SWR4 Abendgedanken

03JUL2024
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Da ist er, der Gipfel! Meine Familie und ich sind ziemlich außer Puste. Gleichzeitig sind alle stolz, dass wir am Ziel unserer Bergtour angekommen sind. Doch bevor wir die Aussicht von hier oben genießen und es die wohlverdiente Vesperpause gibt, stellen wir uns alle ums Gipfelkreuz und machen ein Selfie fürs Familienalbum. Wir haben zwar schon eine Menge solcher Fotos, aber wir sammeln trotzdem gerne weiter. Denn Gipfelkreuze sind immer etwas Besonderes, auch wenn es so viele davon gibt. Allein in den West- und Ostalpen zieren rund 4.000 davon die Berggipfel.

Gipfelkreuze markieren einen höchsten Punkt, aber nicht nur das. Sie zeigen an, dass man es nach langer Wanderung endlich geschafft hat. Sie gehören zum Bergpanorama einfach dazu, so wie Kühe oder Almhütten. Die ersten Gipfelkreuze wurden schon im Mittelalter aufgestellt. Im 20. Jahrhundert gab es dann eine richtige Blütezeit: Denn nach dem Zweiten Weltkrieg errichteten viele Gemeinden Gipfelkreuze, um der Gefallenen zu gedenken oder als Dank dafür, dass Männer wieder nach Hause zurückgekehrt sind. Und so gibt es heute in manchen Regionen kaum einen Berg ohne Kreuz.

Ich schaue mir unser Familienselfie nochmal an und sehe, wie wir alle ziemlich geschafft und gleichzeitig glücklich aussehen. Und hinter uns das Gipfelkreuz. Es zeigt erstmal, dass wir gemeinsam eine anstrengende Herausforderung gemeistert haben. Außerdem ist es als Kreuz ein Zeichen für meinen Glauben und meine Beziehung zu Gott. Und dann bin ich auch beeindruckt davon, dass es Menschen gab, denen es offenbar wichtig war, dass hier ein Kreuz steht. Die dafür gespendet haben oder selbst Material hier raufgebracht und mitgebaut haben. Bergkreuze faszinieren mich einfach, weil in ihnen so viel steckt.

Kein Wunder also, dass ich auf dem Foto mit dem Gipfelkreuz so strahle. Und dazu kommt noch was anderes, was ich jedes Mal erlebe, wenn ich auf einem Gipfel stehe. Ich fühle mich erhaben und werde gleichzeitig demütig, weil ich im Vergleich zu diesem riesigen Berg so klein bin. Oben auf dem Gipfel ist es ruhiger, ich fühle mich dem Himmel ein Stück näher und ich bekomme eine neue Perspektive. Sie lässt mich anders auf meinen Alltag blicken und ich erkenne, dass es noch so viel mehr gibt, als die Probleme oder Sorgen, die sich so oft in den Vordergrund schieben.

Diese Gedanken nehme ich gerne vom Berg oben mit runter für den Rückweg ins Tal. Und unser Familienfoto vor dem Gipfelkreuz erinnert mich daran.

Benjamin Vogel aus Freiburg von der katholischen Kirche.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=40215
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