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SWR2 Zum Feiertag

24MAI2021
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Schwester Philippa Rath copyright Foto: Christopher Hoffmann

Schwester Philippa Rath, Sie sind seit über 30 Jahren Benediktinerin in der Abtei Sankt Hildegard in Rüdesheim - Eibingen, Sie haben Theologie studiert, außerdem auch Geschichte und Politikwissenschaften. Und sie haben ein Zusatzstudium in Logotherapie und in Existenzanalyse. Um die Existenz, ums Eingemachte, da  geht es ja auch heute am Pfingstfest. In der Apostelgeschichte wird ja beschrieben, dass der Heilige Geist an Pfingsten auf alle herabkam, die zu Jesus gehörten. Der Heilige Geist als die Kraft mit der Gott in dieser Welt wirken will. Und es entsteht eine große Dynamik, deshalb gilt Pfingsten ja auch als der Geburtstag der Kirche. Sie haben in einem Interview kürzlich gesagt: „Ich liebe meine Kirche und ich leide an ihr“.* Was lieben Sie an ihrer Kirche?

Die katholische Kirche ist meine Heimat. Das finde ich ganz wichtig. Ich liebe die Heilige Schrift, die Botschaft der Bibel, das Zeugnis und das Vorbild Jesu. Ich liebe auch die Liturgie von Kindheit an, bin gerne immer in die Kirche gegangen, das sich Hinwenden zu Gott und leben aus Gottes Liebe und im Vertrauen auf Gottes Beistand.    

Und warum leiden Sie dann auch an der Kirche?

Die Kirche ist ja eine Institution, die immer neu – denke ich – die Botschaft in der jeweiligen Zeit in der wir leben verkünden muss. Ich glaube die Frauenfrage ist eine existentiell wichtige Frage für die Zukunft der Kirche. Mehr als die Hälfte aller Katholiken sind Frauen. Und sie leiden daran, dass sie überall an Grenzen stoßen, dass sie keinen Zugang zu den Weiheämtern in der Kirche haben und damit auch nicht zu den Leitungsämtern, also nicht gestalten, mitgestalten können, mit die Verantwortung tragen. Und ich denke wir leben in einer Zeit, in der es selbstverständlich ist, dass Frauen und Männer gleichberechtigt sind und genau dieses würde ich mir für unsere Kirche auch wünschen.

Viele Menschen treten aktuell aus der Kirche aus – andere bleiben in der Kirche und kämpfen für Veränderungen, wie Sie es ja auch tun, im so genannten „Synodalen Weg“, der sich in der katholischen Kirche aufgemacht hat, um Reformen und Veränderungen zu thematisieren, die jetzt anstehen. Sie sind Teilnehmerin am Synodalen Weg und zwar im Forum „Frauen in Diensten und Ämtern der Kirche“.  Und in diesem Forum geht es um Geschlechtergerechtigkeit– welche Rolle spielt da für Sie die Kraft des Heiligen Geistes?

Ich bin überzeugt, dass Jesus sehr viele Frauen in seine Nachfolge berufen hat, wenn auch der Apostelkreis selber zwölf Männer waren. Aber das begründet sich meines Erachtens mit der damaligen zeitgeschichtlichen Situation, weil Apostelamt war Zeugenschaft für Leben, Tod  und Auferstehung Jesu und die Frauen hatten in der damaligen Zeit nicht das Recht auf Zeugenschaft. Also mir ist es wichtig auf die Heilige Schrift zu schauen, auf die vielen Frauen, die berufen wurden, auch auf den Umgang Jesu mit den Frauen. Wir benutzen heute das Wort oft und gerne „Auf Augenhöhe“ miteinander sprechen und umgehen – das hat Jesus vorgelebt!  Es gibt viele wunderschöne biblische Erzählungen, wo Frauen  im Gespräch mit Jesus sind und er sie hoch wertschätzt und achtetund das ist meines Erachtens einfach im Laufe der Kirchengeschichte zu kurz gekommen und da müssen wir uns neu auf die Ursprünge besinnen.

Also der Heilige Geist auch als eine Kraft, die Menschen befähigt für Gerechtigkeit einzutreten, in dem Fall für Geschlechtergerechtigkeit?

Ja, als eine Kraft – oder als die entscheidende Kraft, die mich antreibt. Wir müssen auch offen sein für das Wirken des Geistes, der oft ganz anders wirkt und weht, als wir uns das vorstellen, also wir dürfen ihn nicht in bestimmte Positionen vereinnahmen,  sondern  - das ist das Entscheidende glaub ich - der Heilige Geist befähigt uns offen zu sein für das Wirken Gottes.

Kommen wir zu ihrem Buch: Sie hatten ja eigentlich nie vor ein Buch zu schreiben, sondern wollten für den Synodalen Weg Lebenszeugnisse von Frauen sammeln, die sich zur Priesterin oder zur Diakonin berufen fühlen. Ihr Buch heißt interessanterweise „Weil Gott es so will“**...

