SWR3 Gedanken

11JUL2024
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„Ich brauch mal wieder Me-Time“, sagt meine Freundin Karo und schaut sich die unterschiedlichen Schaumbäder im Drogeriemarkt an. Sie nimmt das mit Lavendel.

„Geht das nur in der Badewanne?“ Ich bin irritiert. Karo guckt mich erstaunt an: „Natürlich nicht. Aber ich will’s mir doch richtig schön machen, wenn ich schon mal Zeit für mich habe.“

„Ach so“, sage ich. Und bin erst mal still. Me-Time, Zeit für mich - das einzuplanen und zu gestalten ist gerade irgendwie hip.

Ich habe eigentlich ziemlich oft Zeit für mich, oder besser gesagt: Me-Time. Also nachdem ich die Mails beantwortet, die Texte geschrieben, die Tagungen organisiert, den Haushalt geschafft habe und mit dem Hund draußen war. Aber dann hab ich Zeit, Zeit, in der ich einfach rumhänge, unverplant und ungestaltet. Ich schaue aus dem Fenster, und sehe die große Blutbuche im Garten. Das Licht spiegelt sich auf den Blättern. Oder ich gucke so vor mich hin und winke meine Gedanken vorbei. Bin einfach da und muss nichts und will nichts. In diesen absichtslosen Momenten kann ich das große Ja Gottes beinahe hören. Je weniger ich dafür tu, desto deutlicher kann ich es spüren. Gott ist da und sagt Ja. Ja zu mir.

Mir fällt das leicht, mir einfach Zeit für mich zu nehmen. Karo braucht da ein paar mehr Hilfsmittel. Das Schaumbad. Und sie hat eine spezielle Playlist für die Me-Time. Die Musik reicht für ziemlich genau zwei Stunden. „Zwei Stunden – das ist perfekt als Auszeit“, sagt Karo gutgelaunt und legt noch einen Wohlfühltee auf das Band an der Kasse.

Als ich später nach Hause komme, ist niemand da. Nicht einmal der Hund. Eigentlich wollte ich noch den Bericht fürs Büro schreiben. Aber wenn ich’s mir genau überlege: Ich schau lieber eine Weile aus dem Fenster, unverplant und ungestaltet. Zeit für mich? Zeit, das große Ja zu spüren. Und darum geht es eigentlich, glaube ich. Ob mit oder ohne Schaumbad.

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