Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Wir Deutschen verreisen wieder mehr, habe ich gelesen, seit die Wirtschaftslage wieder besser ist: In den Schnee über Fasching. Ein Kurztrip in die Sonne oder richtig weit in ferne Welten.
Ich finde „verreisen“ immer noch aufregend. Selbst wenn es nicht weit geht: Einpacken, Wohnung abschließen, die Weite suchen, das macht kribbelig. Und wenn ich da bleibe und jemand Liebes fährt weg, ist mir immer auch mulmig. In jedem „komm gut wieder“ liegt auch Ungewissheit.
Für Erich Kästner ist „verreisen“ ein Symbol für das Leben an sich.
In seinem Gedicht „Eisenbahngleichnis“ schreibt er:
„Wir sitzen alle im gleichen Zug und reisen quer durch die Zeit. Wir sehen hinaus. Wir sahen genug. Wir fahren alle im gleichen Zug. Und keiner weiß, wie weit.“
Das ganze Leben eine Reise.
In der Bibel gibt es ein Gebet, in dem ich dieses Lebensgefühl auch wieder finde. „Du stellst meine Füße auf weiten Raum,“ heißt es da. Da steckt auch beides drin. „Weiter Raum“: Da kann ich mich ausbreiten, frei bewegen, neues entdecken.
Aber manchmal überfordert mich Weite auch. Wenn ich kein Ziel mehr sehe, an dem ich mich orientieren kann. Wenn der Weg schwer wird, zu weit.
Gott sei Dank kommt im Psalm etwas dazu, was es bei Kästner in seinem Gedicht von der Lebensreise nicht gibt. Im Psalm gibt es ein „Du“. Bei Kästner ist jeder im Leben auf sich gestellt. Im Psalm gibt es ein Gegenüber. „Du“ hast mich in die Weite des Lebens gestellt. Ich bin nicht ins Leben gefallen, Gott eröffnet mir das Leben und stellt mich auf meine Lebensreise. Und er geht mit. Davon ist der Psalmbeter überzeugt. Darum kann sich der Mensch, der den Psalm betet, dem Leben anvertrauen, auch wenn es weit und ungewiss ist:
Ich aber, HERR, hoffe auf dich, sagt er, und spreche: Du bist mein Gott! Meine Zeit steht in deinen Händen.“(Psalm 31,9.15)
Diese Worte kann ich mitnehmen. Überall hin. Und sie können einen erinnern, dass Gott mit mir geht und mein Gegenüber bleibt, wo mich das Leben auch hinführt. Sogar wenn ein Mensch aus dem Zug des Lebens aussteigen muss, hört die Beziehung Gottes zu ihm nicht auf. „Du stellst meine Füße auf weiten Raum. Auf Dich hoffe ich, Herr.“ Ich finde, das sind gute Worte für die Lebensreise. Und genauso fürs verreisen. Für den, der fährt, und für den der da bleibt oder zurück bleiben muss, auch.
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