... genau, letztes Jahr Pfingsten hatte ich 150 Texte von Frauen in meinem Computer. Und ich muss Ihnen ehrlich sagen, das war für mich auch ein Pfingstwunder, ein Wirken des Heiligen Geistes, dass so viele Frauen sich gemeldet haben auf meinen Aufruf hin. Meine ursprüngliche Idee war einige Texte zu sammeln – Lebenszeugnisse von Frauen, die sich zur Diakonin oder Priesterin berufen fühlen. Um diese dann wiederum mitzunehmen in die Beratungen des  Frauenforums im Rahmen des Synodalen Wegs, denn ich habe dort erfahren, dass einige Amtsträger sich gar nicht vorstellen können, dass es überhaupt Frauen gibt, die sich zu diesen geistlichen Ämtern berufen wissen. Ich konnte natürlich nicht 150 Texte mitnehmen in den Synodalen Weg und so blieb eigentlich nur die Variante – wenn ich allen Frauen gerecht werden wollte – ein Buch daraus zu machen. Und so ist das Buch entstanden. Ich habe Unmengen an Reaktionen bekommen von ganz normalen Christen, aber auch von Priestern, auch sogar von Bischöfen, die sich bedankt haben für dieses Buch und die mir bestätigen, dass ihr Denken sich zumindest teilweise geändert hat. Sie sind ins Nachdenken gekommen und das freut mich natürlich ungemein,  das war ja auch meine Absicht: Bewusstseinsveränderung herbeizuführen. Das erste Ziel war die Frauen aus der Anonymität zu holen und dass sie also überhaupt darüber sprechen können. Aber das zweite, dass wir einsehen, welches Potential, welche Ressourcen, welche Charismen, welche Begabungen die Kirche links liegen lässt, indem sie die Frauen nicht gleichberechtigt beteiligt. Das heißt die Kirche, davon bin ich fest überzeugt, unsere Kirche schadet sich selbst, indem sie die Frauen nicht zu den Weiheämtern zulässt.  Ich kenne so viele Krankenhausseelsorgerinnen, die eine wunderbare Arbeit machen und am Ende die Krankensalbung nicht spenden dürfen – nur ein Beispiel von vielen.

Pfingsten ist ja auch das Fest, an dem wir feiern, dass Gottes Geist weht wo er will – deswegen würde mich interessieren: Wenn Sie in die Welt schauen, Schwester Philippa – wo sehen Sie da auch innerhalb und außerhalb der Kirche Spuren von Gottes Geist?   

Es gibt so unendlich viele Menschen auf allen Kontinenten, die sich engagieren zum Beispiel für die Menschenwürde. Die sich engagieren für die Schöpfung - „Fridays for future“. Auch jetzt in der Pandemie:es gibt auch unendlich viele Menschen, die sich für ihre Mitmenschen  eingesetzt haben und das jetzt über doch schon eine ziemlich lange Zeit. Die auch bereit waren auf Vieles zu verzichten, um die Gesundheit der anderen zu schützen.  Also ich brauche nicht weit zu schauen, ich sehe überall Gottes Geist am Werk.  

Was sind für Sie Themen wo sich Christinnen und Christen auch heute einbringen sollten in unserer Gesellschaft?

Das ist das große Feld des Themas Menschenwürde. Es ist für mich zum Beispiel eine ganz wichtige Frage: Wie gehe ich mit den alten Menschen um. Der Umgang mit Schwäche überhaupt, mit schwachen Menschen. Ich selber habe lange Jahre eine demenzkranke Mitschwester versorgt und betreut und habe da bemerkt wie auch schwerkranke Menschen, die in der Regel eher ausgegrenzt werden, mir persönlich sehr viel bedeuten können und mir auch viel geben können.

Zum Schluss Schwester Philippa: Sie haben ja auch Logotherapie studiert, also eine Form sinnorientierter Psychotherapie. Da geht es um Sinnfindung und deshalb die Frage an Sie: Was ist für Sie der Sinn des Lebens?

Ich bin überzeugt es gibt nicht den Sinn des Lebens, sondern diese Frage kann nur jede Person ganz individuell für sich beantworten. Und wenn ich Menschen begleite, dann versuche ich ihnen zu helfen ihrem eigenen Leben auf die Spur zu kommen und darin Sinnspuren zu entdecken. Auch übrigens in schwierigen Lebenssituationen. Das ist meine Erfahrung, gerade in den Krisen und Grenzsituationen habe ich sehr viel Sinn erfahren. Und ich bin ja der Überzeugung, dass wir am Ende unseres Lebens, wenn wir Gott gegenübertreten einen wunderbaren Überblick über unser Leben gewinnen und dann auch den eigentlichen Sinnfaden entdecken. Und auch wenn ich in manchen Situationen keinen Sinn sehe – oft ist es mir persönlich so gegangen, dass ich im Rückblick sehr genau erkannt habe: Das war der Sinn dieser oder jener Begebenheit, dieser Erfahrung, dieser Begegnung. Also Sinn muss sich ausbuchstabieren.

Vielen vielen Dank für das sehr interessante Gespräch, Schwester Philippa.

Gern geschehen, danke Ihnen für Ihr Interesse.

 

*vgl . https://www.kirche-im-swr.de/?page=beitraege&id=33032

 **Philippa Rath (Hg.): „Weil Gott es so will“. Frauen erzählen von ihrer Berufung zur Diakonin und Priesterin. Herder-Verlag, Freiburg im Breisgau 2021.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=33215
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SWR1 Begegnungen

Prof. Dr. Kristian FechtnerAnnette Bassler trifft Prof. Dr. Kristian Fechtner, Professor für Praktische Theologie, Mainz

Segne mich!

Was ist das eigentlich- Segen? Und was tun wir, wenn wir einander segnen? Darüber hat der Theologieprofessor aus Mainz beim Kirchentag in Berlin einen Vortrag gehalten. Ich habe ihn dort getroffen und nochmal nachgefragt: Was ist das, Segen?

Es geht wesentlich darum, dass sich Leben erneuert und dass Menschen spüren, dass Lebenskräfte durch sie durchfließen, das erleben sie draußen in der Natur in besonderer Weise, das erleben sie in Gemeinschaft. Hier auf dem Kirchentag könnte man sagen: der Kirchentag ist eigentlich ein Pfingstereignis, ein Pfingstfest.

Lebenskräfte spüren, mir geht das so, wenn ich im Garten sitze, oder durch die blühenden Wiesen wandere. Oder wenn ich liebe Menschen treffe. Das hat auch was mit Pfingsten zu tun. Ist aber nur der Anfang.

Der Volksmund sagt: Pfingsten sind die Geschenke am geringsten. Gott sei Dank, Kommerz hat Pfingsten noch nicht so recht entdeckt. Hat aber auch etwas damit zu tun, das Pfingsten für Menschen eher etwas Unanschauliches ist mit dem Geist. Was ist das eigentlich, was für eine Geschichte wird da erzählt?

