SWR Kultur Wort zum Tag

02JUL2024
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Schlafen und tot sein ist ein bisschen ähnlich. Schlafen hat allerdings ein weitaus besseres Image als Sterben. Mit dem Sterben tun sich viele schwer. Aber ich weiß, dass das auch fürs Schlafen gilt. Bei manchen rattert nachts das Gedankenkarussell los, oder sie finden keine angenehme Position, weil etwas schmerzt.

Ich kann Gott sei Dank gut schlafen. Und deshalb hat Schlafen für mich etwas Göttliches. Wenn ich mich nach einem langen Tag ins Bett fallen lasse, mich in Kissen und Decke kuschle, wenn ich merke, wie sich meine Muskeln entspannen, wie ich loslassen kann – geistig und körperlich, dann ist das manchmal für mich wie ein kleiner Blick ins Paradies – so schön.

Es heißt ja, der Tod sei des „Schlafes Bruder“. Liegt ja auch nahe, denn wenn man schläft, ist man auch ein bisschen wie tot. Vielleicht ist es auch andersrum: Wenn man tot ist, ist es ein bisschen wie Schlafengehen. Und dann bekommt der Tod sogar etwas Tröstliches. Endlich kann ich alles sein lassen. Mein Körper, der sein Leben lang viel geleistet hat, darf endlich abschalten. Aber auch so vieles, das mich im Geist beschäftigt und umtreibt, darf zur Ruhe kommen: Grübeleien, Konflikte, Schuldgefühle oder Ärger.

Das Zauberwort heißt „loslassen“. Das fällt mir hier im Leben unheimlich schwer. Meine Kinder, wenn sie selbständig werden, liebe Menschen, wenn sie von mir gehen. Und Krankheiten und Ungerechtigkeiten wäre ich gerne los, sie kleben aber wie lästige Kletten an mir. Im Tod ist Loslassen sozusagen verordnet, es kommt von allein. Ich lasse alles Irdische hinter mir. Schwer macht es, dass ich es nicht selbst in der Hand habe, aber das macht es gleichzeitig auch leichter.

Wenn ich sterbe, dann lege ich Geist und Körper vertrauensvoll in Gottes Hände. Diese stelle ich mir vor wie eine große und bequeme Matratze, die mich aufnimmt. Ich entspanne und freue mich auf Ruhe. Und weil Ruhe auf Dauer wohl ein bisschen langweilig wäre, freue ich mich auch aufs Aufwachen in Gottes Hände. Darauf, dass ich Neues entdecken werde, dass ich tiefer verstehe und Zusammenhänge erkennen kann, dass ich in guter Gesellschaft bin mit Freunden und Verwandten, dass ich auf ganz neue Weise lieben kann und geliebt werde und vielleicht auf noch viel, viel mehr.

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