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SWR4 Abendgedanken BW

Es ist fast sprichwörtlich geworden: Der Geist weht, wo er will.
Das kann man bedauernd sagen, wenn bei einer Veranstaltung der Funke nicht übergesprungen ist. „Tja, der Geist weht eben, wo er will!"
Man kann es voll Freude sagen, wenn Menschen sich gegen geistlose Zustände wehren und wenn sich viele davon anstecken lassen. „Zum Glück weht der Geist, wo er will. Zum Glück lässt er sich nicht einsperren. Er ist wie der Wind."
Aber was will der Geist, wenn er weht?
Wenn Gottes Geist gemeint ist, der Heilige Geist, dann will er eines auf alle Fälle:
Verstehen und Gemeinschaft.
Im Neuen Testament, am Anfang der Apostelgeschichte wird erzählt, dass die ersten Christen zu Pfingsten erleben: wir können in aller Öffentlichkeit darüber reden, was an Ostern geschehen ist, dass Gott nämlich gezeigt hat, Jesus hatte recht. Jesus hat im Namen, im Auftrag Gottes geredet und gehandelt. Wenn man die Worte und Taten Jesu und sein Leiden und Sterben bedenkt, kann man Gott am deutlichsten kennen lernen.
Und die Menschen, die den ersten Christen zuhörten, Menschen aus aller Herren Länder, merkten mit Erstaunen: Wir können sie verstehen über alle Sprachgrenzen hinweg.
Die weitere Geschichte hat dann leider gezeigt, dieses Pfingstwunder, das Verstehen über alle Grenzen hinweg, war nicht von Dauer.
Es kamen Zeiten, da hat man vor allem auf die Unterschiede geachtet und sich voneinander abgegrenzt und sich gegenseitig bekämpft.
Und manche haben dann das Wehen des Geistes schmerzhaft vermisst.
Denn sie wussten ja von der Erfahrung von Pfingsten: Wo der Heilige Geist ist, da können wir einander verstehen.
Zum Glück oder „Gott sei Dank" gibt es solche Erfahrungen immer wieder.
Wenn ich als Klinikseelsorger Menschen anderer Religionen besucht habe, überkam mich oft ein Gefühl von Nähe.
Ist nicht das, was der andere in seinem Glauben erfährt, dem nahe, was ich in meinem Glauben erfahre? Es muss nicht Übereinstimmung sein, aber doch Nähe oder so etwas wie Nachbarschaft. Gute Nachbarschaft: Man kennt sich, respektiert sich, hilft sich gegenseitig und gelegentlich feiert man auch zusammen.
Der Geist weht, wo er will. Wir können nicht über ihn verfügen. Aber man kann ihm die Tür öffnen oder die Fenster. Man kann sein Herz öffnen für die Geschichten, die er uns erzählen will und für die Menschen, die uns begegnen.
Und manchmal denkt man dann staunend: Der Geist weht ja nicht nur in unserer Kirche, nicht nur in unserer Religion! Er weht, wo er will.

 

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SWR3 Worte

In Talkshows war Wolfgang Bergmann der Spezialist für Kinderpsychologie.
Jetzt hat er Knochenkrebs und meint zur Frage nach dem Sinn des Lebens:

„Ich will jetzt noch Pfingsten erleben,
ein schönes, sonniges Pfingsten.
Und dann?
Das Grab ist für mich eine furchtbare Vorstellung.
Ich sehe überhaupt nicht ein,
warum wir uns in unserer Kultur solche Mühe geben,
alles immer enger zu machen.
Die Kinder müssen morgens schon um acht Uhr in den Kindergarten
und werden dann um halb acht in die Grundschule geschickt.
Und im Laufe des Lebens wird alles noch enger.
Und am Schluss soll ich auch noch in einem engen Kasten verschwinden.
Himmelherrgott, kann man den nicht aufmachen?"