Es ist eine Indoor- Geschichte. Da sitzen die Jünger ziemlich niedergeschlagen in einem Raum. Türen zu. Und auf einmal tanzen über ihren Köpfen Feuerzungen und sie sind „Feuer und Flamme“. Und durch den Raum fegt ein frischer Wind.

Das ist ein Sinnbild dafür, dass Menschen berührt werden von einem Pfingstlichen, göttlichen Geist, etwas spüren vom Leben, von der Vitalität des Lebens und wenn man das als Hintergrund nimmt, dann könnte man tatsächlich sagen, dass manche Dinge, die ganz unkirchlich heute passieren, intuitiv etwas mit dieser pfingstlichen Tradition zu tun haben.

Die Vitalität des Lebens kann man auch in Begegnungen spüren. Da ist zum Beispiel mein freundlicher Kassierer im Supermarkt. Mit seinem „schönen Tag“ oder dem „einen guten Start in die Woche“ kann er mich aus meiner Muffeligkeit rausreißen. Vielleicht ist das nur verordnete Service- Höflichkeit. Aber er macht das gern. Und zaubert mir damit ein Lächeln ins Gesicht. Warum eigentlich?

Wir sind als Menschen in der Lage, andere an unserer Kraft teilhaben zu lassen. Und das ist etwas, was Menschsein auszeichnet, aus diesen Begegnungen Kraft zu schöpfen.

Und das passiert ständig im Alltag. Aber diese Kraft ist nichts, was wir besitzen. Wir bekommen sie auch selbst und stecken andere damit an.

Menschen begegnen sich, Menschen spüren in dieser Begegnung etwas von einem Geist, der sie vereint, verbindet, trägt, motiviert. Auch sie motiviert, sich mit dem auseinanderzusetzen, was heute an der Zeit ist-

Indem wir einander segnen, stecken wir einander mit Lebenskraft und Gesundheit an. Und das passiert nicht bloß als ein Gedanke. Es passiert leiblich, durch den Körper. Segen passiert durch Augen und Hände, erzählt mir Kristian Fechtner. Das ist schön, hat aber auch einen Haken.

aber bleib mir vom Leib!

Segne mich, aber bleib mir vom Leib! Das war der Titel des Vortrags von Kristian Fechtner auf dem Berliner Kirchentag. Segen ist eine körperliche Angelegenheit. Und da braucht es ein feines Gespür für den richtigen Abstand. Denn Segen passiert mit Augen und Händen.

Der Segen ist eine Augengeste. Es gibt einen schönen Satz der Dichterin Gabriela Mistral, die sagte. „Wenn du mich ansiehst, dann werde ich schön.“ Es gibt also einen wohlwollenden Blick, der etwas leibhaftig mit uns tut. Und das gibt es eben auch im negativen.

Meine Augen und Hände können Kraft weitergeben, Mut machen, Würde verleihen. Sie können aber auch verletzen, kränken, sogar töten. Sie haben Macht. So wie die Augen und Hände der anderen für mich Macht haben können.

Wenn wir einen Segen empfangen, dann empfangen wir nicht nur Kraft, sondern dann vergegenwärtigen wir uns auch: wir sind segensbedürftig. Nicht weil wir besonders unzulänglich sind, sondern weil wir Menschen sind.

Segensbedürftig- ja, ich glaube, dass das stimmt. Am Ende des evangelischen Gottesdienstes sagt der Pfarrer deshalb: Gott erhebe sein Angesicht über dich, Gott schaue dich gnädig an. Wenn ich mich vor Gott stelle in meiner ganzen Bedürftigkeit-

Dann sind solche Segenssituationen auch Scham Situationen. Also Situationen in denen wir Schutzzäune errichten, wir wollen nicht alles zeigen von dem, was uns ausmacht.

Weil wir unsere Würde schützen wollen.  

Und von daher heißt das, wenn der Segen eine so enge Beziehung schafft, einen so engen Austausch, dann braucht es auch Mindestabstände.

Beim Segnen ist es wichtig, den richtigen Abstand einzuhalten. Einander nicht unter Druck setzen, dass man sich doch mehr öffnen oder zeigen sollte. Beim Segnen hat Druck nichts zu suchen.

Menschen haben ein sehr genaues Gefühl dafür, welche Mindestabstände sie in solchen  intimen Situationen, die zugleich öffentliche Situationen sind, brauchen. Und da sitzt manch einer gern hinter der Säule-

wenn am Ende eines Gottesdienstes gesegnet wird. Das ist in Ordnung. Deshalb spricht der Pfarrer den Segen auch vom Altar aus- aus sicherer Entfernung.

Ich glaube, dass zu unserer Segenspraxis dazugehört, dass wir sehr aufmerksam mit solchen Distanzbedürfnissen umgehen, sie nicht überspringen, sie nicht ausblenden, weil Menschen erleben das sonst als etwas Zudringliches.

Zum Schluss frage ich Kristian Fechtner nach seiner wichtigsten Segenserfahrung. Da erzählt er von einem Gottesdienst, bei dem die Kinder aus dem Kindergarten in die Schule entlassen werden. Und in diesem Gottesdienst haben sich die Kinder, auch die Tochter von Kristian Fechtner, vor ihren Eltern aufgestellt und haben sie gesegnet, mit erhobenen Händen.

Dass sie das können, weil sie nicht ihren eigenen Segen mitgeteilt haben, sondern ihren Segen Gottes für mich, das hat mich umgehauen.

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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Heute ist Pfingsten. Umfragen sagen: Alle Deutschen wissen, dass Pfingstsonntag und Pfingst­montag Feiertage sind. Aber die Hälfte weiß nicht, warum. Dabei ist Pfingsten eines der wichtigsten christlichen Feste.

Ich glaube, das Pfingstfest ist so unbekannt, weil das, was damals passiert ist, so unbegreiflich ist. Die Bibel erzählt, wie Gott seinen Geist in die Welt sendet und ihn in einem gewaltigen Sturm in die Herzen der Menschen gießt. Das klingt tatsächlich wunderlich. Und das sah wohl auch wunderlich aus. Die Menschen, die damals von Gottes Geist ergriffen worden sind, wurden anders. Aber wieso? Den Geist Gottes selbst kann ja niemand sehen. Das ist wahrscheinlich das Problem dieses unbekanntesten christlichen Festes.

