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SWR1 Begegnungen

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Teil 1. Politiker mit christlichen Wurzeln

Politiker sind viel unterwegs, und Europapolitiker sind besonders viel unterwegs. Einer von ihnen ist der Christdemokrat Dr. Peter Liese. Er pendelt regelmäßig zwischen Straßburg, Brüssel und seiner Heimat Südwestfalen. Und engagiert sich ehrenamtlich auch noch im Zentralkomitee der deutschen Katholiken, dem höchsten Laiengremium der katholischen Kirche in Deutschland, kurz ZdK.
Peter Liese fällt heute besonders auf, weil er zu der kleinen Zahl von Christen gehört, die sich bewusst aus ihrem Glauben heraus in Kirche und Politik engagieren. Mich interessiert, warum er sich in beiden Bereichen engagiert. Ein Blick auf die Biographie hilft da schon weiter. Liese macht Abitur am Gymnasium der Benediktiner in Meschede, studiert Medizin. Arbeitet danach unter anderem in Mittelamerika. Seit 1994 ist der CDU-Politiker Mitglied des Europäischen Parlaments, fast ebenso lange im Zentralkomitee der deutschen Katholiken.

Ich engagiere mich, weil ich vor vielen Jahren vom Kolpingwerk gefragt wurde, ob ich zur Verfügung stehe. Ich bin Kolpingmitglied – schon viel länger als Parteimitglied – und fühle mich dem Kolpingwerk sehr verbunden und der Bitte mich auch hier im ZdK zu engagieren, bin ich nachgekommen, weil ich die Verbindung zwischen Kirche und insbesondere europäischer Politik sehr sehr wichtig finde. Die Stimme von Christen, grade christlichen Laien ist wichtig in Europa und deswegen müssen wir auch diese Verbindung aufrecht erhalten.

Aus christlicher Grundüberzeugung heraus Politik zu machen ist auch in Europa wichtig und möglich, sagt Liese, und nennt ein Beispiel:

Wir haben beispielsweise geschafft, dass Technologien bei denen menschliches Leben zerstört wird, zum Beispiel auch menschliche Embryonen, in Europa nicht patentiert werden dürfen. Dazu haben wir zunächst eine Richtlinie gemacht in Europa und gegen vielfältige Widerstände dieses Prinzip verwirklicht. Und dann haben wir auch noch geschafft, dass auch noch das Europäische Patentamt, das nicht direkt an die Europäische Union angekoppelt ist, sich dieser Leitschnur unterordnet. Und ich finde das einen ganz, ganz wichtigen Schritt, dass Alternativen sehr wohl patentiert werden, damit die Industrie sich auch auf diese Alternativen, die ethisch vertretbarer sind, konzentriert, aber nicht die Zerstörung von menschlichen Embryonen.
Europa, das EU-Parlament, Brüssel und Straßburg, das erlebe ich wie viele oft als weit weg und ziemlich bürokratisch. Peter Liese hat da eine ganz andere Sicht der Dinge. Mit konzertierten Aktionen lasse sich politisch da durchaus eine Menge bewegen
denn in Europa sind die Koalitionen nicht so festgefahren wie auf nationaler Ebene. Jeder Abgeordnete entscheidet zunächst einmal nach seinem Gewissen und wenn ein Vorschlag eingebracht wird, ist noch lange nicht klar, wer am Ende zustimmt oder ablehnt und welche Änderungsanträge angenommen werden. Also Europa ist basisdemokratischer und da kann man durch konzertierte Aktionen sehr viel bewegen.


Kein Wunder, dass Liese also auch fordert, dass sich das Zentralkomitee der deutschen Katholiken stärker in die Europapolitik einbringen soll. Wie das gehen soll, will ich wissen. Für Liese ist klar: Vor allem durch konkrete politische Lobbyarbeit, zum Beispiel in der Frage der Religionsfreiheit, wenn es um den EU-Kandidaten Türkei geht.

Das ist zwar ein Thema im Europäischen Parlament, aber es läuft so ein bisschen unter ferner liefen. Es ist selbstverständlich, dass wir Moscheen haben in Deutschland, aber es sollte noch sehr viel stärker auch darauf gedrängt werden, dass die christliche Kirche in der Türkei die gleichen Rechte haben muss. Das spielt eine Rolle, aber es spielt keine überragende Rolle, und ich weiß, dass das für viele Christen ein überragendes Thema ist – und das sollte man den Abgeordneten aller Parteien mit auf den Weg geben.


Teil 2. Kritischer Katholik

Wie gehen Glaube und Politik zusammen, das interessiert mich an Peter Liese. Er überrascht mich. Denn er war kirchlich aktiv lange bevor er parteipolitisch aktiv war. Es war der Glaube, der hat ihn in die Politik geführt.

Für mich ist der christliche Glaube und das Engagement in der katholischen Kirche die Basis meines politischen Engagements. Ich war erst im Kolpingwerk Leiter Jung-Kolping, Leiter junge Erwachsene und bin dann zur Politik gekommen, und das ist meine Basis, die mir auch heute sehr, sehr wichtig ist.

Bekennender Katholik zu sein heißt für den 44 Jahre alten verheirateten Vater zweier Kinder aber nicht, kritiklos alles hinzunehmen, was die Kirche vorgibt. Ein kritischer Punkt ist für ihn die Frage des Zölibats.

