SWR Kultur Wort zum Tag

27JUL2024
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„Probiers noch mal“ hat der Stuttgarter Großvater meines Mannes immer gesagt, wenn bei seinen Kindern oder Enkeln wieder einmal etwas schiefgelaufen war. Leider kann ich zwar alles Mögliche, aber kein Schwäbisch, denn der Satz „Probiers noch mal“ klingt, in freundlichem Schwäbisch geäußert, noch mal so mutmachend. Finde ich.

Im Unterschied zu seinem Sportlehrer, der den zweiten Versuch beim Felgaufschwung am Reck stets mit abfälligen Bewertungen garniert hat, war der Stuttgarter Opa für meinen Mann ein wohlwollender Mutmacher. Er hat sich damit in gut biblische Tradition gestellt. Mich erinnert sein „Probiers noch mal“ nämlich an die Szene im Lukasevangelium, als Jesus Simon ermutigt, nach einem großen Misserfolg beim Fischefangen die Netze doch noch einmal auszuwerfen. „Meister, wir haben die ganze Nacht gearbeitet und nichts gefangen, aber auf dein Wort hin will ich die Netze auswerfen,“ antwortet Simon. Und hat Erfolg.

Oder ich denke an den erschöpften Propheten Elia, der einfach nicht mehr für Gott streiten kann und von einem ziemlich geduldigen Engel ermutigt wird, es doch noch einmal zu versuchen. Menschen wie der Stuttgarter Opa sind wie Engel, die helfen, sich wieder aufzurappeln und es eben, trotz aller Misserfolge, noch einmal zu versuchen. Sie machen Mut zum Leben und zum nächsten Versuch. Klar, manchmal stellt sich auch nach wiederholten Versuchen heraus, dass man für den Felgaufschwung einfach nicht geboren ist. Oder dass man nach einem vergeigten Examen möglicherweise besser einen alternativen Berufsweg einschlagen sollte, als es noch mal und noch mal zu versuchen. Vielleicht gibt es ja einen anderen Beruf, der einem selbst und anderen mehr zum Segen gereicht. Doch in vielen Fällen gelingt es tatsächlich, die Welt beim zweiten Versuch aus einer neuen Perspektive zu betrachten. Ob nun oben vom Reck aus, oder auf dem Podium, wenn einem das Zeugnis überreicht wird. Dann wirft man die Netze aus und hat reiche Beute und spürt, dass sich die Anstrengung gelohnt hat.

Das mutmachende „Probiers noch mal“ ist wie eine Atempause, die einem hilft, die ganze Angelegenheit noch einmal in Ruhe zu betrachten, statt in der allerersten Verzweiflung die Netze in den Mülleimer zu werfen oder alle sportlichen Aktivitäten einzustellen. Mag sein, es klappt nicht alles, aber setz erst mal auf die schwäbisch-engelhafte Unterstützung.

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