SWR1 Begegnungen

21JUL2024
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Sophie von Bechtolsheim copyright: Privatfoto

Christopher Hoffmann trifft: Sophie von Bechtolsheim, Enkelin von Claus Schenk Graf von Stauffenberg.

Ihr Großvater hat am 20. Juli 1944 das gescheiterte Attentat auf Hitler ausgeführt. Vor 80 Jahren wurde er nachts im Bendlerblock ermordet. Sophie von Bechtolsheim hat viel Zeit mit ihrer Großmutter Nina verbracht. Wie hat sie ihren Ehemann erlebt?

Sie hat erzählt, dass er eine große Ausstrahlung hatte. Er war aber auch der, der mit den Kindern am Boden rumgekugelt ist und ein totaler Familienmensch war.  Und das deckt sich dann mit dem, was ich dann später gelesen hab, über das, was Zeitzeugen erzählen-eben diese Fröhlichkeit, diese Zugewandtheit. Also so eine ganz große, starke Ausstrahlung, persönliches Charisma.

Sophie von Bechtolsheim ist nicht nur Enkelin, sie ist auch Historikerin. Und sie weiss, dass ihr Großvater die Machtübernahme der Nationalsozialisten zunächst staunend beobachtete, anschließend als Berufsoffizier der Wehrmacht Karriere machte:

Er war kein glühender Gegner, also leider nicht, wie Bonhoeffer, der eben schon 33 erkannt hat, dass die jüdischen Mitbürger existentiell bedroht sind und ja auch gesagt hat: wir müssen die Opfer unter dem Rad verbinden, damit natürlich die jüdischen Mitbürger gemeint hat und auch dem Rad in die Speichen fallen, also sprich den Nationalsozialisten in den Arm fallen und sie daran hindern, Macht auszuüben. Und so hat mein Großvater das wohl nicht gesehen – er musste erst mal einen Erkenntnisprozess durchlaufen.

Wann genau Stauffenberg zuerst die Erkenntnis hatte, dass Hitlers Terror gestoppt werden muss, das weiß keiner genau, betont die Enkelin. Ich erlebe die 56-Jährige in unserem langen Gespräch ohnehin sehr vorsichtig mit historischen Hypothesen. Wichtig ist ihr: Das geplante Attentat war kein Alleingang ihres Großvaters. Hinter dem 20. Juli standen viele Menschen im Widerstand gegen Hitler:

Er hat sehr viel investiert Menschen zu kontaktieren aus verschiedenen gesellschaftlichen Kreisen, um dann diesen Umsturz auch gesellschaftlich vorzubereiten. Das ist leider außerhalb der Wahrnehmung, dass das wirklich ein groß angelegtes Netzwerk war.

Auch für die Familie Stauffenberg war die Operation „Walküre“, wie das Unterfangen in der Wolfsschanze genannte wurde, hochgefährlich – Claus und Nina hatten vier Kinder, mit dem fünften war sie schwanger. Ich will von der Enkelin wissen: wie stand ihre Großmutter zu den Umsturzplänen und war sie überhaupt eingeweiht?

Also meine Großmutter wusste, dass es einen Umsturz gibt, aber sie wusste nicht, dass er es ausüben würde – und wenn ich sie gefragt habe: Sag mal hast du ihm das nicht verübelt, weil ja klar war, dass euch das alle gefährdet?  Da ist sie richtig sauer geworden, also da ist sie richtiggehend sauer geworden, weil sie gesagt hat: Was sollte ich ihm denn da verübeln?

Nina Schenk Gräfin von Stauffenberg wird nach dem missglückten Attentat von der Gestapo in Einzelhaft genommen und muss mehrere Konzentrationslager überleben. Diese Zeit zu überstehen, dabei hat ihr auch ihr Glaube an Gott ganz zentral geholfen:

Und sie hat gesagt: da wächst einem etwas zu, von dem man vorher nicht wusste, dass man es hat, nämlich Standesgnade. Und dann hab ich gefragt: Was verstehst du darunter? Ja eben eine Kraft, die man bekommt, die man vom Himmel bekommt, um das auszuhalten und dann auch darauf zu vertrauen: Gott wird mir die Kraft schenken, das zu bewältigen.

Standesgnade – das hat nichts mit dem Adelsstand, sondern mit dem Stand als Ehefrau zu tun. Sophie von Bechtolsheim – selbst Ehefrau und Mutter von vier Söhnen, berührt das bis heute.

Ich treffe Sophie von Bechtolsheim, die Enkelin von Claus Schenk Graf von Stauffenberg. Neben ihren Verwandten hat sie als Kuratoriumsmitglied der Stiftung des 20. Juli auch mit Zeitzeugen gesprochen, um mehr über ihren Großvater herauszufinden. Auch mit Ewald-Heinrich von Kleist, der als Widerstandskämpfer am 20. Juli im Bendlerblock in Berlin beim Umsturzversuch dabei war:

Was ihn so beeindruckt hat war diese wahnsinnige Nervenstärke – als eigentlich klar war, als durchgedrungen ist Hitler ist nicht tot, hat ja mein Großvater trotzdem versucht den Staatsstreich voranzutreiben - in Wien und in Paris war der ja mehr oder weniger gelungen, da hat man es geschafft die SS zu entmachten und er hat eben trotzdem felsenfest daran geglaubt oder festgehalten diesen Umsturz weiter voranzutreiben.

Sophie von Bechtolsheim ist sich sicher: Ihr Großvater hat bei der Planung der Operation „Walküre“ auf sein Gewissen gehört:

Es gibt ja diesen Satz von meinem Großvater: Wir werden als Verräter dastehen. Also mit dem Bewusstsein haben die das ja geplant und durchgeführt - mit der Überzeugung sie werden als Verräter vor den Deutschen oder der Geschichte dastehen. Aber wenn sie die Tat unterlassen, sind sie Verräter des eigenen Gewissens.

Als Theologe glaube ich: Das Gewissen ist die Stimme Gottes in uns - das teilt auch Sophie von Bechtolsheim.  Und auch für ihren Großvater spielte sein christlicher Glaube eine wichtige Rolle. Gesichert ist: Stauffenberg stand in Kontakt mit dem Jesuitenpater und Widerständler Alfred Delp, der ihn in Bamberg besuchte. Am Abend vor dem 20. Juli 1944 besucht Stauffenberg eine leere Kirche um zu beten, so hat es sein Chauffeur bezeugt. Was ist für Sophie von Bechtolsheim, die Enkelin Stauffenbergs, die bleibende Botschaft des 20. Juli?

Dass der Mensch zur Freiheit berufen ist, also trotz aller Determination sind wir freie Wesen. Und wir wahrscheinlich freier sind als uns lieb ist. Und das ist für mich die Botschaft. Und aus religiöser Sicht würde ich sagen:  Dass wir in dieser Freiheit rausfinden müssen, wozu uns unser Gewissen beruft. Ich glaube tatsächlich, dass das wirklich im ganz, ganz Kleinen, Alltäglichen anfängt-immer sich zu hinterfragen: was kann ich dafür tun integer zu sein? Das ist das Vermächtnis des 20. Juli.   

https://www.kirche-im-swr.de/?m=40299
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