Dabei kann man Pfingsten durchaus greifbar machen – und das auf wunderschöne Weise! Ich habe das in Rom erlebt. Im Pantheon, einer der schönsten Kirchen der Welt. Sie hat eine riesige Kuppel mit einer 9 Meter breiten Öffnung zum Himmel. Und genau durch diese Öffnung fallen jedes Jahr beim Pfingstgottesdienst Millionen von Rosenblättern herunter. Alle Blicke der Gottesdienstbesucher sind zum offenen Himmel gerichtet. Hände greifen nach den Rosenblättern, pflücken sie vom Boden, von Haaren und Schultern. Die Rosenblätter stehen für den Geist, den Gott in Feuerzungen vom Himmel herab­ ge­sendet hat. Und die Aufre­gung der Besucher erinnern an die Jünger, die von Gottes Geist  begeistert wurden. All das hat tatsächlich etwas vom Pfingstgeschehen, von dem die Bibel berichtet.

Ich finde es großartig, wie diese römische Zeremonie Pfingsten lebendig werden lässt. Und ich frage mich, ob wir nicht davon lernen können. Denn schließlich gab es den Rosenregen schon in den ersten Jahrhunderten in vielen Kirchen. Das ist nur vergessen worden.

Schade eigentlich. Denn gerade weil der Geist eine unsichtbare Macht ist, die Gott uns Menschen schenkt, ist es wichtig, ihn „begreifbar“ zu machen. So wie beim Rosenregen. Da merke ich: Gottes Geist ist nichts Unbegreifliches. Gott berührt mich tatsächlich durch seinen Geist. So wie die Rosenblätter meine Haut berühren. Und er wirkt, unsichtbar zwar, aber durchaus spürbar: er tröstet mich, wenn ich ängstlich bin, er stärkt mich, wenn ich mich schwach fühle, er rüttelt mich auf, wenn ich mich verrannt habe.

Vielleicht pflücken Sie sich heute auch ein Rosenblatt ab: damit sie sich immer daran erinnern, dass diese unsichtbare Macht Gottes da ist – auch in Ihrem Leben.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=22009
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SWR2 Lied zum Sonntag

.Der Gottesgeist weht wie ein Wind,

er kommt auf Friedensflügeln.

Wie Atem, der lebendig macht,

weckt er die Unrast innen,

die manchmal Sturm zu werden wagt,

Gewalt und Bosheit laut verklagt.

Er kühlt als frische Brise

 

2.Und wie ein Feuer ist der Geist

Mit heißen Flammenarmen

Erstickt er, was dem Unrecht dient,

und glüht doch voll Erbarmen.

Ist Hoffnungsfunke, der noch blinkt,

ein Licht, das wartet, das uns winkt,

ein Glanz in Herz und Augen.

Ev. Gesangbuch Nr. 566  von Marijke Koijk-de Bruijne aus der Sammlung Evas Lied (1984) Niederlande 

Musik: Archiv SWR

Heute feiern die Christen Pfingsten. An diesem Tag haben die Jünger Jesu etwas erlebt, was sie völlig verändert und aus den gewohnten Bahnen gerissen hat:

In der Bibel heißt es dazu: „Als der Pfingsttag gekommen war, befanden sich alle Jünger am gleichen Ort. Da kam plötzlich vom Himmel her ein Brausen, wie wenn ein heftiger Sturm daher fährt, und erfüllte das ganze Haus, in dem sie waren. Und es erschienen ihnen Zungen wie von Feuer, die sich verteilten. Alle wurden mit dem Heiligen Geist erfüllt und begannen, in fremden Sprachen zu reden, wie es der Geist ihnen eingab.“ (Apg2,2-4)

Mich fasziniert diese Geschichte. Die Jünger waren verängstigt. Sie schlossen sich ein. Sie wussten nicht mehr, wie es weiter gehen sollte. Und da erfahren sie auf einmal eine ungeheure Kraft und Dynamik. Etwas Göttliches, das sie erfasst und in ihnen auf einmal ungeahnte Möglichkeiten weckt: 

In dem Lied , das ich Ihnen heute vorstellen will, geht es um diesen Geist Gottes und um das, was er in Menschen bewirken kann: Es steht übrigens im evangelischen Gesangbuch und im Eigenteil des Mainzer Gotteslobes.

1Der Gottesgeist weht wie ein Wind, er kommt auf Friedensflügeln.

Wie Atem, der lebendig macht, weckt er die Unrast innen,

die manchmal Sturm zu werden wagt, Gewalt und Bosheit laut verklagt.

Er kühlt als frische Brise.

„Der Gottesgeist weht wie ein Wind“….Winde kann man nicht sehen oder anfassen, doch sie können ungeheure Kräfte entwickeln. Sie bestimmen das Wetter. Und ohne die Winde und die Atmosphäre gäbe es auf unserem Planeten kein Leben.  So ist es auch mit Gottes Geist. Alles Leben kommt aus ihm. Er ist die Urkraft des Lebendigen. Den Heiligen Geist kann man nicht messen oder beweisen, und doch kann man eine Ahnung von seiner Wirkmacht bekommen.

Leben ist ein komplexes Geflecht von Beziehungen. Alles hängt mit allem zusammen. Wenn ich für einen kurzen Moment innehalte und einfach nur ausatme- und den Atem wieder einströmen lasse, dann bekomme ich eine Ahnung davon, dass auch ich mit dem großen Lebensstrom verbunden bin. In jedem Moment. Leben heißt, in Beziehung zu sein. Das gilt für unsere materielle, körperliche Existenz. Es hat jedoch auch eine seelische Dimension. Der Heilige Geist verbindet die Menschen untereinander und mit Gott. Er atmet in uns, wenn wir einander wohl wollen und vertrauen und jeder sein Lebensrecht bekommt. Dann schenkt er uns Lebendigkeit und Freude. 

