Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

01OKT2024
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Versteckspielen mit Papa gehört für meine Kinder zu den Highlights. Manchmal brauchen sie ganz schön lange, bis sie mich haben. Und auch diesmal ist es wieder so. Ich stehe strumpfsockig auf dem Fensterbrett in der Küche und bemühe mich, in eine Falte des Vorhangs zu passen. Da ruft es: „18, 19, 20 - ich komme“, und ich richte mich ein auf eine unbequeme Wartezeit.

Was ich schon alles gesucht habe! Mein Zeugnis oder den Generalschlüssel für die Kirche zum Beispiel. Wenn so was weg ist, dann falle ich erst mal in eine Art Schockstarre. Und dann fange ich an, wie wild zu suchen. Unbeschreiblich ist der Moment, wenn ich das lang gesuchte Teil dann wiederfinde. Und manches Verlorene bleibt auch verschollen: der praktische Inbus-Schlüssel mit Griff zum Beispiel oder die Bob Marley CD, von der ich nur noch die Hülle habe.

Gesucht wird aber noch mehr, viel Existentielleres: Der richtige Beruf zum Beispiel. Oder die Liebe des Lebens. Manche suchen eine Heimat, andere die richtige Therapie oder gar den Sinn, warum man überhaupt lebt und hier ist.

Meine Kinder durchstreifen die Küche. Ich halte die Luft an und mach mich noch ein bisschen dünner. Puh, nochmal gut gegangen. Ich kenne Kinder, die sind totunglücklich, wenn sie beim Versteckspielen nicht gefunden werden. Und vielleicht ist das auch eine Sehnsucht von uns Menschen im Leben: dass wir gefunden werden - von einer lieben Partnerin oder einem Partner, von jemandem, der mich so nimmt, wie ich bin oder letztlich auch von Gott.

Ich glaube an einen Gott, der mich gerne findet. Und natürlich ist es sinnlos, sich vor ihm zu verstecken. Das drückt auch der Psalm 139 aus dem Alten Testament aus. Dort heißt es: „(Gott,) du bist vertraut mit all meinen Wegen. (…) Zu wunderbar ist für mich dieses Wissen (…). Wohin kann ich gehen (…), wohin vor deinem Angesicht fliehen? Wenn ich hinaufstiege zum Himmel - dort bist du; wenn ich mich lagerte in der Unterwelt - siehe, da bist du. Nähme ich die Flügel des Morgenrots, ließe ich mich nieder am Ende des Meeres, auch dort würde deine Hand mich leiten (…).“

Das hört sich ein bisschen nach aussichtslosem Versteckspiel an. Aber sich finden lassen hat hier nichts mit erwischen zu tun, nichts mit einem übellaunigen Überwachungsgott, sondern mit bergen, begleiten und behüten - so wie bei mir und meinen Kindern.

„Papa, hab dich!“ Mist, so war das jetzt nicht gemeint.

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