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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

Pfingsten: das hat bei mir dieses Jahr schon vor zehn Tagen angefangen - an  Christi Himmelfahrt. Ich war beim Katholikentag in Mannheim dabei.  Und dort musste ich immer wieder an diese wunderbare Geschichte von Pfingsten aus der Bibel denken: Da wird erzählt: Der Heilige Geist kommt in Feuerzungen auf alle herab. Und die Freunde Jesu, die eben noch ängstlich hinter verschlossenen Türen saßen, die trauen sich plötzlich nach draußen. Auf den Marktplatz von Jerusalem. Und sie sind im wahrsten Sinne des Wortes be-geistert und erzählen den Leuten von ihrem Glauben. Ein bisschen so hab ich das auch in Mannheim erlebt. So manche Menschen, die zuhause etwas frustriert waren von Kirche und Welt: Die packte dort auf dem Katholikentag neue Begeisterung. Auf den Plätzen von Mannheim herrschte Aufbruchsstimmung. Als ob eben der Heilige Geist wehen würde, zehn Tage vor Pfingsten. Es war toll, das zu erleben. Und ich hab mir von dieser Begeisterung etwas mit nachhause genommen und spür sie auch jetzt noch, rund um das eigentliche Pfingstfest. Besonders ist mir diesmal an Pfingsten klar: Der Heilige Geist kommt ja nicht auf einen Einzelnen herab. Er ergreift alle, erzählt die Bibel. Da kommt nicht irgendeine einzelne Feuerzunge, die einen besonderen, exklusiven Menschen erfüllt. Der Heilige Geist ergreift zum Beispiel nicht einfach nur den heiligen Petrus und sagt: So, du bist jetzt hier der Chef, du kriegst den Geist Gottes.  Ganz und gar nicht. Der Heilige Geist kommt auf alle herab, die da zusammen sitzen. Alte und Junge, Selbstbewusste und solche, die eher an sich zweifeln, Gläubige und weniger Gläubige. Sie alle werden vom Heiligen Geist erfüllt. Und  jeder kann deshalb raus gehen in die Welt und dort etwas bewirken,  nach den eigenen Möglichkeiten und Begabungen. Auch das hat mich fasziniert beim Katholikentag in Mannheim: Wie unterschiedlich die Leute ihren Glauben leben. Die einen bereiten Gottesdienste vor und verkaufen fairen Kaffee und Tee, andere engagieren sich gegen Waffenhandel oder gegen die Spekulation mit Lebensmitteln an der Börse. Und alle tun das mit Begeisterung und langem Atem.  Das ist Pfingsten für mich: Wenn viele Leute raus gehen in die Welt und sich engagieren für ihren Glauben und für eine bessere Welt.

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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

„Können Sie mir erklären, was Pfingsten ist?“ Als Pfarrerin werde ich das öfters gefragt und ich habe gemerkt: So mal eben zwischen Tür und Angel geht das nicht. Pfingsten kann man nicht erklären. Aber man kann erzählen, wie das war – damals in Jerusalem zu biblischen Zeiten, als die Jüngerinnen und Jünger den Geist Jesu spürten. Und wie es manchmal heute noch sein kann. Ich erzähle das dann ungefähr so:
Nachdem Jesus die Jünger verlassen hatte, wussten sie ja nicht, wie es mit ihren weiter gehen sollte. Ihr Hoffnungsträger auf eine neue und bessere Welt war gekreuzigt worden und gestorben. Die Nachricht von der Auferstehung hatte noch gar nicht wirklich alle erreicht. Die Weggefährten und Freundinnen waren völlig ratlos. Sie trafen sich und wollten überlegen, wie es jetzt weitergehen sollte. Und ausgerechnet in dem Moment geschah das, womit sie am allerwenigsten gerechnet hatten. Sie spürten, wie ein neuer Geist in ihnen wach wurde. Alles, was sie noch aus Jesu Lebzeiten kannten, das erfüllte sie plötzlich wieder. Das war genau der neue Geist, den sie dringend gebraucht hatten. Und sie waren sicher: Diesen Geist schickt uns Gott. Jesus hat uns zwar körperlich verlassen. Seine Kraft aber, die lebt jetzt in uns. „Sie wurden erfüllt von dem Heiligen Geist ( Apg 2,4) heißt es in der Bibel. Jesus ist nicht mehr bei ihnen. Aber seine Energie ist noch da und seine Sympathie für die Menschen dieser Welt aus aller Herren Länder.
Damals waren viele Leute nach Jerusalem gekommen, um das Erntefest zu feiern. Mit ihnen allen konnten die Jünger sich jetzt verständigen. Die Bibel erzählt, sie wären sogar in der Lage gewesen, in ganz verschiedenen Sprachen mit ihnen zu reden – und sie wären verstanden worden. Und überhaupt: sie waren wie betrunken vor Freude, brannten vor Energie und fühlten sich beflügelt zu neuen Taten. Es war ein unvergessliches Fest. Das erste „Geburtstagsfest der Kirche“ hat man später gesagt.
Das ereignete sich 50 Tage nach Ostern. Und von dieser Zahl 50 leitet sich auch der Name her. 50 heißt auf Griechisch pentecoste. Und daraus wurde dann unser Wort „Pfingsten“.
Pfingsten lässt sich nicht auf die Schnelle erklären. Von Pfingsten muss man erzählen. Ich glaube: Der Geist Gottes schätzt keine klugen Erklärungen. Der Geist Gottes liebt das Erzählen und das Gespräch zwischen Menschen. Und ganz besonders das zwischen Menschen aus verschiedenen Kulturen und Religionen.
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SWR4 Abendgedanken

