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SWR3 Worte

31MAI2020
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Viele meinen, wenn es gefährlich ist, wenn man in Not ist, dann ist man hilflos dem Schicksal ausgeliefert. Der Apostel Paulus erinnert an den Heiligen Geist, den Gott uns schenkt und den wir an Pfingsten feiern:

„Denn Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit.“

Lutherbibel 2017, 2. Timotheus 1,7

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SWR2 Lied zum Sonntag

Kantate Georg Philipp Telemann, Kantate Nr. 32 am 2. Pfingstfeiertag, TWV 1:1256, Daniel Johannsen und Le Concert Lorrain, M0304825 01-015-01-017

Festliche Musik, grüne Bäumchen als Schmuck, Kinder, die Blumen streuen – wer einen lieben Gast gebührend begrüßen möchte, feiert am besten ein großes Fest. So klingt Pfingsten – in der Dichtung und Musik des Barock. Hier in einer Pfingstkantate von Georg Philipp Telemann.

Pfingsten – was heute ein Festtag eher für den harten Kern der Kirchgänger ist, könnte eigentlich auch ein rauschendes Freudenfest für alle sein. Mir gefällt dieser Gedanke!
Schmückt das Fest mit Maien – mit diesen aus dem 118. Psalm geliehenen Worten hat auch der Pfarrer Benjamin Schmolck den Grund der Freude besungen. Er war ein Zeitgenosse von Telemann.

Schmückt das Fest mit Maien, lasset Blumen streuen, zündet Opfer an,
denn der Geist der Gnaden hat sich eingeladen, machet ihm die Bahn.

Gottes Geist, Gott selbst kommt zu Besuch. Nicht, dass er eingeladen worden wäre. Nein, er hat sich selbst eingeladen. Ich finde das einen tröstlichen Gedanken. Es liegt nicht an mir, Gott einzuladen. Er kommt einfach. Und mit ihm bekommt das Leben neuen Schwung.
Aber, so fragen Sie vielleicht, ist das nicht zu enthusiastisch? Wenn sich Gottes Geist vor allem in der Festfreude findet, wo bleibt dann unser normales Leben mit seinen Tiefen und Untiefen?
Benjamin Schmolck hat das im Blick. Er weiß, dass unsere Liebe, unser Frieden, unsere Entscheidungen und unser Glück zerbrechlich sind. Und bittet deshalb:

starker Gottesfinger, Friedensüberbringer, Licht auf unserm Pfad,
gib uns Kraft und Lebenssaft,
lass uns deine teuren Gaben zur Genüge laben.

Um den Geist können wir nur bitten. Und trotzdem ist für Schmolck Pfingsten ein großes Fest für alle. Und ich finde: Er hat recht! Denn wenn der Geist Gottes tatsächlich tröstet, belebt und Menschen versöhnt und verbindet, dann kann das ja keine religiöse Privatsache bleiben. Deshalb finde ich es richtig, wenn Pfingsten nicht nur hinter dicken Kirchenmauern stattfindet, sondern sich ausbreitet in die Straßen der Stadt.

So wie am Pfingstmontag, wenn in der Stuttgarter Innenstadt wieder der „Tag der weltweiten Kirche“ stattfindet mit viel Musik und gutem Essen aus den unterschiedlichsten Ländern der Erde. Vielleicht ist dann auf den Straßen auch das alte Kirchenlied von Schmolck in so einer Tangoversion zu hören.
Sicher, auch an Pfingsten werden die Probleme, die in vielen dieser Länder herrschen, nicht überwunden. Und die Sorgen der einzelnen, die da durch die Straßen spazieren, auch nicht. Aber ich glaube, es ist doch etwas zu spüren vom Geist, der ganz unterschiedliche Menschen verbindet – wenn das gemeinsame Feiern die Sorgen in den Hintergrund treten lässt – und zeigt dass man nicht allein ist.
Und, so legt es uns Benjamin Schmolck in der letzten Strophe seines Liedes
nahe: Das Pfingstfest heute weist hin auf die große Hoffnung der Christen, dass am Ende der Zeit alles Leid überwunden sein wird. In seinen Worten klingt das so:

Lasst uns hier indessen nimmermehr vergessen, dass wir Gott verwandt;
Dem lass uns stets dienen und im Guten grünen als ein fruchtbar Land,
bis wir dort, du werter Hort,
bei den grünen Himmelsmaien, ewig uns erfreuen.

In dieser Perspektive möchte ich auch heute schon fröhlich Pfingsten feiern.

Schwäbischer Posaunendienst, Begleitsatz, von Übungs-CD zum Ulmer Sonderdruck 26 (CD-Nr. BUCH.110824.001), track 8 Tröster der Betrübten, Siegel der Geliebten, Geist voll Rat und Tat,
Tango, Schwäbischer Posaunendienst, Begleitsatz, von Übungs-CD zum Ulmer Sonderdruck 26 (CD-Nr. BUCH.110824.001), track 9

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SWR2 Wort zum Sonntag

Im Buchmuseum in Dresden stand ich unlängst vor einer alten Maya-Handschrift. 700, vielleicht sogar 800 Jahre alt. Unter den Botschaften, die dieser Codex enthält, soll es auch einen Hinweise auf das bevorstehende Ende der Welt geben. In diesem Jahr. Am 21. Dezember.