Wolfgang Bergmann im Gespräch mit Arno Luik,
„Gibt es am Ende nur einen Schrei?";
in: „Stern" Nr. 10, 03.03.11, S.117

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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

 Guten Morgen an diesem Pfingstsonntag! - Gehören Sie einer Kirche oder einer kirchli­chen Gemeinschaft an? Dann möchte ich Ihnen heute persönlich gratulieren! Denn Pfingsten gilt als das Geburtsdatum der christlichen Kirche. Also dürfen heute etwa 2,2 Milliarden Menschen auf der ganzen Welt quasi Geburtstag feiern. Denn sie alle zusammen sind ja die Kirche.
An Geburtstagen erzählt man gern, wie es denn war, damals bei der Geburt vor vielen Jahren oder Jahrzehnten. Auch von der Kirche kennt man bis heute sozusagen die Ge­schichte ihrer Geburt. Am Anfang war ein Wort, ein Gruß: Der Friede sei mit euch! Das war das erste Wort des auferstandenen Jesus an seine Jünger. 
Es begann in einem Haus in Jerusalem, mit einer Handvoll Männern und Frauen, die selbst nicht mehr wussten, was sie denn noch glauben sollten. Vielleicht war ja was dran, an den Berichten und Gerüchten, die durch die Stadt liefen und sagten, dass Jesus wieder lebe. Dann hatten sie allen Grund, sich bedroht zu fühlen. Denn die Machthaber würden so was nie und nimmer dulden. Mit der Hinrichtung wollten sie Jesus ja ein für allemal zum Schweigen bringen. So sind die Freunde vorsichtig geworden, haben sich eingeigelt, hin­ter verrammelten Türen, verunsichert und verängstigt. Und auf einmal ist alles anders. Auf einmal steht Jesus vor ihnen. Anders als sie ihn kannten und doch ohne jeden Zweifel er selbst. Und in all die zweifelnde Mutlosigkeit hinein fällt das Wort vom Frieden. 
Das Gegenteil von Frieden ist nicht der Krieg, sondern die Angst. Die Angst, aus der her­aus alles Mögliche entstehen kann, auch der Krieg und alle seine Ableger, die Unter­drückung, die Bewaffnung, die Drohung mit Gewalt. Auch die Angststarre, die einen läh­men kann und jede Bewegung unmöglich macht. 
Manchmal meine ich fast, meine Kirche sitzt heute wieder in jenem engen Zimmer in Jeru­salem, ängstlich und ratlos. Ich sehe sie vor mir, wie sie sich einschließt mit ihren Schät­zen an Glaubenssätzen und Traditionen, damit ihr die ja nicht gestohlen werden oder in den Dreck gezogen. Und ich frage mich: Wovor haben wir solche Angst? Haben wir etwa vergessen, dass in unserer Gründungsurkunde das Wort vom Frieden steht?
Ich wünsche Ihnen ein schönes Pfingstfest - friedlich und angstfrei. Und unseren Kirchen wünsche ich, dass es für sie wirklich Pfingsten wird. Dass sie sich nicht von ihrer Angst leiten lassen, sondern der Verheißung des Friedens trauen. 

 

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

An Pfingsten ist Gott am Zug. Manchmal vielleicht sogar im Zug. Jedenfalls habe ich das gerade so erlebt.
In Hannover steige ich in den ICE. Neben meinem reservierten Platz sitzt ein Mann und sagt. HALLO!
Er hat schwarze Haut. Ich weiße. Wir fahren los.
Er schläft, ich lese. In Göttingen wacht er auf. und sagt: HALLO AGAIN! Wir lächeln und es geht weiter.
In Kassel halten wir länger. Viele steigen aus. Wir nicht. Mit Verspätung fahren wir weiter. Wider vertiefe ich mich in meine Kirchendokumente.
Und plötzlich schläft mein Nachbar nicht mehr, sondern schaut mir so quer in meinen Lesestoff, so wie man jemanden in die Karten schaut, und plötzlich fragt er:
„you are a christian?" Sind Sie ein Christ?
Ich gestehe sofort und freiwillig und sage: „Yes, I am!"
Da ist es, als sei dieser junge Mann erst jetzt zum Leben erwacht, so präsent, so wach, so unglaublich strahlend.
Und ab sofort nimmt es kein Ende mehr. Er erzählt von seiner afrikanischen Heimat, von seiner Arbeit in der Botschaft seines Landes hier bei uns, von der Entwicklungshilfe der Mission in seiner Heimat:
Schulen, Gesundheitswesen, Infrastruktur, alles sei bei ihm zuhause durch die  Hilfe von Christen entstanden. Und er sei dankbar. Niemals wäre er hier ohne diese Unterstützung.
Es sprudelt nur so aus ihm heraus. Ich verstehe noch nicht mal die Hälfte. Die Mischung aus Englisch und Suaheli ist aber auch wirklich nicht leicht.
Aber ich verstehe genug, um mich mit ihm zu freuen.
Ich erzähle von meinem Beruf als Pfarrer und dass es Mission auch in meinem Lande gibt und wie sehr wie Leute wie ihn brauchen, um weiter begeistert von Gott zu sein.
In Frankfurt steigt er aus. Wir verabschieden uns. Er segnet mich. Und ich ihn.
Unser gemeinsamer Glaube hat unsere zufällige Fahrgemeinschaft zu einer mitreisenden Glückserfahrung gemacht. Und das wenige Tage vor Pfingsten, wo es doch um die Begeisterung für Gott und füreinander geht.
Damit endlich zum Zug kommt, was uns fehlt auf der Welt, wenn auch verspätet.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

