SWR2 Wort zum Sonntag

Der heutige Sonntag steht unter dem Namen „Trinitatis" - „Dreieinigkeit". Er stellt eine wichtige Zäsur im Kirchenjahr dar.
Als ich irgendwann in der Grundschule im Religionsunterricht den Verlauf des Kirchenjahres lernte, war ich enttäuscht darüber, dass die Zeit nach Trinitatis so unermesslich „langweilig" ist. Vom Adventsfestkreis über Weihnachten, die Passions- und Osterzeit bis hin zu Himmelfahrt und Pfingsten sind die Sonn- und Feiertage vielseitig und lebendig. Da geschieht etwas. Da werden Geschichten erzählt. Von Trinitatis an aber sind die Sonntage einfach nur noch durchgezählt: 1., 2., 3. ... bis zum soundsovielten Sonntag nach Trinitatis irgendwann im November.
Doch diese Gliederung des Jahreslaufs hat ihren Sinn: Bis zum Pfingstfest baut sich für uns Christen schrittweise die Erkenntnis Gottes auf. Wir werden sozusagen Sonntag für Sonntag mit den unterschiedlichen Seiten Gottes vertraut gemacht - mit seiner Schöpfermacht und mit seiner Menschenfreundlichkeit, mit seiner Nähe in unserem Herzen und unserem Bewusstsein.
Dass Gott der Schöpfer Licht und Leben schafft, ist die Botschaft im Advent und in der Epiphaniaszeit. Dass Gott uns im Menschen Jesus Christus menschlich wird, dass er ein von uns berührter und berührbarer Gott ist, ist Thema von Weihnachten bis zur Passionswoche. Dass Jesus mit der Kraft Gottes alles Lebensverneinende besiegt hat und wir daran Anteil haben, ist die Botschaft an Ostern. Und dass uns Gott in seinem Geist immer wieder nahe kommt und unser Denken, Fühlen und Handeln leitet - das ist die Erfahrung, die an Pfingsten gefeiert wird.
Gott ist vielseitig und er ist vielgestaltig: Er ist Schöpfer und Herr, König und Vater, Mutter und Leben, Mensch, Wegbegleiter und Heiler, Geist und Klarheit.
Für die Alte Kirche war darum der erste Sonntag nach Pfingsten der Tag, an dem gefeiert werden sollte, dass Gott sich uns umfassend und auf vielerlei Weise geoffenbart hat. In der Redeweise von der Dreifaltigkeit oder der Dreieinigkeit Gottes wird diese Einsicht zusammengefasst. Und das Geheimnis der Dreieinigkeit Gottes sollte am Trinitatis-Sonntag bedacht, ja meditiert und angebetet werden.
Dreieinigkeit bedeutet nicht: Gott ist zugleich dreifach und doch einer. Es geht nicht um eine falsche Mathematik, wie manche Religionskritiker vorrechnen. Wobei die alten ikonografischen Symbole für Dreieinigkeit ausdrucksstärker sind und mehr Wahrheit besitzen als das vulgärphilosophische Argument uns glauben machen will, nichts könne gleichzeitig dreifach und einfach sein. Das Dreieck zum Beispiel: Es hat drei Seiten und ist doch eine Figur.
Wo liegt das Problem? Vielleicht darin, dass wir durch die altkirchliche Redeweise von den drei „Personen" in der einen Gottheit zum Addieren verführt werden - und schon tauchen in der Vorstellung drei „Götter" auf. Doch das alte Wort „Person" meint etwas Anderes als unser modernes Verständnis des Wortes. Im Griechischen ist von „Angesichtern" die Rede. Und „Angesicht" meint hier die dem Gegenüber zugewandte, „geoffenbarte" Seite.
Der Gedanke der Dreieinigkeit Gottes ist die logische Konsequenz aus der Erfahrung der ersten Christen, dass Gott der Lenker der Geschichte Israels und Jesus der Christus ist. Dass er Jesus Christus ist und dessen Geist, der uns erleuchtet und entzündet, Erkenntnis und Liebe in uns wirkt.
Für mich hat die Rede vom dreieinen Gott eine ganz einfache und überzeugende Pointe: Gott ist uns Menschen auf vielerlei Weise nahe und offenbar, und doch bleibt er in dieser seiner Vielgestaltigkeit für uns immer er selbst - er bleibt sich treu. Der Gedanke der Dreieinigkeit macht ernst mit der Erfahrung, dass die uns zugewandte Seite Gottes unterschiedliche Angesichter, Ansichten zeigt, und doch er in alledem einer und stets derselbe Gott ist - nämlich der, dessen Wesen die Liebe ist.

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