Nach meiner Kenntnis, ich bin zwar kein Theologe, aber ich hab mich mit der Frage intensiv beschäftigt, ist das keine Sache, die aus der Bibel unmittelbar folgt. Und das Zölibat gab es ja auch viele Jahrhunderte nicht. Deswegen darf man nicht den Eindruck vermitteln, als würde durch die Abschaffung des Zölibats das Problem des Priestermangels automatisch gelöst, aber ich kenne viele, die auf dem Weg waren, Priester zu werden und die es eben aufgrund des Zölibates heute nicht mehr sind. Und das tut mir weh und deswegen glaube ich, müssen wir anders mit umgehen als in der Vergangenheit.

Ich könnte mir vorstellen, dass es für einen, der von Berufs wegen viel unterwegs ist, gar nicht so einfach ist, das eigene Glaubens- und Gebetsleben lebendig zu halten.

Ich versuche, den Glauben auch dadurch zu festigen, dass ich, wenn ich unterwegs bin, in der Bibel lese, dass ich auch in Brüssel und in Straßburg mit meinem Kollegen oder anderen über den Glauben rede und wenn es möglich ist, auch dort mal einen Gottesdienst zu besuchen. Aber es ist natürlich erschwert und man muss sich immer wieder ein bisschen disziplinieren, damit man auch das Regelmäßige was ja seinen Sinn hat nicht aus den Augen verliert.

Und welche Bibelstellen sind für ihn besonders wichtig, frage ich ihn. Die Antwort ist ebenso klar wie sympathisch.

Also generell ist das ganze Neue Testament für mich wichtig. Ich hab da einen viel tieferen Zugang als zum Alten Testament. Die Evangelien ganz besonders. Vielleicht weil ich aus einer einfachen Familie komme. Mir liegt das Handfeste, die Bergpredigt, die Wunder, die Leidensgeschichte; das sind Dinge, die mir immer wieder sehr nahe gehen und wo ich auch sehr viel mitnehmen kann für mein persönliches Leben.

Gott ist für ihn ein Ideal, nach dem er sein Leben auszurichten versucht, sagt er. Aber wichtig ist ihm dabei: Gott ist ein gnädiger Gott.

Also Gott weiß, dass wir Fehler machen und das sollten wir ja auch im Umgang mit anderen Menschen immer wieder uns vor Augen führen. Wenn wir uns vor Gott stellen und sagen: wir haben alles richtig gemacht, dann werden wir scheitern und deswegen sollten wir auch gegenüber anderen Menschen nicht den Eindruck vermitteln, dass wir alles richtig machen.

Das Pfingstfest, das wir gestern und heute feiern, löst bei ihm vor allem Erinnerungen an die Jugendzeit aus.

Was mich sehr geprägt hat, waren die Pfingsttreffen meiner ehemaligen Schule. Ich bin zur Schule gegangen in Meschede, dort gibt es eine sehr aktive Benediktinerabtei und wir haben regelmäßig Treffen veranstaltet an Pfingsten, wo wir uns über den Glauben auseinandergesetzt haben und gemeinsam versucht haben, Pfingsten zu erleben. Das war für mich immer ein ganz prägendes Ereignis. https://www.kirche-im-swr.de/?m=6086
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SWR4 Abendgedanken BW

Am Sonntag ist es wieder mal soweit. Große feierliche Gottesdienste zu Pfingsten und auch sie werden wieder da sein: ein Heer von Ministranten. Selbstverständlich: Die Minis sind immer da, an Weihnachten, an Ostern, an Pfingsten und an allen Sonntagen des Jahres.
Wenn ich als Gottesdienstbesucher sie sehe, dann geht mir das Herz auf. Ich finde es nicht selbstverständlich, dass es Jungen und Mädchen gibt, die in der Kirche sind anstatt auszuschlafen. Die geprobt haben und konzentriert ihre Aufgaben im Gottesdienst ausüben: Leuchter tragen, das Weihrauchfass schwingen, Brot und Wein bringen und nicht zuletzt ihre Choreographie beim Einzug am Beginn und am Ende des Gottesdienstes oder bei Prozessionen. Zuverlässig und präzise.
Klar gibt es da manchmal Pannen und manchmal wird auch Blödsinn gemacht. Aber ich sehe oft auch die Ernsthaftigkeit dieser jungen Leute, wenn sie beten und den Gottesdienst verfolgen. Oder wenn die älteren Ministranten die jungen im Blick haben. Wenn sie noch unsicher sind, wann der Leuchter gebracht werden muss, wann sie die Klingelbeutel austeilen sollen oder einfach nur, wo sie wann stehen, sitzen oder knien müssen.
Ich bin früher auch Ministrant gewesen und vielleicht berührt es mich deshalb besonders. Denn ich sehe junge Leute, die das weiterführen, was ich in ihrem Alter getan habe und was schon viele vor mir gemacht haben. Aber die Minis sind für mich ja nur ein Beispiel. Denn für mich bedeutet das, was ich da sehe, ein Stück Hoffnung für meinen Glauben: Ich hoffe, dass es weitergehen wird und dass es nach meiner Generation noch Leute geben wird, die versuchen, den Glauben an Jesus in ihrer Zeit zu leben und zu feiern und ihn wieder an die Jüngeren weiterzugeben. Ich bin dankbar, dass es sie gibt. Und deshalb sehe ich die Ministranten mit Hoffnung und Freude an, wenn ich wieder im Gottesdienst bin.
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SWR4 Abendgedanken BW

