SWR1 Begegnungen

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Teil 1. Politiker mit christlichen Wurzeln

Politiker sind viel unterwegs, und Europapolitiker sind besonders viel unterwegs. Einer von ihnen ist der Christdemokrat Dr. Peter Liese. Er pendelt regelmäßig zwischen Straßburg, Brüssel und seiner Heimat Südwestfalen. Und engagiert sich ehrenamtlich auch noch im Zentralkomitee der deutschen Katholiken, dem höchsten Laiengremium der katholischen Kirche in Deutschland, kurz ZdK.
Peter Liese fällt heute besonders auf, weil er zu der kleinen Zahl von Christen gehört, die sich bewusst aus ihrem Glauben heraus in Kirche und Politik engagieren. Mich interessiert, warum er sich in beiden Bereichen engagiert. Ein Blick auf die Biographie hilft da schon weiter. Liese macht Abitur am Gymnasium der Benediktiner in Meschede, studiert Medizin. Arbeitet danach unter anderem in Mittelamerika. Seit 1994 ist der CDU-Politiker Mitglied des Europäischen Parlaments, fast ebenso lange im Zentralkomitee der deutschen Katholiken.

Ich engagiere mich, weil ich vor vielen Jahren vom Kolpingwerk gefragt wurde, ob ich zur Verfügung stehe. Ich bin Kolpingmitglied – schon viel länger als Parteimitglied – und fühle mich dem Kolpingwerk sehr verbunden und der Bitte mich auch hier im ZdK zu engagieren, bin ich nachgekommen, weil ich die Verbindung zwischen Kirche und insbesondere europäischer Politik sehr sehr wichtig finde. Die Stimme von Christen, grade christlichen Laien ist wichtig in Europa und deswegen müssen wir auch diese Verbindung aufrecht erhalten.

Aus christlicher Grundüberzeugung heraus Politik zu machen ist auch in Europa wichtig und möglich, sagt Liese, und nennt ein Beispiel:

Wir haben beispielsweise geschafft, dass Technologien bei denen menschliches Leben zerstört wird, zum Beispiel auch menschliche Embryonen, in Europa nicht patentiert werden dürfen. Dazu haben wir zunächst eine Richtlinie gemacht in Europa und gegen vielfältige Widerstände dieses Prinzip verwirklicht. Und dann haben wir auch noch geschafft, dass auch noch das Europäische Patentamt, das nicht direkt an die Europäische Union angekoppelt ist, sich dieser Leitschnur unterordnet. Und ich finde das einen ganz, ganz wichtigen Schritt, dass Alternativen sehr wohl patentiert werden, damit die Industrie sich auch auf diese Alternativen, die ethisch vertretbarer sind, konzentriert, aber nicht die Zerstörung von menschlichen Embryonen.
Europa, das EU-Parlament, Brüssel und Straßburg, das erlebe ich wie viele oft als weit weg und ziemlich bürokratisch. Peter Liese hat da eine ganz andere Sicht der Dinge. Mit konzertierten Aktionen lasse sich politisch da durchaus eine Menge bewegen
denn in Europa sind die Koalitionen nicht so festgefahren wie auf nationaler Ebene. Jeder Abgeordnete entscheidet zunächst einmal nach seinem Gewissen und wenn ein Vorschlag eingebracht wird, ist noch lange nicht klar, wer am Ende zustimmt oder ablehnt und welche Änderungsanträge angenommen werden. Also Europa ist basisdemokratischer und da kann man durch konzertierte Aktionen sehr viel bewegen.


Kein Wunder, dass Liese also auch fordert, dass sich das Zentralkomitee der deutschen Katholiken stärker in die Europapolitik einbringen soll. Wie das gehen soll, will ich wissen. Für Liese ist klar: Vor allem durch konkrete politische Lobbyarbeit, zum Beispiel in der Frage der Religionsfreiheit, wenn es um den EU-Kandidaten Türkei geht.

Das ist zwar ein Thema im Europäischen Parlament, aber es läuft so ein bisschen unter ferner liefen. Es ist selbstverständlich, dass wir Moscheen haben in Deutschland, aber es sollte noch sehr viel stärker auch darauf gedrängt werden, dass die christliche Kirche in der Türkei die gleichen Rechte haben muss. Das spielt eine Rolle, aber es spielt keine überragende Rolle, und ich weiß, dass das für viele Christen ein überragendes Thema ist – und das sollte man den Abgeordneten aller Parteien mit auf den Weg geben.