Aber oft genug  erfahren wir im Gegenteil Ausgrenzung und Misstrauen,  Angst und Ungerechtigkeit. Jeder ist nur noch selbst der Nächste  und in der Folge davon wird das Leben immer enger und reduzierter.  Der Heilige Geist scheint keine Wirkmacht mehr zu haben.  Doch gerade in solchen Zeiten werden manche Menschen vom Gottesgeist  regelrecht gepackt. Sie können sich nicht damit abfinden, dass die Welt eben voller Ungerechtigkeit und Hass ist. Sie können von ihren Visionen und Utopien einer besseren Welt nicht lassen, auch wenn es ihnen Nachteile bringt. Sie spüren in sich eine Unrast, die zu einem Sturm werden kann. So verstehe ich das , was an Pfingsten geschehen ist.

Wenn Menschen sich vom Gottesgeist ergreifen lassen, dann kommt ein Potenzial ins Spiel, das  den Lauf der Geschichte verändern kann. Das galt nicht nur damals an Pfingsten vor 2000 Jahren. Christen feiern jedes Jahr Pfingsten, weil sie darauf vertrauen, dass der Gottesgeist immer noch lebendig ist. Gerade dann, wenn die Probleme unlösbar erscheinen. Angesichts der weltweiten Flüchtlingsströme, des Klimawandels, und der fundamentalistischen Ideologien,  möchte man sich am liebsten abschotten und die Mauern hochziehen, um seine kleine Welt zu sichern. Aber der Gottesgeist will keine Sicherheit. Und schon gar keine Besitzstandswahrung. Er treibt uns an, nach Lösungen zu suchen, die allen Lebenschancen ermöglichen. Nicht nur den Privilegierten.

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SWR3 Gedanken

Plötzlich ist die Hoffnung wieder da. Neue Energie. Vorbei dieses sich zurückziehen in den geschützten Raum. Vorbei diese innere Leere. Alles vorbei. Kennen Sie das?
So war das auch damals an Pfingsten. Die Freunde von Jesus machen sich auf den Weg. Sie gehen raus aus ihrem Schneckenhaus. Sie stellen sich auf den Marktplatz und erzählen. Berichten von dem, was sie mit Jesus erlebt haben.
So kommt es zu tumultartigen Szenen. Menschen fallen einander in die Arme, verstehen einander, sprechen auf einmal dieselbe Sprache, obwohl sie füreinander Ausländer sind. Es ist wie ein großes Familienfest. Die Menschheitsfamilie feiert das Leben. Sie fühlen sich Gott ganz nah.
Lukas, ein griechischer Arzt, berichtet als erster darüber, wie die allererste christliche Gemeinde entstanden ist. Und er erzählt dabei von Naturereignissen, die sich für uns heute schlicht unglaublich anhören. Ein heftiger Sturmwind, ein gewaltiges Brausen fegt durch die Stadt. Feuerzungen erscheinen aus dem Nichts, verteilen sich, lassen sich auf den Jüngern Jesu nieder, ohne sie zu verbrennen. Sie glühen vor Begeisterung.
Das Pfingstwunder – für modernes Denken wahrscheinlich eine Zumutung. Ich kann nicht sagen, ob diese Naturphänomene nun Realität sind oder Bilder und Symbole. Die Menschen damals jedenfalls haben sofort gewusst: Sturmgetöse, Feuererscheinungen – das sind Zeichen für Gottes Nähe.
Heute sieht und hört sich das wahrscheinlich anders an. Aber Pfingsten passiert auch heute noch.
Wenn Menschen wieder Hoffnung haben, neue Energie. Wenn sie auch ihren Schneckenhäusern rauskommen. Und wenn sie sich als Menschheitsfamilie verstehen und miteinander das Leben feiern. Da ist Pfingsten. Ob mit oder ohne Feuerzungen und Sturmgetöse.
In diesem Sinne: Frohe Pfingsten!

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

„Ich vermisse dich“ schreibe ich meiner Frau per SMS, wenn ich unterwegs bin. Vermissen, ein schwieriges und ein schönes Gefühl.  Wenn ich jemanden vermisse, dann fehlt er mir und das tut weh. Vermissen heißt aber auch: ich denke an jemanden. Da hat ein anderer einen Platz in meinem Herz und meinem Kopf. Und wenn mir jemand sagt, „Ich vermisse dich!“, dann tut mir das auch gut. Ich merke, ich werde gebraucht, an mich wird gedacht.

Pfingsten, das wir in den letzten Tagen gefeiert haben, ist ein Fest, bei dem es auch um das Vermissen geht. Es ist ein Fest, das daran erinnert, dass jemand fehlt. Dass ein wichtiger Mensch fehlt.

Pfingsten erzählt davon, dass Menschen sich treffen, es sind die Freunde Jesu. Sie haben ihn begleitet, haben ihm zugehört, mit ihm gegessen. Sie haben erlebt, dass dieser Jesus hingerichtet wurde.  Aber damit war nicht alles aus. Sie haben gespürt, dass ihr Freund bei ihnen war. Auch noch nach seinem Tod. Auferweckung heißt das in der Sprache der Bibel. Jesus war wie lebendig bei ihnen. Hat sie begleitet und belebt. Aber diese Zeit ist jetzt vorbei. Die Freundinnen und Freunde spüren diesen Jesus nicht mehr, sehen ihn nicht mehr. Sie vermissen ihn schmerzlich. Sie sind so voller Trauer, dass sie sich zurückziehen, Türen und Fenster verrammeln.

