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SWR1 Begegnungen

Fest Christi Himmelfahrt

„ meint Unterbrechung. Meint auch Innehalten!“ 

Ich treffe mich mit Claudia Sticher. Sie ist Theologin und Referentin
im Bischöflichen Ordinariat im Bistum Mainz. Sie ist Autorin und hat schon einige Bücher veröffentlicht. Die Bibel hat es ihr in besonderer Weise angetan.  Wir treffen uns, um uns über den heutigen Feiertag „Christi Himmelfahrt“ auszutauschen. Warum geht es an diesem Feiertag?

Jesus muss seine Jünger, muss die Erde wirklich erst verlassen und ganz in den Himmel zu seinem Vater gehen, damit er von dort aus wirken kann.     

Foto: Harald Opitz privat 

Man könnte sagen: Die Tag von Himmelfahrt bis Pfingsten sind heikle Tage, nämlich eine Zeit noch ohne den Geist, ohne den Beistand, wo Kirche noch nicht komplett erlebt werden kann.

Als die Jünger – so steht es in der Bibel – davon hören, dass Jesus weggehen möchte, „in den Himmel auffahren wird“, können sie das nicht verstehen.  Ihre Reaktion auf diesen Wunsch ist für Claudia Sticher völlig normal.

Das ist ja der Wunsch der Jünger, dass der Herr bei ihnen bleibt. Aber er muss ja ganz und gar gehen, und so kann seine Botschaft dann weitergehen. Wenn er die Grenze von Raum und Zeit auf diese Weise hinter sich lässt.

Nach Ostern, also noch vor seiner Himmelfahrt, erscheint Jesus den Jüngern immer wieder. Nach seinem Tod am Kreuz waren seine Anhänger niedergeschlagen und mutlos geworden. Die Begegnungen mit dem auferstandenen Jesus richtet sie wieder auf. Und jetzt soll Jesus einfach wieder gehen, und zwar endgültig?

Die Jünger brauchen diese Zeit, um zu verstehen, dass Jesus wirklich lebt, wenn er ihnen noch erscheint. Aber dann muss er wirklich auch ganz gehen. Und so können wir sagen: Himmelfahrt ist für die Jünger der endgültige Abschied vom irdischen Leben Jesu.

Abschiednehmen tut weh.  Das macht diesen Feiertag „Christi Himmelfahrt“ so schwierig. Dann macht mich Claudia Sticher in unserem Gespräch auf etwas Wichtiges aufmerksam.

Die Jünger erkennen en Auferstandenen nach Ostern, und sie erkennen ihn ganz besonders an seinen Wunden. Es ist immer noch sein Leib, es ist auch immer noch sein geschundener Leib, aber der ist verklärt. Und wenn dieser ganze Mensch mit der Lebensgeschichte, mit den Wunden, mit allem, was da war, jetzt ganz zu Gott geht, dann ist damit auch die Menschheit bei Gott.

Claudia Sticher formuliert hier die Hoffnung, wie Jesus auch „in den Himmel aufgenommen zu werden“. Auch das feiern wir als Christen an Christi Himmelfahrt. Es geht um uns.

Das finde ich am Christentum und an diesem Feiertag so wichtig zu sagen: Es geht um den Menschen in seiner ganzen Leiblichkeit und mit seiner ganzen Lebensgeschichte. Und der wird aufgenommen.

„Man darf etwas nicht festhalten für alle Ewigkeit!“

Claudia Sticher  ist Theologin und Buchautorin und arbeitet als Referentin beim Bistum Mainz. Christi Himmelfahrt, das ist nicht nur etwas für Theologen und für Wissenschaftler. Dieser Feiertag lockt ins Freie und sucht die Gemeinschaft.

Die wichtigsten Kindheitserinnerungen sind Radtouren am Main, also ich wohne direkt am Main. Dann gingen Radtouren bis nach Seligenstadt, und ehrlich gesagt war manchmal das Eisessen sogar wichtiger als in die altehrwürdige Basilika zu gehen.