Was haben wir eigentlich an Pfingsten gestern und vorgestern gefeiert?
Manchmal tue ich mich schwer damit, das zu erklären. Aber Paul hat mich auf die Spur gebracht. Paul ist 4 Jahre alt. Gestern hat er neben mir in der Kirchenbank gesessen. Er hat verblüffend aufmerksam zugehört, als die Pfarrerin vorne ein paar einleitende Worte gesagt hat. Da ist ein paar Mal davon die Rede gewesen, dass Pfingsten bedeutet: „Gott schickt seinen Geist.“
Paul ist zuerst in tiefes Nachdenken versunken. Dann hat er sich ganz aufrecht hingesetzt, hat zu mir rübergeschaut und gesagt: „Ich habe keine Angst vor Geistern!“
„Ich auch nicht“, habe ich geantwortet. Und dann haben wir beide gegrinst und uns ein bisschen wie Helden gefühlt.
Ich glaube, der große Paulus hätte an dem kleinen Paul seine helle Freude gehabt. Vom Apostel Paulus ist in der Bibel nämlich der Satz überliefert:
„Gott hat uns nicht den Geist der Furcht gegeben, sondern den Geist der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit.“
Der kleine Paul weiß mit seinen 4 Jahren schon ganz gut: Der Geist der Furcht, der biegt trotzdem manchmal bei uns um die Ecke, auch wenn er nicht von Gott stammt.
Aber ich finde: es steht sozusagen 3:1 für den Geist der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit. Für den Geist Gottes.
Deshalb bete ich manchmal „Komm, heiliger Geist“. Damit bitte ich: „Gott, ich möchte deine Kraft spüren. Ich möchte von dir Impulse bekommen. Bau mich auf und tröste mich.
Und ich möchte auch, dass deine Liebe in mir wohnt und einfach alles flutet.
Und den Geist der Besonnenheit brauche ich auch: der hilft mir, wenn viel auf mich einstürmt. Dann kann ich erstmal einen Schritt zur Seite gehen und überlegen: Was ist jetzt wichtig? Womit fange ich an? Was kann ich getrost liegen lassen?
Im Gottesdienst an Pfingsten haben der kleine Paul und ich zusammen gesungen und gebetet. Zusammen, nicht allein.
Ich finde, das zeigt auch etwas von Gottes Geist: der ist nicht nur mir gegeben, sondern auch den anderen. Wir können uns gegenseitig weiterhelfen, gegen die Furcht. Nicht nur an Pfingsten.

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SWR1 Begegnungen

..als CampingseelsorgerinUrsula Burket

Wolf-Dieter Steinmann trifft Ursula Burkert, Theologin und Psychologin aus Tauberbischofsheim

Ein bisschen beneide ich sie. Sie ist jetzt dort, wo ich auch gerne Urlaub mache: In Italien, nördlich von Venedig - darum haben wir uns auch schon vor 4 Wochen getroffen. Ursula Burkert macht allerdings keinen Urlaub. Sie ist Campingseelsorgerin in ‚Union Lido‘, einer der größten Ferienanlagen Italiens. Im Gottesdienst nachher feiert sie Pfingsten, den Geburtstag der Kirche, und dass sie immer wieder von Gott inspiriert wird.

Jeder, der Geburtstag hat, kriegt doch ein Geschenk: Diesen Spirit, den möchte ich den Menschen vermitteln und wie wirkt er sich aus? Indem wir auch eine Gemeinschaft sind und dass die Kraft Gottes viel tiefer ist als wir sie vom Kopf verstehen können.

Vielleicht ist es auch diese Kraft Gottes gewesen, dass sie selbst von der Urlauberin zu Urlaubsseelsorgerin geworden ist. Vor 30 Jahren war sie mit ihrem Mann bei der Verabschiedung des Vorgängers.

Er suchte einen Nachfolger. Und ich stupf meinen Mann und sag: ‚Du meldest Dich bitte nicht.‘ Mein Mann war aber neugierig.

Es ist passiert, was ihr Plan jedenfalls nicht war. Das Theologenehepaar Burkert haben die Nachfolge angetreten. 30 Jahre sind daraus geworden. Immer an Pfingsten, oft auch im Sommer beleben sie die schlichte Holzkirche, die an ein großes Zelt erinnert. Seit 55 Jahren gönnt sie den Urlaubern inmitten der immer perfekter gewordenen Urlaubswelt diese etwas andere Unterbrechung.

Sie haben Zeit, sie haben Ruhe. Wir brauchen einen Ort, wo wir Stille halten können. Es gibt auch kulturelle Veranstaltungen heute. Grade in den ersten 15 Jahren konnten wir eine Gemeinde prägen, weil ich immer Pfingsten und die ganzen Sommerferien unten verbrachte und ich nicht eine Pfarrerin bin, die am Strand liegt.

Spannend finde ich: Es nutzen auch Menschen die „Gelegenheit Kirche“, die zu Hause nicht hingehen. Besonders 2 Urlaubergruppen erlebt sie: Neugierige, die sich öffnen, und viel Beschäftigte, die mal Zeit haben am Sonntag und das als Wohltat begreifen:

Campingkirche Union LidoDer Sonntag auf dem Union Lido ist uns heilig.‘ Die andere Gruppe: Wir gehen ins Wasser, ganz normal, nicht im Talar, da kommen Menschen auf uns zu, sagen: ‚Schön, dass Ihr wieder da seid, wir kommen am Sonntag in den Gottesdienst, das hört ein anderer und sagt: ‚Wo ist denn hier ne Kirche?‘

Ja, Ursula Burkert ist eine Seelsorgerin: Zuhören, begegnen von Mensch zu Mensch. Das möchte sie. Und wenn Menschen Schweres mit ihr teilen, dann spürt sie oft auch den Geist Gottes.

Es muss etwas geben, das mir die Kraft geben möchte für ein positives Weiterleben. Wenn wir sagen: ‚Nicht ich will das und das, sondern Du machst es, egal wie, ich vertrau mich Dir an‘. da wird die Seele innerlich ruhig, weil ich mich in einer Geborgenheit fühle des Vertrauens: ‚Da ist einer, der ist mehr als ein Ehepartner.‘

 

Gott: ein unsichtbarer Grund, der trägt. Ursula Burkert hat das öfter erfahren. Sogar in ihrer Firma.

…in Krisen
Pfingsten, Heiliger Geist: Ich tu mich ein bisschen schwer, zu erklären, was das ist. Ursula Burkert nicht. Es ist eine Art Pfingsterlebnis, das ihr Leben tief prägt.

