SWR1 Anstöße sonn- und feiertags

07JUL2024
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Wenn ich in meinen Heimatort komme, ist es oft wie eine Zeitreise. Ich sehe die Orte, wo ich als Kind gespielt habe. Wo ich in den Kindergarten und in die Grundschule gegangen bin. Manchmal treffe ich ältere Leute, die mich schon seit meiner Kindheit kennen. Im Ort haben sie mich als Kind immer gefragt: „Zu wem gehörst denn Du?“.

Inzwischen habe ich studiert, bin in einer anderen Gemeinde als Seelsorger und predige kluge Dinge von Jesus und was das mit unserem Leben zu tun hat.

Die Menschen dort akzeptieren das. In meiner Heimatgemeinde würde ich mich schwertun, den „Alten“ eine Predigt zu halten. Und umgekehrt wäre es sicher auch für sie schwierig, dass der Junge von damals sich anmaßt, ihnen jetzt kluge Predigten zu halten. Ähnlich hat es Jesus selbst erlebt. Er wollte seinen Verwandten und Freunden Wichtiges sagen und ihnen auch Gutes tun. Aber sie wollten nichts davon wissen. Sie haben ihn nur gesehen als einen, den sie schon als kleinen Knirps gekannt haben. Einer, der ihnen deswegen auch nichts Neues zu bieten hat:

„Nirgends hat ein Prophet so wenig Ansehen wie in seiner Heimat, bei seinen Verwandten und in seiner Familie“ (Mk 6,4), sagt Jesus.

Wenn ich Menschen schon lange kenne, vielleicht seit ihrer Geburt schon, dann ordne ich sie in bestimmte Schubladen ein. Schaue sie gedanklich mit einer bestimmten Brille an. Mir selbst geht es oft genauso. Zum Beispiel, wenn ich an meinen Klassenkameraden denke, der jetzt für eine Zeitschrift kluge Dinge schreibt. Dabei kenne ich ihn noch als den größten Klassenclown!

Die Beobachtung von Jesus ist jedenfalls eine Einladung an mich, meine eigene Brille mit Vorurteilen mal abzulegen. Um besser zu sehen, was meine Mitmenschen mir wirklich sagen können. Ganz unvoreingenommen. Vielleicht erlebe ich dann sogar eine positive Überraschung!

https://www.kirche-im-swr.de/?m=40243
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