Claudia Sticher ist 46 Jahre alt und lebt in Offenbach am Main. Der christliche Glaube wurde im elterlichen Haus grundgelegt. Die christlichen Feiertage wurden festlich begangen.  Sie erinnert sich, 

…dass ich über Christi Himmelfahrt das erste Mal alleine auf einen Katholikentag fahren durfte. Das war dann sehr schön, diese große Glaubensgemeinschaft zu erleben.

Zu den Traditionen vor Christi Himmelfahrt gehören Prozessionen durch Land und Feld.

Man trifft sich an einem Wegkreuz in den Feldern und betet und bittet um eine gute Ernste. Da gehören feste Psalmen dazu und ein Segen über die Felder. Ich finde es sehr schön, dass viele Menschen wieder dieses Bewusstsein haben. Wir sind abhängig von der Natur, und es ist nicht selbstverständlich, dass Jahr für Jahr eine gute Ernte kommt, dass es um ein Gelingen geht, das der Mensch letztlich nicht in der Hand hat.

Unterwegs sein – aber mit Bollerwagen, kühlen Getränken und mit Freunden. Christi Himmelfahrt ist für viele einfach nur noch der Vatertag. Das weiß auch Claudia Sticher.

Mit den ganzen alkohol-getränkten Ausflügen kann ich weniger anfangen. Ein letzter Rest, den man festhalten kann: Wenn eine Gesellschaft an ein und demselben Tag frei hat, dann ist das immer noch etwa, was Gemeinschaft stiftet.  Letztlich müssen wir ehrlich sein, die kirchlichen Feiertage werden von immer weniger Menschen sehr tief und sehr aktiv begangenen. Dennoch glaube ich, dass sie die Kultur prägen.

Ob man die christlichen Feiertage dann nicht besser abschaffen sollte, frage ich Claudia Sticher. Das will sie nicht.

Feiertag meint Unterbrechung. Meint auch Innehalten. Meint, mit Gruppen, Freunden, Kreisen etwas unternehmen zu können. Es gehört auch der Gottesdienst dazu  oder einfach in schwächerer Form Gott einmal die Ehre zu geben, weil ich Zeit habe für andere Fragen, weil ich nicht an die Arbeit denken muss. Das gehört zum Feiertag mit dazu.

Der Feiertag Christi Himmelfahrt unterbricht den Rhythmus der Woche. Er steht für Veränderung, er steht dafür,

Dass man da unterwegs ist, dass es nicht bei der Versuchung bleiben kann wie es die Jünger am liebsten hätten: Lasst uns 3 Hütten bauen. Lasst uns den Moment für alle Ewigkeit festhalten. Sondern dass man unterwegs ist, dass man sich auf den Weg macht, dass man noch nicht da ist.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

Es gibt wichtige Tage – und unwichtige Tage. Wichtige Tage, unvergessliche Tage für mich sind: mein Hochzeitstag, die Tage, an denen unsere Kinder geboren wurden, der Tag, an dem ich von Hause ausgezogen bin. Die sind alle wichtiger als irgendein Tag im März.

Namenstag, das kann auch so ein wichtiger Tag sein. So wichtig, dass in vielen katholischen Familien lange Zeit nicht der Geburtstag groß gefeiert wurde, sondern eben der Namenstag. Warum? Am Namenstag kann ich mich an Menschen erinnern, auf die mein Name zurückgeht. Heute zum Beispiel ist der Namenstag von jedem, der Kasimir oder Casimiro heißt. Ein alter polnischer König. Der wurde heiliggesprochen, weil er einen starken Glauben hatte. Sein Name hat eine schöne Bedeutung: Kasimir, das ist der Friedensbringer.