Es brennt in der Bibel – lichterloh. Da ist die Rede vom Feuer, das vernichtet, und vom Feuer, das entzündet wird, von einer Feuersäule und von Brandopfern, von glühen-den Kohlen und vom glimmenden Docht, von Zornesgluten und brennenden Herzen.
Mose ist seinerzeit einem ganz seltsamen Feuer begegnet. Im Buch Exodus im Al-ten Testament wird davon berichtet: Mose war als Hirte mit seiner Herde unterwegs, als er sah, dass eine „Flamme … aus einem Dornbusch emporschlug“ (Exodus 3,2) – ohne dass der Dornbusch dabei verbrannte. Neugierig geworden ging Mose diesem merkwürdigen Phänomen auf den Grund – und entdeckte, dass Gott sich ihm in diesem Feuer zeigte. Und mehr noch: hier offenbarte Gott seinen Namen: „Ich bin der ‚Ich-bin-da‘“ (Exodus 3,14).
Am brennenden Dornbusch gibt Gott sich also zu erkennen: Er ist der, der da ist – sicher, verlässlich, unvergänglich und nicht nur wie ein kurzes Strohfeuer, das schnell wieder verlöscht. Er ist der, der da ist – auch wenn es brenzlig ist, auch wenn es zum Da-vonlaufen ist. Aber er lässt sich – so wie Feuer - nicht vorausberechnen, er lässt sich nicht fassen und nicht über sich verfügen.
An Pfingsten gibt es wieder so ein merkwürdiges Feuer, das brennt und doch nichts verbrennt: Damals erschienen den versammelten Aposteln „Zungen wie von Feuer“, wie es in der Apostelgeschichte (2,3) heißt. Da war also Feuer unterm Dach. Und obwohl das normalerweise brandgefährlich ist, scheint dieses Feuer keinen Schaden angerichtet zu haben: nichts ist verbrannt, die Apostel blieben unversehrt.
Gott sendet den Heiligen Geist - in Form von Feuerzungen, die nichts zerstören. Es scheint, als ob Pfingsten so etwas wie die Fortsetzung der Geschichte vom brennenden Dornbusch ist: So wie Mose am brennenden Dornbusch erfahren hat, wer Gott ist – näm-lich der Gott, der da ist, so erleben die Apostel nun, wie dieser Gott bei uns ist: Gottes Da-sein wird fühl- und erlebbar im Wirken des Heiligen Geistes – etwa wenn Ängstliche und Hoffnungslose Mut fassen, wenn Rastlose und Getriebene Ruhe finden, wenn Lei-dende und Verzweifelte getröstet werden, wenn Krankes und Verletztes geheilt wird, wenn Starres und Festgefahrenes in Bewegung kommt, wenn Totes lebendig wird …
Allerdings: Der Geist, weht wo er will (nach Johannes 3,8). Gottes Da-sein ereignet sich nicht unbedingt so, wie wir uns das vorstellen oder wünschen. Aber wenn wir unsere ei-genen Erwartungen und Wünsche loslassen, wenn wir uns dem Anderen öffnen, dann kann Erstaunliches passieren: Die Apostel konnten plötzlich so reden, dass alle Welt sie verstand. Wer weiß, zu was wir fähig sind, wenn wir Gott eine Chance geben und ein Funke des pfingstlichen Feuers auf uns überspringt.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=3620
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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

Die ersten Christen, die den Heiligen Geist spürten, waren voller Hingabe. Hingabe an Christus, an den sie glaubten und dem sie sich ganz verschrieben hatten. Hingabe an das, was er ihnen aufgetragen hatte. So schwer es ist, sich den Heiligen Geist vorzustellen, so leicht ist es, sich klar zu machen, was das Wörtchen Hingabe meint. Nämlich: Völlig in etwas aufgehen. An nichts anderes mehr denken. Sich restlos mit Leib und Seele einem Menschen zuwenden, etwas tun, ohne an irgendetwas anderes dabei zu denken.
Auf den Sportseiten finden wir das Wörtchen Hingabe oft. Da wird mit Hingabe Tennis gespielt und Rad gefahren. Wer beim Fußballspielen auf`s Tor zielt, der kann und will in diesem Moment nichts anderes als: ein Tor schießen.
Wie macht man das eigentlich, sich hingeben? Auf den ersten Blick scheint das etwas sehr Bequemes, die Hingabe. Man tut nichts weiter, man gibt sich auf, um ganz für jemanden oder für etwas anderes da zu sein. Wer sich hingibt, der vergisst sich selbst über dem, was er tut und über den, für den er es tut. Auf den zweiten Blick merkt man: Hingabe ist etwas außerordentlich Produktives. Sie hilft dabei, dass etwas Neues entstehen kann. Ohne all die Menschen, die in Hingabe an die Wissenschaft gelebt haben, an die Mathematik oder an die Medizin, gäbe es keine Computerprogramme und keine Mittel gegen Cholera.
Keine Liebe ohne Hingabe. Aber nicht jeder, der liebt, gibt sich auch hin. Lieben kann man auch mit Vorbehalt. Lieben kann man ganz dramatisch, mit vielen Szenen und ewigem Hin und Her. Hingabe aber ist eindeutig. Sie hat nicht den Beigeschmack von Komplikationen und von Kalkulation, nach dem Motto: Was kriege ich jetzt dafür? Wer sich hingibt, rechnet nicht. Pfingsten ist das Fest des heiligen Geistes. Pfingsten ist das Fest der Hingabe an den, der ihn uns schenkt.

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SWR4 Abendgedanken RP

Die Zeit zwischen Ostern und Pfingsten. Für uns sind das heute herrliche Frühlingstage. Für die Gründergeneration des Christentums war das eine Zeit voller Wunder.
Denn damals entstand die christliche Kirche. Und die setzte sich schnell gegenüber allen anderen Kulten und Religionen der Antike durch. Warum? Gerd Theißen, Professor für Neues Testament in Heidelberg:

Keine andere Religion oder Philosophie hat das Leben vom ersten Augenblick bis zum Sterben, auch das verfehlte Leben, das gestrauchelt war, so aufgewertet. Man konnte den Menschen die Gewissheit geben: auch da ist Gott immer bei Euch.

