SWR4 Abendgedanken BW

Guten Abend. Heute vor 25 Jahren ist der Jesuit Karl Rahner gestorben. Er war einer der bedeutendsten Theologen des 20. Jahrhunderts, hoch angesehen als Wissenschaftler und Seelsorger, in seinen Schriften manchmal nicht ganz einfach zu lesen.
Karl Rahner wurde 1904 in Freiburg im Breisgau geboren und trat bereits kurz nach dem Abitur in den Jesuitenorden ein. Er studierte Philosophie und Theologie und lehrte als Professor in Innsbruck, später in München und Münster. Knapp 4000 Bücher und Aufsätze gibt es von ihm, in allen Weltsprachen. Da er für den Frieden und den Dialog mit anderen Weltanschauungen eintrat, bereiste er als Redner den Ostblock genauso wie die USA, Kanada oder Skandinavien – auch zu Zeiten des Kalten Krieges.
Rahner setzt mit seiner Theologie immer bei den Sehnsüchten und Erfahrungen des Menschen an, bei den großen Fragen nach dem Sinn, nach der Liebe oder nach einem Ausweg aus der Schuld. Wir können Gott in unseren Erfahrungen ganz unmittelbar erleben. So schreibt er einmal sinngemäß: wo wir Liebe, Schönheit und Freude erleben, auch wenn es nur bruchstückhaft ist, und wo wir diese Erfahrung annehmen und sie als Hinweis darauf verstehen, was Liebe, Schönheit und Freude wirklich bedeuten, „¼da ist Gott und seine befreiende Gnade.“ Ein kühner Gedanke: Gott erfahren in unsern menschlichen Bruchstücken von Liebe, Schönheit und Freude.
Karl Rahner war ein sehr frommer Mensch und er hatte ein immenses Wissen. Deshalb war er auch als Berater beim Zweiten Vatikanischen Konzil von 1962-65 dabei und er hat es mit beeinflußt.
Das Konzil war für ihn der Beginn einer neuen kirchengeschichtlichen Epoche. Die Übersetzung theologischer Fragen ins Heute, das Durchbuchstabieren des Glaubens im 20. Jahrhundert und damit verbunden eine Öffnung der katholischen Kirche für die Moderne.
Karl Rahner hat diesen Geist des Aufbruchs mitgeprägt. Er hat seine katholische Kirche leidenschaftlich geliebt, aber auch sehr an ihr gelitten. „Die Kirche“, schreibt er, „müsste eine Kirche sein, der es nicht um sich geht, sondern um die Menschen, um alle Menschen…. Die Kirche muß auf der Seite der Armen, der Unterdrückten, der im Leben zu kurz Gekommenen stehen¼¼die Menschen sind der Zweck der Kirche.“1
Ihnen zu zeigen, dass Gott in ihrem Leben erfahrbar ist, dazu ist die Kirche da, egal wie unvollkommen sie sich dabei anstellt.
Dass die Kirche selbst nicht in Einheit lebt, sondern gespalten ist, war für Rahner ein Skandal. Zusammen mit einem Kollegen veröffentlichte er ein Jahr vor seinem Tod verschiedene Thesen, die einen Weg zeigen wollten, auf dem die Kirchen ihre Spaltung überwinden könnten.
Heute – über 40 Jahre nach dem Konzil und 25 Jahre nach seinem Tod – sind seine Anliegen immer noch aktuell.

1 (Karl Rahner, Dienend besorgte Kirche. In: Ludger Hohn-Morisch, Ein Traum von Kirche. Freiburg 1998, S. 65)
https://www.kirche-im-swr.de/?m=5676
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