Die Kirche hat Geburtstag. Übermorgen. Pfingsten ist nämlich am Sonntag. Rund 2000 Jahre ist das her. Wenn manche Leute meinen,  die Kirche sähe ganz schön alt aus, dann muss man dazu sagen:
Sie ist es auch.
Als sie auf die Welt gekommen ist, da war das eine ziemlich schwere Geburt.
Sie war nämlich nicht nur sehr klein, sondern auch ziemlich ängstlich. Aber wer ist das nicht, wenn er klein ist.
Aber an Pfingsten schließlich, dem 50. Tag nach Ostern, da war es dann soweit.
Da wurde aus einem kleinen Häufchen Elend eine richtig mutige Bewegung.
Petrus hatte den Leuten in Jerusalem von Jesus erzählt und von seiner Auferstehung von den Toten.
Und da auf einmal waren alle Feuer und Flamme für diesen Glauben und ließen sich taufen, es heißt 3000 Leute auf einmal mindestens.
Und schon war die Kirche da, um das Licht der Welt zu erblicken und seitdem ist sie nicht mehr wegzudenken.
Immer mehr ist sie gewachsen, hat sich ausgebreitet, sich entwickelt, nicht immer zum Vorteil, manchmal hat sie auch ganz schwierige Phasen gehabt, aber Gott hat auf sie aufgepasst, wie ein guter Vater das eben macht und so ist sie bunt und vielseitig geworden.
Durch seinen Geist beflügelt hat sie sich auf der ganzen Welt verteilt, hat jede Menge Geschwister bekommen, die sich zwar von Weitem irgendwie ähnlich sehen, aber doch sehr, sehr unterschiedlich geworden sind.
Das Gute daran aber ist, dass Gott mit allen so redet, dass sie es in ihrer Muttersprache verstehen können.
Es gibt nicht eine Einheitssprache des Glaubens, kein Kirchen -Esperanto.
Ehe es so etwas wie eine Einheit der Kirche geben kann, soll und darf und muss es den eigenen Dialekt geben, das eigene Verstehen, das Selbstverständnis meines ganz eigenen Glaubens.
Wir glauben nicht im Gleichschritt, nicht auf Kommando, sondern unterschiedlich, so, wie wir es verstehen können.
Gott leistet sich eine Polyphonie, eine vielstimmige Kirche, mit hochwürdigen und merkwürdigen und denkwürdigen Eigenschaften.
Da kann man doch nur gratulieren, zu diesem Geburtstag!

