SWR4 Abendgedanken

16JUL2024
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An der Pforte des Evangelischen Oberkirchenrats von Württemberg habe ich vor Jahren ein Plakat gekauft. Darauf ein Gemälde aus dem 19. Jahrhundert. Zu sehen ist der schmale und der breite Weg. Der breite führt ins Unglück, die auf dem schmalen gehen, werden gerettet. Das Ganze bezieht sich auf die folgende Bibelstelle, in der Jesus sagt: Geht durch das enge Tor! Denn weit ist das Tor und breit der Weg, der ins Verderben führt, und es sind viele, die auf ihm gehen. Wie eng ist das Tor und wie schmal der Weg, der zum Leben führt, und es sind wenige, die ihn finden[1]. 

Keine Frage: Diese Bibelstelle kann als Drohung verstanden werden. Und so ist sie über Jahrhunderte auch benützt worden. Um allen ein schlechtes Gewissen zu machen, die es sich schön machen und die nach weltlichen Vergnügungen suchen. Auf dem Plakat gibt es das Reich der Welt mit Maskenball und Spielhalle, der gerade erfundenen Eisenbahn und eleganter Kleidung. Andererseits das Reich Gottes, wo es bescheiden und naturnah zugeht und in der die Kirche das Sagen hat.

Diese Form der Schwarzweiß-Malerei macht es sich zu einfach, finde ich. Dafür ist das Leben zu kompliziert. Wer gerne feiert und dazu einlädt, tut anderen was Gutes, reißt sie aus ihrem Alltag. Wer meint, in der Kirche gäbe es nur Licht und keinen Schatten, täuscht sich gewaltig.

Trotzdem steckt in dem Bild vom schmalen Weg ein Quäntchen Wahrheit. An die werde ich immer dann erinnert, wenn ich mit meinen Hunden unterwegs bin und wir an eine Stelle kommen, wo es eng wird. Interessant wird es vor allem dann, wenn uns jemand entgegenkommt. Und aufregend, wenn der auch einen Hund dabei hat. Dann muss ich die Situation richtig einschätzen und gut überlegen, wie ich jetzt reagiere. Wenn’s geht, weiche ich auf die Seite aus. Wenn nicht, bleibe ich stehen und warte, bis wir aneinander vorbei sind. Jedenfalls nehme ich Kontakt mit dem auf, der entgegenkommt, und achte darauf, dass alles gut geht. Wie meistens der andere auch.

Dann ist der schmale Weg für mich ein passendes Bild fürs Leben. Es ist eben nicht immer alles einfach und bequem. Das Leben ist kein immerwährender Spaziergang auf breiter Straße. Ich muss mit Komplikationen rechnen, kann nicht selbstverständlich annehmen, dass ich immer gesund bleibe, ein hohes Alter erreiche, mich mit allen bestens verstehe. Manchmal wird es eng. So ist das Leben. Und ich muss schauen, wie ich solche Situationen gut bewältige. Aber jedes Mal, wenn ich einen Schritt weiterkomme, eine Engstelle bewältigt habe, macht mich das ein bisschen glücklich. Und dieses Glück ist ein Hinweis für mich, dass Gott da ist.

 

 

 

[1] Matthäus 7,13f.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=40307
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