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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Sommerzeit ist Urlaubszeit und Urlaubszeit ist Reisezeit. Dabei muss reisen nicht heißen: Hauptsache weit weg von zu Hause. Es steht eher für: eintauchen in eine andere Welt. Und die kann schon ein paar Kilometer entfernt vom Wohnort beginnen. Sie fängt für manche sogar schon damit an, dass sie frei haben, lange ausschlafen, auf dem Balkon frühstücken, die ganze Zeitung und nicht nur die Überschriften lesen.
Wer in ein anderes Land reist mit fremden Gewohnheiten und anderer Sprache, für den beginnt eine Entdeckungsfahrt.
Ach, wenn ich nur besser italienisch könnte... Kannst du uns nicht helfen Max? Max sitzt neben mir im Auto. Du hast doch Italienisch als Wahlfach gehabt.
Aber zum Glück habe ich Hände und Füße, kann zur Not eine Zahnbürste auf einen Zettel malen oder noch einfacher an der Theke mit dem Finger auf den Kuchen zeigen, auf den ich Lust habe.
Trotzdem finde ich: Es lohnt sich, wenigstens guten Tag und gute Nacht, bitte und danke in der fremden Sprache zu lernen. Auch wenn es nicht perfekt ist. Es ist ein kleines Zeichen für die Menschen, denen ich damit zeigen kann, ich schätze sie und ihre Lebensart - und auch ihre Sprache. Damit es nicht so geht, wie der Kirchenvater Augustin es beobachtet hat:

Die Menschen
reisen in fremde Länder
und staunen über
die Höhe der Berge,
die Gewalt der Meereswellen,
die Länge der Flüsse,
die Weite des Ozeans,
das Wandern der Sterne.
Aber sie gehen
ohne Staunen
aneinander vorbei.

Wenn ich ein paar Brocken ihrer Sprache kann, dann ahnen die mir unbekannten Menschen, dass ich nicht nur wegen der Berge oder der tollen Strände  komme, sondern dass ich auch sie, die Menschen, kennen lernen will und wie sie leben. Und dann kann es geschehen, dass wir einander verstehen über alle Sprachprobleme hinweg, dass wir einander Respekt entgegenbringen, im Grüßen und Danken, im Annehmen dessen, was mir die Menschen und ihr Land zu bieten haben. Dann geschieht manches Mal das Pfingstwunder im August. An Pfingsten, so erzählt die Bibel, haben Menschen sich irgendwie verstanden, auch wenn sie nicht dieselbe Sprache gesprochen haben. Das hat Gottes heiliger Geist zustande gebracht. Der  braucht nicht immer nur Worte, um sich auszudrücken. Ein Winken, Zeigen mit Händen und Füßen und am besten immer ein Lächeln gehören zu seinem Wortschatz. Dann kommt die Begegnung mit den Menschen nicht zu kurz im Ferienprogramm.

 

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SWR1 Begegnungen

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Günther Gremp trifft Christian Weisner

Seit gut 15 Jahren gibt es in der Konsequenz des Kirchenvolksbegehrens, unterzeichnet von über 1,8 Millionen Menschen, die Bewegung „Wir sind Kirche". Mitbestimmung durch Laien, kirchliche Ämter für Frauen, Freistellung des Zölibats, positive Bewertung der Sexualität, Frohbotschaft statt Drohbotschaft - das sind die wesentlichen Forderungen. Gesicht und Stimme dieser Bewegung ist Christian Weisner:

Reformkräfte wie „Wir sind Kirche" sind so etwas wie Selbstheilungskräfte aus der Kirche heraus. Und wir hören immer wieder, dass Leute sagen: wenn es „Wir sind Kirche" nicht mehr geben würde, dann wäre ich schon längst aus der Kirche ausgetreten.

 Christian Weisner, gerade 60 geworden, hat seine Arbeit als Verkehrplaner aufgegeben und arbeitet nur noch ehrenamtlich für „Wir sind Kirche". 1995 gehörte zu Christian Weisner den drei Initiatoren des Kirchenvolksbegehrens in Deutschland. Mehr als 1,8 Millionen Unterschriften kamen zusammen für u. a. mehr Mitbestimmung der Laien, für Frauen in kirchlichen Ämtern und für die  Freistellung des Zölibats. Aus dem damaligen Impuls ist die Bewegung „Wir sind Kirche"  hervorgegangen. Ihr Sprecher ist bis heute Christian Weisner, inzwischen von Norddeutschland nach Dachau umgezogen. In einem kleinen Büro in der Privatwohnung laufen die Fäden von „Wir sind Kirche" zusammen. Uns Deutschen sagt man nach, gern Vereine zu gründen. Christian Weisner hat darauf verzichtet:

Bei der Kirchenvolksbewegung gibt es keine Mitgliedschaft. Wir verstehen uns ganz bewusst als Bewegung. Es ist so, dass viele Menschen in der Kirche wirklich nach Reformen dürsten, aber nicht noch einem neuen Verein beitreten wollen, sondern das ist ein Zusammenschluss vor allen Dingen von Gruppen, das ist ein Zusammenschluss von Informationen und das ist vor allen Dingen eine gewisse Unabhängigkeit. Denn anders als die katholischen Verbände sind wir als Bewegung nicht von bischöflichen Finanzen oder auch von bischöflichen Personalentscheidungen abhängig. 