In einen Lexikon lese ich allerdings: Der Namenstag von Kasimir ist ein Gedenktag dritter Klasse. Was soll das heißen? Nur dritter Klasse? Die Erklärung: In der Katholischen Kirche gibt es unterschiedlich wichtige Feste. Ganz oben, erste Klasse sozusagen, stehen die Ostertage oder Weihnachten. Zweiter Klasse sind zum Beispiel die Sonntage in der Weihnachtszeit. Dritter Klasse sind dann alle anderen Gedenktage. Wie der Tag heute, Kasimirs Tag.

Warum sortiert man überhaupt die Festtage? Es gibt Feste, die immer auf verschiedene Tage fallen, wie Ostern, Pfingsten oder die Sonntage. Und es gibt Feste, die immer am selben Tag gefeiert werden. Heilig Abend am 24. Dezember. Oder das Gedenken an den heiligen Kasimir, heute am 04. März.

Jetzt kann es passieren, dass bewegliche Feste und feststehende Gedenktage auf denselben Tag fallen. Da steht man vor dem Problem: Welches Fest soll eigentlich gefeiert werden? Dafür gibt’s dann die Rangordnung der Feiertage.

Ich mache das ja ganz ähnlich. Manche Tage sind mir einfach wichtiger, manche Tage sind höchstens Tage dritter Klasse. Aber ich weiß: Nur wenn es unwichtige Tage gibt, dann kann auch ein Tag besonders wichtig werden. Wie der Tag heute – für alle die, die Kasimir heißen.

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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Warum bin ich so gerne an Orten, die ich kenne? Nach Pfingsten war ich in einem kleinen Ort, wo ich schon zig mal ein paar freie Tage verbracht habe. Alles ist wie immer gewesen. Dass mir alles so vertraut ist, entspannt mich ungemein. Es ist jedes Mal mehr oder weniger dasselbe, es gibt kaum Überraschungen oder Neuigkeiten. Dabei komme ich mir zunehmend ein bisschen vor wie ein alter Mann, der nichts Neues mehr ausprobieren will, weil er Sicherheit braucht. Und ich ärgere mich über meine Unbeweglichkeit, die ich mir dann vorwerfe. Trotzdem siegt zuletzt meistens die Sehnsucht nach dem Bekannten, dem Vertrauten. Warum ist das so?

Ich glaube, es hat etwas damit zu tun, dass ich an so einem Ort schöne Erfahrungen gemacht habe. Die wiederholen zu können, das liegt eben auf der Hand. Es ist ziemlich wahrscheinlich, dass es wieder dazu kommt. Und das ist eine gute Aussicht. Im Grunde liegt dem etwas ganz Simples zugrunde. Ich rechne mir aus, wie ich erneut zu dem komme, was schön ist, was mir gut tut und gefällt. Wo könnte das sein? Was muss ich dafür tun? Und da liegt es ganz nahe, etwas zu tun, was ich schon kenne.

Noch ein zweiter Grund fällt mir ein. Ich kehre gern an die Orte zurück, wo ich einen Teil meines Lebens verbracht habe. Sie gehören zu mir. Zweimal bereits bin ich an dem kleinen Ort, wo ich gerne bin, ans Telefon gerufen worden, um vorzeitig nach Hause zu kommen. Das erste Mal war gerade meine Großmutter gestorben. Beim anderen Mal war's mein Vater, der angerufen hat, um mir zu sagen, dass er unheilbar an Krebs erkrankt ist. Das sind schlimme Erinnerungen. Aber sie gehören zu mir, sehr sogar. Und sie sagen etwas darüber aus, dass ich auch schlimme Dinge meistern kann. Auch das verbinde ich mit diesem vertrauten Stückchen Erde.

Mein Leben besteht aus Wiederholungen. Wie oft gehe ich dieselbe Strecke im Wald spazieren. Wie oft sage ich die gleichen Worte. Wie oft rege ich mich über das auf, was mir schon ungezählte Male vorher passiert ist. Mein Leben besteht aus Wiederholungen. Das ist eine Binsenweisheit. Aber je mehr ich sie akzeptiere, um so mehr entdecke ich das Schöne an ihnen, das mich fast unbemerkt als Person wachsen lässt.

