SWR2 Wort zum Tag

Das Osterfest liegt schon einige Wochen hinter uns. Aber Ostern liegt auch immer vor uns. Das unzerstörbare Leben mit Gott als den Sinn und die Kraft meiner eigenen Existenz anzunehmen, zu verinnerlichen, mein Leben daraus zu gestalten - damit komme ich nie an ein Ende. Auch meine Kirche kommt damit nie an ein Ende. Ich hoffe es jedenfalls.
Was die Evangelien erzählen über das Verhalten der Jüngerinnen und Jünger nach der Katastrophe des Karfreitags und nach den noch nicht wirklich verstandenen Begegnungen mit dem Auferstandenen, das ist bis heute exemplarisch: Sie sitzen versammelt hinter verschlossenen Türen und haben Angst. Sie haben Angst vor öffentlichem Druck und vor Verfolgung. Vielleicht haben sie auch Angst davor, dass die Gräber sprengende, die Tote auferweckende Kraft ihres Herrn sie aus ihrer verschworenen Gemeinschaft hinausdrängen würde. Sie müssten mit Mut und großer Freiheit vor eine Öffentlichkeit hintreten, die ihnen oft mit Kritik und Aggression begegnet. Sie müssten eingestehen, dass Unglaubwürdigkeit und Verrat auch bei ihnen zu finden sind. Sie hätten den Menschen aber auch zu sagen, dass der Glaube an den Auferstandenen eine Kraft ist, die zu menschenwürdigem Leben hilft und die auch angesichts von Scheitern und Tod nicht verzagen lässt.
Es brauchte einen langen Prozess, bis die Freundinnen und Freunde Jesu den Mut fanden, die verschlossenen Türen der Angst zu öffnen, öffentlich hinzustehen für ihren Glauben. Dass sie es geschafft haben, ist ein Wunder. Auferstehung heißt dieses Wunder. Pfingsten heißt dieses Wunder. Dem Leben mehr zutrauen als dem Tod; erfüllt werden vom Heiligen Geist, darum geht es. Öffentlich auftreten für den Glauben an den rettenden Gott. Auf die Menschen zugehen und eine Sprache sprechen, die sie verstehen. Die eigenen Schwächen und Fehler ehrlich bekennen und trotzdem nicht daran verzweifeln. Ein langer Prozess - er dauert bis heute.
Meine Kirche, an der ich sehr vieles sehr kritisch sehe und die ich doch liebe -  sie erinnert mich angesichts massiver öffentlicher Kritik an die biblische Szene: Man sitzt bei verschlossenen Türen beieinander und hat Angst. Ich wünschte mir, der Auferstandene träte überraschenderweise herein und sagte: Habt keine Angst. Durch menschliche Schuld verursachte schwere Verwundungen prägen das Bild der Kirche, gewiss. Da gibt es keine Entschuldigung - nur den Mut, um Vergebung zu bitten. Da sind Strukturen in der Kirche, die alles Bemühen um Glaubwürdigkeit immer wieder in Frage stellen. Ich hoffe, dass der Sturm manche Mauern einstürzen lässt - nicht von außen, sondern aus innerer Besinnung. Und ich hoffe - nein ich vertraue darauf -, dass der Auferstandene uns von der Angst befreit. Dass er uns hilft, beides zu bekennen: unsere Schuld, aber auch die Freiheit, die uns der Glaube an den ihn  schenkt.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=8134
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