In jungen Jahren war Christian Weisner, obwohl kein Theologe, Gemeindeassistent in der Hochschulgemeinde Dortmund - unter franziskanischer Leitung. Und ein bisschen erinnert die Kirchenvolksbewegung an die Reformbewegungen eines Franz von Assisi. Persönliche Sicherheiten hat auch Weisner hinter sich gelassen:

 Ich habe nach und nach meine Arbeit als Verkehrsplaner reduziert, erst von 80 auf 60 % und mittlerweile ist die Arbeit so vielfältig auf der deutschen Ebene und vor allen Dingen auch auf der internationalen Ebene, dass es mittlerweile ein Job ist rund um die Uhr, aber es ist Ehrenamt. Freiwilligkeit ist ein ganz wichtiges Element von „Wir sind Kirche".

 Inzwischen gibt es kaum eine wichtige kirchliche Entscheidung, zu der nicht auch Christian Weisner vor Kamera und Mikrofon gebeten wird. Stellt sich natürlich die Frage, was ihn zu einer Art Oppositionssprecher legitimiert? Ein Begriff, der Weisner nicht so schmeckt:

 Die Kirchenvolksbewegung versteht sich ganz klar als Bewegung innerhalb der Kirche; also nicht als Opposition gegen Kirche.

 Legitimiert zu seinen Stellungnahmen sieht sich Weisner durch die Unterzeichner des Kirchenvolksbegehrens,  durch all die Umfragen, die seine Positionen mehrheitlich stützen, aber auch durch Entwicklungen in katholischen Verbänden:

 Ich spüre, dass der neue Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken Alois Glück, dass die Frauenverbände, dass die Jugendverbände, dass die eigentlich alle die Punkte des Kirchenvolksbegehrens mit vertreten, die müssen auch jetzt zur Sprache kommen.

 Als da wären:

 Mehr Mitbestimmung der Laien, alle Ämter für die Frauen, Aufhebung des Pflichtzölibats, eine positive Bewertung der Sexualität und als fünftes Frohbotschaft statt Drohbotschaft und mittlerweile ist auch die Ökumene uns sehr wichtig geworden.

 Die Themen, die die Bischöfe für den Gesprächsprozess der nächsten Jahre vorgegeben haben, tragen ganz andere Überschriften. Auch auf diese Gespräche wird Christian Weisner sich einlassen, ohne von seinen Forderungen abzuweichen.

 Es kann doch nicht sein, dass ich in der Schule, am Arbeitsplatz, überall mehr Mitbestimmung, mehr Beteiligung, mehr Teilhabe fördere, und in der Kirche soll es das genaue Gegenteil sein. Und von daher bin ich ganz zuversichtlich, dass es auch weitergeht.

 Die Botschaft Jesu ist tragfähig

 Der Vertrauensverlust, den die Katholische Kirche im letzten Jahr aushalten musste, hat die Bischöfe auch bei Themen, die nichts mit Missbrauch zu tun haben, zu mehr Gesprächsbereitschaft gebracht. Zu erwarten, dass die vom Kirchenvolk aufgeworfenen Reformforderungen jetzt umgesetzt würden, wäre allerdings Illusion. Aber Christen wie Christian Weisner, der Sprecher der Kirchenvolksbewegung „Wir sind Kirche" ist gewohnt Hartnäckigkeit, Geduld und Gottvertrauen miteinander zu verbinden. Der Mitinitiator des Kirchenvolksbegehrens von 1995 und Sprecher der Reformbewegung „Wir sind Kirche" ist kein Revolutionär und erst recht kein Gegner der Kirche - ganz im Gegenteil: Christian Weisner ist ein Mann, der persönliche Nachteile im Interesse der Kirche und ihrer Zukunft in Kauf nimmt. 

Ich habe sicher sehr viele gute Erfahrungen auch mit Priestern, Studentenseelsorgern gemacht in meinem Leben. Ich habe mich immer in der Kirche aufgehoben gefühlt, aber es war die Kirche des Konzils. 

Die Kirche des Konzils, das hieß für viele Katholiken in den sechziger und siebziger Jahre: Aufbruch, Abschied von Verkrustungen, frischer Wind. Auf der Würzburger Synode1971-75:  offene Diskussionen auf Augenhöhe zwischen Laien, Priestern und Bischöfen. Und wie auf den Feldern gesellschaftlicher Entwicklungen wollten viele auch in der Kirche weitergehen. Heute sprechen nicht wenige von Rückschritt statt Fortschritt. Wenn es um Fragen wie Zölibat oder Frauenpriestertum geht, verweist man immer wieder auf Rom, die weltkirchliche Dimension und bemerkt spitz, wir sollten uns hierzulande nicht als Nabel der Welt sehen. Klingt gut, aber:

 Ich bin gerade über Pfingsten in Amerika beim American Catholic Council gewesen, wo also knapp 2000 Menschen keine Resignation haben, sondern sagen: das sind die Aufgaben der Zukunft und sich freuen, dass eine europäische Delegation kommt. Diese internationale Vernetzung zeigt ja, dass die Forderungen nicht nur die Forderungen im Lande Luthers sind, sondern dass es wirklich pastorale Forderungen sind, die weltweit gelten.