Teil 2. Kritischer Katholik

Wie gehen Glaube und Politik zusammen, das interessiert mich an Peter Liese. Er überrascht mich. Denn er war kirchlich aktiv lange bevor er parteipolitisch aktiv war. Es war der Glaube, der hat ihn in die Politik geführt.

Für mich ist der christliche Glaube und das Engagement in der katholischen Kirche die Basis meines politischen Engagements. Ich war erst im Kolpingwerk Leiter Jung-Kolping, Leiter junge Erwachsene und bin dann zur Politik gekommen, und das ist meine Basis, die mir auch heute sehr, sehr wichtig ist.

Bekennender Katholik zu sein heißt für den 44 Jahre alten verheirateten Vater zweier Kinder aber nicht, kritiklos alles hinzunehmen, was die Kirche vorgibt. Ein kritischer Punkt ist für ihn die Frage des Zölibats.

Nach meiner Kenntnis, ich bin zwar kein Theologe, aber ich hab mich mit der Frage intensiv beschäftigt, ist das keine Sache, die aus der Bibel unmittelbar folgt. Und das Zölibat gab es ja auch viele Jahrhunderte nicht. Deswegen darf man nicht den Eindruck vermitteln, als würde durch die Abschaffung des Zölibats das Problem des Priestermangels automatisch gelöst, aber ich kenne viele, die auf dem Weg waren, Priester zu werden und die es eben aufgrund des Zölibates heute nicht mehr sind. Und das tut mir weh und deswegen glaube ich, müssen wir anders mit umgehen als in der Vergangenheit.

Ich könnte mir vorstellen, dass es für einen, der von Berufs wegen viel unterwegs ist, gar nicht so einfach ist, das eigene Glaubens- und Gebetsleben lebendig zu halten.

Ich versuche, den Glauben auch dadurch zu festigen, dass ich, wenn ich unterwegs bin, in der Bibel lese, dass ich auch in Brüssel und in Straßburg mit meinem Kollegen oder anderen über den Glauben rede und wenn es möglich ist, auch dort mal einen Gottesdienst zu besuchen. Aber es ist natürlich erschwert und man muss sich immer wieder ein bisschen disziplinieren, damit man auch das Regelmäßige was ja seinen Sinn hat nicht aus den Augen verliert.

Und welche Bibelstellen sind für ihn besonders wichtig, frage ich ihn. Die Antwort ist ebenso klar wie sympathisch.

Also generell ist das ganze Neue Testament für mich wichtig. Ich hab da einen viel tieferen Zugang als zum Alten Testament. Die Evangelien ganz besonders. Vielleicht weil ich aus einer einfachen Familie komme. Mir liegt das Handfeste, die Bergpredigt, die Wunder, die Leidensgeschichte; das sind Dinge, die mir immer wieder sehr nahe gehen und wo ich auch sehr viel mitnehmen kann für mein persönliches Leben.

Gott ist für ihn ein Ideal, nach dem er sein Leben auszurichten versucht, sagt er. Aber wichtig ist ihm dabei: Gott ist ein gnädiger Gott.

Also Gott weiß, dass wir Fehler machen und das sollten wir ja auch im Umgang mit anderen Menschen immer wieder uns vor Augen führen. Wenn wir uns vor Gott stellen und sagen: wir haben alles richtig gemacht, dann werden wir scheitern und deswegen sollten wir auch gegenüber anderen Menschen nicht den Eindruck vermitteln, dass wir alles richtig machen.

Das Pfingstfest, das wir gestern und heute feiern, löst bei ihm vor allem Erinnerungen an die Jugendzeit aus.

Was mich sehr geprägt hat, waren die Pfingsttreffen meiner ehemaligen Schule. Ich bin zur Schule gegangen in Meschede, dort gibt es eine sehr aktive Benediktinerabtei und wir haben regelmäßig Treffen veranstaltet an Pfingsten, wo wir uns über den Glauben auseinandergesetzt haben und gemeinsam versucht haben, Pfingsten zu erleben. Das war für mich immer ein ganz prägendes Ereignis. https://www.kirche-im-swr.de/?m=6086
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