SWR3 Gedanken

18SEP2024
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Ich liebe Bücher von Erich Kästner. Schon als Kind konnte ich mich in ihnen verlieren, mit ihnen träumen, die Welt verändern, mich wiederfinden, mit meiner Angst und mit meinem Mut. Jetzt lese ich sie gerade wieder. In diesem Jahr ist nämlich der 50. Todestag von Erich Kästner und sein 125. Geburtstag. Erich Kästner hat Bücher für Große und Kleine geschrieben. Voller Witz und Ironie, voller Mut und Vertrauen in die Menschheit, auch wenn die damals um ihn her durchdrehte und er selbst zum Opfer dieses Wahnsinns wurde. In der Nazidiktatur wurden seine Bücher verbrannt, er selbst wurde ‚verboten‘.

Eines meiner absoluten Lieblingsbücher war und ist Pünktchen und Anton. Das erzählt die Geschichte von zwei Kindern ganz unterschiedlicher Herkunft, die sich befreunden.

Pünktchen ist eine Direktorentochter mit Hausdame und Kindermädchen. Anton lebt allein mit seiner kranken Mutter. Er verkauft nachts auf der Straße Schnürsenkel, damit sie das Notwendigste zum Leben haben. Pünktchen hilft ihm und verkauft Streichhölzer.

Eine Kindergeschichte auch für Erwachsene. So schreibt er in einer ‚Nachdenkerei über die Armut‘ zwischen die anderen Kapitel: ‚Vor ungefähr hundertfünfzig Jahren zogen einmal die Ärmsten der Pariser Bevölkerung nach Versailles, wo der französische König und seine Frau wohnten und riefen: „Wir haben kein Brot! Wir haben kein Brot!“ Die Königin schüttelte verwundert den Kopf: ‚Dann sollen sie doch Kuchen essen!‘ Ihr denkt vielleicht, sie sagte das, um sich über die armen Leute lustig zu machen. Nein, sie wusste nicht, was Armut ist! Sie dachte, wenn zufällig nicht genug Brot da ist, isst man eben Kuchen.‘

Kästner fragt: ‚Glaubt ihr nicht auch, dass die Armut leichter abgeschafft werden könnte, wenn die Reichen schon als Kinder wüssten, wie schlimm es ist, arm zu sein? Und weil er die Hoffnung nicht aufgeben kann, erklärt er ganz zum Schluss: „Die Erde soll früher einmal ein Paradies gewesen sein. Möglich ist alles. Die Erde könnte wieder ein Paradies werden. Alles ist möglich.“

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