Wahr ist, dass in dieser Handschrift ein neues Zeitalter angekündigt wird. Vom Weltunterhang ist keine Rede. Aber Neues macht eben Angst. Weil es dem ein Ende setzt, was uns vertraut ist.

Es gibt Berichte, die deuten den Einbruch des Neuen nicht nur geheimnisvoll an wie der Maya-Codex. Nein, sie sind randvoll sind von der Erfahrung einer umwerfenden Kraft. Bei den Ereignissen, von denen sie berichten - da meinten manche sogar, einige von den Hauptakteuren haben einen Rausch.

Der heutige Pfingstsonntag erinnert an dieses Ereignis. Fünfzig Tage nach Ostern bieten die Freundinnen und Freunde Jesu ein  widersprüchliches Bild Die einen haben Weltuntergangsstimmung. Andere berichten, ihnen sei Jesus begegnet.. Er lebt, sagen sie. Obwohl er doch getötet worden war. Wir haben ihn gesehen mit unseren eigenen Augen.

Ein kleiner Kreis von Menschen lässt sich beflügeln von diesen Erscheinungen. Die anderen, die bleiben wie gelähmt. Bis auch sie von einer  gänzlich neuen Erfahrung überrollt werden.

Ihre Lähmung - plötzlich ist wie weggeblasen. Sie haben wieder  Energie. Wie Feuer hat Gottes Geist sie ergriffen, berichtet die Bibel.

Pfingsten ist der Geburtstag der Kirche, so heißt es jedenfalls. Richtig ist. Die Erscheinungen des Auferstandenen waren zunächst wichtig vor allem für diejenigen, die vorher engen Kontakt zu Jesus hatten. Für diejenigen, deren Hoffnungen am Karfreitag wie ein Kartenhaus in sich zusammengefallen waren. Seit Pfingsten hat sich dieser Kreis geweitet. Neue Menschen kommen dazu. Dreitausend gleich am Pfingsttag selber. Mit Pfingsten beginnt eine unglaubliche Geschichte der Grenzüberschreitung. Eine Geschichte der Überwindung des ängstlichen Rückzugs hinter die eigenen vier Wände. Eine Geschichte, die sich bis heute fortsetzt.

Pfingsten ist noch nicht am Ende. Pfingsten darf auch noch nicht zu Ende sein. Auf die Botschaft des Maya-Kodex reagieren viele Menschen mit Angst. Und fangen ängstlich an, das Weltende zu berechnen.

Pfingsten meint gerade das Gegenteil. Unsere Welt ist nicht am Ende. Und ich bin auch nicht am Ende. Ich kann darauf setzen, dass nicht einmal der Tod das Ende meiner Möglichkeiten ist. Eher ein neuer Anfang. Ich kann darauf vertrauen, dass ich immer wieder Grenzen überschreite, die mir jetzt unüberwindbar scheinen. Wenn ich erfolgreich Widerspruch anmelde, wo jemandem offensichtlich Unrecht geschieht. Wenn ein Mensch mit mir Kontakt aufnimmt, den ich längst aufgegeben habe, Wenn im Großen wie im Kleinen, in der Politik und im Privatleben Kehrtwenden möglich sind, mit denen ich nicht mehr gerechnet habe. Die Geschichten überraschenden Gelingens sind noch lange nicht alle geschrieben.

Wenn ich diese kühnen Aussichten immer wieder auch  nicht teilen kann - wenn wieder einmal zu vieles dagegenspricht, kann mich die Erfahrung der ersten Freundinnen und Freunde von Jesus trösten. Auch ihre Hoffnungen lagen am Boden. Aber gerade im vermeintlichen Ende liegt der Schlüssel zur Zukunft. Darum kann ich die Maja-Handschrift in der Vitrine zwar bestaunen. Mein Leben bestimmt sie aber nicht. Da halte ich es lieber mit den berauschenden Erfahrungen des ersten Pfingstfestes. Ich vertraue darauf, dass Gottes Geist auch mich erfüllt. Und dass ich Zukunft habe. In der Gemeinschaft der Menschen, die mit mir diese Hoffnung teilen, erlebe ich Kirche.

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SWR3 Gedanken

Ein langes Pfingstwochenende liegt vor uns - Freitag bis Montag - klasse. Aber der Name? Pfingsten? Kleines Quiz: Stammt der Name

a) aus dem althochdeutschen von pängsen, „um Gnade bitten", weil das im Mittelalter ein Wochenende war, an dem Verbrecher begnadigt wurden?

Oder kommt Pfingsten

b) aus dem lateinischen von solarfinga, „Sonnentag" und bedeutete bei den Römern ein besonders schönes Wochenende mit viel Sonne

oder stammt das Wort

c) aus dem griechischen von pentekoste, „50" und bedeutet der 50. Tag.

Wissen Sie es? Heißt Pfingsten:

a) um Gnade bitten b) Sonnentag oder c) 50

Antwort c) ist richtig: Der 50. Tag. Pfingsten bezeichnet den pentekoste, den 50. Tag nach Ostern. An diesem Tag haben die Jünger Jesu ein Brausen vom Himmel gehört. Und dann sahen sie Flammenzungen über ihren Köpfen. Sie haben darin den heiligen Geist Gottes erkannt und seine Kraft in sich gespürt. So konnten sie sogar in fremden Sprachen reden. Und die Jünger, die nach dem Tod Jesu ziemlich mutlos waren, trauten sich wieder etwas zu. Sie zogen in die Welt hinaus und erzählten überall von Jesus Christus. Von seinen Wundern, seiner Liebe zu den Menschen, von seinem Tod, und von seiner Auferstehung.