Teil 1

Christus ist auferstanden! Er ist wahrhaftig auferstanden. Seit Jahrtausenden grüßen sich Christinnen und Christen so am Ostermorgen. Vielleicht kennen Sie diesen Gruß. Ich genieße immer wieder die fröhliche Atmosphäre, in der dieser Gruß ausgetauscht wird.
Für die erste Christengeneration war Ostern nicht nur ein Fest. Es war auch das Ende eines Alptraums. Denn sie hat Jesus noch erlebt, wie er Kranken geheilt und Hungrige satt gemacht hat. Für Jesus haben sie ihren Beruf als Fischer oder Handwerker aufgegeben und ein neues Leben angefangen. Und dann sein Tod am Kreuz, verzweifelt, mit einem Schrei auf den Lippen.
Sollte das alles zu Ende sein? -Aber dann stand er plötzlich wieder vor ihnen, an Ostern.

Und die Jünger und Jüngerinnen haben nichts Anderes erfahren als dass Jesus als er selbst wieder lebendig ist, aber verändert, verwandelt. Also mit einem Leib, der durch Türen gehen kann, der plötzlich verschwunden sein kann, der auch vom Himmel her als Licht erscheint, also nicht gebunden an unsere Grenzen, aber gezeichnet durch die Wundmale, erkennbar an der Stimme, also alle Merkmale der persönlichen Geschichte sind bei Jesus aufgehoben und bewahrt.

Klaus Berger, Professor für Neues Testament in Heidelberg hat fast sein ganzes Leben über Jesus und die erste Christengeneration geforscht. Für ihn ist klar: Jesus ist leibhaftig auferstanden. Nicht nur als Idee. Nicht nur so, dass seine Sache weitergeht.
Mit bloßer Logik, meint Berger, kommt man im Leben nicht weit. Und er erklärt mir das so:
Es gibt vier Türen, die zu den verschiedenen Räumen unserer Wirklichkeit führen. Hinter der ersten Tür finden wir den Raum der Naturwissenschaft. Da ist alles die Folge von Ursache und Wirkung. Da gibt es Gesetze, die kann man was berechnen und beweisen.

Türe zwei kann man schon nichts mehr beweisen, da geht es um unsere Wertvorstellungen, ob der Mensch eine Würde hat, dass er frei ist, dass er von Anfang an ein Mensch ist, das kann man nicht beweisen.

Hinter der dritten Türe finden wir den Bereich von Kunst und Kitsch, Poesie und Musik, Dinge, die wir zum Leben brauchen. Da kann man auch nichts beweisen.

Und die Türe vier geht es um die unsichtbare Welt Gottes, des Teufels der Dämonen, der toten Seelen, alles, was die Menschen seit hunderttausend Jahren beschäftigt, nicht nur das Christentum. Hier gelten andere Regeln. Es gilt nicht das Verhältnis von Ursache und Wirkung, sondern hier ist es unverhältnismäßig. Die Unverhältnismäßigkeit eines Wortes.

Zum Beispiel das Wort, wenn ein Mensch einen anderen segnet. Oder wenn jemand Ja sagt vor einem Traualtar. Ja zu einem anderen. Dieses Ja ist unverhältnismäßig stark, viel stärker als jedes andere Ja. In Gottes unsichtbarer Welt ist das so, meint Klaus Berger,

dass manchmal die Vollmacht, die Macht so geballt ist, dass sie einfach platzt und das nennt man dann ein Wunder.

Und so ähnlich muss man sich das vorstellen, das Wunder der Auferstehung Jesu. Da ist Gottes Macht so stark, dass etwas platzt. Und da ist auch aus dem Tod heraus neues Leben geplatzt, aufgebrochen. Der Tod ist nicht mehr das Ende, er hat nicht das letzte Wort. Er ist vielmehr der Anfang der Geschichte mit Gott. Das aber verändert das Leben und das menschliche Miteinander von Grund auf.


Teil 2
Christus ist auferstanden! Nein, Jesus ist nicht erbärmlich als Verbrecher zugrunde gegangen. Er ging durch den Tod und er lebt. Für die erste Christengeneration war das der Startschuss. Danach hat sich alles verändert. Das Verhältnis zum eigenen Tod, zu dem, was im Leben wichtig ist. Und das Verhältnis untereinander.
Vieles war damals jedoch ganz anders als heute, deshalb ist es wichtig, die Bibel genau zu studieren, so der Theologe Klaus Berger.

Und dann kommt man zu der Einsicht, das war damals sehr viel anders und dann muss man genau darauf achten, wie reden die Menschen über Trauer etwa. Trauer wird in der Gemeinschaft vollzogen, gesellschaftliches Ereignis, nicht die Arbeit eines Einzelnen und Freude äußert sich indem man miteinander ein Fest feiert, aber nicht, indem man still vergnügt vor sich hingrinst. Also die soziale Seite des Menschen ist viel ausgeprägter in der Bibel und das kann man nur durch kleine Beobachtungen lernen.

Also wie war das damals in den Gründerjahren des Christentum? Der Theologe Gerd Theißen hat auch darüber geforscht.

