SWR Kultur Wort zum Tag

24SEP2024
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Ich habe mich in meinem Leben weitgehend denkend mit dem Glauben und mit Religion allgemein beschäftigt. Habe die wichtigsten Kirchenväter und Philosophen gelesen, habe deren Probleme nachempfunden, bin deren Gedanken nachgegangen. Habe mir meine eigenen dazu gemacht. Das fand ich toll und finde das auch heute noch. Ich liebe es mich in theologischen oder philosophischen Überlegungen zu verlieren. Dem nachzuspüren, was die Welt im Innersten zusammenhält. Die großen Fragen des Lebens und die Frage nach Gott treiben mich um, wie wahrscheinlich viele Menschen. Aber wenn ich ehrlich bin, bin ich so nicht sonderlich weit gekommen. Auch wenn ich behaupten möchte, dass ich alle wesentlichen Aussagen über Gott und Religion kenne oder zumindest schon einmal davon gehört habe. Gott hat mich das keinen Zentimeter näher gebracht. Für mein persönliches religiöses oder spirituelles Leben, oder wie man es auch immer nennen mag, hat mir mein „Studierstubenansatz“ wenig gebracht. Ich habe darin zwar Gottes Wort gelesen, Deutungen kennengelernt, es aber nicht wirklich gehört. Ich habe es bestenfalls zur Kenntnis genommen, es aber nicht erfahren. Das gelingt mir mittlerweile eher in Bereichen, die ich früher als seicht oder naiv bezeichnet hätte. Bereiche und Erlebnisse, die nichts mit meinem Intellekt, nichts mit meinem Denken zu tun haben. Zum Beispiel, wenn ich einen frischen Schluck Wasser aus einem Gebirgsbach trinke, nachdem ich den halben Tag schon bergauf gestiegen bin und die stechende Sonne mich ausgelaugt gemacht hat.

Oder die Kinderzeichnungen, die mir früher mein Neffe strahlend in die Hand gedrückt und dazu sagt: „Das ist für Dich“. Auch ein frisches kaltes Bier, dass ich zusammen mit meinem Vater trinke, nachdem er mir dabei geholfen hat, die Autoreifen zu wechseln.

Das sind Erfahrungen, die das Leben ausmachen. Über die brauche ich nicht viel nachzudenken, sie passieren mir einfach, ich muss sie nur sehen, schmecken, aufsaugen. Und ich glaube, das sind Momente, in denen Gott oder das Göttliche oder wie man es auch immer nennen mag, aufleuchtet und ganz da ist. Das Einzige, was dafür zu tun ist, ist offen und empfänglich dafür zu sein.

Ich glaube, wenn in solchen Momenten nicht das Wort Gottes liegt, dann hat Gott nie gesprochen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=40630
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