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SWR2 Zum Feiertag

Der Ausblick ins Neue Jahr ist mit positiver Spannung und Erwartung verbunden. Ich glaube, es ist wichtig heute Morgen, gerade auch diese positive Neugier auf 2010 in uns zu wecken. Vor allem wenn man leicht zu dunkleren Gedanken neigt. Ich bin z.B. ein großer Fußballfreund und freue mich jetzt schon auf die erste Weltmeisterschaft in Afrika im Sommer.
Aber es weckt auch Befürchtungen und Ängste, das Neue Jahr. „Wenn einer keine Angst hat, hat er keine Phantasie,“ hat Erich Kästner einmal gesagt. Treffend glaube ich. Ich beobachte es an mir, je älter ich werde. Die Phantasie, die mich Befürchtungen hegen lässt, nimmt nicht ab. Und oft wird die Phantasie ja noch von der Wirklichkeit überholt.
Es ist realistisch, auch mit Angst in das Neue Jahr hinein zu schauen. Aber weil es realistisch ist, ist es umso wichtiger, aus Energiequellen zu schöpfen, die einem Kraft geben, in dieses Jahr mutig hinein zu gehen.
Die evangelische Kirche hat für das Jahr 2010 ein biblisches Leitwort gewählt, das die Angst nicht verdrängt, sondern Mut macht ihr stand zu halten. Dieses Leitwort erinnert an Jesus, der seinen ängstlichen Jüngern einen dreifachen Rat gegeben hat. „Euer Herz erschrecke nicht,“ sagt er. „Glaubt an Gott und glaubt an mich.“ (Joh 14,1)
„Euer Herz erschrecke nicht.“ spricht Jesus uns an. Angst kann einen so erschrecken, dass man panisch wird oder erstarrt. Und dann tut man entweder etwas Falsches oder kann gar nicht mehr handeln. Es hat mich erschreckt, als vor Weihnachten in Kopenhagen die Weltklimakonferenz so kläglich endete. Die politischen Eliten unserer Welt hinken den Erfordernissen weit hinterher. Misstrauen und nationaler Eigennutz haben verhindert, dass sie ihre Verantwortung für unsere eine kleine Welt übernommen haben. Was soll jetzt werden? Viele Menschen werden in den nächsten Jahren die Folgen dieser Untätigkeit zu spüren bekommen.
„Euer Herz erschrecke nicht“. 'Bleibt nicht stecken in der Angst.' So verstehe ich diese Aufforderung Jesu. Nicht panisch oder starr werden. Oder gar zynisch. Stattdessen unerschrocken sagen: „Jetzt erst recht.“ Es ist wichtig, nach einer Schockstarre der Angst wieder aus ihr heraus zu kommen.
Und dazu finde ich den zweiten Ratschlag im Leitwort für 2010 sehr hilfreich. Es wendet die Aufmerksamkeit weg von dem, was mich ängstigt. Wenn ich immer nur daran denke und wie gebannt davon bin, dann bleibt die Angst übermächtig. Es ist wichtig, etwas anderes in den Blick zu nehmen. „Euer Herz erschrecke nicht, glaubt an Gott.“ Gottvertrauen hilft, um sich gegen Angst zur Wehr setzen. Vertrauen macht ein panisches Herz wieder ruhiger.
Vielleicht kommt es Ihnen naiv vor. Aber ich glaube fest daran, dass der Schöpfer sich seine Erde nicht von Menschen zerstören lässt. Auch nicht durch den gescheiterten Gipfel in Kopenhagen. Darauf vertraue ich, auch wenn die politische Vernunft versagt hat. Der Schöpfer lässt seine Erde nicht im Stich, auch wenn Menschen sie noch so sehr in Mitleidenschaft ziehen. Aber dieses Gottvertrauen ist keine billige Beruhigungspille.
Das macht die dritte Aufforderung Jesu im Leitwort für 2010 deutlich. „Glaubt an Gott und glaubt an mich,“ heißt es. Warum Vertrauen auf Jesus? Reicht das Vertrauen in den Schöpfer nicht? Ich verstehe das so: Das Vertrauen auf Jesus macht die menschliche Perspektive stark. Auf Jesus zu vertrauen bedeutet auch sich an ihm zu orientieren. Zu fragen: Wo bin ich verantwortlich? Wo sind meine Möglichkeiten, vielleicht sogar jetzt erst recht? „Euer Herz erschrecke nicht. Glaubt an Gott und glaubt an mich“, sagt Jesus. In wünsche Ihnen viel Mut für das Neue Jahr. https://www.kirche-im-swr.de/?m=7436
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SWR4 Abendgedanken BW