Je mehr ich etwas erzwingen wollte, umso weniger ist es mir gelungen. Je mehr ich habe es geschehen lassen in diesem Vertrauen, ‚da wird was kommen, ich warte ab‘ da ist es passiert. Die Hoffnung möchte ich weitergeben: Vertrauen lernen zu einem, der gesagt hat: ‘Ich bin bei Dir.‘

Vertrauensvoll warten können. Wenn das nur nicht so schwer wäre. Ein wenig ungläubig hör ich, was sie erzählt. Aber noch mehr beeindruckt es mich, wie sie aus tiefen Krisen heraus kam. ZB. als sie ihre eigene Beratungsfirma gegründet hatte. Eine Erlösung - nach schlaflosen Nächten.

Ich habe nicht bedacht, dass man weiter akquirieren muss und ich habe zum ersten Mal, bebende Hände und Beine gespürt. Einen Tag kommt ein kleines Päckchen und da ist ein Messingengel drin mit dem Text: ‚Er hat seinen Engeln befohlen, dass sie dich behüten auf allen Deinen Wegen.‘ Ich habe diese bebende Hände und Füße nicht mehr erlebt.

Dabei hätte sie Grund dazu. Vor 5 Jahren, mit 60, hat Ursula Burkert völlig überraschend die Diagnose „Brustkrebs“ gekriegt. Wie nebenbei erzählt sie davon: Die Krankheit soll nicht das Leben bestimmen. Wie damals direkt nach der Diagnose. Sie hatte noch einen Beratungstermin und hat ihn nicht abgesagt.

Ich bin weinend hingefahren und die Frau eröffnet das Gespräch und sagt: Ich möchte mich von meinem Mann trennen, ich habe seit 10 Jahren Brustkrebs und er versteht mich nicht mehr. Wir haben zwei Jahre daran gearbeitet, mit dem Mann zusammen, und es funktioniert wieder. Das ist die Kraft Gottes, die ich bekommen habe und da bin ich so glücklich.

Sie berät in ihrer Firma Menschen an wichtigen Stellen ihres Lebens, aber auch Führungskräfte. In der Kirche arbeitet sie seither quasi ehrenamtlich. Der Geist Gottes inspiriert sie auch in der Firma.

Ich werde es aber nie in den Vordergrund stellen, sondern dann, wenn ich gefragt werde, ich möchte es nicht überstülpen, sondern der Mensch soll spüren und erfahren, was bei mir vielleicht ein bisschen anders ist als woanders.

Ich verstehe sie so: Sie selbst und ihre „Kunden“ wissen, dass sie Theologin ist. Sie trägt es nicht auf der Stirn, dieser Geist prägt sie als Mensch. Bestimmt ihre „mission“. In der  Firma, und genauso wenn Ursula Burkert Gottesdienst hält.

Meine Frage ist immer: Warum kommen die Menschen zu uns, was hat sie in der Woche bewegt, was hat mich in der Woche bewegt. Es ist unheimlich schön, so nahe am Menschen zu sein und für Menschen da zu sein.

Das könnte auch der Geist sein, die Haltung, für uns als Kirche grundsätzlich: Für Menschen da sein. Ähnlich wie Gott.

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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Was immer auch an Pfingsten in Jerusalem geschah – es ist schwer in Worte und Bilder zu fassen. Der Evangelist Johannes schildert das Ereignis so: „Nachdem Jesus seinen Jüngern alles gesagt hatte, hauchte er sie an und sprach zu ihnen: Empfangt den Heiligen Geist...“ (Johannes 20,19-32).

Dieser Satz erinnert unwillkürlich an die „Mund-zu-Mund-Beatmung“ bei der Erschaffung des Menschen, als Gott Adam seinen Lebensatem einblies. Ohne den Atem Gottes, will diese Geschichte sagen, gibt es kein Leben. Dann ist Pfingsten also das Fest der „Wiederbelebung“, der Reanimation. Das muss die Ur-Gemeinde in Jerusalem tatsächlich so erfahren haben. Denn mit dem Tod Jesu am Kreuz war in den Menschen seiner Gefolgschaft fast alles Leben erloschen. Nun aber brechen sie die verschlossenen Türen auf, stürzen hinaus ins Freie und sind nicht mehr zu bremsen. Ein Hasenfuß vom Schlag eines Petrus mausert sich zum Straßenprediger. Trauer und Resignation schlagen um in eine unglaubliche Begeisterung.

„Atme in uns, Heiliger Geist“, so betet die Kirche heute an Pfingsten. Wie eine Atemspende, wie eine Sauerstoffdusche soll dieser Geist bei jenen wirken, die atemlos, gehetzt und getrieben der Erschöpfung nahe sind. Ich denke an viele Menschen in der modernen Arbeitswelt, denen unter der Überlast ihrer Arbeit der Schnaufer ausgeht. Auch an all jene, die in der Informationsflut ersticken und den „roten Faden Sinn“ in ihrem Leben verloren haben.

Atme, Heiliger Geist, in den Kranken und Geplagten, den Enttäuschten und Gebrochenen, den Einsamen und Verlassenen, dass sie wieder zum Leben kommen. Puste den Lebensmüden Lebensmut zu, dass sie sich erheben aus dem Tal der Tränen.

Atme vor allem in uns, Heiliger Geist, dass wir uns verändern und nicht Gott belästigen mit dem, was unsere eigene Aufgabe ist, nämlich Trauernde zu trösten, Mutlosen Mut zuzufächeln und Gelähmten um uns herum auf die Beine zu verhelfen. Dass wir guten Geist hineintragen in unsere Familien, in unsere zerstrittene, zerrissene Gesellschaft, in diese kriegslüsterne, verrückte Welt.
Ob das gelingt? Aus eigener Kraft schaffen wir das nie! Doch Pfingsten lässt hoffen, dass uns da etwas zuwächst, was der Apostel Paulus auch erfahren haben muss. In seiner Schwachheit spürt er, dass die Kraft Gottes in ihm lebendig wird. Gottes Kraft, so schreibt er an seine Gemeinde in Korinth, „ist in den Schwachen mächtig“ (2. Brief an die Gemeinde in Korinth, 12,9).

