Sie ja mal in einer Kirche oder einem Museum ein solches Bild vom Gnadenstuhl und lassen sich davon ansprechen, vielleicht sogar einladen zum Beten, zum Nachdenken, zum Vertrauen auf diesen Gott..
Ich wünsche Ihnen einen gesegneten Dreifaltigkeitssonntag

https://www.kirche-im-swr.de/?m=8347
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SWR2 Wort zum Tag

Die Jünger Jesu waren hinter verschlossenen Türen zusammen, als plötzlich ein Sturm das Haus erfüllte, in dem sie waren. Und der Atem Gottes kam herab auf jeden von ihnen. Der Atem Gottes? Sie sind vielleicht gewöhnt, dass hier vom Geist die Rede ist. Aber das griechische Wort für Geist ist Pneuma, und Pneuma bedeutet auch Atem. Da haben wir also am Sonntag das Fest des Atems Gottes gefeiert, der auf die Jünger herabgekommen ist. Dazu passt ja auch der Sturm, von dem die Bibel hier erzählt. Der Atem Gottes - wenn wir Pneuma so übersetzen, wird besonders anschaulich, was gemeint ist: etwas aus Gott ist in die Menschen eingegangen, das Lebensprinzip Gottes schlechthin. Pfingsten ist das Fest der Mund-zu-Mund-Beatmung Gottes.
Das erinnert an eine der Schöpfungsgeschichten vom Anfang der Bibel. Die Erde war wüst und leer, und der Atem Gottes schwebte über den Wassern, heißt es da - auch in der hebräischen Sprache steht für Geist und Atem dasselbe Wort. Diesen seinen Atem bläst Gott dem neu geschaffenen Menschen ein und belebt ihn so. Der Mensch lebt durch den Atem Gottes selbst - welch ein kühner Gedanke! Diesen Gedanken nehmen die Pfingstgeschichten auf: Wir leben durch Gottes Atem. Wenn wir atmen, atmet Gott in uns. Leben und von Gott durchströmt sein ist eins.
In vielen Formen der Meditation und des Gebetes spielt der Atem eine wichtige Rolle. Im bewussten, ruhigen Ein- und Ausatmen, wird Verbundenheit mit Gott und mit der Schöpfung spürbar. So gibt es aus der Tradition der orthodoxen Kirchen schon seit Jahrhunderten das sogenannte Jesusgebet oder Herzensgebet. Da wird zum Beispiel immer wieder der Name Jesus Christus gesprochen, „Jesus" beim Einatmen, „Christus" beim Ausatmen. Mit dieser Erfahrung bekommen auch Sätze aus dem Römerbrief des Paulus einen anderen Klang. „Der Atem nimmt sich unserer Schwachheit an", heißt es dann dort. „Denn wir wissen nicht, worum wir in rechter Weise beten sollen, der Atem selber tritt jedoch für uns ein mit Seufzen, das wir nicht in Worte fassen können." (Röm 8,26)
Heute suchen immer mehr Menschen, Christen und andere, über achtsames Fühlen und Körpererleben einen Weg zu Gott. Das biblische Sprechen vom Geist als Atem Gottes kann hier eine Brücke sein.

