SWR4 Abendgedanken

02JUL2024
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Heute, genau um Mitternacht, ist Halbzeit. Dann ist die erste Hälfte des Jahres vorbei und die zweite bricht an. 2024 ist ein Schaltjahr, also sind heute Nacht 183 Tage vergangen und genauso viele kommen noch. Jahresrückblicke kenne ich aus dem Dezember. Doch mitten im Sommer hat so ein Blick zur Halbzeit auch was für sich. Dann kann ich auf die erste Jahreshälfte zurückblicken, und gleichzeitig kann ich überlegen, was das zweite Halbjahr noch bereithalten mag.

Der große Experte in Sachen Rückblick ist für mich Ignatius von Loyola. Er hat im 16. Jahrhundert in Südeuropa gelebt und ist der Gründer des Jesuiten-Ordens. Ignatius hat jeden Abend auf seinen Tag zurückgeschaut. Das war ein wichtiger Teil seiner Spiritualität. Schon vor 500 Jahren war das eine echte Achtsamkeitsübung und noch heute beten viele Menschen nach seinem Vorbild das sogenannte „Gebet der liebenden Aufmerksamkeit“.

Dieser Rückblick geht so: Zuerst werde ich still und bitte Gott darum, dass ich offen bin, damit ich nüchtern und ehrlich auf mein Leben schauen kann. Dann gehe ich meinen Tag Stunde für Stunde durch. Ich erinnere mich daran, wo ich war, wen ich getroffen und was ich gemacht habe. Wie war das für mich? Eher befreiend und leicht oder hat es runtergezogen? Das, was ich jetzt empfinde, gebe ich Gott. Das, was mich belastet, kann ich so vielleicht besser loslassen. Und für das Gute kann ich dankbar sein.

Dann schaue ich auf den kommenden Tag. Wovor habe ich Angst? Und worauf freue mich ich schon so lange? Was sind die nächsten Schritte? Ich bitte Gott, dass er segnet, was kommt und um Kraft, wenn es für mich mühsam und schwer wird.

Das tut abends gut und ordnet, was an Erlebnissen und Gedanken in mir ist. Und heute – genau in der Mitte dieses Jahres – schaue ich weiter zurück und lasse den Blick über die letzten Monate schweifen. Was hab ich dieses Jahr schon erlebt und geschafft? Was war einfach wunderbar?  Was belastet mich noch? Was sind Meilensteile und was ist noch offen? Und ich schaue nach vorn. Was die nächsten sechs Monate wohl kommt? Manches kann ich schon erahnen, doch bestimmt wird mich auch Vieles kräftig überraschen.

Heute Abend bete ich passend zur Mitte des Jahres so: Gott, bitte segne mein Jahr. Alles, was in der ersten Hälfte schon war, und auch die zweite Jahreshälfte. Segne die Menschen, die mir begegnen. Begleite mich, wenn ich enttäuscht werde, wenn ich mich über etwas freue und bei allen anderen Abenteuern. Amen.

Benjamin Vogel aus Freiburg von der katholischen Kirche.

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