Pfingsten ist quasi der Startschuss dafür, dass sich der christliche Glaube ausgebreitet hat. Der Tag an dem die Jünger so stark die Kraft Gottes spürten, dass sie begannen allen von ihrem Glauben zu erzählen.

Für mich ist Pfingsten damit das Fest, an dem ich mich frage, ob ich diesen heiligen Geist, diese Kraft Gottes auch in mir spüren kann und den Mut habe, von meinem Glauben an Jesus Christus zu sprechen.

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SWR3 Gedanken

01OKT2024
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Meine Mutter lebt nun seit mehreren Jahren in einer anderen Welt. In ihrer Demenzwelt. Einer Welt, die ich nicht erreichen kann. Oft schaut sie leer. Sie spricht eigentlich gar nicht mehr. Nur noch selten gelingt eine Verständigung. Musik hilft aber manchmal, diese unglaubliche Distanz wenigstens ansatzweise zu überwinden.

Und diese Fähigkeit der Musik wird heute, am Weltmusiktag gefeiert. Die UNESCO, also die Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur, haben diesen Tag ausgerufen, weil sie finden: Musik ist etwas, das uns miteinander verbindet, über alle Grenzen hinweg.

Zugegeben, die UNESCO hat da vor allem daran gedacht, dass die verschiedenen Völker mit ihren unterschiedlichen Sprachen und Kulturen sich mithilfe der Musik über die Grenzen hinweg verständigen können. Auch darüber bin ich froh und dankbar. Denn das habe ich schon oft erlebt. Miteinander reden ist schwierig. Miteinander singen und tanzen geht aber gut.

Ja, mit Musik kann man sich verstehen, auch wenn man nicht dieselbe Sprache spricht und wenn man in einer ganz anderen Kultur aufgewachsen ist.  

Meine Mutter auf der Demenzstation wirkt für mich mitunter weiter weg als ein Kalimba-Spieler in Kenia. Und doch: als wir einmal “Hoch auf dem gelben Wagen” gesungen haben, war da ein Gefühl, eine Zusammengehörigkeit. Und das ohne, dass sie gesungen hat. Ich ahne: Sie hat etwas Vertrautes erkannt. Das ist schon viel und ich bin dankbar, dass Musik diese Fähigkeit hat. Ein guter Grund, den Weltmusiktag zu würdigen. Und wieder und wieder zu versuchen mit fremden Welten Kontakt aufzunehmen.

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SWR Kultur Zum Feiertag

20MAI2024
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Ein Geist der Verständigung – auch das ist der Heilige Geist, dessen Kommen wir als Christinnen und Christen an Pfingsten feiern. Von einem Sprachenwunder erzählt die Pfingstgeschichte in der Bibel – Menschen unterschiedlicher Muttersprache konnten einander plötzlich verstehen. Wo ist dieser Geist der Verständigung heute zu erfahren – in Kirche und Gesellschaft?

Darüber spreche ich mit Achnasia Manganang – sie stammt aus Indonesien und ist Theologin und Kirchengemeinderätin in der Kirchengemeinde in Stuttgart-Botnang – und mit Stephan Mühlich, er ist Pfarrer in Botnang. Frau Manganang, Herr Mühlich – könnte man sagen, dass bei Ihnen in Botnang jede Woche Pfingsten ist?

 

Mühlich: Naja, jede Woche Pfingsten, das klingt etwas enthusiastisch, würde ich sagen. Wenn Pfingsten allerdings bedeutet, sich herausfordern zu lassen davon, dass jeder Mensch für jeden Menschen ein Fremder ist mit einer eigenen Muttersprache, die ich gerne lernen will besser zu verstehen, und dass wir zugleich durch Christus alle zu Geschwistern geworden sind in der einen Welt, dann kann tatsächlich jede Woche Pfingsten sein.

Rittberger-Klas: Auch in Botnang – sehen Sie es auch so, Frau Manganang?

Manganang: Ja, in Botnang auch…

Rittberger-Klas: Herr Mühlich, in ihrer Kirchengemeinde scheint es eine besondere Offenheit für internationale Kontakt zu geben – wie ist das entstanden?

Pfarrer sind ja auch Migranten in gewisser Hinsicht. Ich bin zwar in Stuttgart geboren haben eine Frau aus Brandenburg und war als junger Pfarrer zwei Jahre in Italien gewesen in der italienischsprachigen Gemeinde in der Waldenserkirche, das hat mich geprägt. Ich war dann anschließend dreizehn Jahre hier in Württemberg Gemeindepfarrer und neun Jahre im ökumenischen Zentrum auf dem Campus der Universität in Stuttgart-Vaihingen. Und da gibt es ein ökumenisches Haus, also ein gemeinsames evangelisch-katholisches Haus für Studierende, für Hochschulangehörige, und das war immer auch schon ein internationales Haus gewesen. Und Frau Manganang habe ich tatsächlich dort kennengelernt, weil sie mit ihrer indonesischen Gemeinde dort im Ökumenischen Zentrum oft schon gefeiert haben und zu Gast waren. Und dann war sie eine Einheimische, die ich in Botnang wiedergetroffen habe vor fünf Jahren. Und außerdem habe ich dann gesehen in Botnang die Mitarbeiter der Kirchengemeinde, die mir dort begegnet sind: ein iranischer Mesner und Hausmeister, eine Hausmeisterin aus Kasachstan, eine Kantorin aus Russland, eine Instrumentalkreisleiterin aus Japan, eine Organistin aus Südkorea, also ziemlich breit aufgestellt – nicht nur die Indonesier sondern auch die verschiedenen Mitarbeiter, die da einfach dabei sind. Und ich fand immer schon, das sind nicht nur Gastarbeiter für unsere deutsche Gemeinde, sondern das sind welche, die auch mit dazu gehören, und deshalb hat es mir da von Anfang an gut gefallen.