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SWR2 Zum Feiertag

Ein Gespräch mit Landesbischof in Ruhe Dr. Ulrich Fischer

Ihr werdet die Kraft des Heiligen Geistes empfangen… und werdet meine Zeugen sein“, sagt Jesus in der Apostelgeschichte zu seinen Jüngern. Darum geht es heute, an Pfingsten: Begeisterte Zeugen der Botschaft Jesu.

Herr Dr. Fischer, Sie waren 16 Jahre Landesbischof der Evangelischen Landeskirche in Baden. Vor einer Woche sind Sie in den Ruhestand verabschiedet worden. Wenn Sie mit dieser langen Leitungserfahrung auf Ihre Kirche schauen – sehen Sie das: Begeisterte Zeugen der Botschaft Jesu?

Ich sehe sehr wohl viele. Auf die ganze Weite der Landeskirche mögen das zu wenige sein, aber gerade bei den jungen Kollegen sehe ich sehr viele, die mit großer Begeisterung in diesen Beruf hineingehen und auch andere zu begeistern vermögen.

Gibt es Bereiche in der Landeskirche, wo Sie diese Begeisterung besonders spüren können, Arbeitsfelder, wo Sie sagen: Da ist die Begeisterung greifbar?

Es gibt sehr viele Gospelchöre, wir haben den Gospelkirchentag hier in Karlsruhe gehabt, und wer mal Gospel in einem Gottesdienst erlebt hat, der merkt, wie richtig die Begeisterung überspringt, auch in der Posaunenarbeit, in der Bläserarbeit, überhaupt in der kirchenmusikalischen Arbeit. Ich glaube, durch Musik kann man besser noch Begeisterung rüberbringen als durch das gesprochene Wort. Dann würde ich aber auch noch nennen wollen: Vesperkirchen. In Württemberg gibt es einige, aber auch in Mannheim, in Pforzheim – wenn man sieht , mit welcher Begeisterung Menschen dort ehrenamtlich Dienst tun, auch das ist Begeisterung, die von Pfingsten herkommt.

Trotzdem sind nicht wenige Menschen enttäuscht von der Kirche. Sie suchen einen inspirierten und inspirierenden Ort. Was sie finden, ist aber oft ein bürokratischer Apparat oder – in den Gemeinden vor Ort – eine Art Verein, wo es viel um Renovierungsarbeiten oder ums Gemeindefest kümmert, aber um Spirituelles geht es da manchmal weniger. Muss das so sein?

Das letztere sehe ich nicht so. Dass ein Ältestenkreis sich um solche Dinge kümmern muss, ist selbstverständlich, aber dass die im Mittelpunkt von Gemeindeleben stehen, das würde ich für die Gemeinden nicht sehen. Dass die Kirche oft als ein Apparat verstanden wird, gilt sicherlich, wenn man auf Synoden zusammen ist, da kann ich mir vorstellen, dass dieser Eindruck entsteht.
Aber ich finde, unsere Kirchengebäude sind größtenteils inspirierende Orte, tatsächlich. Wir haben verlässlich geöffnete Kirchen in einer immer größeren Zahl. Wir haben sehr viel dafür getan in den letzten Jahren, dass die Kirchenräume auch in einer würdigen Weise gepflegt – auch ästhetisch so gepflegt werden, dass die Menschen, wenn sie sie betreten, sie auch als einen würdigen Raum, einen inspirierenden Raum erkennen. Und wir haben doch auch einiges getan im Sinne der Pflege einer gottesdienstlichen Kultur, ja ich sage ruhig: einer Qualitätsverbesserung im Gottesdienst. Und ich glaube, da ist einiges Gute geschehen. Jedes einzelne schlechte Beispiel, das weiß ich, wirkt viel länger als zehn gute Beispiele. Darum ist es so enttäuschend, wenn einer dann mal in die Kirche geht und dann einen misslungenen oder eine nicht inspirierenden Gottesdienst erlebt. Aber ich finde: Gottesdienste und Gottesdiensträume sind die Hauptorte, wo Inspiration erfahren werden kann.

Es ist vielleicht für den einen oder anderen befremdlich, im Zusammenhang mit Gottesdienst von Qualität zu sprechen. Das ist ja eher ein Begriff der aus einem anderen Bereich stammt, „Qualitätskontrolle“ – woran macht sich denn für Sie die Qualität eines Gottesdienstes fest.

Sie haben vollkommen recht, als der Begriff 2006 zum ersten Mal kam, hat er eine heftige Diskussion – auch in der Pfarrerschaft – ausgelöst: Sind wir nicht gut genug? Und: Darf man das überhaupt, so von Gottesdienst reden? Aber man kann in der Tat die Qualität eines Gottesdienstes messen. Das fängt damit an: Ist der Ablauf eines Gottesdienstes stimmig? Stimmen Lieder, Gebete, Predigt – sind die aufeinander so abgestimmt, dass man am Ende das Gefühl hat, hier ist eine – ich sage ruhig – Inszenierung geschehen, in die ich mich hineingenommen fühle. Dann: Ist eine Predigt so gestaltet, dass sie gut mitverfolgt werden kann, dass sie einen guten Anfang, einen guten Schluss hat, dass sie Höhepunkte hat, dass sie Merksätze hat, dass erkennbar wird: da redet die Predigerin oder der Prediger auch mit einem eigenen Ich. Also es gibt schon Punkte, an denen man Qualität festmachen kann.

Gottesdienst als inspirierender Ort – nach außen wird die Kirche ja oft auch durch andere Dinge wahrgenommen, danach, wie sie sich nach außen äußert. Die Journalistin Friederike Gräff hat kürzlich in einem Artikel der evangelischen Kirche „Leisetreterei“ vorgeworfen. Sie schreibt: „Hauptanliegen der Kirche scheint es zu sein, niemanden vor den Kopf zu stoßen, sei es mit den unerfreulichen Geschichten des Alten Testaments, mit Ideen, was ein gläubiger Christ nicht tun sollte, oder laut gesprochenen Gebeten in christlichen Einrichtungen“ (Friederike Gräff, Ist Gott noch Mitglied der evangelischen Kirche, in: Christ und Welt 9/2014) . Das Hauptanliegen der Kirche – niemanden vor den Kopf stoßen: Stimmen Sie ihr zu?