 Und da, findet der diplomierte Stadt- und Verkehrsplaner, muss man anpacken. Allerdings: In die Hände spucken allein hilft da nicht. Es braucht mehr.

Glaube ist etwas, was wirklich dem Leben Kraft und Sinn gibt, was mich stärkt, was mir durch Höhen und Tiefen hilft, aber es geht nicht nur um diese Glaubensaussagen, es geht darum etwas zu tun. Nicht alles neu machen. Für die Kirchenvolksbewegung ist es auch wichtig die Tradition zu sehen, also auch die Tradition der Reformen zu sehen. Insofern ist für mich Kirche wie ein Kirchengebäude. Man kann natürlich alles abreißen und daneben ein neues Zelt aufbauen oder ein neues Gebäude. Aber ich denke, das ist mit dem Traditionsverständnis nicht möglich. Es geht immer  wieder darum, Anbauten zu machen und hier und dort etwas zu sanieren. Im Augenblick geht es vor allen Dingen darum, wieder die Fenster zu öffnen wie es Johannes XXIII gesagt hat.

 Als dieser Papst starb, war Christian Weisner, knapp 12 Jahre alt. Aber mindestens so weit reichen auch die Wurzeln seines Glaubens zurück:

 Meine persönliche Spiritualität ist sicher sehr gespeist aus einem Urvertrauen, was vermittelt worden ist von den Eltern und was ein Gottvertrauen, ein Zukunftsvertrauen gebracht hat. Das zweite ist Gemeinschaft in Gottesdiensten, in der weltweiten Vernetzung. Und das dritte ist, denke ich, einfach eine Aufgabe zu haben. Also Kirche hat sich immer verändert; das ist meine größte Hoffnung, die mich speist. Es gab also große Aufs und Abs und auch absolute Fehlleistungen, aber die Botschaft Jesu, denke ich, ist so tragfähig, aber sie muss immer wieder an die Oberfläche geholt werden.

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SWR4 Abendgedanken BW

Sie sind schon toll - diese Feiertage donnerstags im Frühsommer: Vor Pfingsten Christi Himmelfahrt und - gestern Fronleichnam. Da bietet sich ein Kurzurlaub doch geradezu an. Aber worum geht's am Fronleichnamsfest, dem wir diesen freien Tag verdanken?
Keine Ahnung - da zuckt so mancher ratlos mit den Schultern. Besonders hier in der Großstadt, in Stuttgart, wo ich lebe. In ländlichen Gegenden mit überwiegend katholischer Tradition ist das noch ganz anders, da wird das Fest oft groß gefeiert.
Da ziehen farbenfrohe Prozessionen durch die Straßen, begleitet von vielen Schaulustigen. Viele volkstümliche Bräuche sind da im Laufe der Zeit eingeflossen, denn das Fronleichnamsfest gibt es schon seit dem 14. Jahrhundert! Der Sinn des Festes ist für Menschen, die keinen Bezug zum katholischen Glauben haben, schwer zu verstehen.
Schon der Name Fronleichnam klingt merkwürdig, morbide. Als Kinder konnten wir den Namen gar nicht richtig aussprechen - dabei hatten wir viel Freude an diesem Fest mit Blumen und Musikkapellen. „Wir feiern das Fest des heiligen Brotes", hat man uns damals erklärt. Ein ganz besonderes Brot steht im Mittelpunkt, nämlich das, welches Jesus beim letzten Abendmahl vor seinem Tod mit seinen Freundinnen und Freunden geteilt hat, damit sie sich nach seinem Tod an ihn erinnern. Er ist bei ihnen, wenn sie dieses Brot zu seinem Gedenken miteinander essen. Und das geschieht nach dem katholischen Glauben in jedem Gottesdienst. „Fronleichnam" - das heißt übersetzt „Leib des Herrn". Dieses  besondere Brot wird durch die Straßen, zu den Menschen getragen in einem prächtigen Gefäß, damit sie es sehen und verehren können. Für mich war das Fronleichnamfest in meiner Kindheit in Leipzig - wo die Mehrheit der Bevölkerung atheistisch erzogen wurde, etwas ganz besonderes. Natürlich war der Tag kein gesetzlicher Feiertag, aber es gab eine gemeinsame Fronleichnamsprozession für alle katholischen Gemeinden auf dem Gelände der Pferderennbahn der Stadt. Ich bekam schulfrei, zusammen mit noch einem katholischen Jungen aus meiner Klasse. Meine drei evangelischen Mitschüler nicht, was ich sehr schade fand. Im evangelischen Gottesdienst wurde doch beim Abendmahl auch Brot verteilt! Warum konnten wir nicht zusammen feiern? In der atheistisch geprägten Umgebung gehörten wir doch zusammen. Ich habe gehört, dass sich heute in manchen Orten evangelische Christen der Fronleichnamsprozession anschließen  -  ohne sich vereinnahmen zu lassen. Als Zeichen, dass man gemeinsam unterwegs ist auf dem Weg des Glaubens,
von dem noch viele Steine weggeräumt werden müssen.
Das gefällt mir. Wenn eine so altmodisch anmutende Prozession die Menschen einander näher bringt.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