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SWR4 Abendgedanken RP

Das Geduldsspiel kennen alle - vor allem Autofahrerinnen und Autofahrer. Es heißt: Stau. Uns hat es vor einigen Tagen erwischt. Auf der Heimfahrt von einer Familienfeier. Es war ein schönes Fest, alle waren satt gegessen und guter Stimmung. Und dann: Ein großer, blinkender Pfeil, Warnschilder. Ab da schleichen wir vorwärts. Und ich werde immer ärgerlicher.
Irgendwann war dann auch dieser Stau zu Ende, die Fahrt ging weiter. Aber mein eigener Ärger ist mir noch nachgegangen. Da komme ich in eine Situation, in der ich nichts ändern kann. Und trotzdem bin ich sauer, verderbe mir selbst die Stimmung.
Das erlebe ich nicht nur auf der Autobahn. Es dauert ewig an der Supermarktkasse - und ich stehe natürlich wieder mal an der längsten Schlange; die endlose Warteschleife am Telefon - und keiner ist zu erreichen; der Zug, der im Bahnhof stehen bleibt, weil ein Signal gestört ist. Situationen, die ich nicht ändern kann. Manchmal tut es gut, wütend zu werden. Oft aber ist es besser zu fragen: Wie kann ich aus der Situation das Beste machen?
In wenigen Tagen feiern Christen das Fest Pfingsten. Vor 2000 Jahren steckten die ersten Christen auch in einer Situation, die nicht zu ändern war. Jesus war tot, der Jesus, in den sie alle ihre Hoffnungen gesetzt hatten. Die Jünger trauerten. Dann aber werden sie - die Bibel sagt: Vom Geist Gottes - angestoßen, aus ihrer Trauer auszubrechen. Ihre Situation neu anzusehen. Und sie entdecken: Dieser Jesus und seine Botschaft begleiten uns immer noch. Auch nach seinem Tod. Und dann rappeln sich Freunde Jesu auf, erzählen allen von ihrem Glauben, fangen ein neues Leben an.
Im Stau geht es um viel weniger. Aber auch da gibt es manchmal Situationen, wo sich ein neuer Geist Bahn bricht. Da winken sich Kinder von Auto zu Auto zu. Da wechselt man ein paar Worte mit dem Fahrer nebenan - während wir zusammen darauf warten, dass es weiter geht. Und plötzlich wird der ärgerliche Stau unwichtig. Ein neuer Geist weht. Und da lässt sich unverhofft auch mitten auf der Straße Pfingsten heute erfahren.

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SWR2 Wort zum Tag

Es kracht im Gebälk. Keine Frage. Über 300 Theologen melden sich kritisch zu Wort, die Bischöfe beraten kontrovers und können sich nur auf den kleinsten gemeinsamen Dialognenner einigen, die Gemeinden schwanken zwischen resignativer Ergebung und mutigem Aufbruch.. Der Problemstau ist immens. Wer sich nicht längst verabschiedet hat oder innerlich auf Distanz geht, steht betroffen vor dringlichen Fragen.
Keine Zeit im Kirchenjahr ist so geeignet, sich solchen Fragen zu stellen wie diese jetzt. Gerade haben wir Christi Himmelfahrt gefeiert, Jesus hat demnach endgültig sein Ziel erreicht und ist uns vorausgegangen. Pfingsten steht noch bevor, derHeilige Geist ist noch nicht ausgegossen. Diese 10 Tage zwischen Himmelfahrt und Pfingsten sind eine förmlich geistlose Zeit. Nie ist schmerzlicher zu spüren, wie sehr uns Gottes Geist noch fehlt und: wie wenig Raum wir ihm geben. „Komm herab, o heiliger Geist, / der die finstre Nacht zerreißt, / strahle Licht in diese Welt." So heißt es in einem bald tausendjährigen Hymnus. In der Tat: Nichts haben wir nötiger als diesen Geist Gottes, der die finstre Nacht zerreißt und der Kirche zu einer erneuerten, reformierten Gestalt verhilft.
Mit Schönheitsreparaturen ist es nicht getan, mit schnellen Lösungen auch nicht, wer hätte die schon. „Was befleckt ist, wasche rein, /Dürrem gieße Leben ein, / heile du, wo Krankheit quält." Wer dächte da nicht an die bitteren Sexskandale, aber auch an die verbreitete Kirchenmüdigkeit? Wer hätte nicht selbstkritisch zu fragen, wie es mit seinem Christsein steht? Wie vieles scheint tatsächlich dürr und vertrocknet, krank und kränkend. Aber der Geist ist lebendig und er macht lebendig. Unter der Asche ist Feuer. Mag es im Gebälk krachen, mag manches zusammenkrachen, der pfingstliche Geist ist die Energie des Anfangs vom Ursprung her, vom Grund. „Wärme du, was kalt und hart, / löse, was in sich erstarrt, / lenke, was den Weg verfehlt. // Gib dem Volk, das dir vertraut, / das auf deine Hilfe baut, / deine Gaben zum Geleit." Die Kraft des Osterglaubens zeigt sich in diesem Schrei nach dem heiligen und heilenden Geist. Er ist dort lebendig, wo Christenmenschen der Versuchung zur Resignation widerstehen und weder bitter noch gleichgültig werden. Er wirkt dort, wo er mitten hineinführt in die Weglosigkeiten der gegenwärtigen Situation und uns doch Mut macht, neue Wege zu suchen und zu gehen