Nur zu einem Teil. Was sie über das Verheimlichen sperriger Texte sagt, dem würde ich zustimmen. Wir trauen uns manchmal nicht mehr zu sagen, dass in der Bibel auch Dinge drinstehen, die befremdlich sind und die auch der Kritik würdig sind. Also: so wie das Alte Testament über Krieg redet – Jahwe führt den Krieg mit dem Volk Israel – so können wir heute nicht über Krieg sprechen. Das einfach auszusparen oder in einem Psalm die Rachegedanken auszusparen ist falsch meiner Meinung nach. Sondern man muss einfach verstehen: Warum äußert sich ein Beter so, dass er solche Rachegefühle ausspricht – übrigens: sehr menschlich!
Da teile ich die Kritik. Ich teile sie nicht in diesen gesellschaftspolitischen Fragen, die sie damit wohl auch meint. Es ist heute sehr viel schwieriger, in einer globalisierten, sehr pluralisierten Welt eine eindeutige Position zu haben. Damit kann man wunderbar in die Schlagzeilen kommen, aber ob man damit das Richtige sagt, ist noch einmal etwas ganz anderes. Das war in Zeiten der Blockbildung, als wir noch die atomare Bedrohung aus dem Osten hatten, viel einfacher. Wenn man sich da in der Friedensbewegung engagiert hat, wie ich es getan habe, wusste man irgendwann, wo der feste Standpunkt ist, den man beziehen muss. Ich sage: Ausstieg aus der Atomenergie – ein gleicher Punkt. Das haben wir in den siebziger Jahren schon in Baden durchexerziert mit dem Widerstand gegen das Kernkraftwerk Wyhl. Da war da noch überhaupt kein Common Sense. Wenn wir es heute sagen, ist es die Mehrheitsmeinung, und dann heißt es gleich: Ihr schwimmt mit der Mehrheit. Ich finde die Kritik an dieser Stelle nicht ganz berechtigt.

Meiner Wahrnehmung nach sind viele Haupt- und Ehrenamtliche in der Kirche ziemlich erschöpft. Sie sind aktiv sich im sozialen Bereich, suchen neue Konzepte für die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen, was ja derzeit nicht einfach ist, durch die schulischen Anforderungen, die auf die Kinder und Jugendlichen zukommen, sie probieren neue Gottesdienstformen, um mehr Leute anzusprechen – aber die Wirkung ist oft bescheiden. Was wünschen Sie – als Mitchrist, Pfarrer, ehemaliger Landesbischof – diesen engagierten Christen?

Ich wünsche ihnen zunächst mal, dass sie sich von der Gewissheit tragen lassen, dass der Heilige Geist auch ihr Wirken in dieser mühsamen Weise mitträgt und beleben kann. Sie haben in der Analyse vollkommen recht: Müdigkeit ist das große Gegengift, das im Engagement steckt und das auch geistlos ist. Und ich verstehe auch diese Müdigkeit, ich habe sie selber als Gemeindepfarrer ja auch erlebt. Aber es wird immer dann aus dieser Müdigkeit ein neues Engagement, wenn es gelingt, Menschen mit einzubeziehen, sie zu beteiligen… Also denen würde ich wünschen: Guckt euch nach Menschen um, mit denen zusammen ihr Freude habt, ich würde sogar sagen, Lust habt, in der Kirche zu arbeiten. Und lasst euch immer wieder auch inspirieren von großartigen in der Bibel, die etwas gegen Müdigkeit sagen, was Paulus im 2. Korintherbrief schreibt, wo er beschreibt, wie elend es ihm geht, und dann sagt er immer als Dennoch: Gefangen und dennoch frei, fast tot aber dennoch lebendig (2. Korinther 6,9ff). Solche Texte muss man sich auch mal anschauen und von sich von ihnen inspirieren lassen.

Ihr werdet die Kraft des Heiligen Geistes empfangen“, heißt die Zusage Jesu zu Pfingsten. Was waren und sind Ihre Kraftquellen, wo werden sie begeistert und inspiriert?

Wenn ich zurückdenke an die 16 Jahre: Es gibt eine Kraftquelle, die war in Karlsruhe, der Gospelkirchentag, das war einfach großartig, singende Menschen über mehrere Tage so begeistert zu erleben. Und es war ein Kraftort, das war die Einweihung der Frauenkirche in Dresden, das war einfach ein Wunder vor unseren Augen. Und dann waren das die ganz vielen Gottesdienste, die ich gefeiert habe, ich habe mal zusammengezählt, ich habe etwa 800 Gottesdienste in dieser Zeit in den Gemeinden gefeiert und ebenso viele Andachten im Oberkirchenrat. Für mich sind auch die kleinen Formen Kraftquellen. Für mich ist etwas ganz wichtig: Es muss in diesen Andachten auch miteinander gesungen werden.

Musik also als Ort der Begeisterung und auch als Kraftquelle…

Ja, so ist es. Ja, und es ist etwas Wunderschönes, dass sich das durchzieht im alten wie auch im neuen Testament: Singt dem Herrn ein neues Lied, denn er tut Wunder! Und die Jünger haben an Pfingsten, als sie da beieinander waren und vom Heiligen Geist erfüllt waren, nicht nur in Zungen geredet, sondern die haben sicher auch gesungen. Also: Das Singen gehört zum Ansteckendsten in der Religion überhaupt.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

Schluss mit dem Zögern, heraus aus den Mauern und hin zu den Menschen.

Das müssen die Jünger Jesu empfunden haben, als sie an Pfingsten den Heiligen Geist spürten. Wie eine Urgewalt, wie Feuer und Sturm kam er über die Jünger.