Die Christen verbreiten sich, obwohl sie vom Land stammen. Galiläa, Palästina, am meisten in den Städten. In den Städten gab es Peregrine, Fremde die von außen kamen und die mussten sich neu kulturell definieren und gerade in diesen Kreisen hat das Christentum Resonanz gefunden. Das waren Menschen, die suchten nach einer Identität, wo sie unabhängig von ihrer Herkunft akzeptiert waren und das boten die Christen an. Sie sagten ja, egal wo ihr herkommt, allein durch den Glauben seid ihr gleichwertig und eins in Christus.

Alle eins in Christus. Ob nun Sklave, Zeitarbeiter oder Professor. Ob aus Anatolien oder New York, ob mit Häuschen im Grünen oder Sozialwohnung. Alle gleichwertig und eins in Christus. Entscheidend ist der gemeinsame Glaube daran, dass Jesus auferstanden ist vom Tod. Dass Gott ihm auch als Leidendem und Sterbenden nah war.

Dann nämlich ist das ganze menschliche Leben vom ersten Augenblick bis zum letzten Atemzug von Gott akzeptiert, also es wird geheiligt und erhält einen großen Wert. Die Christen hatten keine Antwort darauf, warum es so viel Leid gibt, aber sie zogen Trost daraus, dass Gott in all diesen Leiden mit leidet.

Und das hat auch Außenstehende berührt und berührt noch heute. Und es macht Mut, das Leben, wie es nun mal ist, aus Gottes Hand anzunehmen. Weil Gott auf unsrer Seite ist. Weil Gott uns liebt, auch und gerade, wenn unser Leben scheinbar nicht gelungen ist.

Keine andere Religion oder Philosophie hat das Leben vom ersten Augenblick bis zum Sterben, auch das verfehlte Leben, das gestrauchelt war, so aufgewertet. Man konnte den Menschen die Gewissheit geben: auch da ist Gott immer bei Euch.

Diese Botschaft hat das Christentum damals aus dem unüberschaubaren Religionsmarkt herausgehoben. Der Glaube an den Gott, der ins tiefste Leid mit hinein- und hindurchgeht.
Das ist heute noch überwältigend, obwohl oder gerade weil es mit dem logischen Verstand so schwer zu fassen ist. Was heißt das für uns heute?


Teil 3
Christus ist auferstanden, er ist wahrhaftig auferstanden! Mit diesem Ruf haben die ersten Christen nicht nur die Herzen der Menschen der damaligen Welt berührt. Sie haben eine Gemeinschaft gegründet, die sich in weniger als 100 Jahren im ganzen Mittleren Osten ausbreitete und heute eine Weltreligion ist.

Was ist das Geheimnis seines Erfolgs? Es ist der Glaube daran, dass gilt, was Jesus gelebt hat: Kranke heilen, Ausgegrenzte wieder in die Gemeinschaft zurückholen, und überhaupt: miteinander eine Gemeinschaft haben in der gilt: Du bist für wertvoll in Gottes Augen. Und Gott liebt dich, auch wenn äußerlich alles dagegen spricht.
In diesem Geist haben die ersten Christen eine neue Gemeinschaft aufgebaut, so Gerd Theißen, Professor für Neues Testament.

Das Fundament der Gemeinde ist in der Beziehung zu Gott die mir durch den Heiligen Geist eröffnet wird. Die Folgen sind aber dann die Überwindung sozialer Grenzen. Im Urchristentum hätte Paulus nicht geglaubt, dass die Menschen von Heiligen Geist ergriffen sind, wenn sie meinen, sie haben eine Beziehung zu Gott, aber im Sozialen und zwischen den Völkern bauen sie Grenzen auf.

Gott holt Menschen aus ihrer Einsamkeit und Verlorenheit heraus. Gottes Geist verbindet Menschen untereinander. Das feiern wir am kommenden Pfingstfest. An Pfingsten erleben die ersten Christen, dass sie plötzlich über die Grenzen von Sprache, Sitte und Kultur miteinander reden und einander verstehen können. Dieses Pfingstwunder, das die Bibel beschreibt ist ein fröhliches Kauderwelsch verschiedenster Sprachen, so Gerd Theißen

Man könnte ja auch das Wunder zurückführen, dass alle plötzlich hebräisch können. Aber nein, Lukas schildert das so: es gab zwar die Zungenrede, aber jeder hört in seiner eigenen Sprache, das heißt, die Vielfalt der Sprachen wird nicht aufgehoben, etwa zugunsten eines Schnellkurses in Hebräisch.

Das Besondere der verschiedenen Gruppen und Typen wird nicht ausgelöscht. Es wird integriert. Es darf sein- als Teil eines großen Ganzen. Der neuen Gemeinschaft derer, die an den Auferstandenen glauben. In dieser Gemeinschaft geht es nicht darum, sich gegen Andere durchzusetzen, sondern sich für Andere einzusetzen. Nicht den Sieg gewinnen sondern den Anderen für den Glauben gewinnen. So ein Umgang miteinander hat manchmal ein unkonventionelles Gesicht. So erzählt mir Gerd Theißen von einer Frau, die ihn als Christin sehr überzeugt hat. Warum?
Sie war eine sehr fromme Diakonisse, ein bisschen zu fromm für sein Empfinden. Aber sie hat sich- ganz im Geist Jesu- um die gekümmert, die am Rand unserer Gesellschaft stehen. Um die Prostituierten in ihrer Stadt. Wenn sie in Not waren, ist sie mit ihnen aufs Sozialamt gegangen.