 

 

 

 

 

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SWR2 Zum Feiertag

Thomas Weißer und Prof. Pater Dr. Edward Fröhling

Weißer: Heute feiern die Christen das Fest Christi Himmelfahrt. Vierzig Tage nach Ostern. Ein merkwürdiges Fest. Da geht dieser Jesus, der ja übrigens vom Tod auferstanden ist, mit seinen Freunden in einen Garten. Und dann fährt er doch relativ unvermittelt in den Himmel auf. Was daran zu glauben sein kann, darüber spreche ich mit Pater Edward Fröhling von der Philosophisch-Theologischen Hochschule in Vallendar bei Koblenz. Um gleich mal provozierend einzusteigen: Glauben Sie an die reale Himmelfahrt Jesu? 

Fröhling: Ich würde schon sagen, dass ich an die Himmelfahrt glaube, auch wenn es mir etwas schwer vorzustellen ist, dass Jesus auf einer Wolke sozusagen nach oben abgefahren ist. Sondern Himmelfahrt heißt für mich eher, in eine wie auch immer geartete neue Weise des Daseins zu kommen.

Weißer: Das ist sehr stark eine symbolische Deutung. Symbolik ist in der Geschichte ja auch mit Händen zu greifen. 40 Tage nach Ostern. 40 ist ja eine wichtige Zahl, die vollgeladen ist mit Symbolik. Warum glauben Sie, warum diese 40 so betont wird?

Fröhling: Die 40 ist in meinem Denken eher so ein Symbol wirklich für eine Hungerzeit. Ja, die 40 Jahre Israels in der Wüste, an die man denken kann. Ja, eine Zeit, würde ich sagen, nach Ostern, auch der Verzweiflung, des Wartens, des Nicht-weiter-Wissens der Jünger. Also eine Durst- und Hungerzeit wirklich.

Weißer: Aber dieser Jesus ist doch bei seinen Freunden und verlässt sie dann erst. Wie passt das zusammen mit der Vorstellung einer Durst- und Hungerzeit?

Fröhling: Der taucht immer mal wieder auf, aber verschwindet auch wieder. Und wirklich glauben können sie das ja nicht. Also, das finde ich schon auch eine große Zeit des Zweifelns, des Suchens, des Verstehen-Wollens. Und im Grunde endet diese Zeit ja erst noch mal zehn Tage später - natürlich auch wieder symbolisch - mit Pfingsten. Mit dem Herabkommen des Geistes und einem neuen Aufbruch.

 Weißer: Zunächst einmal ist der Aufbruch der von Jesus. Jesus, der die Jünger verlässt. Und dazu gehen sie, so erzählen es die biblischen Berichte, außerhalb der Stadt. Sie gehen in einen Garten, sie gehen auf den Ölberg. Welche Symbolik steckt für Sie darin, dass die Geschichte um Himmelfahrt draußen passiert und nicht im Haus?

 Fröhling: Ich glaube, im Haus kann das schwer passieren. Sozusagen unter einem verrammelten Himmel oder umgeben von Mauern glaube ich, kommt man in diese neue Art mit Gott zu leben nicht hinein. Sondern da braucht man Freiheit zu atmen und Freiheit zu denken. Auch die Natur als Raum der Begegnung mit Gott. Und auf der anderen Seite sind in der Tradition die zwei Orte, die für die Himmelfahrt gehandelt werden, zentrale Orte auch für das Leben mit Jesus, für sein irdisches Leben. Der Ölberg auf der einen Seite oder auch der Berg der Seligpreisungen in Galiläa. Wo man genau weiß: Da sozusagen pulsiert das jesuanische Leben.