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SWR2 Wort zum Tag

oder: Einfach mit Gottes Rückenwind 

Morgen feiern wir in den katholischen Kirchen den Dreifaltigkeitssonntag. Noch so ein Fest wie Pfingsten, das man nur schwer erklären kann. Aber es gibt ja Leute, die sind besonders klug und zeigen das gerne. Man hat ja nicht umsonst studiert. Ein Kollege von mir gehörte zu dieser Sorte. Seine Predigten waren ein Blick in seine Bibliothek. Fleißig war er, ohne Zweifel.

Eines Sonntags legte er wieder einmal los, es ging um den Heiligen Geist und um die Dreifaltigkeit. Viele scheuen das Thema, ist es doch auch für Theologen ziemlich kompliziert. Für ihn nicht. Er predigte was das Zeug hielt. Wortgewaltig, zitatenreich, halt wahnsinnig klug. Der Gipfel: seine Ausführungen über „die innertrinitarischen Processiones“! Tolles Wort. Theologensprache. Es meint die Beziehung zwischen Gott Jesus und Heiligem Geist ... und so weiter. Mehr will ich gar nicht sagen. Ist einfach zu kompliziert. „Intertrinitarische Prozessiones.“ Höchstzufrieden über seine Meisterleistung beendete der Herr Kollege Predigt und Gottesdienst. Die Quittung folgte auf dem Fuß. Nach der Messe kam eine ältere Dame in die Sakristei und wollte den Pfarrer sprechen. Wegen der Predigt. Sie hatte aber nur eine einzige Frage: „Wann, Herr Pastor, sagen Sie, wann ist denn die Prozession?“ Das Gesicht des Kollegen kann man sich unschwer vorstellen. Die Lektion hatte gesessen und der Kollege hat daraus gelernt. Seitdem spricht er einfacher und verständlicher. Das wünsch’ ich oft auch bei anderen Gelegenheiten, bei manch anderem Fachchinesisch: Klare, kurze, verständliche Sätze. „Eindeutig sei deine Rede!“, heißt es schon in der Bibel. Klug ist nicht, wer zeigt, was er alles weiß, sondern wer es versteht, sich verständlich zu machen. Klug ist auch, wer nicht alles zu erklären versucht sondern auch Geheimnisse und Rätsel aushalten kann. So bleibt auch Gott für mich ein unergründliches Geheimnis, dem ich mich nur ansatzweise nähern kann. Darin liegt für mich der erste Sinn des morgigen Dreifaltigkeitsfestes. Gott lässt sich nicht einfach definieren, übersteigt all unser menschliches Begreifen, entzieht sich all unseren Vorstellungsmustern. Mir genügt es am Dreifaltigkeitssonntag erinnert zu werden, dass es einen ewigen Gott gibt. Mit drei lebendigen Botschaften: als den Schöpfer der die Welt erschaffen hat und dem ich mich verdanke; der in Jesus Christus im wahrsten Sinne zu uns heruntergekommen ist, Mensch wurde wie wir, mit allem Drum und Dran, ohne göttliche Privilegien und dass er im Heiligen Geist uns Menschen immer wieder stärkt und antreibt - mit seinem Rückenwind  und Segen. Den ich uns allen wünsche.