Rittberger-Klas: Eine Kirchengemeinde, in der sich Welten und verschiedene Menschen begegnen… Sie, Frau Manganang, sind in der Botnanger Kirchengemeinde, in der evangelischen Landeskirche engagiert als Kirchengemeinderätin – und treffen sich auch regelmäßig mit anderen Christinnen und Christen aus Indonesien. Sie haben also quasi eine doppelte kirchliche Heimat. Was ist daran spannend, was schätzen Sie daran?

Manganang: Diese doppelte Kirchen-Heimat, also, ja kann man so sagen… Wir bieten das Studenten, die hier studieren, oder allen Indonesiern, die schon lange hier wohnen. Wir wollen dann einfach nur ein Stück Heimat geben, dass wir einmal auf Indonesisch beten, wir singen, wir hören Gottes Wort auf Indonesisch und essen auch unser Essen. Aber am Samstag treffen wir uns, und Sonntag wir gehen dann in die Kirche, wo wir dazugehören, weil bei unseren Mitgliedern sind ja auch ganz viele Denominationen, Evangelische, auch Freikirchen, auch Katholiken. Und dann am Sonntag gehen wir eben in die eigene Kirche hier im Deutschland, wo sie wohnen, damit sie dann gut aktiv und integriert werden. Also, quasi können wir sagen, dass wir eine doppelte kirchliche Heimat hier in Stuttgart haben. Und dann habe ich mich in Botnang richtig engagiert, wo Herr Stefan Mühlich mich dann gefragt als Kirchengemeinderätin. Da bin ich noch mehr integriert.

Mühlich: Ja, das finde ich schon, das gehört eigentlich dazu, dass auch in den Gremien die internationalen Leute vertreten sind. Deswegen hatte ich gleich versucht, das irgendwie hinzubekommen, und dann waren bald die Kirchenwahlen und ich war sehr froh, dass du zugesagt hast und auch, dass es dann bei der Wahl wirklich auch gut geklappt hat. Und das hat auch das Gremium verändert bei uns. Also das ist, finde ich, auch spannend zu sehen, wie auch die Kirchengemeinderäte einer württembergischen Gemeinde sich dadurch verändern.

Rittberger-Klas: Jetzt ist es ja so: Wenn Menschen aus unterschiedlichen Traditionen und Kulturkreisen zusammen leben, feiern und arbeiten, ist immer auch ein Lernprozess. Wo haben Sie voneinander gelernt – und wo gab es vielleicht auch mal Reibungspunkte, wo Sie erstmal gemeinsam ins Laufen kommen mussten?

Mühlich: Also ich finde, es gibt da nichts Besonderes. Ich sag: Das Übliche was es in jeder Familie und Gemeinde gibt, Themen wie Ordnung, Sauberkeit, Zeitvorstellungen… Aber das sind Geschmacksfragen, also das ist eigentlich nichts, was so typisch das Interkulturelle war, sondern das habe ich auch mit Jugendgruppen…

Manganang: Richtig Reibungen, das haben wir nicht, nur dass anders ist, dass es bei uns manchmal sehr laut ist. Und wir sind manchmal nicht richtig strukturiert, spontan. Und manchmal müssen wir dann klarkommen. Und das haben wir dann auch gewusst: Wenn wir deutsche Gäste haben oder einladen, haben wir darauf hingewiesen, dass sie bitte nicht so pünktlich kommen, zum Beispiel.

Rittberger-Klas: Und haben Sie das Gefühl, dass diese besondere geistliche Gemeinschaft, die man auch als Christen hat in der Kirchengemeinde, dass das manchmal auch hilft?

Manganang: Meiner Meinung nach also diese geistliche Verständigung wird wirken, wenn wir dann auch offen dafür sind, dann wirkt er, dieser Heilige Geist der Verständigung. Das sage ich dann immer, wenn neue Studenten zu uns kommen, die noch kein Deutsch sprechen können und die dann nicht zur Kirche gehen wollen, weil sie dann nicht verstehen und so weiter – und dann hab ich gesagt: Nee, da musst du auch hingehen, also Gott wird dann auch zu dir sprechen, mit seinem Heiligen Geist, durch die Musik, alles…

Rittberger-Klas: Durch die Atmosphäre…

Manganang:Ja, also Gott wird dann auch in dein Herzen reinkommen und dann wirst du verstehen.

Mühlich: Und ich denke auch der Heilige Geist funktioniert ja nicht so sehr wie eine Medizin in der Krise, der dann erlebbar ist, wenn wir irgendwie Stress miteinander hatten und dann wird es wieder geheilt oder so. Sondern es ist tatsächlich mehr so das Überraschungselement, dass manchmal Dinge passieren, mit denen man nicht unbedingt gerechnet hat. Und wenn man das zulässt einfach erstmal eine Zeit lang auch so eine Fremdheit auszuhalten und auch was nicht zu verstehen – da gibt es dann auch immer wieder schon Dinge, wo man sagt: Ja, das war jetzt was, wo diese Gemeinschaft auch spürbar geworden ist.

