SWR1 Begegnungen

Pfarrer Wolf-Dieter Steinmann trifft Christian Wolff, Pfarrer an der Thomaskirche in Leipzig

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Bach im Blick
Das hat doch was, wenn alte Herrschaften noch fit und munter sind, geistig auf der Höhe, sich Humor bewahrt haben. Die Kirche z.B. immerhin wird sie an Pfingsten schon fast 2000. Dafür hat sie sich ganz gut gehalten, findet Christian Wolff, heute Pfarrer an der Thomaskirche in Leipzig.

Angesichts des hohen Alters ist es ja dann doch erstaunlich, dass wir immer noch nicht auf der Pflegestation sind, sondern eigentlich im Vergleich zu vielen anderen gesellschaftlichen Gruppen sehr lebendig sind.

Christian Wolff ist 1992, bald nach der Wende nach Leipzig gegangen, aus Mannheim. Von West nach Ost also, an die Thomaskirche. Eine Kirche mit großer geistiger und musikalischer Tradition, Johann Sebastian Bach hat hier lange gewirkt.

Christian Wolff bereut es bis heute nicht. Im Gegenteil. Er hat Spannendes erlebt.
Er sieht gut aus mit seinen Anfang 60, die Haare grau, aber immer noch drahtig und voller Energie. Obwohl er einiges hinter sich hat. Auch privat. Seine erste Frau, die damals mitgegangen ist, lebt nicht mehr. Inzwischen ist Christian Wolff wieder verheiratet. Er hat den Schritt nach Leipzig nicht bereut. Auch beruflich nicht. Man spürt es, wie er davon spricht. Freudigen Stolz, Feuer und Begeisterung spüre ich, auch zu Pfingsten.

Wir sind die einzige Kirchgemeinde hier in Sachsen, die an Pfingstmontagvormittag zusammen mit der katholischen Gemeinde einen ökumenischen Gottesdienst feiert. Hier am Bachdenkmal. In diesem Jahr zum Thema: „Alles nur heiße Luft?"

Christian Wolff freut sich auf gutes Wetter und auf über 500 Menschen, die mit ihm den Geist Gottes feiern. Der wie „heiße Luft" einerseits schwer zu fassen ist, und doch zu spüren. In der Musik. In der Atmosphäre zwischen den Menschen. Und ich glaube, auch persönlich hat er in den fast 20 Jahren als Pfarrer in Leipzig immer wieder diesen Geist gespürt, als kreativen Rückenwind. Aber auch als kritische Korrektur z.B. wenn er umdenken musste, neue Wege suchen.

Eine erstaunliche Erfahrung ist, ich werde ja in jedem Gottesdienst reichlich beschenkt, vor allem durch die Musik. Was für mich im Rückblick vor allem auch ganz wichtig ist, nämlich der Zusammenhang von Glaube und Bildung. Ich habe es nicht für möglich gehalten, dass ich mich noch einmal so stark beschäftige mit dem Bildungsauftrag der Kirchen. Das war für mich immer eher ein Randthema. In Klammern: Die schönste Grunderfahrung hier in Leipzig ist: Wie viel ich neu durchdenken musste und an wie vielen Stellen ich auch meine Meinung ändern musste.

Neu denken: In Krisen ist das besonders wichtig. Ich bin sicher das kommt auch auf uns hier im Südwesten noch zu. An der Thomaskirche haben sie sich vieles einfallen lassen.
Praktisches: Den Thomasshop. Sogar ein öffentliches WC unter dem Kirchhof als Einnahmequelle und Telefonzentrale zugleich.
Und richtig große Projekte. Christian Wolff denkt als Christ weit hinaus über den Raum der Kirche. Z.B. mit dem „forum thomanum": Um Thomanerchor und -schule herum entstehen Kita und Grundschule. Ziel: umfassende Bildung.

Das ist etwas Wunderbares, dass wir also diesen Dreiklang "glauben- singen -lernen", dass wir den jetzt auch hier  in die Stadt kommunizieren. Und ich denke insgesamt für die Bildung ist dieser Dreiklang von größter Bedeutung. (Aber) Wir wollen damit auch ausstrahlen auf die gesamte Bildung, dass wir sagen, ‚Leute denkt über diese drei Säulen nach: Ohne die geht's eigentlich nirgendwo.