Morgen feiern die Katholiken Fronleichnam. Und wir alle haben etwas davon: Denn Fronleichnam ist ein Feiertag. Keiner muss zur Schule und die meisten Menschen müssen auch nicht arbeiten.
Ich vergesse nie, wie ich einmal die Kinder im Kindergottesdienst gefragt habe:
„Welche kirchlichen Feiertage gibt es eigentlich?" - „Weihnachten!" rufen alle wie aus einem Mund. „Ostern." „Karfreitag" fällt ihnen auch noch ein. Bei „Pfingsten" und „Himmelfahrt" muss ich schon kräftig nachhelfen. Und dann überlegen sie lange und angestrengt, bis einer sagt:  „Ach, da gibt es doch auch noch den Frohen Leichnam."
„Fronleichnam" heißt es natürlich richtig und bedeutet „Leib des Herrn".
Aber mit Freude hat dieser katholische Feiertag auch zu tun; vielerorts bildet eine feierliche Prozession den Höhepunkt des Festes, auf der die Monstranz mit reichlichem Blumenschmuck und einer Hostie, also dem Symbol für den Leib Jesu, durch die Dörfer, Straßen und Felder getragen wird.
Ich würde einmal behaupten, Fronleichnam ist so katholisch, wie der Reformationstag evangelisch ist. Früher waren das Tage, an dem sich Katholiken und Protestanten gerne gegenseitig gepiesackt haben, indem sie jeweils am Feiertag des anderen Gülle ausgefahren haben...
Christen haben schon immer auf höchst unterschiedliche Weise ihren Glauben zum Ausdruck gebracht. Worum es an Fronleichnam inhaltlich geht hat auch für uns Evangelische eine zentrale Bedeutung: In jedem Abendmahl erinnern wir daran, dass Jesus Christus für uns gestorben ist, dass er seinen Leib, sein Leben für uns gegeben hat. Dabei werden uns Brot und Wein zu sichtbaren Zeichen zur Nähe zu Gott und zur Versöhnung mit ihm.
Jesus hat sein Leben aus Liebe hingegeben. Deshalb wird an Fronleichnam sein Leib symbolisch und sichtbar durch die Felder getragen. Damit wir uns auch im Alltag daran erinnern, dass der Geist der Liebe aus den Kirchenmauern heraus tritt und durch Felder und Wiesen geht und unser Leben gesegnet ist.
Bei den Katholiken schließt sich der Prozession meistens ein fröhliches Gemeindefest an. Und so gesehen hat das Kind aus dem Kindergottesdienst auch gar nicht so Unrecht, wenn es sagt: „Da gibt es doch auch noch den frohen Leichnam".

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SWR2 Wort zum Tag

In diesen Tagen nach Pfingsten sind viele in den Urlaub gefahren. Wer wegfahren und sich ausruhen oder Neues kennen lernen kann, will Atem holen, will durchatmen und aufatmen, will sich frischen Wind um die Nase wehen lassen und der Atemlosigkeit entfliehen. All das passt gut zum Pfingstfest. Denn da geht es auch ums Atemholen: Gottes Atem durchweht die Welt, so wird das Pfingstfest beschrieben (Apg. 2).
Ein Brausen, ein Sturm, ein heftiger Wind erfüllte den Himmel und das Haus, in das sich die Freundinnen und Freunde Jesu zurückgezogen hatten. Dieses Bild malen die Erzähler der Pfingstgeschichte vor Augen und wecken damit die Erinnerung an die ersten Tage der Schöpfung. An den Beginn der Welt, als Gott Atem holte und die Geschöpfe ins Leben rief, ihnen seinen Atem einhauchte, sie belebte (1. Moses 2,7).
Das hebräische Wort ruach, das in der Bibel für Gottes Atem und Schöpferkraft steht, ist verwandt mit dem Begriff für „Weite", für: „Raum schaffen", für: „in Bewegung-Setzen". Deshalb kann man von Gottes ruach als von Gottes Atem, Geist, Lebenskraft, Energie, Schöpferkraft sprechen. Wie ein Wind, wie ein Sturm weht sie durch die Welt.
Im ersten Satz der Bibel beschreibt der Erzähler: Als noch nichts da war von Gottes Schöpfung, als alles dunkel und leer war, da schwebte und flatterte Gottes ruach, Gottes Atem über den Wassern, wie ein Wind, wie eine Kraft, die gerade dabei ist, die ganze Schöpfung in Bewegung zu setzen (1. Moses 1,2). Daher kommt übrigens die Darstellung vom Geist Gottes, der wie eine Taube um Gottvater und um Jesus herum schwebt.
Ohne diesen Atem Gottes ist kein Leben möglich. Im Psalm 104 ruft der Beter: „Wenn du, Gott, dein Angesicht verbirgst, erschrecken deine Geschöpfe, nimmst du ihre ruach, ihren Atem, hin, so sterben sie und werden wieder Staub. Sendest du deine ruach, deinen Atem aus, so werden sie geschaffen, und du erneuerst das Angesicht der Erde." (Psalm 104,29f).
Gottes Atem schenkt Leben, haucht neuen Atem ein, wo Atemlosigkeit einem zu schaffen macht. Wo man sich atemlos gerannt hat in der Hektik seines Alltags, oder wo man kurzatmig geworden ist in der Trägheit und Unbeweglichkeit dessen, was man erreicht hat.
Ich finde den Gedanken schön, dass Gottes Atem neu die Welt belebt. Ich stelle mir vor: Ich atme tief durch und hole Atem für meinen Alltag. Ich atme aus und mit diesem Ausatmen auch alle Atemlosigkeit und Kurzatmigkeit. Gottes ruach, Gottes Atem durchweht die Welt - und mich.