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SWR2 Wort zum Tag

oder: ein pfingstliches Motto 

Wenn ich in Saarbrücken zu tun habe, führt mich mein Weg oft zum alten Friedhof St. Johann. Nicht nur um dort an verstorbene Verwandte zu denken, sondern weil ich ein Grab besonders gern aufsuche. Umgeben von einer prächtigen Rhododendronhecke liegt dort das Ehrengrab von Willi Graf. Schon seit meiner Schulzeit ist mir Willi Graf wichtig, auch wenn ich ihn natürlich nicht gekannt habe. Der Gedenkstein, auf dem oft eine weiße Rose liegt, sagt das Wichtigste: „Willi Graf – Ein Kämpfer gegen die nationalsozialistische Gewaltherrschaft in der studentischen Widerstandsbewegung Weiße Rose – hingerichtet am 12. Oktober 1943. Wie die Geschwister Scholl. Die Studenten der Weißen Rose hatten den Mut, den Nazis die Stirn zu bieten, und haben dafür mit dem Leben bezahlt. Ich weiß nicht, ob ich die Kraft gehabt hätte, ob ich aufgestanden wäre, den Mund aufgemacht hätte, das gelebt, was ich so oft von der Kanzel lese:„... wer sein Leben verliert, wird es gewinnen.“ Ich weiß es nicht. Ich bin mir da nicht so sicher. Ich fand es immer sehr berührend, wenn Willi Grafs ältere Schwester, die ich noch kennen lernen durfte, zugab, dass sie das selbst auch nicht gekonnt hätte. Jedenfalls nicht so. Sie hat dann gerne erzählt, dass ihre Mutter, wenn sie damals auf die Straße trat und pflichtgemäß mit Heil Hitler begrüßt wurde, im schönsten Rheinisch –die Grafs stammen aus der Nähe von Euskirchen – antwortete: „Und Ihnen auch einen juten Tach.“ Das waren die kleinen Widerstände im Alltag. Ich habe seine Schwester mal gefragt, was Willi heute tun würde, gegen was er heute opponieren würde, und im Satz gemerkt, wie blödsinnig diese Frage ist -so als würde man als Berufswiderständler geboren. Man weiß nie genau, wann man gefordert wird. „Jeder Einzelne trägt die ganze Verantwortung ...“, schreibt Willi Graf in einem seiner Briefe. Warum ich das heute sage? Weil wir in der Pfingstwoche sind – und weil ich glaube, dass kein Mensch so was aus eigener Kraft schafft und dass Gottes Geist immer noch dazwischenfunken kann und den Herren der Welt die Leviten liest und vielen das Rückgrat stärkt und den Mut gibt, den Mund weit aufzumachen, wenn es auf den Einzelnen ankommt. „Seid stark und voller Gottvertrauen“, schreibt Willi Graf in seinem Abschiedsbrief an seine Familie. Seid stark und voller Gottvertrauen! Ein gutes Motto auch heute. Im Geist von Pfingsten.

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SWR3 Gedanken

Morgen ist Geburtstag. Und wenn es für diesen Geburtstag einen Kuchen gäbe, dann bräuchte der über zweitausend Kerzen. Denn morgen feiert die christliche Kirche Geburtstag. Wie jedes Jahr an Pfingsten.

Vor über zweitausend Jahren waren eine Menge Menschen in Jerusalem beisammen. Und irgendwo in dieser turbulenten Stadt saßen die Freunde Jesu beisammen und wussten nicht so recht, wie es weitergehen soll.

Und auf einmal blies ein frischer Wind durch die Stadt. Der wirbelte viele Köpfe und Herzen durcheinander. Menschen, die einander völlig fremd waren, verstanden sich plötzlich. Und die Freunde Jesu wuchsen an diesem Tag über sich hinaus. Und wussten auf einmal, wie es weitergehen soll.

Erzählen sollten sie von dem, was sie erlebt hatten. Mit jenem Rabbi aus Nazareth, der so viel von den Menschen verstand. Der die Liebe für wichtiger hielt als alles andere. Und der allen Ernstes der Meinung war, dass Frieden möglich ist.

Davon sollten sie erzählen. Und das taten sie auch. Und andere taten es ihnen nach. Und erzählten und erzählten und erzählten. Bis heute. Und das hat dazu geführt, dass noch immer im Leben von über zwei Milliarden Menschen auf dieser Welt der Rabbi aus Nazareth eine Rolle spielt.

Jenes Ereignis vor über zweitausend Jahren in Jerusalem ist also so etwas wie die Geburtsstunde der christlichen Kirchen. Und bis heute will Gottes frischer Wind, Gottes guter Geist dafür sorgen, dass Menschen einander verstehen, einander nahe kommen und begreifen, dass es nichts Wichtigeres gibt als die Liebe.