Rittberger-Klas: Der Heilige Geist als Geist der Verständigung – heute am Pfingstmontag wird er in der Stuttgarter Innenstadt auf besondere Weise gefeiert, und zwar mit dem „Tag der weltweiten Kirche“, der vomInternationalen Konvent christlicher Gemeinden in Württemberg gestaltet wird, in dessen Vorstand auch Sie, Frau Manganang, sitzen. Der Tag beginnt mit einem Gottesdienst um 11 Uhr mit der Stuttgarter Stiftskirche, danach wird um die Stiftskirche herum weitergefeiert.

Manganang: Ja, das ist dann der Höhepunkt für unseren internationalen Konvent, dass wir den Pfingstmontagsgottesdienst in der Stiftskirche gestalten können jedes Jahr. Und es werden auch viele verschiedene Sprache auf einmal in diesem Gottesdienst gesprochen und auch gesungen und auch auf viele Themen werden von verschiedenen Gemeinden präsentiert.

Mühlich: Also, ich find‘s immer schön, wenn ich selber auch beim Tag der weltweiten Kirche in der Stiftskirche dabei sein kann, und tatsächlich haben wir in Botnang dieses Jahr Pfingstmontag keinen eigenen Gottesdienst, sondern laden auch dazu ein. Wir haben bisher immer ökumenisch evangelisch-katholisch Gottesdienste gemacht, was auch schön ist, aber in besonderer Weise ist der Tag der weltweiten Kirche nochmal sowas, wo gezeigt wird, wie es eigentlich werden kann, sag ich mal. Und der Konvent der internationalen Gemeinden macht es ein Stück weit vor, weil die sind schon untereinander auch sehr, sehr unterschiedlich – also untereinander sind die mindestens so unterschiedlich wie zwischen den deutschen und den internationalen Gemeinden. Und dass die sich die Mühe machen, so einen Gottesdienst zusammen zu gestalten, zusammen an einem Thema zu arbeiten, die Fremdheit auszuhalten und dann trotzdem wieder zu zeigen: wir sind miteinander christliche Gemeinde – das ist ein ziemliches Vorbild auch für die deutschen Gemeinden.

Rittberger-Klas: Frau Manganang, Herr Mühlich, ich danke Ihnen für das Gespräch – und den Hörerinnen und Hörern wünsche ich einen geistreichen Pfingstmontag. Pfarrerin Karoline Rittberger-Klas, Tübingen, Evangelische Kirche.

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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

16MRZ2024
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In der Unterkunft für Geflüchtete bei uns im Ort wohnen Menschen aus den unterschiedlichsten Winkeln der Erde, aus Kamerun, der Ukraine oder Afghanistan – immer nur für kurze Zeit. Manche können ein wenig Deutsch, mit anderen kann ich mich auf Englisch oder Französisch verständigen. Aber ganz ohne gemeinsame Sprache sind die Möglichkeiten, sich auszutauschen, beschränkt. Das macht das Miteinander manchmal schwer.

In solchen Momenten kann ich nachvollziehen, was in der Bibel von den vielen verschiedenen Sprachen erzählt wird: Sie sind laut Bibel nämlich eine Strafe.

Die Menschen, so erzählt es die Geschichte vom „Turmbau zu Babel“ (1. Mose 11), haben sich so stark und mächtig gefühlt, dass sie dachten, es gäbe für sie keine Grenzen. Als Beweis wollten sie einen Turm bis in den Himmel bauen. Da hat Gott ihnen für ihren Hochmut einen Dämpfer verpasst: Davor haben alle dieselbe Sprache gesprochen und alle waren alle ein einziges Volk. Dann hat sie Gottes Strafe getroffen: Sie begannen, verschiedene Sprache zu sprechen und wurden über die ganze Erde zerstreut. Die Geschichte steht am Anfang der Bibel. Die ersten Kapitel der Bibel wollen erklären, warum wir Menschen sind wie wir sind. Und warum manches so schwierig ist und schiefläuft. In diesem Fall eben die Sache mit der Verständigung.

Verschiedene Sprachen als Strafe – ja, es gibt Momente, in denen ich verstehe, was gemeint ist. Andererseits sind Sprachen auch ein großer Reichtum. Ich merke: Wenn ich selbst eine andere Sprache spreche, verändert sich unwillkürlich mein Tonfall, meine Mimik, meine Körperhaltung – und in gewisser Weise sogar mein Lebensgefühl. Es ist toll zu erleben, dass Sprache mehr ist als Worte. Und ehrlich gesagt: Es liegt ja nicht nur an fremden Sprachen, dass wir einander nicht verstehen.

Deshalb gefällt es mir, dass es eine zweite Geschichte aus der Bibel gibt, in der es um Sprachen geht. Es ist die Geschichte vom Pfingstfest (Apostelgeschichte 2). Sie erzählt, wie sich auf einmal alle Menschen verstehen – egal, welche Sprache sie sprechen. Weil der Heilige Geist, Gottes Geist der Liebe, dafür sorgt.