Die hatten sich wieder einmal in ein Haus zurückgezogen und die Türen zugemacht. Sie waren immer noch sprachlos und unsicher, wie es denn nach der Himmelfahrt Jesu weitergehen könne mit dem kleinen Kreis seiner Anhänger.

Und dann dieses Ereignis: Das Haus, die Menschen werden vom Heiligen Geist erfüllt -und sofort zeigen sich interessante Wirkungen. Jetzt können die Jünger mutig und frei aus dem Haus heraustreten, vor die Menschen hin und reden über den auferstandenen Christus, über das Heil, das Gott den Menschen bereitet. Und sie können nicht nur reden, nein, sie werden auch verstanden. 17 Gruppen aus aller Herren Völker zählt die Bibel auf, die den Jüngern zuhören. Und alle verstehen, was die Männer ihnen verkünden: Jesus Christus ist auferstanden und hat den Geist der Befreiung und Befähigung gesandt. -

Morgen ist wieder Pfingsten. Da erinnern wir uns erneut, wie der Heilige Geist aus einem kleinen Trupp eher zögerlicher Jünger den Anfang einer bekenntnisfrohen, den Menschen zugewandten Gemeinde gemacht hat. Eine Gemeinde, die öffentlich spricht und verstanden wird.

Christen setzen darauf, dass das kein einmaliges Ereignis war, sondern dass der Heilige Geist immer noch weht, wo er will, Türen und Fenster auf stößt und Zeugen für Christus antreibt. Damit sie das Evangelium verkünden - so, dass es verstanden wird.

Morgen ist wieder Pfingsten. Vielleicht erleben wir etwas von diesem geistgewirkten Aufbruch, vielleicht finden Menschen die richtigen Worte, die zu Herzen gehen und verstanden werden. Und wenn nicht morgen, dann vielleicht an einem anderen Tag. Denn der Heilige Geist weht nicht nur wo er will, sondern auch wann er will. Er bestimmt, wann Pfingsten ist, nicht der Kalender.

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SWR4 Sonntags-/Feiertagsgedanken

Das Leben muss doch mehr sein als schlafen, essen und arbeiten. Danach haben sich die Jünger gesehnt. Mit dieser Sehnsucht sind sie zu Jesus gekommen. Und Jesus hat sie nicht enttäuscht.  Drei Jahre haben sie mit ihm verbracht. Und in dieser Zeit haben sie ganz besondere Momente erlebt. Da ist ihnen Gott so nahe gekommen wie ein guter Vater. Und sie haben miteinander gelebt wie Schwestern und Brüder. In diesen Momenten haben sie gespürt: genau so wollen wir leben.

Aber dann ist Jesus gestorben und alles war vorbei. Scheinbar jedenfalls. Aber die Sehnsucht, die ließ sie nicht los. Und so gingen sie am Ostermorgen voller Hoffnung zum Grab. Und wieder hat sie Jesus nicht enttäuscht. Auf  einmal stand er ihnen gegenüber, sie haben ihn gesehen und gehört. wie er zu ihnen gesagt hat: „Geht in die ganze Welt und sagt es allen weiter, dass ich lebe." Das ist ihnen nicht mehr aus dem Kopf gegangen. Und so blieben sie zusammen. Voller Sehnsucht. Die Geschichte sollte doch weitergehen mit ihnen, mit Jesus,  mit ihrer Gemeinschaft untereinander und mit Gott.

Aber dann passiert-  nichts. 50 Tage lang, nichts. Die Jünger sitzen immer noch in ihrem Haus und nichts passiert. Wie war das noch? „Geht in alle Welt" hat Jesus gesagt. Alle Welt- was für eine große Aufgabe. Viel zu groß für sie, meinen sie. Sie sind wie blockiert. Sie fangen nichts an- mit sich, mit ihrer Zeit und mit ihren Begabungen. Gerade das macht sie müde und mutlos. Und so sitzen sie schlapp und fast kraftlos in ihrem Haus. Ihre Sehnsucht - wo ist sie? Sie ist in den eigenen vier Wänden eingesperrt. Resignation macht sich breit. Sie schauen alle unter sich. Und sie reden nur noch über früher ... und vergessen das Heute und Morgen.

Bis - ja bis einer los geht. Bis einer anfängt zu reden. Petrus fängt an. Er öffnet die Tür. Er geht aus dem Haus und fängt an zu reden. Zunächst zaghaft, aber dann sprudelt es aus ihm heraus. Und er findet Worte für seine Sehnsucht. Diese Sehnsucht nach einem Leben, das mehr ist als Essen und Trinken. Er erzählt von Jesus, von den Erlebnissen mit ihm. Wie er von Gott geredet hat wie von einem Vater. Wie er aus fremden Menschen Schwestern und Brüder gemacht hat. Petrus redet so aufgeregt und begeistert, dass die Leute sagen: der ist doch betrunken. Der ist nicht ganz bei Sinnen.

Trotzdem geht er los. Schritt für Schritt, von Ort zu Ort, von Jerusalem bis nach Rom. Und die anderen Jünger  gehen mit - in die ganze Welt. Später sagen die Leute: der Geist Gottes hat sie gepackt. Das war Gott selbst, der sie bewegt hat. Gottes Geist hat sie aus dem Haus geholt und sie haben sich auf den Weg gemacht. Denn „Gott hat ihnen an Pfingsten keinen Geist der Furcht gegeben, sondern der Kraft" (2. Tim 1,7)

Gott hat uns keinen Geist der Furcht gegeben, sondern einen Geist der Kraft" (2. Tim 1,7). Immer wieder erkennen das Menschen, wenn sie sich auf den Weg machen. Gott hat uns einen Geist gegeben, der uns stark macht. Und dieser Geist kann Mauern überwinden. Wie gut!

Da fängt einer an - endlich. So beginnt die Pfingstgeschichte. Da erkennt einer: „Alles, was ich unerledigt liegen lasse, erledigt am Ende mich selbst. Je länger ich die Dinge vor mir her schiebe, desto müder werde ich."

