SWR1 Begegnungen

07JUL2024
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Gitta Grimm Copyright: Manuela Pfann

Manuela Pfann trifft Gitta Grimm

Es ist ein schwieriges Jubiläum. Der Verein „donum vitae“ wird in diesem Jahr 25 Jahre alt. Donum vitae, das bedeutet übersetzt: Geschenk des Lebens. Engagierte Katholikinnen und Katholiken haben den Verein gegründet. In einer Nacht- und Nebelaktion. Aus einer Notlage heraus. Es war ihre Antwort darauf, was Papst Johannes Paul II. den deutschen Bischöfen angewiesen hatte: Katholische Beratungsstellen dürfen keine schwangeren Frauen mehr begleiten, die überlegen, ihr Kind nicht zu bekommen. Um es deutlicher zu formulieren: Mit einer Abtreibung sollte die Kirche nichts zu tun haben.

Und dann haben wir katholische Laien dann gedacht, jetzt geht es irgendwie in die falsche Richtung mit dieser Kirche. Und jetzt müssen wir Verantwortung übernehmen, damit Kirche das tut, was richtig ist.

… sagt Gitta Grimm. Sie ist die Landesvorsitzende von donum vitae in Baden-Württemberg und vom ersten Tag an mit dabei. Zu den prominenten Gründungsmitgliedern des Vereins im Land zählten damals übrigens auch Winfried Kretschmann und Annette Schavan. Ihnen allen war das wichtig, was heute noch gilt:

Wir nehmen Maß an Jesus. Das ist unsere ursprünglichste Tradition und der stand an der Seite der notleidenden Menschen. Vorbehaltlos, hat sie angenommen, so wie sie kamen, hat niemand verurteilt.

Und in dieser Spur Jesu arbeitet donum vitae bis heute. Mittlerweile gibt es rund 200 professionelle Beratungsstellen in Deutschland, über 80.000 schwangere Frauen werden jedes Jahr von ausgebildeten Fachkräften begleitet.

Die wissen dann schon die richtigen Worte zu finden, auch ohne eine Frau unter Druck zu setzen. Ja, wenn es geht, auch dem Kind eine leise Stimme zu geben.Das geht ja manchmal bis dahin, dass man sogar noch ein Verabschiedungsritual macht.

Für das Kind, das nicht auf die Welt kommen wird. Aus welchem Grund auch immer.

Weil es ist für kaum eine Frau wirklich leicht. Manche sind in so großer Not, dass das nur unter Tränen geht, das muss man einfach wissen

Mir geht das sehr nahe, weil ich auch Mutter bin. Gleichzeitig finde ich es so wichtig, dass Gitta Grimm sagt: Wir versuchen immer eine Perspektive für ein Leben mit Kind zu finden. Aber, egal wie die Entscheidung ausfällt:

Die Frau soll gestärkt herausgehen. Es ist völlig klar, dass ein Kind nicht gegen den Willen der Frau geschützt werden kann. Empowerment nennt man das heute der betroffenen Frauen.

Als ich nachfrage, aus welchen Gründen Frauen überlegen, ihre Schwangerschaft abzubrechen, machen mich die Antworten von Gitta Grimm traurig: Denn sehr oft haben die Lebensbedingungen damit zu tun – schaff ich das alleine? Wie soll ich Geld verdienen? Kann ich eine größere Wohnung bezahlen?

Also diese soziale Frage spielt einfach die Hauptrolle nach wie vor. Damals hat der Gesetzgeber sich ja vorgenommen, die Rahmenbedingungen dann frauen- und kinderfreundlicher zu gestalten. Aber über Kitaplätze reden wir heute auch noch nach 25 Jahren.

Gitta Grimm engagiert sich seit 25 Jahren für den Verein donum vitae. Geschenk des Lebens, heißt das übersetzt. Christinnen und Christen kümmern sich um Frauen, die ungewollt schwanger sind. Der Verein wird offiziell immer noch nicht von der katholischen Kirche anerkannt. Trotzdem erlebt die ehemalige Rektorin eines katholischen Gymnasiums Unterstützung von der Kirche.

Ich habe eigentlich von den Bischöfen, mit denen ich zu tun hatte, nie eine Ablehnung erfahren, sondern unterschwellig immer fast so was wie Dankbarkeit, dass wir die Kohlen aus dem Feuer holen.

Damit meint Gitta Grimm: donum vitae ist die katholische Stimme in der Politik, wenn es um den Schutz des ungeborenen Lebens geht. Und das ist aktuell gerade sehr wichtig, weil wieder über den Paragraph 218 diskutiert wird. Der regelt den Schwangerschaftsabbruch und steht im Strafgesetzbuch. Deswegen möchten einige Parteien ihn ganz abschaffen, damit Abtreibung keine Straftat mehr ist. Wie denkt Gitta Grimm darüber?

Wir können gut damit leben, dass dieser Paragraph im Strafrecht steht, weil wir nicht erleben, dass Frauen davon sich diskriminiert fühlen, jedenfalls nicht die Betroffenen.

Gitta Grimm streitet leidenschaftlich dafür, dass diese Regelungen genau so im Strafgesetzbuch stehen bleiben. Sie erklärt mir weshalb.

Wenn man mal genau hinguckt, hat das Verfassungsgericht etwas geschaffen, was es gar nicht geben dürfte, nämlich zwei Grundwerte und Grundgüter – die Selbstbestimmung der Frau und die Würde der Frau und den Lebensschutz – in einem Gesetz unterzubringen. So dass beide gewürdigt werden. Und dann kommt was Merkwürdiges raus, nämlich: Eine Abtreibung ist eigentlich nicht in Ordnung, also illegal. Aber wir wissen um die Not der Frau und deshalb verzichten wir auf Strafe, weil wir niemand kriminalisieren wollen. Also illegal, aber straffrei. Das ist eine geniale Lösung gewesen!

Und zu dieser Lösung gehört auch: Frauen müssen in eine Beratungsstelle, bevor eine Abtreibung möglich ist. Das ist Pflicht. Für mich klingt das zunächst nicht nach Selbstbestimmung der Frau. Aber ich ahne, was dahintersteckt. Gitta Grimm bestätigt mir, was die allermeisten Frauen sagen:

Freiwillig bin ich nicht gekommen. Wahrscheinlich wäre ich sogar gar nicht gekommen, wenn ich nicht gemusst hätte. Aber jetzt bin ich froh, dass ich hier war.

Deswegen findet sie: Ein Gespräch über die ungeplante Schwangerschaft darf nicht einfach nur ein Angebot sein, das man annehmen kann oder eben auch nicht.

Weil wir glauben, dass diese Beratungspflicht auch einen Schutz darstellt. Es ist einfach eine schwere Entscheidung. Und die will gut gefällt sein, wenn man ein Leben lang damit nachher auch zurechtkommen will.

Ich kann mir vorstellen, es ist manchmal auch für die Beraterinnen nicht so leicht zu akzeptieren, wenn Frauen sich gegen das Kind entscheiden.

Ja, man muss bereit sein, auch Entscheidungen mitzutragen und auch mitzuverantworten, die man eigentlich nicht möchte. Auf der anderen Seite kriegt man dann manchmal ein Kärtchen, wo eine Geburt angezeigt wird. Ja, das Leben ist vielfältig und so sind auch die Situationen bei donum vitae und auch die Ergebnisse.

 

https://donumvitae.org/

 

https://www.kirche-im-swr.de/?m=40231
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