„Schön, das ist ja Venedig“ – so habe ich mich gefreut über eine Urlaubskarte in meinem Briefkasten. Der Anblick dieser Stadt erinnert mich an eine ganz besonders schöne Situation: Ein sonniger Spätsommertag. Wir nähern uns der Stadt vom Meer aus und auf einmal beginnen alle Kirchenglocken zu läuten, es ist 12 Uhr mittags.
Ein grandioser Augenblick! So viele Glocken vereinen sich zu einem beeindruckenden Klangerlebnis. Ich war ganz überwältigt. Da passiert was zwischen Himmel und Erde, so kam es mir vor.
Der Klang der Kirchenglocken. Ich mag ihn. Auch wenn er viel bescheidener daher kommt. Von einem einzigen Kirchturm und mit einem einfachen Glockenspiel.
Ihr Klang weckt in mir ein Gefühl der Geborgenheit, ein heimatliches Gefühl.
In ländlichen Gegenden kann man die Glocken oft weithin hören und sich daran orientieren, zu den verschiedenen Tageszeiten. Ich erinnere mich, wie ich als Kind nach Hause gelaufen bin, wenn es gegen Abend geläutet hat, weil ich gewusst habe, jetzt werde ich erwartet.
In den Großstädten von heute ist das anders. Manchmal ist das Glockenläuten im Straßenlärm gar nicht mehr so richtig wahrzunehmen.
Wenn ich sie aber mal mitten im geschäftigen Treiben höre, dann erlebe ich, wie mich das berührt. Und manchmal halte ich inne. Warum rennst du hier eigentlich so durch die Gegend, jetzt mach’ doch mal `ne kurze Pause.
Dann kann ich Dinge und Menschen um mich herum viel bewusster wahrnehmen. Und manchmal wandern meine Gedanken auch himmelwärts – dankbar oder auch bittend.
Wie eng der Klang der Glocken früher mit dem Leben der Menschen verbunden war, hat Friedrich Schiller in seiner berühmten Ballade von der Glocke ausführlich beschrieben.
Erich Kästner hat sich da kürzer ausgedrückt:
„Wenn im Turm die Glocken läuten, kann das vielerlei bedeuten: Erstens: dass ein Festtag ist, dann: dass du geboren bist, Drittens: dass dich jemand liebt, viertens, dass es dich nicht mehr gibt...“
Ein Menschenleben im Zeitraffer!
Ich meine, auch heute noch kann mir das Glockenläuten ein Gespür für meine Lebenszeit geben und dafür, wie ich sie ein wenig bewusster gestalten kann.
Und weil viele Kirchenglocken ja schon Hunderte von Jahren erklingen, sind sie auch irgendwie eine Verbindung zwischen Zeit und Ewigkeit. Eine Verbindung zwischen dem so ganz weltlichen Alltagsleben und der Besinnung auf Religiöses, auf Gott.
Und nicht zuletzt erklingen die Glocken auch heute noch zum Lobpreis Gottes.
Sie sind ein besonderes Erkennungszeichen des christlichen Europas.
Und ich meine, ihr Klang tut vielen Menschen in ihrem Alltag gut. https://www.kirche-im-swr.de/?m=4442
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SWR3 Gedanken