Und dann fängt er an, das zu erledigen, was ihn vorher erledigt hat. Das will ich auch - anfangen im Großen und im Kleinen. Im Kleinen heißt das für mich: endlich meinen Schreibtisch aufräumen. Die Steuerklärung erledigen, den Brief schreiben, den ich versprochen habe. Kurzum: ich fange an, meine to-do Liste abzuarbeiten, statt immer noch etwas dazuzuschreiben. Im Großen heißt das für mich: Mein Leben aufräumen - endlich. Endlich sagen, was ich schon so lange denke. Meine Entscheidung fällen, auch wenn das schwer fällt und vielleicht auch weh tut. Endlich anfangen.

Aber wie geht das? Wie haben das Petrus und die Jünger geschafft? Damals an Pfingsten?

Petrus und die Jünger mussten erst einmal ihre vier Wände verlassen, um in die Welt gehen zu können. Losgehen und loslassen gehören für sie zusammen. Und das gilt auch für mich: ich komme nicht in den Tag, wenn ich nicht das Bett loslasse. Ich komme nicht auf den Weg, wenn ich nicht das Haus loslasse. Ich komme nicht in die Zukunft, wenn ich nicht die Vergangenheit loslasse. Bevor ich anfange, muss ich mit etwas aufhören. Und das ist das Problem: loslassen ist manchmal schwieriger als losgehen, aufhören schwieriger als anfangen.

Wie haben die Jünger das nur geschafft? Waren sie disziplinierter oder bessere Menschen? Das glaube ich nicht. Sie hatten nur eines. Und das haben sie sich nicht ausreden lassen. Ihre Sehnsucht. Auf die kommt es an. Denn Sehnsucht ist wie ein Motor, der alles zum laufen bringt. Petrus und die Jünger haben sich die Sehnsucht nicht ausreden lassen. Das Leben muss doch mehr sein als schlafen, essen und arbeiten.

Und sie haben sich gesagt: Diese Sehnsucht, so stark, so unüberwindlich ist, die kann nur von Gott kommen. Diese Kraft, die kann nur von Gott sein. Die ist ein Stück von seiner Kraft, von seinem Geist. Und Gottes Geist, der hält nicht fest in der Furcht, der gibt Kraft.

Einer geht los - eine fängt an - so beginnt die Pfingstgeschichte. Und das nicht nur an Pfingsten, sondern immer wenn etwas anfängt. Und es fängt so viel an: Der Tag heute, der uns geschenkt ist und die Woche, die vor uns liegt fängt an. Die Lebensmitte oder das Altwerden fängt an. Und Gottes Geist ist da, damit aus all den Anfängen meine Anfänge werden. Ich nicht gelebt werde, sondern lebe. 

Und diesen Geist wünsche ich Ihnen, dass er sie bewegt und Sie anfangen können mit den Aufgaben, die vor Ihnen liegen, mit den Wegen, die notwendig sind, mit den Worten, die gesagt werden müssen. Denn Gott hat uns an Pfingsten „keinen Geist der Furcht gegeben, sondern der Kraft" (2. Tim 1,7).

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SWR1 Begegnungen

01JUN2020
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Heike Springhart

Wolf-Dieter Steinmann trifft Pfarrerin und Privatdozentin Dr. Heike Springhart, Pforzheim

Fußballer sagen ja oft: Das Spiel ist im Kopf entschieden worden. Die Einstellung macht es, der Spirit. Ganz ähnlich ist es an Pfingsten. Da geht es auch darum, was für ein Geist das Leben antreibt und prägt. Wird gejammert, geht jeder gegen jeden? Oder ist da der gute Geist Gottes am Werk, der belebt und in Bewegung bringt? Heike Springhart könnte jammern in der Krise. Aber die Pfarrerin strahlt erfrischend Leben aus. Gottesdienste darf sie nicht feiern. Also bringt sie Videoandachten unters Volk übers Internet.

Es ist insgesamt ne andere Zeit, weil ich im Moment wenig physischen Kontakt zu meinen Gemeindegliedern hab, weil ich zur Risikogruppe gehöre. Auf der anderen Seite, dass wir so ne Videoandacht machen, heißt, dass ich da Stimmen aus aller Welt integrieren konnte. Und das würde ich ja sonst in nem Pfingstgottesdienst nicht können. Heißt, dass ich 11 Menschen in verschiedenen Ländern angeschrieben habe. Freunde Kollegen. Und sie gebeten habe, eine Zeile aus dem 150. Psalm auf koreanisch, japanisch, rätoromanisch zu lesen.

Auch wieder wie beim Fußball. Pfingsten, der Geist Gottes und die Kirche. Sie stiften Gemeinschaft weltweit. Sprachgrenzen werden überwunden, Ländergrenzen. Und der Geist Gottes soll die Kirche prägen.

Dass der Heilige Geist eben uns aus den Kirchenmauern rausweht. Frischen Wind für die Kirche gibt. Also die Verschiedenen verbindet.

Für Heike Springhart bringt dieser belebende Geist nicht nur die Kirche auf Trab. Sie ist sicher, er weht und wirkt auch in den Alltag von Menschen hinein. Steht schon in der Bibel, kurz und knackig: „der Geist weht wo er will.“ Sie spürt das zB.

In den Momenten, wo ich in nem Gespräch merke, hier passiert was, was größer ist als wir beide. Und das kann sein, weil ich mich auf ne tiefere Weise verstanden fühle durch mein Gegenüber. Oder weil sich plötzlich in einer verfahrenen Situation eine Lösung einstellt. Oder auch in kreativen Prozessen: wenn man mit anderen was entwickelt und das dann irgendwie aufgeht und auf Resonanz stößt.

Dieser Geist hat aber auch noch eine andere Seite hat. Gerade in der Krise. Er belebt, mach kreativ, aber er schärft auch den Blick dafür, wo es nicht gerecht zugeht. An wen in der Krise gedacht wird und an wen nicht. Kinder zB.

Müsste man da nicht für Entlastung sorgen, auch dafür dass die Kinder sich wieder treffen können? Auf der anderen Seite gehöre ich auch schon zu denen, die finden, wir dürfen jetzt auch nicht zu viele Risiken eingehen. Und es bildet sich da ab, über Kitas und Kinder und Kindergärten wird halt nicht als erstes nachgedacht.

