SWR Kultur Wort zum Tag

01JUL2024
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Eine Horde wilder Motorradfahrer in einem strengen Trappistenkloster – kann das funktionieren? Die Antwort habe ich bei einer Motorrad-Wallfahrt erfahren. Meistens sind wir um die 30 Biker, die zwei Dinge verbinden: die Leidenschaft fürs Motorradfahren und für Gott. Wir suchen tolle Strecken aus, und wir beten auch gemeinsam, tauschen uns aus, und wir können auch ganz still sein.

Ums Stillsein ging es in unserer ersten Unterkunft. Wir waren in einem Trappistenkloster in Belgien untergebracht - die gelten als besonders streng und bescheiden. Innerhalb des Klosters sollte man nur sprechen, wenn es unbedingt nötig ist. Aber sag das mal einem Biker, der 400 Kilometer einsam unterm Helm in den Knochen hat. Da ist der Drang, während des Essens sich mitzuteilen einfach ganz schön groß.

Mit einigem Tuscheln und unterdrückten Lachern hat es irgendwie funktioniert. Am nächsten Tag haben wir beschlossen, aus der Not eine Tugend zu machen. Wir haben einen sogenannten „Wüstentag“ eingelegt: keine Ablenkungen, nicht sprechen, nicht Motorrad fahren, jeder sollte sich nur mit sich selbst beschäftigen. Das ist gar nicht so leicht, denn es gibt einfach diesen Drang, sich selbst zu beschäftigen, statt sich mit sich selbst zu beschäftigen. Außenreize statt Innensicht. Denn wenn man in sich selbst reinschaut, kommen oft unterdrückte Probleme hoch und auch Fragen, die unangenehm sein können. Aber die meisten von uns sind in einen richtigen Schweige-Flow geraten. Abends haben wir uns von unserem Tag erzählt, und die meisten waren sich einig: so eine intensive Zeit hatten sie schon lange nicht mehr.

Am folgenden Tag ging's dann quer durch die Ardennen bis nach Valkenburg, einem richtig umtriebigen Touristenort in den Niederlanden. Die Hauptstraße voller Menschen, Stände, Cafés und Kneipen. Als Kontrastprogramm waren wir in einem schönen Hotel untergebracht, und abends gab's ein Dreigänge-Menü unter Kronleuchtern. Als ich an meinem Tisch in die Runde geschaut habe, hielt sich die Begeisterung in Grenzen. Vielen war es zu laut, zu viele Reize, zu hektisch. Regina hat gesagt: „Ich fand's trotz allem gestern im Trappistenkloster irgendwie schöner.“ Und unter allgemeinem Nicken hat Olli hinterher geschoben: „Da sieht man mal wieder: Meistens ist halt weniger mehr.“

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