SWR Kultur Wort zum Tag

19JUL2024
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„Nichts Schöneres unter der Sonne, als unter der Sonne zu sein“ – wie treffend dieser Vers von Ingeborg Bachmann ist, und das ganze Gedicht auch. Ein einziger Sonnenhymnus. Klar, man kann sich auch einen Sonnenbrand holen. Und die fortschreitende Versteppung der Erde zeigt, dass mit diesem Feuerball am Himmel nicht zu spaßen ist. Aber was wären wir Menschen ohne die Sonne, was das Leben ohne ihre Strahlen und ihr Licht?  Jetzt im Sommer besonders. Zwar hat sie für dieses Jahr ihren Zenit schon hinter sich, die Sommersonnenwende war ja schon, aber dieses Grundgefühl von Jahresmitte und Sonnenfülle ist prägend, auch von Reifung und Ernte, von Ferien auch und von Urlaub. „Nichts Schöneres unter der Sonne, als unter der Sonne zu sein.“ Einfach super.

Seit es Menschen gibt, gibt es auch Sonnenkulte. Die Sonne ist der erste Gott, die erste Göttin im Leben der Menschheit. Alle Kulturen und Religionen umkreisen dieses Lichtzentrum als göttliche Instanz, von größter Bedeutung für Leben und Tod.  Noch heute sagt man von Leuten am Strand, sie seien Sonnenanbeter. Für biblisch Glaubende ist die Sonne sichtbarster Ausdruck von Gottes Schöpferkraft. Sie ist „die Morgenlektion Gottes“ – so meinte Johann Gottfried Herder, der gelehrte Stadtpfarrer von Weimar, damals zu Goethes Zeiten. Ja, auch der heutige Sonnenaufgang enthält diese wichtige Botschaft: mag die Nacht noch so schlimm gewesen sein, das Tageslicht ist stärker: Gott ist im Kommen, auf seine Ausstrahlung ist Verlass, in diesen Sommertagen erst recht.

Das kirchliche Morgengebet ist voll von anschaulichen Lobeshymnen auf das Sonnenlicht und die Schöpfung. „Du Abglanz von des Vaters Pracht, / du bringst aus Licht das Licht hervor, / du Licht vom Licht, du Lichtes Quell, / du Tag, der unsern Tag erhellt. // Du wahre Sonne, brich herein / die Sonne, die nicht untergeht, / und mit des Geistes lichtem Strahl / dring tief in unsrer Sinne Grund.“ Über 1500 Jahre alt ist dieser Hymnus vom Mailänder Bischof Ambrosius, damals wie heute brandaktuell:  göttliche Sonnenergie draußen in der Natur, auf den Hausdächern und hoffentlich auch im eigenen Fühlen und Leben: „Dring bis auf der Seele Grund“. In diesem Sinn Ihnen und uns einen guten Morgen, mit viel Sonne im Herzen!  

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