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SWR4 Abendgedanken BW

Um es gleich vorweg zu sagen: meine Erfahrungen mit dem Heiligen Geist sind nicht spektakulär. Vor ein paar Tagen haben wir Pfingsten gefeiert, das Fest des Heiligen Geistes.
Da habe ich mich gefragt: wie sind denn meine Erfahrungen mit dem Heiligen Geist?
Ich kann von keiner Ekstase oder Verzückung berichten. Mir hat keine Stimme vom Himmel einen besonderen Auftrag gegeben. Aber ich vermisse das auch nicht.
Ich kenne das Ergriffensein nur in gedämpfter Form. In kleinem Maßstab. Und das reicht mir.
Denn ich kenne Erfahrungen tiefer Geborgenheit und das Gefühl: jetzt werde ich berührt von einer anderen Welt.
Ich kenne die Erfahrung, dass mir plötzlich mein Weg klar wird, weil mir ein Licht aufgeht und ich weiß, was zu tun ist.
Ich erlebe bei mir und anderen die tiefverwurzelte Fähigkeit, zu hoffen.
Ich kenne die unerschütterliche Überzeugung, dass es Taten gibt, die sind unmenschlich und die muss man aufs schärfsten verurteilen.
Und ich kenne die gegenteilige ebenso feste Überzeugung, dass manche Taten einfach gut und richtig sind und tiefer Menschlichkeit entsprechen.
Ich kenne die atemberaubende Erfahrung von Schönheit - in der Natur oder in Kunstwerken, die von Menschen erschaffen wurden.
Und vor allem: Es sind immer wieder Worte der Bibel und die Geschichten von Jesus, die mich ansprechen, packen, bewegen und verändern. die mich überzeugen: Das ist wahr! So ist es richtig!
Natürlich kann immer jemand kommen und diese Erfahrungen in Frage stellen und bezweifeln, ob da der Heilige Geist am Werk ist.
Ich kann das ja nicht beweisen. Ich kann auch solche Erfahrungen nicht produzieren.
Aber sie gehören zu mir und ich vertraue ihnen - trotz der Zweifel, die ich ja auch manchmal habe.
Ich erlebe es deshalb immer wieder als ein Wunder und als ein Werk des Heiligen Geistes, dass ich glaube, dass ich darauf vertraue, dass Gott es gut mit mir meint. dass ich von den Worten und Taten Jesu, von seinem Tod und seiner Auferstehung so ergriffen und bewegt bin, dass ich weiß, in ihm spricht mich Gott an.
Es ist ein Wunder. Ich habe es nicht in der Hand, ich kann nicht darüber verfügen, aber ich doch ganz daran beteiligt.
Am besten kann man es mit der Liebe vergleichen. Auch sie ergreift mich, bewegt mich, verändert mich. Sie ist nicht mein Werk, ich habe sie nicht im Griff, aber ich bin ganz daran beteiligt.