 Weißer: Wenn die Erfahrung Gottes, die Erfahrung Jesu so stark an Orte außerhalb der eigenen vier Wände gebunden ist, was kann das dann bedeuten? Heißt das: Gott ist ein Gott, der vor allem in der Natur anzutreffen ist?

 Fröhling: Ich glaube nicht, vor allem in der Natur, auch in der Natur. Aber für die Gottesbegegnung hilft es, glaube ich, den Blick und die Gedanken frei zu haben. Ich würde sagen, einen Atemraum der Freiheit zu haben. Und das geht in vermauerten Kirchen selten.

 Weißer: Das ist natürlich ein spannendes Thema, weil ja unsere Liturgie, unser Gottesdienst sehr stark auch an diesen Gottesdienstraum gebunden ist. Ist da Himmelfahrt möglicherweise eine Perspektive, zu sagen, eigentlich findet Glaube noch an vielen, vielen anderen Orten statt, wie nur in den Kirchen?

 Fröhling: Das sicherlich. Zum Beispiel die Heilige Theresa, die betont immer, dass der Himmel eigentlich überall ist, wo Gott wohnt. Und damit überall sein kann. Ich glaube, es ist auch kein Zufall, dass die Himmelfahrtsgottesdienste oft ökumenisch gestalten sind, dass sie im Freien stattfinden, also außerhalb der Kirchenräume. Hier in Vallendar ist das auch so. Mit Posaunenchor oben auf dem Berge.

 Weißer: Ich finde das spannend, auf der einen Seite zu sagen, Himmel ist überall, also auch in verschlossenen Räumen, umgekehrt aber, glaube ich, braucht es doch diese Erfahrung, wirklich den offenen Himmel über sich zu haben, in der Natur zu sein, Freiraum zu haben. Ist da diese Komponente, ich spüre wirklich, dass da so ein offener Raum ist, ist die nicht wichtig für das Glaubensleben und nicht nur zu sagen, Himmel ist überall und den kann ich auch in meinem kleinen Raum sozusagen finden?

 Fröhling: Ich würde sagen, das, was ich unter freiem Himmel spüren und erleben kann, im Idealfall würde ich das natürlich dann auch mit in den geschlossenen Raum nehmen.

 Weißer: Wie geht das denn, den freien Himmel in den geschlossenen Raum, in die eigenen vier Wände zu retten, wie Sie sagen?

 Fröhling: Ich finde, das heißt vor allem, sich diese Freiheit des Denkens, die Weite der Perspektive zu erhalten, sich auch dem Fremden auszusetzen. Sich eben nicht nach rechts und links zu schützen, gegen das Fremde oder das Unerwartete. Sondern wirklich diesen klaren, freien Blick zu behalten. Und das kann man, glaube ich, auch in der Kirche.

 Weißer: Wie machen Sie das für sich: den klaren, freien Blick behalten? Haben Sie da besondere Übungen oder Techniken oder kommt das von allein?

 Fröhling: Von alleine kommt das nicht. Für uns, in unserer geistlichen Tradition ist das vor allem die Zeit der Exerzitien. Aber auch da gehen wir ins Grüne. Da geht man wirklich weg.

 Weißer: Ist das nicht aber ein Problem, dass Glaube sich, in sage mal in Anführungszeichen, leichter tut, außerhalb der Stadt, außerhalb dessen, wo Menschen verdichtet aufeinander leben und Natur wenig Platz hat. Und heute leben aber viele Menschen in Städten, wohnen nahe aufeinander und man hat den Eindruck, Glaube findet da keinen Platz mehr. Müssen wir da nicht neue Ideen entwickeln, um Glauben auch in die Stadt, in die Enge zu bringen. Und nicht nur immer auf die Natur zu verweisen?

 Fröhling: Das, glaube ich, stimmt. So Projekte gibt es ja auch. Also in Köln, die Brüder und Schwestern von Jerusalem versuchen das ja - monastisches Leben in der Stadt ausdrücklich. Also Arbeit und kontemplatives Leben zu verbinden. Es ist aber in der Stadt wirklich schwieriger. Das erlebe ich selber auch so - im Gewühl und im Gedränge. Und auf der anderen Seite lebt der Glaube von der verbindlichen Gemeinschaft. Also ganz ohne Mauern und Versammlung und Gedränge und Austausch kann Glaube, glaube ich, nicht überleben.