Aber an Pfingsten ändert sich das. In der Bibel heißt es: der Geist Gottes kommt über sie. Sie reißen die Fenster und Türen auf, beginnen allen Menschen von diesem Jesus zu erzählen. Für mich ist das das eigentliche Pfingstwunder: Dass die Trauer nicht das letzte Wort hat. Dass da Menschen kapieren: Ich muss von dem erzählen, was ich vermisse. Reden, das ist eine Therapie, die bis heute Wunder tut. Ich kann das erfahren, wenn ich traurig bin, wenn mich etwas bedrückt: Dass das darüber reden gut tut, heilsam ist. Genau das passiert an Pfingsten. Menschen brechen aus ihrem Gefängnis der Trauer aus und erzählen von dem, was sie schmerzlich vermissen. So kann neues Leben wieder beginnen. Und das ist dann tatsächlich ein Wunder.

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SWR1 3vor8

Eigentlich ist es immer auch eine Sache des Kopfes, wie ich mit meinem Leben klar komme. Meines Geistes. Ob es z. B. glückt aufrecht durchs Leben zu gehen. Wenn mein Geist müde ist und der Kopf leer, dann werden Herausforderungen auf einmal übergroß oder ich halte nicht durch. Wie ich lebe, ist auch eine Sache des Kopfes, oder besser, des Geistes.
Ich finde, man kann das immer wieder erleben:
Die Fußballer zum Beispiel bei der WM in Brasilien werden es spüren. Wenn das Klima sie körperlich an ihre Grenzen bringt. Dann hilft manchmal doch noch der Kopf weiter. Es ist erstaunlich, wozu die Kraft des Geistes Menschen fähig machen kann. Vielleicht unterschätzen wir manchmal, wie wichtig sie ist.
Ich glaube, wie ich durch schwierige Situationen durchkomme, hängt auch ab von den geistigen Kräften, die einem geschenkt werden.
An einer Krankheit habe ich das auch gesehen im letzten Jahr. Ein älterer Herr ist schwer krank geworden. Die Prognosen waren schlecht. Aber er hat den Lebensmut nicht verloren. Immer wieder ist ihm neuer Kampf-Geist zugewachsen - gegen die Krankheit. Am Ende hat er sie körperlich nicht besiegen können. Aber irgendwie habe ich das Gefühl, diesen Geist in ihm, den hat sie nicht unterkriegen können.
Ich glaube, geholfen hat ihm, dass der Glaube an Gott in ihm lebendig blieb.
Der Glaube kann eine Kraft sein. Kann aufhelfen auch in der Schwäche.
Diese Kraft des Geistes wird heute zu Pfingsten gefeiert. Gleich doppelt.
Zum einen sind wir Christen überzeugt:
Dieser Schöpfergeist Gottes ist in der ganzen Schöpfung.
Auch wenn man nicht an Gott glaubt, diese kreative Lebenskraft ist in jedem.
Und zum anderen:
Wenn man an Gott glauben kann, dann kann man Gottes Geist auch bewusst spüren. Auch wenn die eigenen Kräfte abnehmen. So, wie jener alte Herr.
In den evangelischen Kirchen wird heute an Pfingsten daran erinnert. Ich finde stark, wie der Apostel Paulus das geschrieben hat an Christen in Rom:
Ihr seid nicht mehr von eurer irdischen Gesinnung bestimmt, sondern vom Heiligen Geist. Denn der Geist Gottes wohnt in euch. Und er erfüllt euch mit Leben.
Gott bringt einen hellen Geist ins Leben. Wenn ich an ihn glauben und ihm vertrauen kann, das kann mich aufrichten. Innerlich. Und dann vielleicht auch vor Menschen und in dem, was einen im Leben runter drückt.
Manchmal ist diese Flamme des Geistes klein. Das Wissen, dass ich von Gott komme und sein Geist in mir ist. Gut dass Pfingsten daran erinnert Gut, dass ich bitten kann: Komm, heiliger Geist! In diesem Sinn wünsche ich Ihnen schöne und geistreiche Pfingsten.

Bibeltext: Römer 8,9-11
Aber ihr seid nicht mehr von eurer irdischen Gesinnung bestimmt, sondern vom Heiligen Geist. Denn der Geist Gottes wohnt in euch.
Wenn Christus jedoch in euch gegenwärtig ist, dann ist euer Leib zwar tot aufgrund der Sünde. Aber der Geist erfüllt euch mit Leben, weil Gott euch als gerecht angenommen hat.
Es ist derselbe Geist Gottes, der Jesus vom Tod auferweckt hat. Wenn dieser Geist nun in euch wohnt, dann gilt:
Gott, der Christus vom Tod auferweckt hat, wird auch eurem sterblichen Leib das Leben schenken – durch seinen Geist, der in euch wohnt.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=17728
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SWR2 Lied zum Sonntag

„Der geht mir auf den Geist," stöhnt unsere Tochter. Sie meint ihren Lehrer.

„Die Talksendung war ohne jeden Esprit", sagt eine Freundin, als wir uns über ihren Fernsehabend unterhalten.

„Geistreich war das nicht", kriege zu hören, als ein Witz von mir leider knapp daneben geht.

In der Alltagssprache ist der »Geist« immer noch zu Hause. Geistlos, geistig umnachtet, Geistesblitz, geistig rege. Mehr als nur Worte. Sie machen deutlich: Geist wird gebraucht. Um etwas zu sehen, zu erkennen, Neues zu entdecken.

Geist wird gebraucht. Auch die ersten Christen waren davon überzeugt. Und erlebten diesen Geist: An Pfingsten. Das erzählt auch das Lied »Der Geist des Herren erfüllt das All« 

1. Der Geist des Herrn erfüllt das All mit Sturm und Feuersgluten; / er krönt mit Jubel Berg und Tal, er lässt die Wasser fluten. / Ganz überströmt von Glanz und Licht / erhebt die Schöpfung ihr Gesicht, / frohlockend: Halleluja. 

Es ist kaum zu glauben, aber die Melodie, die hier so luftig und mit einer ordentlichen Portion Jazz gespielt wird, ist über 400 Jahre alt. Melchior Vulpius (1570-1615) schrieb sie 1609. Das Arrangement des Mainzer Kirchenmusiker Thomas Gabriel lässt hören, wie es ist, wenn Geistesblitze das Leben erhellen. Der Geist ist stürmisch und überströmend, funkelndes Licht und prasselndes Feuer. Wie in einem geistreichen Gespräch. Aber so leicht die Rede von diesem Geist fällt - so schwer fällt die Rede vom Heiligen Geist. Denn von dem ist an Pfingsten die Rede.

