SWR Kultur Wort zum Tag

20JUL2024
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Heute vor 80 Jahren versuchte Graf Stauffenberg, Hitler zu töten. Dass das schuldig macht, wusste er genau. Aber angesichts von Nazi-Diktatur und mörderischem Weltkrieg nichts zu unternehmen, war ihm und seinen Gefährten unentschuldbar. Das Attentat auf den braunen Diktator misslang, brutal schlug das Nazi-System zurück: riesige Verhaftungswellen durchzogen das Land, viele aufrechte Zeitgenossen verloren ihr Leben, der Krieg ging weiter bis zum bitteren Ende.

Zeitgleich entstand im Berliner Gefängnis das große Werk des evangelischen Theologen Dietrich Bonhoeffer. Fast auf den Tag genau vor 80 Jahren schrieb er seinem Freund aus dem Gefängnis: „Ich habe in den letzten Jahren die tiefe Diesseitigkeit des Christentums kennen und verstehen gelernt.“ Nicht in einer Wunsch- und Jenseitswelt leben, nicht um sich selbst und seine Spiritualität kreisen, nein, so heißt es wörtlich weiter, „in der Fülle der Aufgaben, der Fragen, Erfolge und Misserfolge, Erfahrungen und Ratlosigkeiten leben“, darauf komme es an. Die Bibel spreche nicht viel von Glück, sondern von Segen, und an dem sei alles gelegen. Weil der Mensch sich glaubend gesegnet weiß – „von guten Mächten still und wunderbar geborgen“. Gerade deshalb kann und soll er sich voll einmischen in das, was hier und jetzt zu tun ist. Beten und Tun des Gerechten, und das mitten im Alltag, lautet die Einladung. Die Bibel spricht auch nicht vom Sinn des Lebens, sondern von Gottes Verheißung. Der Mensch, der glaubt, hat Gottes Zusage immer im Rücken, deshalb kann er dem Rad des Unrechts in die Speichen greifen und bessere Alternativen wagen. Sogar so, wie der Hitler-Attentäter Graf Stauffenberg und andere.

„Dem Leben trauen, weil Gott es mit uns lebt“, schrieb etwas später Alfred Delp, der katholische Bruder Bonhoeffers und ebenfalls im Gefängnis der Nazis. Sie alle hatten ein anderes, ein gerechtes Deutschland im Sinn. Sie widerstanden jeder Form, die eigene Nation zum Höchstwert zu machen und andere zu verteufeln. Wer an Gott glaubt, braucht eben nichts in der Welt zu vergöttlichen, schon gar nicht sich selbst und die eigene Meinung, oder das eigene Volk. Mitten in den aktuellen Problemen geht es um Widerstandskraft. Es gilt sich einzumischen, mit klarem Kompass und langem Atem. Diesen 20. Juli zu erinnern kann zur Kraftquelle werden.

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