Ernst Bloch, Bertold Brecht, Siegmund Freud, Heinrich Heine, Franz Kafka, Erich Kästner, Joachim Ringelnatz, Anna Seghers, Kurt Tucholsky. All diese Namen lesen sich wie das „Who is who“ der deutschsprachigen Literatur. Ihnen allen gemeinsam ist am 10. Mai 1933 nur eines: Ihre Bücher brennen gut.
Mit pathetischem Pomp und martialischen Sprüchen werden an jenem Abend in ganz Deutschland nicht nur Bücher ins Feuer geworfen. Im Prasseln der Flammen geht eine ganze Gedankenwelt zugrunde. Jedenfalls wenn es nach dem Willen der Nationalsozialisten geht. Und selbst nach 65 Jahren tut der Gedanke weh. Weil ja eben nicht nur Bücher verbrannt worden sind. Sondern Geist und Esprit, Kultur und Menschlichkeit.
„Dort wo man Bücher verbrennt, verbrennt man auch am Ende Menschen.“ Prophetische Worte, die Heinrich Heine schon 1820 dichtet. Gut hundert Jahre, bevor auch seine Werke auf der Schwarzen Liste landen. Und wie Recht er damit hatte, hat längst die Geschichte erwiesen. Und erweist es bis heute.
Denn das Bücherverbrennen haben die Nazis nicht erfunden. Schon in der Antike brannten Schriftrollen, um missliebige Gedanken zu vernichten. Was aber noch weit schlimmer ist: Bücher brennen auch heute noch. Sie tun es selten in unserem Land, sie tun es anderswo. Und es ist noch immer ein deutliches Zeichen für einen höchst ungesunden Fundamentalismus, wenn Bücher ins Feuer fallen.
Und dennoch bleibt der 10. Mai 1933 ein einzigartiger Tiefpunkt kultureller Tyrannei. Kein Aufwallen von wie auch immer motivierten Gefühlen, keine irregeleitete Abscheu lässt Bücher brennen. Damals war es eine kühl durchdachte Weltanschauung, die mit zynischer Sorgfalt und Bürokratie eine enorme Manipulation organisiert. Und Tausende lassen sich manipulieren. Viele davon vermutlich ohne die geringste Ahnung, warum sie schreien und toben und nachplappern, was man ihnen vorplappert.
Und schon allein deshalb finde ich den 10. Mai in jedem Jahr einen Gedanken wert. Weil er lehrt, wie leicht man Gedanken manipulieren, umpolen und schließlich töten kann. Und das möge uns nie wieder widerfahren.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=3644
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SWR3 Worte

Mit Bäumen
kann man wie mit Brüdern reden
und tauscht bei ihnen seine Seele um.
Die Wälder schweigen
doch sie sind nicht stumm.
Und wer auch kommen mag,
sie trösten jeden.

Erich Kästner

Publik-Forum Extra Mai 2006, S.4 Publik Forum Verlagsgesellschaft mbH
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SWR2 Wort zum Tag