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SWR2 Wort zum Tag

Es gibt gute Gründe - auch psychologische - dafür, dass zwischen Himmelfahrt und Pfingsten Zeit vergehen musste. Ich stelle mir vor, dass die Jüngerinnen und Jünger Zeit brauchten, um ihre Erfahrungen zu sortieren. Gott gönnt ihnen also ein paar Tage und vor allem auch die dazugehörigen Nächte, damit sie sich klar darüber werden, ob und wie sie es weiter mit dem Glauben halten wollen. Ein Psychologieprofessor hat mir erklärt, dass es für die Lösung von Problemen ganz wichtig ist, das Faktenwissen mit dem Erfahrungswissen in Kontakt zu bringen. Reines Faktenwissen macht einen unflexibel, die Beschränkung aufs Intuitive dagegen unsozial. Es ist wichtig, das bewusste Wissen den Intuitionen in Verbindung  zu bringen. Eine Methode ist die Entspannung im Schlaf. Meine Mutter hat das Verfahren auf der Basis ihrer Lebenserfahrung pragmatisch in dem Satz  zusammengefasst: „Schlaf noch mal drüber.“  Der Psychologieprofessor nickt zustimmend. In der Tat ist der Schlaf eine ideale Methode, um rationales Ich und die Erfahrungen des Selbst in Kontakt zu bringen. Am nächsten Morgen ist dann häufig alles klar - und manchmal anders, als man es sich vor dem Einschlafen vorgestellt hatte. Die Lösung ist morgens „wie von selbst“ nach dem Schlaf einfach da und die Menschen sind sich sicher und wissen: Genau das ist die richtige Lösung!

Ich stelle mir also vor, dass die Jüngerinnen und Jünger nach dem Himmelfahrtstag erst einmal gründlich geschlafen haben. Und da es bei ihrem Glauben um eine zentrale Lebensentscheidungen ging, wurden gleich mehrere Nächte Schlaf angesetzt. In den Tagen nach der Himmelfahrt Jesu brachten die Jüngerinnen und Jünger ihre Erkenntnisse und ihre Erlebnisse schlafend miteinander in Kontakt. Ihre Frage lautete: Wie soll es weitergehen? Die Lösung kam dann am Pfingsttag tatsächlich „wie von selbst“, alle fühlten sich inspiriert, geistvoll, sie mussten nicht erst lange überlegen sondern fanden wie von selbst zu Worten, die die Menschen, die ihnen zuhörten, in Erstaunen versetzten.

In der Tat habe auch ich oft erlebt, dass mir morgens etwas klar war, das mir vor dem Einschlafen noch zu schaffen gemacht hat. Auch theologische Fragen haben sich so für mich geklärt. Nach einem Traum habe ich mein Promotionsthema geändert, und das war, da bin ich mir noch heute sicher, genau die richtige mich inspirierende Entscheidung. Im Grunde kann jeder Morgen nach einem guten Schlaf zu einem kleinen Pfingstfest werden. Wie von selbst!