Leider passiert so ein Wunder wie damals nicht immer dann, wenn es gerade geschickt wäre. Wenn ich in der Flüchtlingsunterkunft bei uns am Ort nicht weiterkomme, weil mich die Mutter aus Afghanistan einfach nicht versteht und ich sie auch nicht…

Trotzdem macht mir die Geschichte vom Sprachenwunder Mut, weiter miteinander zu kommunizieren und zu versuchen, einander zu verstehen. Es braucht manchmal das Übersetzungsprogramm auf dem Handy, oft Hände und Füße und immer viel Geduld. Aber dann ist manchmal plötzlich doch alles klar. Wie durch einen Geistesblitz. Ein Mini-Sprachenwunder…

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SWR2 Zum Feiertag

29MAI2023
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Judy Bailey und Patrick Depuhl Copyright: Darius Ramazani.

Christopher Hoffmann spricht mit den Musikern Judy Bailey und Patrick Depuhl

Christopher Hoffmann:

Ich bin Christopher Hoffmann von der katholischen Kirche. Heute am Pfingstmontag spreche ich mit den Musikern Judy Bailey und Patrick Depuhl. Sie Judy, sind in London geboren und in der Karibik, auf Barbados, aufgewachsen. Sie Patrick sind in Duisburg geboren und am Niederrhein groß geworden. Inzwischen sind Sie seit über 25 Jahren verheiratet, haben drei gemeinsame Söhne im Teenageralter und sind um die ganze Welt getourt. Und Sie haben ein wie ich finde sehr inspirierendes Buch geschrieben mit dem Titel „Das Leben ist nicht schwarz-weiss“.* Sie wollen damit gegen das schwarz-weiss Denken ankämpfen und es aufbrechen und deshalb, finde ich, hat dieses Buch auch viel mit dem Pfingstgeist zu tun, der uns ja auch herausfordern will uns immer wieder zu öffnen, unsere vielleicht festgefahrenen Meinungen zu überdenken und offen in die Welt zu schauen. Was feiern Sie heute an Pfingsten, Judy und Patrick?

Judy Bailey:

Es ist möglich für alle Leute, überall, wer auch immer du bist, wenn du möchtest du hast die Möglichkeit eine Begegnung zu haben mit Gott. Und das ist für mich Pfingsten. Ich glaube, dass der Geist möchte mit uns arbeiten. Und durch uns arbeiten. Und weil die Botschaft ziemlich klar ist in der Bibel und weil ich glaube, dass der Geist lebt und relevant ist, ich glaube, dass wir Dinge ändern können.

Patrick Depuhl:

Wenn ich an das erste Pfingsten denke, dann sehe ich da eine Gruppe von Jüngern und Jüngerinnen, die nicht so genau wusste was ihnen geschah, als Gottes Geist ihnen nahekam und ihnen Kraft gab und so ihre Gaben entfaltete und sie zu - im wahrsten Sinne des Wortes - begeisternden Menschen machte, die andere auch ansteckten mit dieser Kraft Gottes. Und Leute hatten so den Eindruck für einen Moment Gott ist mir nah auch durch diese Menschen. Und ich glaube das feiere ich Pfingsten, dass Gott immer noch nah kommen kann auf ganz überraschende, ungewöhnliche Arten und tatsächlich uns durch andere Menschen begeistert.

Die Texte aus dem Buch „Das Leben ist nicht schwarz-weiss“ haben finde ich eine ganz klare Botschaft: Vor Gott haben alle Menschen die gleiche Würde – unabhängig von Hautfarbe, von Herkunft oder Nation. Das ist für mich auch eine Pfingstbotschaft, denn in der Lesung zum heutigen Pfingstmontag, da sagt Petrus in der Apostelgeschichte: „Jetzt begreife ich, dass Gott nicht auf die Person sieht, sondern dass ihm in jedem Volk willkommen ist, wer ihn fürchtet und tut, was recht ist.“ (Apg 10,34-35) Warum ist Ihnen diese Botschaft so wichtig?

Patrick Depuhl:

Ich glaub tatsächlich, dass ist so dieser Blick Gottes. Und manchmal sehen wir uns und denken, mir ist Gott vielleicht ein bisschen näher, weil ich so und so bin. Das ist eigentlich schön, dass du diesen Vers ausgesucht hast, dass Petrus das an so einem Tag auch erkennt: Moment, ich hab´s gar nicht gemerkt, ich hab immer so auf mich geachtet! Und ich merk: Ne, jeder von uns kann beten: „Unser Vater im Himmel“, das ist immer so ganz unmittelbar: mit einem Gespräch, mit einem Gebet bin ich wirklich an Gottes Ohr, an Gottes Herz. Das ist für mich voll die Pfingstbotschaft, dass Gott uns so nah ist und uns den Wert zuschreibt, weil wir haben die Tendenz zu sagen: Oh, du hast ne Behinderung,  oh, du hast nicht die richtige Hautfarbe, vielleicht mag Gott dich nicht so gerne, oder andersrum.

In dem Buch werden Sie auch sehr persönlich und begeben sich auf die Suche nach den eigenen Wurzeln zu ihren Vorfahren. Nehmen Sie uns mal mit auf diese Reise in die Vergangenheit, Judy…

Judy Bailey:

Es war mir immer sehr bewusst, dass mein Hintergrund -obwohl ich auf Barbados aufgewachsen bin - nicht auf Barbados angefangen hat. Wenn ich darüber nachdenke: Meine Geschichte, dass Europäer nach Afrika gegangen sind, Westafrika. Leute wurden versklavt, Leute wurden einfach „gekauft“ und mit genommen nach Barbados, um da Plantagen aufzubauen und Leute wurden schrecklich behandelt. Leute, die versklavt haben, haben einfach die Namen von die „Besitzer“ gegeben- also unsere Namen sind einfach verschwunden. Und das ist für mich sehr wichtig geworden in diesem Buch, in dieser Zeit, das wirklich ein bisschen nachzuforschen.