„Im Galarock des heiteren / Verschwenders, / ein Blumenzepter in der schmalen Hand, / fährt nun der Mai, der Mozart des / Kalenders, / aus seiner Kutsche grüßend, über Land.“ Wie der Schriftsteller Erich Kästner hier den Mai in Szene setzt, kommt heutzutage zwar etwas spät: längst schon ist das Aufblühen der Natur im vollen Gang, die Klimaerwärmung machts möglich. Und doch ein zutreffendes Bild. Im Galarock kommt der Mai daher, ein Blumenzepter in der schmalen Hand – also eine königliche Figur, großzügig, charmant; wo er hinkommt, wird alles leicht und schön und hell, wie in der Musik Mozarts.
Einladend und leichtfüßig wie der Wonnemonat Mai geht auch dieses Gedicht weiter: „ Es überblüht sich, er braucht nur zu / winken. / Er winkt! Und rollt durch einen / Farbenhain. / Blaumeisen flattern ihm voraus und / Finken. / Und Pfauenaugen flügeln hinterdrein. // Die Apfelbäume hinterm Zaun erröten. / Die Birken machen einen grünen Knicks. / Die Drosseln spielen, auf ganz kleinen / Flöten, / das Scherzo aus der Symphonie des / Glücks.“ Wieder der Vergleich mit der Musik, wieder die Lust des Hörens und Schauens. Pflanzen und Bäume, Vögel und Farben spielen mit – eine einzige Pracht. Damals gab es auch noch Schmetterlinge wie die Pfauenaugen, die wir längst vernichtet haben. Trotzdem kann sich unsereiner nur mitfreuen. Die einen trinken ihre Maibowle, die anderen tanzen um den Maibaum, die dritten machen eine Wanderung durch den aufblühenden Buchenwald. Aufbruchsstimmung, keine Frage! Frühlingsgefühle, erwachendes Leben.
Aber, selbst in dieser Symphonie des Glücks gibt es Moll-Töne, mitten im schönsten Frühlingserwachen schon gibt es die wehmütige Ahnung der Vergänglichkeit. Kästners vorletzte Strophe in seinem Gedicht „Der Mai“ lautet so: „Melancholie und Freude sind wohl / Schwestern. / Und aus den Zweigen fällt verblühter / Schnee. / Mit jedem Pulsschlag wird aus Heute / Gestern. / Auch Glück kann weh tun. Auch der Mai / tut weh.“ Wie genau das gesagt ist. Das morgendliche Sonnenlicht im Buchenwald, der abendliche Blick auf die tausend Grünschattierungen im Rheingau oder sonst wo in der Weite der Landschaft, der Sonnenaufgang in der Birke gegenüber – solch blendende Schönheit kann mich weinen machen. Und schon erinnert der Blütenstaub ans Vergehen. „Und aus den Zweigen fällt verblühter / Schnee. / Mit jedem Pulsschlag wird aus Heute / Gestern. / Auch Glück kann weh tun. Auch der Mai / tut weh.“ Mitten im Frühlingserwachen doch schon das Wissen um den Gang alles Irdischen, Werden und Vergehen. „Die Zeit versinkt in einer Fliederwelle. / O, gäb es doch ein Jahr aus lauter Mai!“
Im Grün des Frühlings ist schon beides da: Freude übers Leben – und die Ahnung von Sterben und Tod. Doch weil eben dem schönsten Frühling noch der Sommer folgt, der Herbst und dann der Winter, muss es mehr als diese Zyklen geben, mehr als alles. Nicht zufällig ist deshalb Grün die Farbe der Hoffnung. Hildegard von Bingen sprach von der Grünkraft des Glaubens, von der göttlichen Energie in allen Dingen.
Auf den mittelalterlichen Glasfenstern wird das Kreuz Jesu stets grün gemalt, in der Maifarbe der Hoffnung und des Lebens. Im österlichen Lebensbaum des Kreuzes blüht mitten in der vergehenden Welt die wahre auf – und die vergeht nicht mehr. Mit Jesus ist etwas in die Welt gekommen, was nun seit 2000 Jahren schon blüht und jeden Frühling übertrifft: das Tun der Liebe, die Freude an Gott und den Mitmenschen, der göttliche Sonnengesang auf die Lilien des Feldes und die Vögel des Himmels, das Loblied sogar auf den Tod, auf das ganze endliche Leben. Wenn der Mai schon wie ein heiterer Verschwender daher kommt, dann diese Grünkraft dieses Evangeliums erst recht. Versprochen ist jene göttliche Lebensfülle, die schließlich kein Vergehen mehr kennt, keine Melancholie und keinen Schmerz der Endlichkeit. Diese Grünkraft christlicher Auferstehungshoffnung kommt uns entgegen selbst in der Triebkraft der Natur und dem lustvollen Mai-Treiben.


https://www.kirche-im-swr.de/?m=1226
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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