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SWR2 Wort zum Tag

Warum folgt im Kirchenjahr auf den Himmelfahrtstag nicht gleich das Pfingstfest? Warum schiebt das Kirchenjahr zehn Tage dazwischen? Das hat kirchengeschichtlich bestimmt ganz triftige Gründe, aber ich mag mir einfach vorstellen, dass die Jüngerinnen und Jünger ein paar Tage für sich brauchten, nachdem sie Jesus in Richtung Himmel verlassen hatte und bevor sie in Jerusalem der Heilige Geist erwartete. Zehn Tage waren sie ganz auf sich allein gestellt und mussten erwachsen werden. Wenn dem so wäre, dann erwiese sich Gott durch diese Zeit zwischen Himmelfahrt und Pfingsten als wahrhaft kluger Vater. Denn nichts lässt Menschen besser reifen als Zeiten, in denen sie ganz auf sich allein gestellt sind. Leider haben Eltern - ich nehme mich da nicht aus - manchmal den fatalen Hang, ihre Kinder überzubehüten oder es immer besser zu wissen. Selbstverständlich wissen es Eltern tatsächlich manchmal besser, aber das ändert nichts daran, dass ihre Kinder nur dann aufblühen können, wenn ihnen eigene Fehler und unbegleitete Zeiten zugestanden werden. Wie viele Firmenübernahmen sind schon daran gescheitert, dass der Senior sich nicht aus der Leitung verabschieden wollte, wie viele Kinder haben sogar schon ganz den Kontakt zu ihren Eltern abgebrochen, weil die sich einfach mit Ratschlägen nicht zurückhalten konnten. Dabei ist es richtig wohltuend, wenn man den Kindern ihr eigenes Leben gönnt. Mir hat es gut getan, dass mein Sohn nach dem Abitur in eine andere Stadt gezogen ist, drei Autostunden von der Mutter entfernt. So weiß er genau, dass ich nicht spontan, sondern nur angemeldet vor der Tür stehe, und ich freue mich heute über seine Besuche und bin nicht genervt, wenn er erst nach Hause kommt, wenn ich gerade meinen Arbeitstag beginne. Wenn wir uns heute unterhalten, dann profitiere ich von seiner Perspektive und ab und zu findet er es sogar interessant, was ich zu sagen habe.

Wenn ich den christlichen Glauben richtig verstehe, dann hat Gott seine Menschen nicht als Marionetten erschaffen, sondern als Wesen, die ihm ein Gegenüber sind. Echte Partner brauchen Freiräume, um zu ihren eigenen Gedanken zu finden und diese miteinander ins Gespräch zu bringen. Das ist ein riskantes Unterfangen, aber nur so bleibt es spannend. Für Gott und für uns.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

Heute ist die Kirche ihrer Zeit voraus. Endlich einmal. Das passiert ihr nicht so oft. Meist hinkt sie eher ein bisschen hinterher. Aber heute nicht.
Lange vor dem Beginn des neuen Kalenderjahres, weit ab von der Terminierung eines Schuljahres passiert das Besondere:
Es beginnt ein neues Kirchenjahr. Mit dem 1. Advent.
Seit dem 3. Jahrhundert nach Christus ist das schon so geregelt. Da war das Konzil von Nicäa, eine Kirchenversammlung also, bei dem unsere Vorfahren festgelegt haben, wann was gefeiert wird.
Man ist von dem wichtigsten Fest, nämlich dem Fest der Auferstehung an Ostern ausgegangen und hat dann alles andere nach vorne und hinten ausgebreitet. Im Kirchenjahr wird alles nacheinander gefeiert und bedacht, alle Höhen und Tiefen des Menschseins. Nichts wird ausgespart, verschwiegen oder umgangen. Alles kommt vor.
Alles an Lust und Frust, Liebe und Leid, Leben und Sterben zieht an uns vorbei:
Beginnt mit Advent mit seinem Starten und Warten auf Weihnachten zu und feiert Gottes Ankunft in der Welt, die Geburt des Jesuskindes, mit dessen Wachsen, Werden und Wirken füllt sich dann der Kalender weiter:
Seine Passion passiert, Leiden und Fasten prägt diese Zeit mit dem Tiefpunkt Karfreitag samt Trauer Abschied und Tod, mündet dann in den Osterglockenjubel, mit dem Echo - Ruf der Gemeinde:
Der Herr ist auferstanden – er ist wahrhaftig auferstanden.
Was uns blüht, ist neues Leben, erfülltes Leben vor und nach dem Tod.
Und so  kommen Anhimmeln und Begeistern nacheinander, Himmelfahrt und Pfingsten, das große Verstehen beim Geburtstag der Kirche, es wächst und gedeiht das Leben, es ist Sommer, ehe alles mündet in Ernten und Danken, Büßen und Beten.
Und am Ende unter dem Grauschleier des Novembers geht es um Trauern und um Vertrauen ganz und gar. Was für ein Parcours! Wie viele Stationen und Etappen.
Ein Trainingslauf für die armselige Seele, in alle Farben des Regenbogens eingewickelt-so läuft das Kirchenjahr um und um, mit uns Runde um Runde und führt uns hinein in das Konditionstraining unseres Glaubens.
Alles hat da seine Zeit.
Und heute fangen wir wieder von vorne an und sagen A, A wie Advent.
Was uns schon so vertraut ist, dürfen wir wieder holen. Den kleinen Lichtblick.
Der schenkt Geborgenheit. Wir buchstabieren uns durch unser Leben und dürfen heute noch einmal von vorne beginnen. Sozusagen mit Anlauf starten wir In der Hoffnung, dass  wir etwas anzufangen wissen mit dem Glauben an Gottes guten Plan. Trotz aller Sorge, Angst und Dunkelheit:
Es gibt einen Hoffnungsschimmer im Neubeginn. Hoffentlich wird sich was ändern, wenn wir uns heute schon adventlich grüßen und sagen:
Ein Gutes Neues Jahr!