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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Zum Leben braucht man so mancherlei. Nahrung und sauberes Wasser, ein Dach über dem Kopf und was zum Anziehen, regelmäßiges Einkommen, auf das man sich verlassen kann. Und dann natürlich tausend Dinge, die mehr oder weniger lebensnotwendig sind. Auto, Telefon, PC, der Teddybär, der Lippenstift, der Kaffee zum Frühstück. Für jeden ist es etwas anderes, das man als lebensnotwendig erlebt. Für mich sind es gute und bequeme Schuhe, mit denen ich zu Fuß notfalls ganz weit käme.
Aber das ist noch längst nicht alles. Um gut und gern zu leben, brauche ich mehr, viel mehr. Denn man kann nicht nur körperlich verhungern, sondern auch seelisch. An Pfingsten erinnern sich Christen daran, dass sie all das geschenkt bekommen, was sie brauchen, um nicht nur zu vegetieren, sondern wirklich zu leben. Die kirchliche Tradition spricht von den Gaben des Heiligen Geistes und nennt sie Verstand, Weisheit, Rat, Stärke, Erkenntnis, Frömmigkeit und Ehrfurcht vor Gott. Altertümlich klingen diese Begriffe, heute würde man es anders sagen. Vielleicht so: Der Verstand lässt mich die Dinge nüchtern sehen, damit ich mich nicht blenden lasse vom Schein der Oberfläche und von aufgeblasener Wichtigkeit. Die Weisheit ist der Blick der Liebe, der hinter die Fassade schaut und barmherzig ist mit allem, was da zum Vorschein kommt. Die Stärke gibt mir die Fähigkeit, mir selbst treu zu bleiben. Den aufrechten Gang, der sich nicht einschüchtern lässt. Die Gabe des Rates bewahrt mich vor Sturheit und Besserwisserei, macht mich offen für andere Sichtweisen. Frömmigkeit und Ehrfurcht vor Gott ist das Wissen, dass ich letztlich nichts in der Hand habe, sondern darauf angewiesen bin, dass Gott mich in seiner Hand hält und trägt und schützt und führt. 
Die Gaben des Geistes. Was sich so altmodisch anhört, ist doch unglaublich aktuell. Es sind Fähigkeiten und Haltungen, die Menschen brauchen, um seelisch so einigermaßen gesund zu sein oder gesund zu werden. Es ist fast so was wie eine Überlebensausstattung. Und das Beste daran: Diese Ausrüstung fürs Leben wird mir geschenkt, von Gott, von seinem Geist, von seiner Lebenskraft. Ich bitte ihn oft darum, und meistens bekomme ich genau das und genau so viel davon, wie ich gerade brauche. Nicht für morgen, sondern für heute.  

 

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SWR4 Sonntags-/Feiertagsgedanken

Dazu gehören ist schön. Eine Familie haben oder einen Freundeskreis, Arbeitskollegen oder Kumpel im Verein auf die man sich verlassen kann: das gibt einem Sicherheit und das gute Gefühl, nicht allein zu sein. Und wenn die Gruppe, zu der man gehört, gut dasteht - dann fühlt man sich auch selber gut.
„Lasst uns einen Turm bauen, bis in den Himmel, damit wir uns einen Namen machen und alle sehen, wie großartig wir sind". Die Bibel erzählt, dass schon ganz früh die Menschen auf diese Idee gekommen sind. Die gemeinsame Unternehmung würde sie noch enger zusammen schweißen und außerdem könnten sie sich selbst beweisen und anderen zeigen, wie toll bei ihnen alles funktioniert und was sie können. Aber, vielleicht kennen Sie ja die Geschichte vom Turmbau zu Babel: die Sache ging nicht gut.
Warum eigentlich nicht?
Ich überlege, wie das heute wäre und nehme ein ganz alltägliches Beispiel. „Kommt, heute machen wir eine Fahrradtour, die ganze Familie." Wissen Sie, was passiert, wenn Sie so einen Vorschlag machen? In den meisten Familien gibt es Ärger, jedenfalls wenn die Kinder nicht mehr ganz klein sind. Denn nicht alle finden, dass das eine gute Idee ist. Dabei war es so schön gedacht: Die gemeinsame Unternehmung hätte das Zusammengehörigkeitsgefühl gestärkt. Und unterwegs hätte man auch noch zeigen können, wie toll die Familie funktioniert. Schade. Nun wird nichts draus. Am Ende ist man ein bisschen enttäuscht, wenn man so einen Vorschlag gemacht hat. Und manchmal gibt es richtig Krach.
Ich glaube, so geht es nicht nur beim Familienausflug. Auch in anderen Bereichen gibt es Menschen, die sich bedrängt fühlen, wenn sie zum Mitmachen verpflichtet werden. Nicht jeder Fußballfan fühlt sich in der Fankurve wohl. Nicht jeder Mitarbeiter möchte auch noch Bowling nach Feierabend.
Genauso war es offensichtlich bei jenem Turmbau, von dem die Bibel erzählt. Auch da gab es Ärger. Ich stelle mir vor, das war wie in der Familie oder am Arbeitsplatz heute auch: Der eine will so, der andere anders, die dritte überhaupt nicht. Die vierte ist beleidigt. Der fünfte enttäuscht. Und wie geht das aus? Sie lassen es bleiben.
Ist das nun schlimm? Die Bibel sagt: Nein. Im Gegenteil. Das ist gut so. Denn das wäre nur der Anfang gewesen. Irgendwann wären sie alle gleichgeschaltet gewesen bei ihrer Arbeit am gemeinsamen Turm. Dann hätte man nur noch das tun dürfen, was alle tun. Und das ist nicht gut. Gott selbst hat dafür gesorgt, dass es anders kommt, heißt es. Auf einmal konnten sie sich nicht mehr verstehen. Und die Leute gingen ihrer Wege. Wo Gott ist, ist Vielfalt, lerne ich daraus. Und Vielfalt ist erst mal gut.