„Liebe Leute, heute erzähle ich Ihnen etwas über die Ungerechtigkeit gegenüber Kindern.
Ungerechtigkeit ist, in der Schule nachsitzen müssen, aber Lehrer müssen nie nachsitzen, ganz egal wie blöd sie sind.
Ungerecht ist Süßigkeitenverbot, aber die Eltern schütten ihren Kaffee mit Zucker voll.
Still sein müssen, wenn die Alten quatschen, selbst wenn’s nur Mist ist,
aber selber dürfen sie immer stören wenn man grad mit Freunden spielt.
Dass Eltern sich scheiden lassen und nicht mal fragen, ob man auch geschieden werden will. Das alles ist ungerecht.“
„Emil und die Detektive“ heißt der Roman von Erich Kästner, aus dem ich Ihnen eben vorgelesen habe. Was Kästner uns Erwachsenen damit sagen will, ist klar: wir messen oft mit zweierlei Maß und merken es nicht.
Nicht leicht zu hören, aber da ist viel Wahres dran.
Ich bin als Pfarrer in einer Schule tätig und Vater von zwei Töchtern. Wie oft bin ich ungerecht? Daheim, in der Schule? Wie schnell ist da eine Klassenarbeitsnote festgeschrieben, obwohl ich genau weiß, dass die doch nur eine Tagesform des Schülers zeigt?
Ich möchte mit Ihnen mal einen Moment träumen von einer Welt, die anders funktioniert.
Eine Welt, in der jeder sagen darf, welche Tagesform er gerade hat und wie es ihm geht.
Eine Welt, in der ich sein kann wie ich bin, mit meinen Erfahrungen im Leben, mit all dem was mir gelingt, aber auch misslingt.
Eine Welt, in der jeder offen und ehrlich sein darf, ohne dafür gleich erzogen und bewertet zu werden.
So zu träumen ist nicht weltfremd, denn in dieser geträumten Welt gewinnen wir alle.
Wo ich ehrlich sein darf und wo ich weiß, dass ich für meine Offenheit geliebt werde, da hat auch die Gerechtigkeit schon ein Stück gewonnen.
Ich weiß, dass wir das alles nicht aus eigener Kraft schaffen. Deshalb möchte ich für diesen Tag Gott bitten:
Gott, schenke uns die Ruhe und die Besinnung, auf das zu hören, was wichtig ist für die Kinder in dieser Welt und auch für das Kind in mir.
Gott, gib mir Menschen an meine Seite, die mir die Wärme und Zuneigung geben, die wir alle brauchen. Die Wärme und Zuneigung nach der sich Emil in der Geschichte sehnt, von der ich träume und nicht aufhören will zu bekommen. Amen.
Gott schütze Sie. https://www.kirche-im-swr.de/?m=845
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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Wir Deutschen verreisen wieder mehr, habe ich gelesen, seit die Wirtschaftslage wieder besser ist: In den Schnee über Fasching. Ein Kurztrip in die Sonne oder richtig weit in ferne Welten.
Ich finde „verreisen“ immer noch aufregend. Selbst wenn es nicht weit geht: Einpacken, Wohnung abschließen, die Weite suchen, das macht kribbelig. Und wenn ich da bleibe und jemand Liebes fährt weg, ist mir immer auch mulmig. In jedem „komm gut wieder“ liegt auch Ungewissheit.
Für Erich Kästner ist „verreisen“ ein Symbol für das Leben an sich.
In seinem Gedicht „Eisenbahngleichnis“ schreibt er:
„Wir sitzen alle im gleichen Zug und reisen quer durch die Zeit. Wir sehen hinaus. Wir sahen genug. Wir fahren alle im gleichen Zug. Und keiner weiß, wie weit.“
Das ganze Leben eine Reise.
In der Bibel gibt es ein Gebet, in dem ich dieses Lebensgefühl auch wieder finde. „Du stellst meine Füße auf weiten Raum,“ heißt es da. Da steckt auch beides drin. „Weiter Raum“: Da kann ich mich ausbreiten, frei bewegen, neues entdecken.
Aber manchmal überfordert mich Weite auch. Wenn ich kein Ziel mehr sehe, an dem ich mich orientieren kann. Wenn der Weg schwer wird, zu weit.
Gott sei Dank kommt im Psalm etwas dazu, was es bei Kästner in seinem Gedicht von der Lebensreise nicht gibt. Im Psalm gibt es ein „Du“. Bei Kästner ist jeder im Leben auf sich gestellt. Im Psalm gibt es ein Gegenüber. „Du“ hast mich in die Weite des Lebens gestellt. Ich bin nicht ins Leben gefallen, Gott eröffnet mir das Leben und stellt mich auf meine Lebensreise. Und er geht mit. Davon ist der Psalmbeter überzeugt. Darum kann sich der Mensch, der den Psalm betet, dem Leben anvertrauen, auch wenn es weit und ungewiss ist:
Ich aber, HERR, hoffe auf dich, sagt er, und spreche: Du bist mein Gott! Meine Zeit steht in deinen Händen.“(Psalm 31,9.15)
Diese Worte kann ich mitnehmen. Überall hin. Und sie können einen erinnern, dass Gott mit mir geht und mein Gegenüber bleibt, wo mich das Leben auch hinführt. Sogar wenn ein Mensch aus dem Zug des Lebens aussteigen muss, hört die Beziehung Gottes zu ihm nicht auf. „Du stellst meine Füße auf weiten Raum. Auf Dich hoffe ich, Herr.“ Ich finde, das sind gute Worte für die Lebensreise. Und genauso fürs verreisen. Für den, der fährt, und für den der da bleibt oder zurück bleiben muss, auch.
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SWR3 Worte