Maria Luise Thurmair schrieb den Text dieses Kirchenliedes Mitte des 20. Jahrhunderts. Sie versucht deutlich zu machen, wie der Geist Gottes zu verstehen ist. 

2. Der Geist des Herrn erweckt den Geist in Sehern und Propheten, /der das Erbarmen Gottes weist und Heil in tiefsten Nöten. / Seht, aus der Nacht Verheißung blüht; / die Hoffnung hebt sich wie ein Lied / und jubelt: Halleluja. 

Ich stelle mir das so vor. Da rennen einige Menschen einem anderen Menschen hinterher. Ein, zwei, drei Jahre. Sie hängen an seinen Lippen. Und sehen, was er kann: Er erfüllt sie mit Hoffnung. Gibt ihnen neue Perspektive. Die Rede ist von Jesus und seinen Anhängern. Aber dann die Katastrophe. Jesus wird gekreuzigt. Und die Fragen stellen sich ein: Waren alle Hoffnungen auf Sand gebaut? Ist alles aus?

Und dann spüren die Freunde Jesu, dass er sie begleitet - über den Tod hinaus. Dass er bei ihnen ist. In seinen Worten. In ihrer Erinnerung. Und die werden so mächtig, dass die Trauer verfliegt. Die Freunde Jesu spüren: Sie müssen von diesem Jesu weitererzählen. Und an Pfingsten beginnen sie damit. Geistreich. Wortgewandt. Mit Esprit. Ihre Hoffnung kriegt Flügel und fliegt zu anderen Menschen. 

4. Der Geist des Herrn durchweht die Welt gewaltig und unbändig / wohin sein Feueratem fällt, wird Gottes Reich lebendig. / Da schreitet Christus durch die Zeit / in seiner Kirche Pilgerkleid, / Gott lobend: Halleluja.

 Voll Geist sein, das kommt nicht von allein. Da braucht es einen Anstoß - von außen. Thurmair, die Texterin, findet dafür einen spannenden Ausdruck: durchwehen. Ich kenne das vom Urlaub an der Küste. Da kann ich mir so richtig das Hirn durchpusten lassen. So ist der Geist Gottes: Er sorgt dafür, dass neue Gedanken Platz gewinnen, dass neue Ideen kommen, dass ich geistreich lebe. Pfingsten erzählt davon - und das Lied »Der Geist des Herrn erfüllt das All« fasst das in Töne und Worte.

 »Der Geist des Herrn erfüllt das All«In:

„Wenn der Geist sich regt..."" : Arbeitshilfe zur Gestaltung von Gottesdiensten zur Feier der Firmung und Einladung zum diözesanen Austausch. Hrsg.: Bischöflichen Ordinariat Mainz, Referat Gemeindekatechese, und Institut für Kirchenmusik des Bistums Mainz

Verlag Engelsklang, Seligenstadt

SHK 075 / 2007/1525

CD A 033

Track 05

https://www.kirche-im-swr.de/?m=15336
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SWR4 Sonntags-/Feiertagsgedanken

03JUN2012
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von

Teil 1. Das Amen dazu sagen können.

Mir fällt es schwer, einfach so Ja und Amen zu sagen. Wenn ich einer Sache zustimmen soll, dann am liebsten mit ganzem Herzen oder gar nicht. Und ich will gern wissen, wozu ich „Amen" sagen soll. Ob im Alltag, im Beruf - oder im Gottesdienst.

Vor wenigen Wochen war ich Gast bei einer Erstkommunionfeier. Ein froher und frühlingshafter Tag, die ganze Familie versammelt in der hübschen kleinen Kirche St. Martin vor den Toren von Mainz. In der Bank hinter mir saß ein Vater mit seinen Söhnen. Und einer der Jungen nutzte offenbar die Zeit um sich die Kirche gründlich anzusehen.

„Papa, guck mal da vorne in der Mitte. Da sieht man noch das Blut an den Füßen", sagte der Junge plötzlich. Unwillkürlich schaute ich selbst genau hin. Tatsächlich erkennt man am geschnitzten Hochaltar sehr deutlich die Wundmale des gekreuzigten Christus. Und der Junge fragte weiter: „Papa, warum haben die den Jesus damals eigentlich getötet?" Und statt die Frage abzuwimmeln oder seinen Sohn zur Ruhe zu mahnen, antwortete der Vater klar und kenntnisreich. Es war eine geflüsterte Glaubensunterweisung. Und der Junge verstand und schwieg nachdenklich. Kurz darauf begann mit dem festlichen Einzug des Bläserkreises der schöne Gottesdienst.

Nach dem Gottesdienst stellte sich heraus, dass nicht nur ich die Fragen des Jungen gehört hatten, sondern auch etliche der anderen. Und, als hätten uns die Fragen des Jungen innerlich einen Schubs gegeben: Plötzlich tauschten wir uns über alle möglichen anderen Botschaften dieses Kirchenraumes aus. Warum dort die Heiligenfigur von Nepomuk steht und  was denn die lateinische Inschrift „consummatum est" über dem Kreuz bedeutet.  Das heißt doch „Es ist vollbracht", erinnerte sich einer der Gäste an seine Lateinkenntnisse aus Schultagen. Ja, und es ist eines der sieben Worte Jesu am Kreuz, wusste ein anderer. Ob wir dieses Gespräch miteinander geführt hätten, wenn wir der Sohn seinen Vater in der Kirchenbank nicht ausgefragt hätte?  Wer weiß. Mir wurde jedenfalls wieder einmal bewusst, dass jeder Kirchenraum eine Fülle von Botschaften enthält. Und ich finde es bezeichnend, dass Kinder selten fragen: Wie alt ist das? Welcher Künstler hat das gemacht? Sie stellen meistens die entscheidende Frage. Sie wollen wissen: Warum?

