Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

16SEP2024
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Unzufriedenheit ist wie eine Pest. Sie schleicht sich unbemerkt überall ein, lähmt und zerstört. Mir scheint, es gibt in unserem Land eine Kultur der Unzufriedenheit. Wie viele Nachrichten haben damit zu tun, dass etwas nicht gut läuft, dass man es unbedingt besser machen muss, dass etwas fehlt, jedenfalls schlechter ist als früher. Viele Menschen sind unzufrieden; es scheinen immer mehr zu werden. Aber entspricht das den Tatsachen? Ist es wirklich so?

Ich kann mir kein Urteil über andere erlauben, wie es ihnen geht, was ihnen fehlt. Ich bin auch sehr dafür, dass Missstände bekämpft werden. Besonders wenn es darum geht, ob Sozialleistungen gerecht verteilt werden und ob Menschen respektieren, wie wir in unserer Gesellschaft leben – oder nicht.

Was mich aber immer mehr aufregt: wenn jemand seine Unzufriedenheit auch in diesen heiklen Bereichen auf andere abschiebt. Die Politik ist schuld, die Regierung, die Partei da. Wenn die weg wäre, dann ginge es uns endlich wieder gut. Immer sind es die anderen. Denn ich bin ja ein Niemand. Es liegt an denen; sie brauchen endlich einen Denkzettel, einen gehörigen Schuss vor den Bug. Bei allem Verständnis auch für Enttäuschungen und Frust: Das ist mir zu einfach, damit macht man es sich zu bequem.

Natürlich bleibt man anderen immer etwas schuldig, wenn man sich um viele kümmern muss. Dass kann man selbstverständlich kritisieren. Aber wenn ich dabei gar nicht mehr vorkomme, wenn ich selbst nichts tue, nur mit dem Finger zeige: Die sind schuld!, dann habe ich nicht verstanden, wie vernünftiges Zusammenleben funktioniert.

Jesus wählt für dieses Verhalten einen drastischen Vergleich: Warum siehst du den Splitter im Auge deines Bruders, aber den Balken in deinem Auge bemerkst du nicht?[1] Menschen, die alle Verantwortung von sich weisen, nennt Jesus in diesem Zusammenhang Heuchler. Sie wissen immer, wie sie sich aus der Affäre ziehen. Sie machen nicht mit, wenn es darum geht, gerade in schwierigen Zeiten Lösungen zu finden. Sie legen sich die Wirklichkeit so zurecht, wie es ihnen passt. Damit ihr Credo funktioniert: Die anderen sind’s. Ich nicht.

Eins steht für mich als Christ jedenfalls fest: Es ist schon sehr bequem, die Schuld bei anderen zu suchen, ohne sich an die eigene Nase, oder - nach Jesus - ins eigene Auge zu fassen. Ich kann immer etwas tun, das die Lage verbessert. Und sei’s nur wenig. Der Fantasie sind da keine Grenzen gesetzt. Ich muss es nur wollen.

 

 

[1] Matthäus 7,3

https://www.kirche-im-swr.de/?m=40664
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