SWR1 Begegnungen

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kreativ und neu
Die Ludwigsburger Schöpfung zum 200. Todestag von Joseph Haydn


Wie kann Altes wieder lebendig werden? Dass man auch als Mensch von heute davon begeistert wird und herausgefordert? Von alter Musik z.B. Siegfried Bauer ist Musiker, begeistert sich für klassische Musik. Haydn z.B. Vor einem Jahr hat er sich vorgenommen, Haydns berühmtes Werk, die „Schöpfung“, aufzuführen. So, dass der Funke wirklich überspringt. Er findet nämlich Haydn und seine Musik interessant.

Er war nicht der „Papa Haydn“, der ganz brav und bieder seine Musik gemacht hat. Haydn ist zunehmend witziger geworden und hat neue Ideen gehabt.
Gleichzeitig ist die Musik so einfach, dass sie eigentlich jeder verstehen kann, das ist ganz elementar.


Und der Funke ist übergesprungen. Durch Kreativität und Begeisterung.

Es ist ja so eine Sache mit Geburtstagen und Jubiläen. Da schwelgt man gern in der Vergangenheit und blendet die Gegenwart und Zukunft aus. Und Probleme sowieso. Das weiß Siegfried Bauer. Und genau das wollte der 65 jährige mit der Aufführung von Haydns „Schöpfung“ auf keinen Fall: Nur den guten alten Geist der Vergangenheit beschwören. Er wollte rüber bringen, der biblische Schöpfungsgedanke und Haydns Musik sind wichtig.

Bei unserer Aufführung haben wir das ja alles mit Laien gemacht und ich habe mich ein ¾ Jahr mit Haydn beschäftigt und habe natürlich vorher mir Gedanken gemacht, ob es den Leuten langweilig wird und es war genauso wie das bei guter Musik ist: Dass je länger man sich damit beschäftigt hat, je mehr Spaß hat es gemacht, je tiefer kam man.

Die 170 Chormitglieder und das Orchester für Haydns Musik zu begeistern, ist ihm -glaube ich- nicht schwer gefallen. Hätten alle sonst 40 Proben auf sich genommen und alle Stimmen auswendig gelernt? Und das Publikum? Siegfried Bauer hat gehofft, dass die Musik wirkt.

Jede Arie ist so farbig und man kann sich wirklich die Natur vorstellen, wenn die Tauben gurren oder wenn die Blumen sich öffnen. Es ist musikalisch nachgezeichnete Natur, so wie wir sie im schönsten Fall heute erleben können. Es ist natürlich auch ein bisschen problematisch, wenn so viel Schönes einem widerfährt.

Zu schön, um wahr zu sein, findet Siegfried Bauer Haydns Musik. Und das obwohl sie auch witzig und (fade in) frech sein kann. Wenn z. B. die Rinder auf der Weide deutlich hörbar „Darmluft ablassen.“

Trotzdem, eins zu eins (fade out) nachzuspielen, das wäre für ihn nicht gegangen. Dazu sind vor allem viele Texte zu problematisch. „Naiv, vordarwinistsch und frauenfeindlich,“ nennt er sie. Wenn Eva z. B. den Adam als Gebieter anhimmelt, wie es der größte Macho heute nicht mehr zu träumen wagt.
Darum haben sie in Ludwigsburg etwas Neues aus der „Schöpfung“ gemacht. Mit Tanz, Videosequenzen, alter und neuer Musik. Vor allem den Menschen haben sie in ein neues Licht gerückt.

Wir haben die Schöpfung nach dem Luthertext, aber mit heutiger Musik, erzählt und lassen den Haydn dazu schildern, Bilder zeigen. Haydn und heute. Insgesamt kann man sagen, dass der Mensch bei uns nicht die große Rolle spielt. Denn der Mensch in unserer Vorstellung, das ist ja der, der die Schöpfung eher gefährdet, der soll nicht so verherrlicht werden, wie das bei Haydn der Fall ist, obwohl das wunderbare Musik ist.

Neues schaffen aus und mit dem Alten, das heißt kreativ und schöpferisch sein. Und so hat sich z. B. die dunkle, bedrohliche Seite der Natur dann in der „neuen Schöpfung“ angehört.

Verantwortung durch Musik

Professor Siegfried Bauer ist eine feste Größe im kulturellen Leben Ludwigsburgs. Seit fast 40 Jahren leitet er eine Kantorei. Unterrichtet an der PH. Dirigiert das städtische Sinfonieorchester. Sogar in der Partnerstadt Jevpatorija auf der Halbinsel Krim hat er ein Orchester gegründet. Entsprechend war seine Kreativität auch gefragt für 2009: Zum 300. Geburtstag Ludwigsburgs sollte Siegfried Bauer eine passende Musik finden.

Und da ist mir die Schöpfung in den Sinn gekommen, weil eine Stadt natürlich auch für die Bewahrung der Schöpfung, für den Erhalt der Schöpfung verantwortlich ist, planen muss für die Zukunft und das auch schon in der Vergangenheit getan hat und dass heute natürlich die Bedrohung der Schöpfung ein Thema ist.

300 Jahre Ludwigsburg- 200 Jahre Haydn. Er hat das nicht zusammen gebracht, weil sie beide zufällig im selben Jahr Jubiläum haben. Das wäre Siegfried Bauer zu platt. Feiern und Verantwortung für die Zukunft übernehmen, das gehört für ihn zusammen. Und für ihn als Christ passt es auch sehr gut, ein Kunstwerk mit einem geistlichen Inhalt beim Fest einer Stadt aufzuführen. Er ist als Christ Bürger und als Bürger Christ. Und dabei kann man heute nicht auf heile Welt machen.

Ganz am Schluss spielen auf der Hinterbühne drei Menschen mit einem Riesenball. Das Publikum hat immer den Eindruck: er ist am Abgrund. Man hat also richtig Angst um diese Erde und dann kommt eben danach trotzdem: „die Himmel erzählen die Ehre Gottes.“

Siegfried Bauer macht aus seinem Glauben keinen Hehl. Er bringt ihn ins öffentliche Gespräch. Gerade in ein Projekt, das nicht in der Kirche, sondern auf weltlicher Bühne spielt. Bei dem Christen und religionskritische Menschen zusammen arbeiten und zusammen bringen, wie sie die Welt sehen, worüber sie sich Sorgen machen und was ihnen Hoffnung macht.

Wir waren uns auch nicht ganz einig, wie der Schluss dann sein sollte und dann kam der evangelische Kirchenmusiker in meiner Person und hat dann darauf bestanden, dass man am Schluss auch noch mal "die Himmel erzählen die Ehre Gottes“ singt als Finale, um zu zeigen, dass alles unter dem Mantel Gottes und unter seiner Herrschaft geschieht und nicht der Eindruck entsteht als ob die Menschen da was aufbauen könnten.

Nicht Angst am Schluss, sondern vertrauen und hoffen, trotz allem. Das war Siegfried Bauer wichtig, weil es um die Schöpfung geht. Ich finde er hat Recht. Wir können die bedrohte Erde nicht bewahren, wenn wir nicht spüren, dass Gottes Schöpfung schön ist und gut. Ich glaube, wir schaffen es auch nicht aus eigener Kraft. Wir brauchen Gottes Geist, der Mut macht und begeistert. Nicht nur an Pfingsten. https://www.kirche-im-swr.de/?m=6120
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