Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

06JUL2024
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Sein Geburtstag ist nicht bekannt. Auch das Geburtsjahr nur so ungefähr: Um 1370 soll er auf die Welt gekommen sein. Sein Todestag aber steht fest. Am 6. Juli 1415 ist der Theologe Jan Hus auf einem Scheiterhaufen in Konstanz am Bodensee verbrannt worden. Ein schrecklicher Tod und ein trüber Gedenktag. Ähnlich wie hundert Jahre später Martin Luther hat auch Jan Hus den Amts- und Machtmissbrauch in der Kirche seiner Zeit scharf kritisiert. Den drei Päpsten, die sich damals um die Herrschaft gestritten haben, hat er allen die Gefolgschaft verweigert, stattdessen die Bibel in seine tschechische Muttersprache übersetzt. Weil er so verständlich und lebensnah erzählen konnte, war er als Prediger sehr geschätzt. Für seine kritische und eigenständige Haltung ist er damals angeklagt worden.  Widerrufen, wovon er im Innersten überzeugt war, wollte er nicht. Und das hat er mit seinem Leben bezahlt.

Das alles ist furchtbar lange her und scheint einer völlig anderen Zeit anzugehören. Die Todesstrafe ist abgeschafft; kein Mensch wird heute mehr öffentlich hingerichtet. Jedenfalls nicht in Konstanz. Freie Meinungsäußerung gilt auch in Glaubensdingen; die deutsche Verfassung garantiert eine positive Religionsfreiheit. Zwischen unterschiedlichen Konfessionen und Religionen wird in der Öffentlichkeit ein respektvoller Umgang zelebriert. Manchmal frage ich mich allerdings, ob sich die Schauplätze für Hinrichtungen nicht einfach nur verlagert haben. Weg von den Marktplätzen in die virtuellen Welten des Netzes. In den Kommentarspalten von sozialen Medien herrscht hie und da ein Tonfall, der mich sprachlos macht. Da wird nicht lange gefackelt, sondern verbale Brandsätze gezündet und kurzer Prozess gemacht mit Menschen und Meinungen. Eine Freundin hat mir gerade gesagt, dass sie sich wundert, warum so vieles davon einfach unwidersprochen stehen bleibt. Denn wer schweigt, scheint zuzustimmen. Da habe ich mich angesprochen gefühlt. Ich weiß: Viele sagen, sich in solche Diskussionen einzumischen, bringt eh nichts. Aber vielleicht ist ein klar formulierter Widerspruch gegen Hetze und Shitstorms es ja doch wert für einen einzelnen, der doch ins Nachdenken kommt und sich auf eine echte Diskussion einlässt. Oder zumindest für die schweigende Menge, der damit signalisiert wird: Ihr seid nicht allein. 

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