Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

25JUL2024
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Immer wieder erzählen mir ältere Menschen, wie viel sie in Kindertagen gespielt hätten. Sogar dort, wo im elterlichen Betrieb oder in der Landwirtschaft alle mitanpacken mussten, blieb noch Zeit für Elferraus, Mikado, Halma, Dame, und andere Brett- und Gesellschaftsspiele, die heute vielleicht viele nicht mehr kennen. „Auch all die Spiele im Freien", erzählt mir eine Großmutter, „haben die Nachmittage unserer Kindheit durchsonnt. Mit Kreide zeichneten wir Hüpfkästchen auf Bürgersteige und Hofeinfahrten, spielten Fangen, Verstecken und stundenlang Ball und wetteiferten um erste Plätze in Sachen Geschicklichkeit und Schnelligkeit."

Der öffentliche Straßenraum macht das heute schwer, und die Familien sind kleiner geworden. Es fehlen Gleichaltrige in der Nachbarschaft, und – es fehlt insbesondere schon bei den Kindern an freier Zeit. Sie ist mehr verplant als bei den Kindern damals. Und: Sie wachsen auf in einer Welt, die von Bildschirmen und künstlich erzeugten Inhalten dominiert wird.

Heranwachsende verbringen durchschnittlich über acht Stunden am Tag mit Unterhaltungsmedien. Das kann sehr angenehm sein, ablenken, trösten, informieren, Spaß machen; aber gerade deshalb auch gefährlich und zur Droge werden. 

In der Studie „Jugend in Deutschland 2024“ stimmte über ein Drittel der Jugendlichen  der Aussage zu: „Mein Nutzungsverhalten des Smartphones könnte man Sucht nennen“.

Wenn Eltern sich hier oft wehr- und hilflos fühlen, kann ich das verstehen. Selbst erschöpft und überfordert können sie nicht jeden Tag die fehlenden Spielkameraden ersetzen. Was sie aber tun können: die Essens- und Schlafenszeiten handyfrei halten. Bekanntlich erzieht nichts so nachhaltig wie Vorbilder, gute und schlechte.

Vor allem aber sind Institutionen, Schule und Politik gefordert. Konzentration, Impulskontrolle, Geschicklichkeit, Urteilskraft, ganz besonders aber die seelische Gesundheit unserer Kinder stehen in direktem Zusammenhang mit ihrem Medienkonsum.1) Das sollte den Verantwortlichen in den Kultusministerien nicht egal sein.

Das Einfachste wäre es, wie in anderen europäischen Ländern, handyfreie Schulen zu schaffen. Als Eltern könnten Sie das bei der Schulleitung Ihrer Kinder auch hierzulande einfordern.

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1) Jonathan Haidt in seinem gerade auf Deutsch erschienenen Bestseller „Generation Angst – wie wir unsere Kinder an die virtuelle Welt verlieren

https://www.kirche-im-swr.de/?m=40337
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