SWR2 Wort zum Sonntag

16AUG2009
DruckenAutor*in
Urlaubszeit - Zeit sich an Leib und Seele zu erholen. Erich Kästner hat in den 50er Jahren eine Gedichtsammlung veröffentlicht, die ganz gut in die Urlaubszeit passt. Sie heißt „Die 13 Monate“. Nein, Erich Kästner hat sich nicht verrechnet. Der 13. Monat steht als Symbol für die unerfüllte Zeit, für den Lebenssinn, den wir suchen und doch so oft verfehlen.

Die folgenden Zeilen aus dem Gedichtband stehen unter der Überschrift „Der Juli“, passen aber sicher auch zum August. Dort lese ich:

„Still ruht die Stadt. Es wogt die Flur.
Die Menschheit geht auf Reisen
oder wandert sehr oder wandelt nur.
Und die Bauern vermieten die Natur
zu sehenswerten Preisen.

Sie vermieten den Himmel, den Sand am Meer,
die Platzmusik der Ortsfeuerwehr
und den Blick auf die Kuh auf der Wiese.“

Liebe Hörerinnen und Hörer, da höre ich Spott auf den Tourismus heraus, in dem Natur, Muße und Erholung zum Wirtschaftsfaktor geworden sind. Aber ich denke, Erich Kästner spricht hier auch davon, dass wir uns nach einer heilen Natur zurücksehnen. Einer Natur, die uns fremd geworden ist und der wir fremd geworden sind. Und er will auf die Suche des Menschen nach dem eigenen, nach dem so oft entgleitenden Selbst hinweisen, für das die Natur ein Symbol ist. Er stellt auch ein wenig resigniert fest, dass diese Rückkehr zur Natur eine Illusion ist: Die Natur selbst ist keine Idylle mehr, und oft nehmen wir unsere Unrast, unsere ungelösten Probleme mit, wohin immer wir auch reisen. "Limousinen rasen hin und her", dichtet Kästner weiter, "und finden und finden den Weg nicht mehr zum Verlorenen Paradiese.“

Wo aber Menschen, nicht hin- und herrasen, sondern einander in Liebe begegnen, scheint Lebenssinn auf. Da kommen wir zu uns selbst. Ein wenig vom verlorenen Paradies können wir dort ahnen. Wir müssen gar nicht weit reisen, um dorthin zu gelangen. "Einen Steinwurf von hier“ kann dies geschehen, Kästner. Und es kann doch ein weiter Weg sein, aber es ist ein lohnender Weg.

Ich möchte noch ein anderes, ein viel älteres und genauso modernes Wort aus dem Evangelium hinzufügen: „Kommt mit an einen einsamen Ort, wo wir allein sind, und ruht euch ein wenig aus.“ Das sagt Jesus einmal zu den Jüngern, die vom Stress und den vielen Begegnungen des Tages ermüdet sind. Und auch dieses Wort – erst recht – weist in eine tiefere Bedeutung hinein: Es tut manchmal Not, in die Stille einzutauchen, die Aktivitäten hinter uns zu lassen, zu uns selbst zu kommen. Es ist vielleicht gar nicht immer beruhigend, was wir in der Tiefe unseres Ich vorfinden, es kann manchmal sogar sehr beunruhigend sein. Aber wenn wir das aushalten, wenn wir nicht vor uns selbst davon laufen oder davon fahren, dann spüren wir vielleicht auch, dass wir von einer großen Kraft, von einer tiefen Liebe getragen sind: von Gottes Liebe. Dieses Paradies der Liebe Gottes zu uns ist uns nie verloren gegangen.

Ich wünsche Ihnen, dass Sie immer wieder aus dem Räderwerk und den vielen Fluchten des Alltags herauskommen und zu sich selbst finden können. Und dass Ihnen Erfahrungen einer starken und tragfähigen Liebe geschenkt werden. https://www.kirche-im-swr.de/?m=6430
weiterlesen...