Vielfalt braucht Gespräch
Vielfalt ist erst mal gut. Das lerne ich aus der Geschichte vom Turmbau zu Babel. Gott selbst, erzählt die Bibel, macht der Gleichmacherei ein Ende. Die Menschen bemerken ihre Verschiedenheit. Sie sprechen verschiedene Sprachen. Wahrscheinlich denken sie auch verschieden. Was dem einen ganz wichtig ist, darüber hat ein anderer vielleicht noch gar nicht nachgedacht. Was eine nicht mehr leiden kann, weil sie zu alt dafür ist, das finden die anderen toll, weil sie noch jung sind. Menschen sind verschieden.
Und das ist gut, denn gerade aus dieser Vielfalt lässt sich etwas machen. Man kann viel mehr Ideen entwickeln und verwirklichen als nur den einen Turm zu bauen. Es ist gut, wenn sich Gruppen bilden und Grüppchen, die dieselben Interessen haben. Das kann sich ergänzen und das Leben wird bunt und vielfältig und jeder findet, was er braucht und kann sich wohlfühlen.
Bloß: Aus der Verschiedenheit wird dann oft ein Gegeneinander. Man misstraut den anderen: Wollen die mich vielleicht bloß über den Tisch ziehen? Man hält nur die eigenen Ideen für zukunftsweisend. Was die anderen wollen: das ist doch von vorgestern! Und statt sich gegenseitig zu fördern, behindern sich die Leute gegenseitig. Und irgendwann fühlt man sich allein und hat das Gefühl: ich muss mich wehren, damit sie mich nicht unterbuttern.
Wie könnte es anders gehen? „Lasst uns einen Turm bauen", haben sie damals gesagt. Da hat keiner die Möglichkeit, eine andere Idee einzubringen. Da kann man eigentlich nur noch sagen: „Och nee, ich hab keine Lust." Wenn sie nun gesagt hätten: „Wie wäre es, wenn wir einen Turm bauen?" Dann kann jeder sagen, was er davon hält. Dann kann man auch andere Vorschläge machen. Dann kann man miteinander aushandeln, was getan werden soll. Dann hat jede und jeder das Gefühl: Ich kann mitreden. Meine Meinung ist gefragt. Ich komme auch vor in unserem gemeinsamen Tun.
Aber das gibt doch erst recht Streit, sagen Sie? Da will doch jeder seine Interessen durchsetzen und seine Ideen verwirklichen? Das könnte sein. Aber es könnte auch anders sein.
Wir Christen feiern heute Pfingsten, das ist das Fest seines Heiligen Geistes. Darum bitten wir auch im Gottesdienst: Komm, heiliger Geist. Denn wir glauben: Gottes Geist macht Menschen sprachfähig. Und vor allem, er fördert das Verstehen. Gottes Geist hilft, dass ich verstehen kann, warum der andere plötzlich so scharf reagiert. Gottes Geist hilft mir, ruhig zu bleiben und zu erklären, wie ich das sehe. Und er kann mich bereit machen, einen Kompromiss einzugehen oder den anderen den Gefallen zu tun - vielleicht sogar den Ausflug zu machen, von dem die Rede war. Weil ich begriffen habe, warum das jetzt wichtig ist. Und dann wird es wirklich richtig schön! Hätte ich gar nicht gedacht, sage ich dann. Und freue mich womöglich auf das nächste Mal. Und finde jedenfalls für diesmal: dazu gehören ist wirklich ganz schön!

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SWR1 3vor8

(zu Apg. 2, 1-11)

Ich bin Peter Kottlorz von der Katholischen Kirche. Einen schönen guten Morgen!

