SWR4 Sonntags-/Feiertagsgedanken

29SEP2024
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Vor fast 25 Jahren, da habe ich das erste Mal „Weltuntergangsstimmung“ erlebt. Das war vor dem Jahreswechsel 1999 – 2000: Jahrtausendwechsel! Für die meisten war das Brimborium da rundherum ein Spaß. Aber es gab auch Menschen, die tatsächlich Angst hatten, dass die Welt untergehen könnte. Ein beängstigendes Gefühl, und ich finde, das muss man ernst nehmen. Und wie gemein, dass Betrüger damals ganz schnell eine Masche daraus gestrickt haben, um den verunsicherten Leuten das Geld aus der Tasche zu ziehen, frei nach dem Motto: „Die Welt geht doch unter – da brauchst du dein Geld doch gar nicht mehr…“

Später habe ich gelesen, dass im Jahr 1910 wohl etwas Ähnliches passiert ist. Da ist ein Komet in der Nähe der Erde vorbeigeflogen, und manche Menschen dachten, sein Schweif würde die Erdatmosphäre vergiften und sie würden dann alle ersticken. Produzenten von Gasmasken sind damals angeblich reich geworden. Und es müssen tolle Feste gefeiert worden sein – Kometen-Parties. Ein letztes Mal feiern – bevor eben die Welt untergeht.

Jetzt gerade spüre ich manchmal wieder so etwas wie „Weltuntergangsstimmung“ in meiner Umgebung. Aber anders als beim Jahrtausendwechsel. Ich denke, sie ist den die vielen Krisen der letzten Jahre geschuldet: Kriege, das Wetter ändert sich… ich will sie gar nicht schon wieder alle aufzählen. Und wenn jetzt im Herbst auch noch die Tage dunkler und regnerisch werden, dann ist das belastend für Seele und Gemüt.

Andererseits – könnte unsere Weltuntergangsstimmung heute auch eine positive Seite haben? Der Gedanke ist mir gekommen, als ich den Bibeltext gelesen habe, über den heute in vielen evangelischen Gottesdiensten gepredigt wird. Es ist ein Abschnitt aus dem ersten Petrusbrief. Und da heißt es:

Es ist aber nahe gekommen das Ende aller Dinge. So seid nun besonnen und nüchtern zum Gebet. Vor allen Dingen habt untereinander beharrliche Liebe; denn „Liebe deckt der Sünden Menge zu“ (Sprüche 10,12). Seid gastfrei untereinander ohne Murren. Und dienet einander, ein jeder mit der Gabe, die er empfangen hat, als die guten Haushalter der mancherlei Gnade Gottes: (1.Petrus 4, 7-9)

Die Christen damals waren überzeugt, dass tatsächlich sehr bald die Welt untergehen würde – dass wirklich Zeit und Raum aufhören würde und Jesus Christus zurückkehren würde als Richter über die Welt. Und der Rat, den der Briefschreiber deshalb gibt, der ist wirklich bemerkenswert!

Er sagt: Betet – konzentriert euch auf Gott. Das ist wichtiger als so manches, was euch gestern noch Kopfzerbrechen gemacht hat. Und: Seid beharrlich in der Liebe! Vergesst den Streit oder den Ärger, den ihr gestern noch für so wichtig gehalten habt. Die Welt geht bald unter. Was also soll das noch? Begegnet einander liebevoll – lasst niemand allein.

Und so zugewandt, ganz und gar auf den Zusammenhalt der Menschen bedacht geht es in dem Brief weiter: Seid gastfrei untereinander – ladet euch gegenseitig ein, zum Essen, zum Übernachten. Umsonst! Niemand sollte jetzt hungern müssen und ohne Dach über dem Kopf sein. Das ist wirklich wichtiger als Geld. Morgen geht schließlich die Welt unter – da kann man mit seinen Reichtümern eh nichts mehr anfangen.

Liebe Hörerinnen und Hörer, ich will nicht zynisch sein. Es geht mir nicht darum zu sagen: Wenn morgen alles vorbei ist, dann ist heute eh alles egal. Und in unseren Tagen wissen viele Menschen ja tatsächlich nicht, ob sie den morgigen Tag noch erleben werden. Ob ihre Welt nicht tatsächlich gerade untergeht – und das hat keine positive Seite.

Allerdings habe ich beim Lesen dieser Bibelstelle gemerkt, wie wichtig es ist, sich das klarzumachen: Wir leben in Krisenzeiten. Und das Leben könnte sich auch bei uns unerwartet ändern – auch wenn nicht gleich die ganze Welt untergeht. Was ist da wirklich wichtig? Geld? Recht zu behalten, wenn ich mich mit meinem Nachbarn streite oder irgendjemand anderen nicht leiden kann? Die Pläne, die ich für meine Zukunft gemacht habe?

Für den Autor des Bibeltextes ist wichtig: zu beten und mit Gott zu sprechen – der Kraft, die ihn mit seinem Leben beschenkt hat. Liebevoll mit seinen Mitmenschen umzugehen, ob sie ihm nun sympathisch sind oder nicht. Und gastfrei zu sein und großzügig, soweit seine Mittel reichen und ihm das möglich ist. Ich finde seinen Rat und seine Haltung bemerkenswert. Und wenn Weltuntergangsstimmung eine solche Haltung auslöst, dann ist das tatsächlich eine positive Sache.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=40778
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