‚Glaube - Musik - und Wissen' gehören für ihn zusammen. Menschen sollen nicht eindimensional und egoistisch werden, sondern weit und offen.

Städte sind ohne Kirchen nicht lebensfähig
Sich klein zu machen und bescheiden zu ducken, das ist nicht Christian Wolffs Ding. Und es wäre für ihn auch nicht christlich.

Ich habe hier gelernt, es gibt kein Gesundschrumpfen, schrumpfen ist ein Krankheitsprozess. Deswegen ist für mich wichtig, dass wir werben für Mitgliedschaft in der Kirche, für aktive Beteiligung an einem wunderbaren Gesamtthema des Lebens, nämlich dem christlichen Glauben.

Glaube ist wichtig. Das hat ihm das Leben in der atheistisch geprägten Umgebung erneut gezeigt. Für den Einzelnen. Aber auch für das Zusammenleben. Darum mischt sich Christian Wolff als Christ ein in die politischen Debatten in Leipzig.

Im Sinn dessen, dass wir stärker über die Grundfragen unseres Zusammenlebens debattieren, dass wir diese schreckliche Verengung auf Finanzfragen überwinden, dass wir uns Gedanken darüber machen: Wie wollen wir eigentlich zusammenleben? Und im Übrigen sollten wir immer wieder darauf hinweisen: Städte ohne Kirchen sind nicht lebensfähig! Das haben 40 Jahre DDR gezeigt. Jeder Politiker, der in einer Kommune tätig ist, wird sehr schnell merken: Die verlässlichsten Partner für ihn sind die Kirchgemeinden.

Erstaunlich für meine Ohren. Ermutigend für mich. Er sagt das für Leipzig, wo Christen ja in der Minderheit sind. Für ihn ist klar, christliche Werte müssen das Gespräch über unsere Zukunft mit prägen. Auch an der Universität, bei der Ausbildung von Wissenschaftlern und Führungskräften.

Woher kommt es, dass in den Chefetagen unserer Gesellschaft so viel Fehlleistungen auch sind? Weil in der Ausbildung auch vernachlässigt wird eine kritische Auseinandersetzung mit den Grundwerten unserer Gesellschaft und das ist ohne lebendige Auseinandersetzung mit den Grundwerten der jüdisch-christlichen Glaubenstradition nicht zu machen.

Und das gilt letztlich nicht nur für eine Stadt oder ein Land, sondern für die ganze Erde.

Als Christen haben wir eine Weltverantwortung. Wir haben aber gleichzeitig auch die Aufgabe, vor jeder Verengung von Globalisierung auf die Finanzmärkte zu warnen und dem auch entgegen zu treten.

Das christlich geprägte Wort für Globalisierung ist für Christian Wolff „Ökumene". Und damit meint er nicht nur die Gemeinschaft der Christen, sondern die Gemeinschaft aller Menschen auf unserer einen Welt. Wie wir Zusammenleben dafür sind Christen mitverantwortlich. Wir sind Weltbürger. Geprägt vom Geist Jesu. Diese Verantwortung ist keine Last für die Kirche. Sondern herausfordernd, spannend und bereichernd. Ich glaube, auch deshalb mag er Pfingsten, den Geburtstag der Kirche, und wünscht uns:

Dass das eine Geburtstagsfeier ist, dh dass wir uns darüber freuen, dass es das Geburtstagskind gibt und dass wir feiernd uns auch bewusst machen, was wir diesem Geburtstagskind verdanken, nämlich einen Grund und Sinn des Lebens, den wir nicht herstellen müssen.

Als Christ kann ich glauben, der Sinn des Lebens ist von Gott gegeben.

 

Mehr Informationen zur Thomaskirche Leipzig
http://www.thomaskirche.org/

zum Thomanerchor und dem „forum thomanum"
http://www.thomana2012.de/
http://www.forum-thomanum.de/
http://www.leipzig-online.de/thomanerchor/

https://www.kirche-im-swr.de/?m=8342
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