Bei Vorbildern ist es unwichtig, ob es sich dabei um einen großen Dichter, um Mahatma Gandhi oder um Onkel Fritz aus Braunschweig handelt,
wenn es nur ein Mensch ist, der im gegebenen Augenblick ohne Wimpernzucken gesagt oder getan hat, wo(vor) wir zögern.

Erich Kästner – Vorbilder


Quelle: Zusammen wachsen. Gedanken- Geschichten – Gebete. Hrsg. Von Waldemar Wolf und Renate Spennhoff. Katholisches Bibelwerk Stuttgart. 1999. S. 95https://www.kirche-im-swr.de/?m=542
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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

„Prosit Neujahr!“ Alles Gute für 2007. Wie wird es werden, das neue Jahr? Von Erich Kästner stammen die Sätze: "fragt man alljährlich. Seien wir ehrlich: Leben ist immer lebensgefährlich." Das gilt auch für 2007. Wird's besser: Geht die Arbeitslosigkeit bei uns weiter zurück, finden auch die jungen Leute wieder ein sinnvolle Arbeitsstelle, kommt man in der Bekämpfung des Hungers in der Welt einen Schritt weiter? Oder wird's schlimmer: Eskaliert die Situation im Nahen Osten noch mehr und es gibt offenen Krieg? Löscht Aids die halbe Bevölkerung von Afrika aus, nimmt die rechte Gewalt bei uns immer mehr zu? Die Fragen nach besser oder schlimmer gelten auch für unsere kleine Welt des privaten Lebens! Gesundheit, finanzielle Sicherheit, familiäres Glück, Veränderungen in beide Richtungen sind immer möglich, es gibt keine Sicherheitsgarantien, "Leben ist immer lebensgefährlich".
Prosit Neujahr, heißt übersetzt: Es möge nützen das neue Jahr 2007, es möge ein gutes Jahr werden. Es handelt sich um den Konjunktiv, die Wunschform. Sie bringt zum Ausdruck, dass die Zukunft für uns Menschen prinzipiell unverfügbar ist. Ein gutes, glückliches neues Jahr können wir uns nur wünschen, nicht machen. Was ich ihnen wünsche, möchte ich mit einigen Zeilen des Theologen und Schriftstellers Jörg Zink ausdrücken:

Ich wünsche dir nicht
ein Leben ohne Entbehrung,
ein Leben ohne Schmerz,
ein Leben ohne Störung.

Was solltest du tun
mit einem solchen Leben ?

Ich wünsche dir aber,
dass du bewahrt sein mögest
an Leib und Seele,
dass dich einer trägt und schützt
und dich durch alles, was dir geschieht, einem Ziel entgegenführt.

Dass du unberührt bleiben mögest
von Trauer, unberührt vom Leiden
anderer Menschen, -
das wünsche ich dir nicht.
So unbedacht soll man nicht wünschen.

Ich wünsche dir aber,
dass dich immer wieder etwas berührt,
das ich dir nicht so recht
beschreiben kann.

Es heißt "Gnade "
https://www.kirche-im-swr.de/?m=467
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