Es ist bis heute ein Rätsel was genau sich da abgespielt hat, am Pfingsttag vor rund 2000 Jahren. Die verstreuten Christen der ersten Generation kommen zusammen und da passiert ganz Außerordentliches: Sie werden wie von einem Sturm durchgeschüttelt, haben Lichtvisionen mit Feuerzungen, reden in verschiedenen Sprachen und verstehen sich doch.  Nachzulesen in der Apostelgeschichte des Neuen Testaments und heute zu hören in den christlichen Gottesdiensten. Was hat sich da nur abgespielt? Eine religiöse Massenekstase? Ein im Nachhinein mystisch aufgeblähter Gründungsmythos der Kirche? Oder eine spirituelle Explosion mit gemeinschaftlichen Entgrenzungserfahrungen?  Ich tendiere dazu das Pfingstgeschehen als eine Art spirituelle Explosion zu sehen, auch weil ich das Heftige, das Unkontrollierte daran mag. Eine Explosion muss nicht immer zerstörerisch sein - wir sind nur durch die mörderische Nutzung der Sprengkraft gewohnt sie negativ wahrzunehmen. Aber unsere Welt unser ganzes Universum ist durch eine gigantische Explosion entstanden. Und mögen sich viele gute Dinge auch langsam und sanft entwickeln, so gibt es doch auch die schlagartigen Veränderungen die die Welt verbessert haben. In Geistesblitzen oder als Sternstunden der Menschheit. Wenn sich etwas langsam entwickelt und sich dann in einem berauschenden Akt Bahn bricht. Der Fall der Mauer kommt mir dabei in den Sinn. Der Geist, diese unsichtbare, immaterielle Kraft kann Mauern einstürzen lassen. Der Heilige Geist ist nicht zu fesseln, nicht zu halten. Er hat was ungeheuer Drängendes, Freiheitliches, Zum Guten Veränderndes, was Individuelles und gleichzeitig Verbindendes. Weil er in jedem steckt und über jede kommen kann - jederzeit. Dass die Christusbeseelten vor 2000 Jahren so außer sich geraten sind, mag daran gelegen haben, dass sie gemeinsam gespürt haben wie es ist, wenn sich der Abstand zwischen Gott und den Menschen verringert. Das muss sie euphorisch gemacht haben, ansteckend glücklich, haltlos zuversichtlich. Das hat sie sich wohl ohne Worte verstehen und den Glauben in ihrer Muttersprache sprechen lassen. Was ihn in ihrer Seele beheimaten ließ, aber auch ein Protest war gegen die sprachliche Dominanz der jüdischen und römischen und griechischen Eliten. Darum mag ich das Pfingstfest. Weil es so anders ist. Weihnachten ist idyllisch und heimelig. Ostern lichtvoll abstrakt. Pfingsten ist der Rabauke unter den christlichen Hochfesten. Das Ungezähmte, Kreative und Freiheitliche inmitten der Kirchen, die doch oft so geordnet, ängstlich und brav sind.

Einen schönen Pfingstsonntag wünsch ich Ihnen!

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SWR2 Wort zum Tag

Morgen an Pfingsten feiert die Kirche ihren Geburtstag, denn dieses Fest erinnert an die Entstehung der Kirche. In der Bibel wird erzählt, wie der Heilige Geist damals den verängstigten Jüngern Mut und Überzeugungskraft gab, so dass sie die Botschaft von der Auferstehung Jesu in alle Welt hinaus tragen konnten. Das war vor 2000 Jahren. Heute ist das Christentum eine der großen Weltreligionen. Und  besonders die europäische Geschichte und Kultur ist undenkbar ohne das Christentum. Also eine Erfolgsgeschichte. Einerseits. Andererseits steht es um die Kirche - und ich meine hier besonders die katholische Kirche - nicht gut. Die Kirchenbänke leeren sich immer mehr, obwohl außerhalb der Kirchen die Spiritualität boomt. Doch die Kirche hat anscheinend ihre  Anziehungskraft verloren. Und seit die Missbrauchsskandale öffentlich geworden sind, ist sie für viele auch nicht mehr glaubwürdig. Der Bischof von Rottenburg-Stuttgart - Gebhard Fürst - stellt sich dieser Krise. „Die Kirche sei zerrissen, und oft sei nicht mehr drin, was drauf steht", so sagte er bei einer großen Tagung vor einigen Wochen, bei der es um eine missionarische Kirche ging. Das sind für einen Bischof sehr selbstkritische Töne. Nicht die andern, sondern die Kirche selbst muss missioniert werden. Die Kraft und Lebendigkeit des Heiligen Geistes ist in ihr nicht mehr zu spüren. Beim ersten Pfingstfest damals in Jerusalem, hatten die Apostel deswegen so großen Erfolg, weil jeder sie in seiner Muttersprache verstehen konnte. Das heißt, die Apostel verstanden es, zu Herzen zu reden und die Menschen in ihrem Innern zu erreichen. Heute dagegen ist die kirchliche Sprache für viele zu einer Fremdsprache geworden, die sie nicht mehr verstehen. 
Wer miteinander reden will, braucht eine gemeinsame Sprache. Und diese erwächst aus Beziehung. Wenn man Anteil aneinander nimmt und die Welt des andern zu verstehen sucht, wenn man sich gegenseitig erzählt, was einen bewegt, woran man zweifelt, aber auch worin man Halt und Vertrauen findet, kann daraus eine gemeinsame Sprache des Glaubens erwachsen. Damit ein echtes Gespräch entstehen kann, braucht es auch eine Haltung, die in der katholischen Kirche noch lange nicht selbstverständlich ist. Nämlich anzuerkennen, dass jeder Christ mündig ist und seinen Glauben in eigener Verantwortung lebt. Wenn nicht bevormundet wird, wenn aus einem Monolog ein echter Dialog wird, dann hat der Heilige Geist eine Chance. Und mit ihm die Vielen in den Kirchen und außerhalb, die nach Gott fragen und suchen.

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