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SWR4 Abendgedanken

Nächsten Sonntag fängt jetzt ja das neue Jahr an. Doch wirklich. Und nein, ich habe mich nicht im Datum vertan. Heute ist erst der 23. November.
Es gibt das Kalenderjahr. Das Mondjahr. Das gregorianische Jahr. Das Wirtschaftsjahr. Das Lebensjahr. Und das Kirchenjahr. Und in diesem Kirchenjahr befinden wir uns gerade in einer Zwischenzeit. Denn gestern war der letzte Sonntag im alten Kirchenjahr. Und am kommenden Sonntag, dem 1. Advent, beginnt das neue Kirchenjahr.
Ja ich weiß. Warum denn noch ein anderer Kalender?
Im Advent erinnern sich die Christen daran, dass Jesus auf die Welt gekommen ist. Dass Gott selbst Mensch geworden ist. Das war etwas so Neues, dass damit eine neue Ära angefangen hat. Deshalb beginnt das Kirchenjahr mit dem 1. Advent und endet mit dem Totensonntag oder Ewigkeitssonntag.
Bevor es für das Kirchenjahr so eine feste Struktur gegeben hat, wurden die christlichen Feiertage in den verschiedenen Regionen zu unterschiedlichen Zeiten gefeiert.
Erst im Laufe der Zeit, hat sich das dann zu seiner jetzigen Form verfestigt.
Deshalb leuchtet es mir auch total ein, warum das Kirchenjahr mit dem 1. Advent beginnt. In der dunkelsten Zeit des Jahres, wird an die Geburt Jesu gedacht, denn wir Christen glauben: Das Licht ist für unsere Welt geboren. Dann feiern wir an Ostern, wenn die ersten Knospen aufgehen und das Leben langsam in die Natur zurückkehrt, dass der Tod nicht das Ende ist. Nicht in der Natur und auch nicht in meinem Leben. Jesus ist gestorben und auferstanden und Sie und ich: wir werden auch auferstehen. Das Kirchenjahr geht dann weiter über Pfingsten bis hin zu Erntedank. Und wenn es dann im November wieder dunkler, neblig und trüb wird, dann kommen auch die traurigen Tage. Wie der Ewigkeitssonntag, an dem viele Christen an die Menschen denken, die sie verloren haben.
In der Bibel heißt es dass alles seine Zeit hat.
[1] Lachen, weinen, glücklich sein und traurig sein. Mir hilft das Kirchenjahr dabei, mich immer wieder daran zu erinnern: In dem allen begleitet mich Gott. Er kennt das alles. Jesus hat diese Höhen und Tiefen des Lebens erlebt und mitgemacht. Und das begleitet mich, auf meinem Weg durch das Jahr.


[1] Prediger 3,1-14.

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