 Weißer: Und was erzählt dann Christi Himmelfahrt für den Glauben von Menschen heute? Was denken Sie?

 Fröhling: Für mich ist das Wichtigste an Himmelfahrt eigentlich der Segen, den Jesus hinterlässt. Also, dass er nicht  in die Wolken abfährt, sondern im Sich-den-Blicken und Sich-dem-Zugriff-Entziehen eigentlich neu erfahrbar wird - und das Versprechen seiner dauernden, vielleicht auch unsichtbaren Begleitung seinen Jüngern hinterlässt.

 Weißer: Wenn Christi Himmelfahrt ein Fest ist, dass sehr stark mit der Erfahrung draußen verbunden ist, könnte das auch etwas darüber erzählen, dass dieser Gott einer ist, der für verschiedene Wetter sozusagen gemacht ist? Also ein Schönwetterglaube aber auch, was man draußen erlebt, Sturm, schlechtes Wetter, Regen?

 Fröhling: Das denke ich schon, das ist sozusagen die Kehrseite des schönen, offenen Himmels. Das bedeutet natürlich gleichzeitig auch Ausgesetzt-sein und Ausgeliefert-sein dem Wandel und leider auch dem Unbill des Wetters. Da kann ich nicht garantieren, dass ich ein schönes, gesichertes Leben habe, was man sich in seinen eigenen vier Wänden wenigstens teilweise noch zusammenzimmern kann.

 Weißer: Das Fest Christi Himmelfahrt ist ein Fest, in dem nicht nur heiter Sonne sozusagen ist, sondern in dem Menschen auch Abschied nehmen, in dem sie traurig sind. Wenn wir einen ökumenischen Gottesdienst draußen auf der Wiese feiern, spielt das erst einmal keine Rolle. Wie passt das zusammen: Dieses Glauben unter offenem Himmel und der Abschied?

 Fröhling: Ich glaube, es heißt, sich verabschieden von Jesus, in Anführungszeichen, in der einen Form. Also, dass ich ihn als greifbaren Menschen bei mir habe, rein körperlich. Das ist, würde ich sagen, die traurige Seite, dieser Abschied vom irdischen Jesus. Und auf der anderen Seite ist es zu lernen, Gott auch ohne diese greifbaren Erscheinungsformen begegnen zu können: Im konkreten Leben, in den Unbillen des Lebens, im Wechsel des Wetters, auch in der Natur. Also ich glaube, Pfingsten und Himmelfahrt gehören wirklich eng zusammen. Eugen Biser betont das oft, dass Christus nicht nur eigentlich in den Himmel abfährt, sondern gleichzeitig wie in einer Doppelbewegung sich in der Schöpfung neu einnistet könnte man sagen, da neu Wohnung nimmt: In unserem Leben, in unserem Herzen, aber eben auch wirklich in der ganzen Welt, wo ich ihm dann begegnen kann.

 Weißer: Professor Pater Dr. Edward Fröhling von der Philosophisch-Theologischen Hochschule in Vallendar bei Koblenz. Vielen Dank für das Gespräch.

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SWR3 Gedanken

23MAI2010
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Pfingsten ist der Feiertag der Angsthasen. Alle Jünger Jesu waren zusammengekommen. Ratlos. Wie soll es weitergehen? Die jüdischen Behörden wollten keine neue Religion. Deshalb musste Jesus sterben. Würden jetzt auch sie, die Jünger verhaftet, verfolgt, getötet? Sollten sie alles vergessen was Jesus ihnen gesagt hatte? Zurück an ihre Arbeit gehen? Keiner wagte sich nach draußen. Jeder sagte sich nur: Das schaffe ich nicht. Ich habe ja nicht die Kraft und das Auftreten von Jesus. Ich bin doch nur ein Fischer, ein Bauer, ein einfacher Mensch.