Sag ich zu ihr:„Was machen Sie denn mit den Leuten?“ Sagt sie: „Ja, wissen Sie, wenn die zum Sozialamt gehen und irgendeinen Antrag stellen, die genieren sich ja so, denn dort sitzen ihre Freier. Und dann geh mit, und dann ertragen sie das. https://www.kirche-im-swr.de/?m=3469
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SWR4 Sonntags-/Feiertagsgedanken

Feiertagsgedanken Pfingstmontag Baden-Württemberg

Wie angenehm: Auch der Pfingstmontag ist staatlicher Feiertag! Doch was wird da gefeiert? - Ich lade Sie zu einer kleinen Gedankenreise sein, die uns vielleicht auf eine richtige Spur bringen kann.
Angenommen, Sie malen einen i-Punkt auf Ihren Handrücken und betrachten diesen unter einem Spezial-Mikroskop. Unglaublich, da haben über 500 Ihrer Körperzellen Platz! – Bei Schärfer-Einstellung: Wahnsinn! Jede Ihrer Körperzellen besteht aus Milliarden Molekülen und jedes Molekül wieder aus einer Unzahl von Atomen! - Nun gibt es kein Zurück mehr. Angenommen, Sie nehmen sich jetzt ein einzelnes Atom vor. Hier sausen auf Kugelbahnen kleinste Teilchen umher und zwar mit einer Geschwindigkeit von 100 Billionen Umdrehungen in der Sekunde.
Weit, weit davon entfernt entdecken Sie den Atomkern. Achtung! Kopf einziehen! Hier wird Ping-Pong gespielt! Protonen und Neutronen werfen sich pausenlos mit Lichtgeschwindigkeit - das sind rund 300 000 km in der Sekunde - andere kleine Teilchen zu. So ist dafür gesorgt, dass der Kern nicht auseinander fliegt, sprich, dass Ihr Handrücken mit dem i-Punkt immer noch fest und ruhig vor Ihnen liegt. – Wahrhaftig: eine Reise, bei der einem Hören und Sehen vergeht! Unglaublich das Ganze, aber von Wissenschaftlern nachgewiesen und in Wirklichkeit noch viel komplizierter!
Welch geheimnisvolle Kraft und Intelligenz ist hier am Werk? Was ist das für eine Energie, die in allem steckt, und woher kommt sie? Auf diese Urfragen gibt es keine wissenschaftliche Antwort mehr, aber eine des Glaubens, wie auch immer diese aussehen mag...
Christen feiern an Pfingsten den Geist Gottes, den „Heiligen Geist“. Sie bekennen, dass es Gott ist, der die Welt ins Dasein gerufen hat, sie mit seinem schöpferischen „Atem“ durchdringt und sich immer weiter entfalten lässt. Hildegard von Bingen, eine bedeutende Frau des 12. Jahrhunderts, besang diesen Schöpfergeist in Versen:

Feuer du und Tröster-Geist,
Leben des Lebens aller Geschöpfe! (…)
Durch dich
wogen die Wolken und fliegen die Lüfte,(…)
bringen die Quellen die Bäche hervor,
lässt sprossen die Erde das Grün.


Das ist, meine ich, ein schönes Pfingstprogramm: innehalten, staunen und
sich freuen an den Wundern der Schöpfung.


Unterscheidung der Geister

Vor Jahren sah ich einen Spielfilm über eine gefährliche Jugendsekte. Ein junges Mädchen spielt die Hauptrolle. Sie ist zunächst begeistert von der neuen Gruppe, wird dann aber misstrauisch. In einer Schulungsstunde stellt sie kritische Fragen und macht damit die Leitung der Sekte nervös. Der oberste Boss kommt persönlich angereist, um den Widerstand sofort im Keim zu ersticken. Dann folgte für mich die unheimlichste Szene: Perfekt gekleidet und gestylt, tadellos aussehend tritt der Sektenführer vor die versammelten Jugendlichen, die sich nicht zu rühren wagen. „Hier herrscht ein negativer Geist!“, sagt er mit schneidender Stimme und lässt seine Augen erbarmungslos prüfend von einem zum anderen gehen. „Satan will unser Werk zerstören.“ Die Angeredeten erstarren. Von dieser Person, obwohl hier nur im Film, ging ein derartig gewalttätiger, alles zermalmender Wille aus, dass ich es geradezu körperlich spürte. „Totale Unterwerfung!“, hieß das. Ein diktatorischer Geist - und das im Namen der Religion!
In unserer Gesellschaft gibt es sehr unterschiedliche Geister und manche von ihnen kommen ganz harmlos daher: „Geiz ist geil!“ – „Nach mir die Sintflut!“ –„Ausländer raus!“ – „Mir schenkt auch keiner was!“
Sein eigenes Ich ausleben, eigene Ansprüche durchsetzen, Konkurrenten aus dem Feld schlagen – das sind heute öffentlich propagierte Verhaltensweisen. Soll tatsächlich blanker Egoismus unser Leben bestimmen?

Schon für die ersten Christen war es nicht leicht, zwischen guten und bösen Geistern zu unterscheiden. Der Apostel Paulus nennt ein verblüffend einfaches Kennzeichen: ‚An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen.’ Das heißt, man soll sich nicht von dem beeindrucken lassen, wovon jemand mit Worten „tönt“, sondern hinschauen, was „dabei herauskommt.“ Zur Negativliste des Paulus gehören: „Ausschweifendes Leben“, „Feindschaften, Streit“, „ Neid und Missgunst“. Das dürfte uns – auch nach 2000 Jahren – sehr bekannt vorkommen!
Ein Leben im Geiste Jesu wirkt sich nach Paulus anders aus. Seine Stichworte: „Liebe“ und „Friede“, Treue“ und „Selbstbeherrschung. Gleich an zweiter Stelle nennt er die „Freude“ als wichtiges Kennzeichen eines „guten Geistes“ Dabei geht es nicht um beständig gute Laune, sondern um eine tief innere Freude , die aus der Verbundenheit mit Gott kommt. Der ständige „Funkkontakt“ zu Gott ist es, der – auch mitten im Leiden – „stabil“ machen kann., das Vertrauen auf seinen Geist, der alles neu machen wird – uns und die ganze Schöpfung.
Pfingsten will diese Hoffnung wach halten - gegen alle Resignation und Verzweiflung. Und so heißt es in einem alten Pfingstlied:

Komm, Heilger Geist, der Leben schafft,
erfülle uns mit deiner Kraft.
Dein Schöpferwort rief uns zum Sein;
Nun hauch uns Gottes Odem ein.