Vor Corona war das auch schon so, dass zB. das Wohl der Wirtschaft politisch wichtiger war als Kinder. Aber jetzt sieht man es genau, dass es so ist.

Die Situation jetzt ist halt eine Brennglassituation. sowohl in der Kirche als auch in der Gesellschaft. Es wird sozusagen deutlicher, was sonst auch ist. Es ist nicht alles einfach neu. Aber es wird sichtbarer.

Es wird klarer, was bei uns gut war und was nicht, was wertvoll ist und was vielleicht auch wegkann. Diese Fragen stellen sich privat, in der Kirche, in unserer Gesellschaft und auch weltweit. Das zeigen Heike Springhart auch ihre Kontakte in alle Welt. Davon erzähle ich genauer in ein paar Minuten.

Geist macht offen, experimentierfreudig und solidarisch

Heike Springhart ist Pfarrerin in Pforzheim mit Kontakten in viele Länder. Sie lebt, was Pfingsten bedeutet: Kirche ist vor Ort und verbindet Menschen in der ganzen Welt im Geist Jesu. Dann kann man nicht anders, man guckt über den deutschen Tellerrand hinaus. Ein Freund aus Hongkong zB. hat sie schon im März gefragt, ob sie genug Atemmasken hat.

Der schrieb also ganz besorgt. Und ich habe das dann abgewiegelt und gesagt: ‚ne das brauchen wir hier nicht.‘ Der hat dann trotzdem ein Päckchen geschickt, was ich ein sehr berührendes Zeichen von Fürsorge fand. Wir hatten dann einen kurzen Austausch darüber, wo ich dann gesagt hab: ‚bei uns sagen sie sowieso, die Masken nützen nichts.‘ Wo er dann sehr ungerührt antwortete: ‚ist ja klar, ihr habt ja eh nicht genug‘

Und wie er sich um sie gesorgt hat, sorgt sie sich jetzt um die Menschen in Hongkong. Wo die chinesische Regierung Druck ausübt, Meinungsfreiheit und Demokratie beschneidet. Genauso geht ihr Blick in die USA.

Geschockt hat mich ein Telefonat mit meiner Freundin Sarah aus Chicago, die deutlich beschrieben hat. Es sterben vor allem die African Americans. Das hat für mich auch noch mal den Blick dafür geschärft wie auch soziale Spaltungen durch diese Situation verschärft werden.

Jesus war immer für die Schwächeren da. Eine Kirche, die von seinem Geist geprägt ist, schaut, wie geht es den Schwächeren. Und dann merkt man: ein Satz wie ‚vor Corona sind alle gleich‘, ist eine Lüge. Gottes Geist macht kritisch. Mehr noch freut sich Heike Springhart über das Positive, was er bewirkt.

Diese Explosion von Kreativität und Experimentierfreude. Und die hat für mich viel mit dem Geist zu tun. Der Glaube bedeutet für mich auch, damit zu rechnen, dass meine Lebensgeister immer wieder geweckt werden auch dann, wenn ich mal in meiner persönlichen Coronakrise bin. Das Entscheidende kommt auch nicht immer nur aus mir und meinem Planen, sondern es kommt auch von außen, auch vom Geist Gottes.

Was kann man lernen aus Corona? ZB. Braucht es je wieder so viele Sitzungen, zu der jeden Tag Tausende Leute durchs Land fahren: Politiker, Beamte, Geschäftsleute, Kirchenleute? Und eine Lehre ist ihr die Resonanz auf digitale kirchliche Angebote.

In der Gemeindesituation denken wir, wenn wir Gemeinde denken, an die Menschen, die sonntags kommen. Aber die Gemeinde ist größer und diese Situation jetzt, zwingt mich dazu, darüber hinauszudenken. Das muss auf jeden Fall bleiben.

In Zukunft könnten digitale und analoge Angebote der Kirche einander ergänzen. Dass vieles analog nicht möglich war, zeigt ihr aber auch wie wichtig es ist.

Es wird jetzt auch deutlich, welcher Schatz das ist, dass man in der Kirche zusammenkommen kann. Dass man zusammen singen kann, dass man sich umarmen kann. Dass man Abendmahl miteinander feiern kann. Für mich ist es keine Vision, das Digitale so stark zu machen, dass das Analoge am Ende hinten runterfällt.

Heike Springhart hofft, dass die pfingstliche Experimentierfreude weiterlebt. Dass Gottes Geist wirksam bleibt.

Ich will nicht vergessen diese Offenheit und Flexibilität und ich denke in diesen Tagen oft an diesen Satz, dass jeder Tag seine eigene Mühe oder Herausforderung hat und dass das reicht. Und aber eben auch, mich begeistern zu lassen und mich überraschen zu lassen. Davon was noch kommt.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=31013
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SWR3 Worte

Paulus Terwitte, Vorsteher des Frankfurter Kapuzinerklosters, liebt das Pfingstfest. Er erzählt:

„Weihnachten denken wir an das Jesuskind, Ostern an den auferstandenen Jesus. Aber Pfingsten?
Kein Bild von Gott. Wie sympathisch. Denn Pfingsten bewegt: ein mitfühlender Geist; Kraft, die im Innersten wirkt. […] Komm, Heiliger Geist, erfülle die Herzen […] und entzünde […] das Feuer Deiner Liebe – so beten Christen seit Jahrtausenden.

Dieser Ruf ist bitternötig. Denn das innere Feuer […] erlischt leicht. Es droht zu ersticken in den Strukturen des Alltags, in den Regeln und Abmachungen, die wir Menschen wohl brauchen. […]
Pfingsten bringt eine Kraft, die den inneren Antrieb steuert und zur Tat antreibt. Deshalb liebe ich dieses Fest.“

Paul Terwitte, Vom Geist Gottes beatmet. In: Andere Zeiten, Magazin zum Kirchenjahr

https://www.kirche-im-swr.de/?m=26508
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