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SWR2 Wort zum Tag

Ab und zu staune ich über Altbekanntes. Zum Beispiel darüber, dass es so etwas wie Geist gibt - etwas, das wir weder sehen noch hören noch greifen können - und trotzdem ist es da und wirkt. Und wir werten den Geist sogar sehr hoch: die Kraft in uns, die uns schöpferisch sein lässt, die uns hinausgehen lässt über uns selbst, die den Funken springen lässt von Mensch zu Mensch. Und dann die Vorstellung, dass dieser Geist etwas Göttliches ist, schöpferische Kraft Gottes, die auch auf uns übergeht, in uns eingeht, eine Ahnung von Gott hervorruft. Göttliches in uns, nicht Materielles und doch Wirksames in der Welt und in uns - das ist alles andere als selbstverständlich.
Die Bibel erzählt davon in den Geschichten vom Anfang der Welt. „Die Erde war wüst und leer, und der Geist Gottes schwebte über den Wassern", heißt es da. Und dann beginnt dieser Geist zu erschaffen, zu ordnen, zu gestalten und dabei alles zu durchwirken.
Im Neuen Testament versuchen die Pfingstgeschichten diese Wirklichkeit des Geistes zu fassen und anschaulich zu machen. Ich finde es schade und nicht angemessen, wenn man Pfingsten reduziert auf das Stichwort „Geburtsfest der Kirche". Sicher ist es das auch. Aber es ist doch vor allem ein Bekenntnis: Gott bleibt hier, Gottes ist lebendig in der Welt und in jedem Menschen. Wo er ist, werden Grenzen durchlässig, bedeutungslos, z.B. die Grenzen der Sprache und der Volkszugehörigkeit, auch psychologische Grenzen. Menschen werden mutig. Menschen suchen Kommunikation über Grenzen hinweg, Menschen reden glaubwürdig und mit großer Überzeugungskraft von Gott.
Geist - unsichtbare und doch spürbare Kraft, die bei allem mit dabei ist. Umschreibung für Göttliches in uns. Es war verhängnisvoll, dass es auch zu dualistischem Denken gekommen ist: Geist und Fleisch, Geist und Materie als zwei total getrennte Wirklichkeiten. Und dass man das Materielle dann auch abgewertet hat. Beide brauchen einander, beide sind staunenswert, in der Pfingstwoche lässt mich wieder mal besonders der Geist staunen.

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SWR1 3vor8

Pfingstmontag

 Es ist eine unglaubliche Zusage und es sind starke, ungewohnte Töne, die heute am Pfingstmontag in den katholischen Gottesdiensten zu hören sind: „Eure Söhne und Töchter werden Propheten und Prophetinnen sein, eure Alten werden Träume haben, und eure jungen Männer haben Visionen" - das spricht Gott durch den Propheten Joel. Da steckt Kraft drin, Feuer, Leidenschaft und: da sind die Frauen mit dabei. Eine  fast  2000 Jahre lang von Männern beherrschte Theologie hat es zu verdunkeln gewusst, dass Gott und liebende Leidenschaft etwas miteinander zu tun haben könnten. Dass dem aber so ist, darauf deuten auch die züngelnden Flämmchen hin, die sich nach dem Pfingstbericht der Bibel „wie von Feuer" auf die Jüngerinnen und Jünger Jesu verteilt haben. (Apostelgeschichte 2,1-13) Die sind regelrecht be-geistert gewesen. Und aus der Begeisterung der ersten Christen ist  Kirche entstanden. Pfingsten gilt als die Geburtsstunde der Kirche. Wenn von „Mutter Kirche" die Rede ist, dann schließt sich für mich ein Kreis:  Von Gottes Geist, vom Heiligen Geist sprechen, hat etwas zu tun mit der mütterlichen Seite in Gott. Sprachlich unterstützt diesen Gedanken  das hebräische Wort für Geist - „ruach" - und das ist weiblich. Kirchenväter in Syrien hatten das bereits vor 1500 Jahren aufgenommen, als sie vom „Mutteramt" des Geistes gesprochen haben. Trotz kirchlichen Verbots hat es immer wieder Maler gegeben, die den Heiligen Geist in Gestalt einer Frau dargestellt haben. So im 18. Jahrhundert in der Zeit des  Barock der Künstler Meinrad von Au aus Sigmaringen (1712 - 1792). Auf dem Bild ist über dem gekreuzigten Jesus und neben Gott eine weiß gekleidete Gestalt zu sehen, umgeben von einem hellen Licht  und einem Kranz aus zungenartigen Gebilden. Das Gesicht, die zarten Hände und Füße, ein leicht angedeuteter Busen, das spricht für eine Frau und steht für den Heiligen Geist. Ein für damals gewagtes Bild, aber ein schönes Bild. Selbstverständlich gilt: Gottes Geist ist einzigartig und unverfügbar. Er entzieht sich  jedem menschlichen, auch jedem kirchenamtlichen Zugriff. Andererseits erkenne ich in solchen Texten und Darstellungen die mütterliche Seite in Gott, seine liebende Zuneigung und Nähe. Neben der uns eher vertrauten väterlichen Seite in Gott  kam die mütterliche Seite in der Vergangenheit viel zu kurz. Sie wieder zu entdecken entspricht dem menschenfreundlichen Gott, den  Jesus verkündet  hat. Ich jedenfalls fühle mich gut bei solchen Überlegungen.

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