(Gotteslob Nr. 241)


Die „physikalischen“ Beispiele zu Beginn der Ansprache verdanke ich dem lesenswerten Buch „Die Jagd nach dem kleinsten Baustein der Welt“ von Gerhard Staguhn, dtv 62152, München 2. Auflage 2005.

Die Paulus-Zitate stammen aus seinem Brief an die Galater , Kapitel 5, 19 – 23. https://www.kirche-im-swr.de/?m=1369
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SWR1 3vor8

Pfingsten? Da hat doch Jesus geheiratet! Diese Antwort gibt es öfter mal bei Umfragen. Der Heilige Geist, um den es heute tatsächlich geht, ist vielen nicht bekannt. Was soll man sich darunter auch vorstellen? Die Bibel hat Bilder dafür: Wind, Sturm, Atem, Feuer sind die wichtigsten. Er wird auch Beistand genannt. Also muß er kräftig sein, unscheinbar, hilfreich.

Die Erfahrung kennen Sie vielleicht auch: Sie sind gut vorbereitet für eine Arbeit, ein Gespräch oder auch für ein Fest, haben an alles gedacht – und trotzdem ist da immer etwas, das Sie nicht in der Hand haben, das von irgendwoher dazukommen muß. Damit der Funke überspringt, damit aus Teilen ein Ganzes wird, eine runde Sache; damit Leute sich verstehen; damit ich in einem Problem, bei einem Gespräch plötzlich einen Ausweg sehe, wie’s weitergehen kann. So etwas lässt sich vorbereiten, dafür kann ich eine Menge tun, aber ich habe es nie so ganz in der Hand. Da muß irgendetwas dazukommen, von außen, vielleicht auch von innen, das keiner der Beteiligten erzwingen kann.
Diese Erfahrung ist für mich eine Brücke zum Heiligen Geist, so wie die Bibel ihn vorstellt. Könnte es nicht sein, daß der Heilige Geist wie dieses gewisse Etwas ist?
Im Johannesevangelium steht: Der Geist ... wird euch in die ganze Wahrheit führen (16,13).Vielleicht passiert das ja gar nicht so feierlich und großartig, sondern indem der Geist genau jenen entscheidenden Funken springen lässt, mit dessen Hilfe ich plötzlich vieles verstehe. Die Bruchstücke fügen sich zusammen – jetzt sehe ich, was wirklich ist.
Und was ist die Wahrheit des Heiligen Geistes? Daß wir die Welt erst dann richtig sehen, wenn wir Gott in ihr sehen oder wenigstens ahnen. Manchmal vielleicht nur, daß der Geist uns merken lässt: Ohne Gott hängt die Welt in der Luft, und daß er uns Sehnsucht ins Herz streut. Sehnsucht ist ein Anfang für die Wahrheit unserer Welt und unseres Lebens. Ein erster, kräftig glühender Funke des Heiligen Geistes.
Ich wünsche mir, ich wünsche Ihnen, daß wir diesen Funken immer merken, wenn er kommt, und daß wir dann kräftig draufblasen, damit er ordentlich glüht.
In diesem Sinne: gesegnete Pfingsten. https://www.kirche-im-swr.de/?m=1348
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SWR3 Gedanken

Himmelfahrt war, Pfingsten kommt
Heute ist Exaudi.
Einer meiner liebsten Sonntage im Kirchenjahr,
ein bisschen sinnlos
oder zumindest nicht so bedeutungsschwer
wie manch andere. Der Sonntag, der Gott eine Pause einräumt.

Es gibt Kirchen in denen hängt das ganze Jahr
eine hölzerne Taube vom Dach
als Symbol für den Geist Gottes
der bei der Gemeinde ist.
Die Taube wird nach Himmelfahrt nach oben gezogen
vom Kirchendiener in einer staubigen Ecke auf dem Dach verstaut
und erst an Pfingsten wieder heruntergelassen...

Gott macht Pause
Vielleicht legt er die Füße hoch
geht ein wenig im Himmel spazieren
plaudert mit den Engeln
hält sich mal raus für einen Moment.
Schaut vielleicht zurück auf all das was war.
Ob er alles richtig gemacht hat?
Ob er es wieder so machen würde?

Vielleicht ist dieser seltsamste aller Sonntage im Kirchenjahr
auch ein guter Augenblick für uns
einmal alles wegzulegen.
Hinsetzen, Luft holen, sich umsehen, warten.
Warten, dass Gott kommt.

