SWR3 Gedanken

26JUL2024
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„Perfekt. Die sind einfach perfekt. Alles bei denen ist perfekt.“

Sie guckt mich an und seufzt: „Die perfekte Familie! Das Haus ist schön und modern, immer aufgeräumt, sauber. Der Garten – ein Traum! Die Kinder? Gesund und munter. Ein Junge, ein Mädchen, natürlich. Frau Pfarrerin“, sagt die eigentlich gestandene Frau zu mir, „ich bin nicht neidisch, das nicht, aber ich finde es ungerecht: warum die? Warum kann nicht auch meine Familie ein bisschen perfekter sein? Vielleicht nicht unbedingt perfekt-perfekt, aber doch nicht so…“

Ich nicke, höre ihr zu, und kann verstehen, was sie sagt – aber ich denke auch an die vielen Familien, die ich als Pfarrerin kennengelernt habe. Und dabei habe ich eine Erkenntnis gewonnen: Die perfekte Familie gibt es nicht. Manchmal hat man den Eindruck: Ja, bei denen ist es so, bei denen läuft alles perfekt – aber jede Familie hat ihre Alltagssorgen und kleine oder größeren Probleme.

Und während die junge Frau mir so von ihrer Familie erzählt, gucke ich sie an: Sie ist eine beeindruckend starke Frau, hat sich von ihrem Mann getrennt, weil er sie geschlagen hat. Sie bringt sich und die Kinder mit ihrem Gehalt als Arzthelferin allein durch. Und ich denke: Vielleicht ist ihre kleine Familie nicht perfekt, aber ich bewundere sie, ich finde sie stark.

Abends denke ich noch mal an die Mutter mit ihren Kindern. Abends, wenn ich im Bett liege, bete ich. Ich lege Gott ans Herz, was mich den Tag über bewegt hat, was mich beeindruckt hat. Und so bitte ich Gott für alle, die vielleicht nicht perfekt sind, keine perfekte Familie haben, aber die sich stark durchs Leben schlagen. Und vielleicht ist das Gebet für mehr Familien, als ich mir vorstelle.  Gott, sei mit ihnen, stehe ihnen bei.

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