Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

27JUL2024
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Batsch – batsch – batsch – so tönt es dieser Tage allabendlich von Terrassen und Balkonen. Klingt nach Beifall, ist aber pure Notwehr. Denn in der Nähe von Bächen, Tümpeln und Seen haben in diesem Sommer die Mücken die Lufthoheit übernommen. Da werden sogar Tierfreunde zu Massenmördern.

Mir kommt die Taktik dieser Quälgeister bekannt vor. Auch im menschlichen Miteinander tut man sich ähnlich weh. Immer und immer wieder wird man gepiekst und schmerzlich an irgendetwas erinnert, was längst vergessen schien. Hab ich dich damals nicht mit einem anderen erwischt? Dabei wurde dieser Vorfall nach einer gründlichen Aussprache beigelegt. Bist du nicht an der Stelle von der Straße abgekommen, ein Gläschen zu viel und so? Hast Du mich nicht kürzlich unendlich blamiert und mich im Regen stehen lassen? Du Feigling hast dich ja nicht einmal gewehrt, sondern den Schwanz eingezogen, und, und, und, zum tausendsten Mal! Man bekommt scheinbar nie genug davon, sein Gegenüber permanent und genüsslich an sein Versagen, an dunkle Stunden in seinem Leben zu erinnern und bei jeder passenden Gelegenheit zu sticheln. Das ist nicht nur lästig, das tut vielmehr verdammt weh und saugt Lebenskraft ab.

Wie bei der Mückenplage gibt’s nur eine einzige wirksame Gegenstrategie, nämlich die Brutstätten in Wasserlachen und stinkenden Pfützen trockenzulegen. Das bedeutet, immer noch schwelende Konflikte aufzuarbeiten, beharrlich miteinander zu reden und notfalls auch Hilfe von außen in Anspruch zu nehmen. Am Ende bleibt vielleicht nur, einander zu verzeihen. Denn unser Leben erspart uns leider nicht, dass wir immer wieder aneinander schuldig werden.

 „Herr, wie oft muss ich dem, der an mir schuldig geworden ist, verzeihen?“, fragt Petrus einmal seinen Meister. „Reicht vielleicht siebenmal?“ Und Jesus kontert: „Nicht siebenmal, sondern siebzigmal siebenmal“ (Matthäus-Evangelium 18,21-22).

Heftig. Aber Verzeihen und um Verzeihung zu bitten, ist immer noch besser, als nochmals siebzigmal siebenmal gepiesackt zu werden.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=40338
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