Warten ist geschenkte Zeit.
Ich muss nichts tun.
Ich kann alles mögliche tun.
Wie Gott
Füße hochlegen
Spazieren gehen
aus dem Fenster gucken
ein langwieriges neues Kochrezept ausprobieren
mal wieder Tante Luis’ anrufen
oder ein paar alte Briefe lesen.

und nebenher
warten
und in das Warten schleicht sich Gottes Geist ein
und ich werde wieder Feuer und Flamme...
https://www.kirche-im-swr.de/?m=1362
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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

24JUL2024
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Wir hatten Glück gehabt bei unserem Kurzurlaub am Bodensee über Pfingsten. Bevor der große Regen und das Hochwasser kamen. Ein Programmpunkt: Besuch des Museums in Konstanz. Sonderausstellung berühmter alter Handschriften aus den Werkstätten der Klosterinsel Reichenau. Zugegeben, etwas speziell, deshalb ging meine Frau in der Zeit auch lieber shoppen. Ich jedenfalls schaute mir uralte Bücher an. Unter anderem ein Buch, über 1000 Jahre alt, mit Texten aus der Bibel  und berühmt wegen seiner vielen tollen Bilder aus dem Leben Jesu. Eines der Bilder zeigt ein kleines Boot, es erinnert wirklich an die sprichwörtliche Nussschale. Darin sitzen die Jünger Jesu. Die Wellen schlagen hoch. Die Lage ist verzweifelt. Doch Jesus geht übers Wasser, greift den Petrus an der Hand und rettet die gesamte Mannschaft. Ein Wunder. Und jeder weiß: alles ist gut! Wenn man nur seine Hand nach dem Herrn ausstreckt. Er wird sie ergreifen, egal wo dir das Wasser steht. Ganz schön naiv, mag man da heute denken. Und das ist ja auch so. Was mögen die Leute sagen, denen aktuell wirklich die Brühe im Haus steht und die nicht wissen, wie es weiter gehen soll. Da hilft keine Wundergeschichte aus der Bibel. Da muss man erbarmungslos selbst anpacken, ist auf die konkrete Hilfe von Feuerwehr, THW und die Solidarität der Nachbarn und Freunde angewiesen. Und oft genug wirken die ja auch kleine Wunder, mitten im stürmischen Alltag. Was das Bild aus der Bibel betrifft: vielleicht kann es trotzdem eine Hilfe sein. Ich stelle mir das so vor: die Freunde Jesu damals waren verzweifelt und fühlten sich allein gelassen.  Ohne ihren Anführer, Jesus, der nicht mehr bei ihnen war. Und dann hören sie irgendwie tief in ihrem Innern seine Stimme. „Habt ihr noch immer keinen Glauben? Ich bin doch trotzdem bei euch.“ Und mit neuer Kraft greifen sie in die Ruder und erreichen das rettende Ufer.  Ich finde, das hat etwas sehr Tröstliches. Ich glaube jedenfalls, dass Gott seine Hand nach mir ausstreckt, so wie Jesus auf dem Bild aus der alten Handschrift. Und mit diesem Gedanken fällt mir –um im Bild zu bleiben- das alltägliche mühsame Rudern etwas leichter.

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SWR Kultur Wort zum Tag

21MAI2024
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Wählen sie mal im Internet die Seite der US-Regierung US.gov. Alles in Englisch – und ein einziger Schalter, mit dem sie alle Inhalte auch in Spanisch kriegen. Jedenfalls auf den ersten Seiten: eins zu eins – Spanisch ist eben die Einwanderungs-Sprache in den Vereinigten Staaten.

Amerika – du hast es besser! Europa dagegen: das pure Chaos. Die EU-Seite gibt es in vierundzwanzig Sprachen plus Russisch und Ukrainisch. Welcher Aufwand – das alles zu übersetzen damit man sich auf den kleinsten gemeinsamen Nenner verständigen kann.

Wer in den USA dabei sein will, muss sich auf die eine Sprache einlassen. Unsicher, ob das immer noch so funktioniert – aber es war eine Grund-Bedingung für die Vereinigten Staaten. Mit diesem Gründungs-Mythos wollten die frommen Gründungsväter der USA auch ganz bewusst das hinter sich lassen, was für sie und für die Bibel angefangen hat mit dem Turmbau zu Babel.

Da wollen die Menschen wie Gott werden; sie bauen einen Turm bis zum Himmel. Aber Gott zerstört den Menschen-Tempel-Turm und verwirrt ihre Sprache. Keiner versteht mehr den anderen (und mancher nicht mal mehr sich selbst…).

Das ist Mythos, natürlich; aber mit einer Wahrheit drin: den Menschen fehlt so oft das Verständnis füreinander. Und das erklärt die Geschichte vom Turmbau in Babel eben so: Es liegt daran, dass irgendwie jeder Mensch sein will wie Gott.

Die biblischen Geschichten am Sonntag, am Pfingstfest, die erzählten genau das Gegenteil. Gottes Geist kommt auf die Freundinnen und Freunde des Jesus von Nazaret. Und die reißen Türen und Fenster auf und gehen raus aus ihrer Angst.

Ganz Jerusalem hört, wie sie von ihrem Meister Jesus erzählen, der ermordet wurde und jetzt lebt; sie haben ihn gesehen. Dafür loben sie Gott. Und jede und jeder versteht sie.

Schon das ist ein Wunder – weil Jerusalem nämlich damals schon fast so multikulti war wie heute: Internationale WallfahrtsTage waren damals gerade. Und trotz der vielen verschiedenen Vaterländer und Muttersprachen: wo Gottes Geist am Werk ist, da verstehen die Menschen sich gegenseitig – und können miteinander reden statt gegeneinander loszuschlagen.

Das wäre mein Wunsch, auch noch kurz nach Pfingsten und für immer: Etwas mehr gemeinsamer Geist für alle! Könnte viele Probleme zwischen Menschen und Menschengruppen lösen – und auch im Heiligen Land helfen. Und auch Europa würde sich endlich besser verstehen trotz seiner mindestens vierundzwanzig Sprachen.

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