Das Vater-Sohn-Gespräch hat mich berührt. Nicht nur, weil dieser Vater sich so gut auskannte. Nicht nur, weil es schön ist,  echtes Interesse zu spüren. Sondern auch weil es mir vor Augen führte, wie hier der Auftrag Jesu erfüllt wurde. Glaube heißt auch, Rede und Antwort zu stehen, wenn man gefragt wird. Und genauso wichtig wie die Antwort ist auch die Frage. Nur wenn ich nachfrage, was wir da singen und beten, kann ich dann vielleicht auch mein „Amen" ehrlich dazu sagen.

 

Teil 2. Das „Amen" nach Ostern und Pfingsten

Am heutigen Sonntag nach Pfingsten feiert die Kirche die Dreifaltigkeit. Dreifaltigkeit: Sicher eines der schwierigsten Kapitel des christlichen Glaubens. Aber auch wichtig. Und zentral. Den evangelischen  Reformatoren war die Dreifaltigkeit so wichtig, dass sie die folgenden Sonntage im Kirchenjahr danach benannt haben:„Sonntag nach Trinitatis", also nach dem Sonntag Dreifaltigkeit. Was aber heißt Dreifaltigkeit?

Immer wieder einmal begegnet mir der wieder den Vorwurf: Ihr Christen glaubt nicht nur an einen Gott, ihr habt ja sogar drei.

Es heißt, der Dreifaltigkeitssonntag sei so etwas wie das >Amen< nach Ostern und Pfingsten". Am heutigen Sonntag nach Pfingsten feiert die Kirche die Dreifaltigkeit. Was aber heißt Dreifaltigkeit?

Die Bibel erklärt uns: Gott ist die Liebe. Und Liebe bleibt nicht bei sich. Liebe verschenkt sich. Und wo zwei ihre Liebe ausschließlich auf sich beschränken,  stimmt mit dieser Liebe irgendwas nicht. Liebe ist selbstlos und offen für den anderen. Offen für Kinder. Offen für Geschwister. Offen für Freunde. Offen für die Welt und für Gott.  Liebe die sich abkapselt und sich selbst genug ist, ist keine. Das ist das Großartige an der Liebe. Sie ist größer und weiter. Umfasst mehr als nur den geliebten Partner, die Kinder, Gott. Wer sich für zu gut hält für die anderen, liebt nicht. Wem die  eigene Heiligkeit wichtiger scheint, als die unheiligen anderen, liebt nur sich selbst.

Ein französischer Theologe hat das einmal so versucht zu erklären:

Wenn ein Einsamer einen anderen Einsamen liebt dann ist das Liebe. Aber sie ist auf die beiden beschränkt. Erst wenn die beiden einen dritten einträchtig lieben, dann ist diese Liebe auch Mitliebe. Dann ist ihre Liebe offen für andere. So ist das mit der Liebe. Und was heißt das, wenn Gott die Liebe ist? Dann ist auch Gott offen für andere. Nimmt Beziehung auf zu uns Menschen. . Wird selbst zur Beziehung. Mit dem Begriff Dreifaltigkeit wird das ausgedrückt. Dass Gott eben so liebt, so lebendig ist, dass er auf alle möglichen Arten und Weisen liebt: Als Gott, als Jesus unter den Menschen, als Heiliger Geist, der im Denken und Handeln von Menschen wirkt. Vater, Sohn und Heiliger Geist, das sind nicht drei Götter. Sondern es ist Ausdruck der Lebendigkeit Gottes selbst.

 Auch wenn dies zum unergründlichen Wesen Gottes gehört, das ich nie ganz verstehen werde, so kann ich dazu doch mit Überzeugung „Amen" sagen.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

Morgen ist es wieder soweit, morgen ist Pfingsten. Und an Pfingsten geht es um den Geist. Um den Heiligen Geist. Den können wir gut gebrauchen, finde ich. Manchmal ist es ja ziemlich geistlos bei uns. Da geht es um Äußerlichkeiten. Da streiten wir darüber, wer was zu tun hat, warum wieder nicht aufgeräumt ist oder warum mein Platz schon wieder besetzt ist. Dagegen ist der heilige Geist ein Geist, der großzügig ist, der Menschen verbindet. Der begeistern kann. "Wie toll wär´s doch", hat vor kurzem ein Pfarrer in Köln in einem gut besuchten Gottesdienst gesagt, „wenn die gleiche Begeisterung bei uns hier zu spüren wäre wie ein paar Straßen weiter im Stadion."  Die Bibel erzählt von solcher Begeisterung. Pfingsten - das ist die Geschichte,  wie der Heilige Geist die Jünger gepackt hat. Die hatten echt Angst, waren gar nicht in Stadionstimmung. Jesus war ja nicht mehr bei ihnen, nicht mehr sichtbar und greifbar. Auf einmal fällt die Angst von ihnen ab - da spüren sie eine Kraft und eine Begeisterung wie noch nie! Und sie erzählen von ihrem früheren Leben mit Jesus und von ihrer Hoffnung und stecken ganz viele damit an.
Auf einmal verbindet das alle: die Sehnsucht nach Liebe, nach einem Leben in Frieden. So war das damals vor 2000 Jahren.  Und das wirkt bis heute. Wie eben auch in jenem Gottesdienst in der Kölner Kirche, wo der Pfarrer vom Geist geredet hat. In diesem Gottesdienst hat meine kleine Tochter nach der Predigt dem alten Mann in der Bankreihe hinter uns lachend die Hand gegeben. Wie hat er auf einmal gestrahlt: Und er strahlte noch, bis ich ihn aus den Augen verloren habe. Der heilige Geist - ja, er kann Menschen verbinden. Er hilft uns, großzügig zu sein und einander die Schwächen nachzusehen. Und wer weiß, was jetzt an Pfingsten Gottes Geist mit Ihnen noch vorhat! Ich wünsche Ihnen einen schönen Samstag und morgen einen gesegneten Pfingstsonntag!

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