Patrick Depuhl:

Ich glaub auch als wir dann uns die Geschichte noch mal angeguckt haben auf Barbados: erstens haben viele die Überfahrt gar nicht überlebt, die sind einfach ins Meer geschmissen worden, wenn sie krank waren, oder wenn sie gestorben sind, weil die Verhältnisse so krass waren auf diesen Schiffen. Wenn sie es geschafft haben, haben Sie in Barbados durchschnittlich zwei bis drei Jahre überlebt, also es war wirklich so wie eine Maschine: ich gebrauch die kurz… Allein auf Barbados leben heute 287.000 Leute ungefähr- aber es sind 400.000 Sklaven auf die Insel gebracht worden, also mehr als Menschen da leben sind dahin gebracht worden und einfach so verbraucht worden als seien es keine Menschen.

In der Lesung, die an den Gottesdiensten heute zu Pfingsten zu hören ist, da schreibt Paulus im 1. Korintherbrief: „Durch den einen Geist wurden wir in der Taufe alle in einen einzigen Leib aufgenommen, Juden und Griechen, Sklaven und Freie, und alle wurden in dem einen Geist getränkt.“ Wenn Sie diesen Vers hören Judy, Ihre Vorfahren wurden aus Westafrika nach Barbados versklavt, wurden gedemütigt, gequält, manchmal sogar umgebracht wegen ihrer Hautfarbe. Was bedeutet Ihnen dieser Vers?

Judy Bailey:

Wenn ich diesen Vers höre, heißt das für mich: Wir sind gescheitert. Weil das ist nicht, was die Vergangenheit zeigt und leider teilweise auch heute nicht. Das ist für mich eine sehr klare Botschaft und Erinnerung, dass wenn besonders wir als Kirche, wenn wir sagen und wenn wir als Christen leben möchten, dann müssen wir das ganz ernst nehmen und Liebe zeigen. Wenn unser Glaube basiert ist auf Liebe, dann muss das wirklich in der Tat zu sehen, nicht nur mit Worte, aber in der Tat zu sehen und spürbar sein.

Patrick, Sie sind Nachfahre eines Mannes, der in einem so genannten „Lebensborn“-Heim der SS auf die Welt kam. Ihr Vater Michael war damit eines von rund 10.000 Kindern, die innerhalb von 10 Jahren bis 1945 in Häusern zur Welt kamen, die der Naziverbrecher Heinrich Himmler hatte bauen lassen, damit dort mehr „arische“ Kinder zur Welt kommen…

Patrick Depuhl:

Ja tatsächlich waren es etwa 10.000 Kinder, die in deutschen Heimen zur Welt gekommen sind. Es gab noch einige mehr über Europa verteilt, vor allem in Norwegen war das Stichwort: „Aufnordung der deutschen Rasse.“ Also mein Vater kam in einem Heim in der Nähe Bremens zur Welt und für uns war das dann relativ krass zu sehen: Sein Leben wurde als „wertes“ Leben beschrieben und das Leben vieler Sklaven und Schwarzen als „unwertes“ Leben. Hätten wir damals die Familie gehabt, die wir jetzt haben, mit drei Kindern, auch noch Kinder die heißen Levy, Noah, Jakob, jüdische Namen, die nicht „arisch“ sind -das wäre alles lebensgefährlich gewesen. Ich weiß noch, als ich der Expertin dieses Lebensborn-Heims, wo er geboren wurde, einen Brief schrieb: „Das haben wir Himmler ziemlich versaut“- […] Hey wären wir schwarz und weiss wären unsere Kinder grau, das sind sie nicht! Gott ist ein wunderbarer, bunter, lebendiger Gott und das müssen wir als Geschenk nehmen und eben nicht diese ganzen Trennungen und Teilungen und Einteilungen und Schubladen. Wo sein Geist uns zusammenbringt, da werden wir wirklich Menschen.

Ihr wählt für eure Konzerte immer wieder auch ganz besondere Orte und Anlässe, ihr habt zum Beispiel in einem Kinderhospiz gespielt, eine sterbende Frau in ihren letzten Stunden begleitet, ihr die Hand gehalten und ein Lied gesungen, weil sie sich das gewünscht hat. Ihr habt in Flüchtlingsunterkünften, bei Obdachlosen und sogar in Gefängnissen gesungen. Warum macht ihr das?

Patrick Depuhl:

Über die Jahre war es echt ein großes Vorrecht Konzerte in ganz vielen Ländern an ganz vielen Orten zu machen- und irgendwann hat man glaube ich auch die Idee zu sagen: Können wir nicht auch Konzerte da machen, wo man sie nicht erwartet? Das war schon in der Straßenbahn, aber eben auch an traurigen Orten, im Hospiz. Und dann schrieb später der Leiter des Hospizes: Ihr habt so viel Lebensfreude gebracht – wir dachten so wow! Wir haben in einer Friedhofskapelle gespielt. Oder einfach auf dem Bahnhof. Es war die Osternacht und ich weiß noch es haben Obdachlose in der ersten Reihe getanzt – und das sind schon ganz besondere Erinnerungen. Oder Gefängnisse haben Sie gerade angesprochen: in der Justizvollzugsanstalt Essen war das, da gab es einen Männerchor und der hat so mit Inbrunst gesungen, das war nicht nur vierstimmig, das war – ich weiss nicht - 23-stimmig, genau so viele wie das waren, aber es war so ansteckend: Und ich weiss noch diese eine Zeile: „Wie ist Versöhnung? So ist Versöhnung-wie ein Schlüssel im Gefängnis!“ Und ich dachte: Boah, das gibt diesem Lied noch mal eine ganz andere Kraft, einen ganz anderen Raum!

