SWR Kultur Wort zum Tag

15JUL2024
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Den einen Menschen finden, der perfekt zu mir passt – davon träumen viele. Und wenn zwei sich gefunden haben, dann scheint das Glück garantiert. Wie im Märchen, in dem der Königssohn die Königstochter heiratet – und wenn sie nicht gestorben sind, dann …sind sie für immer glücklich zusammen.

Oft wird dieser Märchen-Traum auf öffentliche Paare projiziert – wenigstens bei ihnen scheint er ja in Erfüllung gegangen zu sein. Steffi Graf und Andre Agassi sind so ein typisches Traumpaar. Seit fast 25 Jahren sind sie miteinander verheiratet. Und noch immer schwärmt Agassi von seiner Steffi: „Sie ist für mich die Erfüllung des Schicksals. Die Frau, die perfekt zu mir passt.“ 

Ich weiß nicht, wie es bei Steffi Graf und Andre Agassi war. Ob sie in ihrer Ehe immer nur glücklich miteinander waren. Ob sie nicht auch Missverständnisse und Enttäuschungen erlebt haben und auf Distanz gegangen sind und trotz ihrer Partnerschaft auch manchmal einsam waren. Nach meiner Erfahrung ist das in einer intensiven Beziehung unvermeidlich. Und das ist herausfordernd. Auf einmal passt nichts mehr zusammen. Sogar die Eigenschaften, die mich anfangs besonders angezogen haben, stören mich jetzt. Dass mein Partner ruhig und überlegt ist, empfinde ich dann womöglich als verschlossen und reserviert. Und wenn mich an meiner Partnerin ihre fantasievolle und kreative Art angezogen hat, dann erlebe ich sie auf einmal als chaotisch.

In der ersten Verliebtheit meinen wir, den einen Menschen gefunden zu haben, der gerade das, was mir fehlt, ergänzt. Und umgekehrt. Gemeinsam sind wir perfekt. Eben ein Traumpaar. Aber auf lange Sicht gesehen kann ich das, was mir innerlich fehlt, nicht an meinen Partner delegieren. Und so sind schwierige Zeiten in einer Beziehung immer auch eine Chance, sich selber weiter zu entwickeln.

In einem Interview hat Andre Agassi einmal gesagt: "Das erste ist, sich selbst zu kennen. Man kann keine Beziehung eingehen, in der man den anderen braucht, um sich vollständig zu fühlen, sonst kämpft man mehrere Schlachten."  Da werden ihm viele Psychologen zustimmen. Jeder Mensch muss erst mal mit sich selber klarkommen. Mit seinen positiven und mit seinen schwierigen Seiten und mit seiner Herkunftsgeschichte. Manchmal ist das so belastend, dass man dabei Hilfe braucht. Und wenn die eigenen Altlasten oder die des Partners zu groß sind, dann kann das für eine Beziehung auch eine Überforderung sein. Es bedarf meist eines langen und geduldigen Weges, dass wir innerlich reifen und uns mit uns selbst versöhnen können. Auch in einer guten Beziehung werden wir nicht einfach erlöst. Aber eine gesunde  Beziehung kann ein guter Rahmen sein, als Einzelne und als Paar zu wachsen.

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