In diese Situation hinein gibt es einen Knall. In der Bibel heißt es: „Ein Brausen wie von einem heftigen Sturm erfüllte das ganze Haus und es erschienen ihnen Zungen wie von Feuer. Auf jeden von ihnen ließ sich eine Feuerzunge nieder. Alle wurden mit dem heiligen Geist erfüllt.“

Mit dem Bild vom Sturm und vom Feuer wird ein psychologisches Phänomen beschrieben. Die Jünger legen ihre Angst ab und fühlen sich plötzlich voller Kraft und Tatendrang. Aber: nicht als einzelner, als Individuum, sondern als Gruppe. Über jedem von ihnen gibt es eine Feuerzunge. Alle werden vom Geist erfüllt.

Und als Gruppe verlassen sie schon bald das Haus und beginnen zu predigen. Sie setzen Jesu Werk fort und verbreiten tatkräftig das Christentum.

Pfingsten hat den Jüngern gezeigt, dass sie die Last der Welt nicht alleine tragen müssen, sondern eine Gemeinschaft bilden. Der Geist Gottes hat sie quasi mit Feuer zusammengeschweißt.

Wer glaubt, er muss alles alleine schaffen bekommt schnell Angst und steckt den Kopf in den Sand: „Kann man ja eh nix machen.“  Wer dagegen den Geist einer Gemeinschaft spürt: in der Familie, im Kindergarten, in der Schule, im Wohnviertel, der Stadt, dem Land, der Welt: der spürt den Geist Gottes: Gemeinsam können wir die Probleme in unserer Welt anpacken.

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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

01JUN2009
DruckenAutor*in
Pfingsten war in vorchristlicher Zeit ein Erntefest, bei dem die Erstlingsgaben des Getreides als Dank Gott dargebracht wurden. Es wurde 50 Tage nach dem jüdischen Pessachfest gefeiert.
Christen feiern Pfingsten 50 Tage nach Ostern, dem Fest der Auferstehung Jesu.
Es ist das Fest des Heiligen Geistes. Und mit dem tun sich viele schwer, weil er nicht zu fassen, kaum be-greif-bar ist.
Wollen wir dem Heiligen Geist auf die Spur kommen, brauchen wir keine dicken Lexika zu wälzen. Es genügt, dass wir die Bibel aufschlagen. Da wird der Heilige Geist, der Geist Gottes, sehr konkret beschrieben. Und immer ist er so etwas wie „die Kraft von oben“.
Das interpretiert der geistliche Schriftsteller Wilhelm Willms so:

„die frage ist
wo ist oben
was ist oben
wer ist oben

denn je nachdem
was bei uns oben ist
kann man sich ausrechnen
was auf uns herabkommt
welcher geist

ist das geld oben
kommt der geist des geldes
auf uns herab

ist die wirtschaft oberstes prinzip
kommt dieser geist auch auf uns herab
und über uns

ist jesus für uns oben
dann kommt auch der geist jesu
auf uns herab“.

Für Christen ist der Heilige Geist der Geist Jesu. In der Synagoge zu Nazareth sagt er, dass sich diese Worte des Propheten Jesaja in ihm erfüllen: „Der Geist des Herrn ruht auf mir, er hat mich gesandt, den Armen eine Gute Nachricht zu bringen, den Gefangenen die Entlassung zu verkünden und den Blinden das Licht, den Zerschlagenen Freiheit und ein Gnadenjahr des Herrn auszurufen“(Lukas 4,17-21).
Daran erkennt man also den Heiligen Geist, aus dem Jesus lebt und handelt: er will heilen und Menschen zum Leben ermutigen.
Als der Auferstandene teilt Jesus davon den Jüngerinnen und Jüngern mit: „Friede sei mit euch, empfangt Heiligen Geist“.
Dieser Geist macht ihnen Beine. Aus Abgeschlossenheit und Angst entsteht Bewegung. Die so Beschenkten gehen auf andere zu. Sie können begeistern. Sie finden eine Sprache, die auch andere verstehen können.
Wenn Menschen aus ihrer Enge ausbrechen, einander Gutes tun, uneigennützig helfen, einander vergeben und verzeihen, in Liebe zueinander finden, dann ist Gottes Geist am Werk.
Auch heute.

Pfarrer Bernd Panizzi aus Heidelberg, von der Alt-Katholischen Kirche.

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