Zum Schluss: Sie strahlen trotz dieser zum Teil auch wirklich heftigen Lebenserfahrungen und beeindruckenden, manchmal vielleicht  auch -ich würde sagen - belastenden biographischen Stationen eine Leichtigkeit und Lebensfreude aus, die wirklich ansteckend ist. Wo kommt das her?

Judy Bailey :

Ich glaube es kommt von diesem Durchleben von schweren Sachen mit Gott mittendrin und das Wissen, dass Gott da ist und dass es weitergeht und diese Hoffnung ist irgendwie in mein Herz gepflanzt.

Vielen, vielen Dank für das Gespräch.

Sehr, sehr gerne.

*Patrick Depuhl und Judy Bailey: Das Leben ist nicht schwarz-weiß. Geschichten von Wurzeln, Welt und Heimat, adeo Verlag Asslar, 2021, Seite 190.

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SWR3 Gedanken

26MAI2023
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Genau heute vor drei Jahren hatte ich mehrere Termine, aber alle an einem Ort: an meinem Schreibtisch. Zwei Telefonkonferenzen. Und drei Videokonferenzen. Allein bei dem Gedanken bekomme ich heute Kopfschmerzen – aber damals war das noch was Neues.

Genau heute vor zwei Jahren hab ich mit Pfadfindern, die ein virtuelles Pfingstlager veranstaltet haben, einen digitalen Gottesdienst gefeiert. Ein virtuelles Pfingstlager? Das ging so, dass jeder und jede im eigenen Zelt im Garten geschlafen hat und sich dann einzeln von zu Hause aus mal mit besserem, mal mit schlechterem W-Lan zuschaltete.

Und vor genau einem Jahr war ich mit meiner Clique in der Eifel wandern und jetzt waren auch endlich alle Cafés und Restaurants am Wegesrand wieder geöffnet und nach einem tollen Tag haben wir abends noch geschlemmt und miteinander angestoßen. Ohne an Aerosole oder Symptome zu denken. Prost Leute!

Manchmal frage ich mich: Wie verrückt ist diese Zeit der Pandemie gewesen!?! Und dann werde ich oft auch ganz dankbar: Dankbar, dass so vieles wieder geht. Lange Zeit war ich nicht sicher, ob es sowas wie Normalität überhaupt noch mal geben wird. Denn eines hat sich während der Pandemie in meine Seele gebrannt: nichts ist selbstverständlich. Und für viele andere Menschen auf unserem Globus ist es das auch nach wie vor nicht-sei es wegen einem Krieg, wegen Umweltkatastrophen, wegen finanziellen Problemen oder chronischen Krankheiten. Umso dankbarer will ich jeden Tag sein für das was geht-auch für die vermeintlichen Selbstverständlichkeiten: meinen geliebten Kaffee mit Freunden in der Lieblingsbar trinken, mit anderen Musik machen, mich spontan zum Fußball gucken in einer Kneipe verabreden.  Danke Gott, dass das alles wieder geht! 

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SWR3 Gedanken

18MAI2023
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Es ist so ein Bastelbild: unten sieht man eine Gruppe Menschen, in der Mitte Jesus, da drüber eine riesige Wolke, und wenn man an der Schlaufe zieht, dann fliegt Jesus wie eine Rakete hoch in die Wolke. Christi Himmelfahrt.
Gerade war Jesus noch mit seinen Freundinnen und Freunden beisammen, da wird er schon abberufen und fährt auf in den Himmel.

Die Grundschülerinnen und Grundschüler meiner Religionsklasse kennen das auch schon, dieses „gerade noch da, jetzt aber weg“. Gerade war noch der Papa da, jetzt ist er weg, hat sich von der Mama getrennt. Oder die große Schwester, die auszieht. Oder das Meerschweinchen, der Hamster, das Zwergkaninchen, die einfach sterben. Der Opa, der jetzt auf dem Friedhof liegt.

Ich frage die Grundschüler, wie sie das finden. Und sie erzählen von Wut und Traurigsein, aber vor allen Dingen von Hilflosigkeit: sie fühlen sich klein und alleingelassen und verstehen die Welt nicht mehr.

Ich sage, dass damals die Freundinnen und Freunde Jesu sich genau so auch gefühlt haben. Und ich erzähle, dass Gott ihnen den Heiligen Geist an die Seite stellt, der soll ihnen helfen, sie trösten.

Wir überlegen uns, wie so etwas aussehen kann: der Heilige Geist in Aktion sozusagen. Das Erste, was eigentlich fast allen einfällt, ist die Mama, die einen in den Arm nimmt. Und der Papa, der tröstet. Viele erzählen auch von der Oma. Der Geruch des Kuscheltiers. Die Wärme des Bettes. Schokolade, ein Lied, ein Gebet. Ernst genommen werden.

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