Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

03JUL2024
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Trotzphasen sind schrecklich. Jedenfalls, wenn man die Mutter eines betroffenen Kleinkinds ist. Erst neulich hab ich beim Einkaufen den Tobsuchtsanfall einer vielleicht Dreijährigen miterlebt. Die war total außer sich, hat geschrien und geheult und sich keinen Zentimeter von der Stelle bewegt. Ihre Mutter hat sich zwar in bewundernswerter Geduld geübt, war aber sichtlich mit den Nerven am Ende. Am liebsten hätte ich ihr einen Kaffee gebracht.

Wenn erwachsene Leute in eine Trotzphase kommen – dann ist das fast noch schlimmer. Erwachsene Sturköpfe sind mitunter genau so anstrengend wie Kinder. Wenn einer sich immer nur querstellt. Mit Beharrungskräften alles blockiert. Jede Veränderung als Gefahr betrachtet. So ein Trotzkopf steckt manchmal auch in mir. Dann bin ich schwer erziehbar, bockig, kontraproduktiv. Andererseits muss ich auch nicht alles hinnehmen, was scheinbar nicht zu ändern ist. Dann hat Trotz auch eine produktive Seite. Ich nenne sie die Trotzkraft. Denn schließlich hat jeder menschliche Fortschritt einmal mit Trotz angefangen. Mit Verweigerung. Mit dem Aufstampfen eines Fußes und dem stirnrunzelnden Gedanken: Das darf doch wohl nicht wahr sein! Ich nehme das jetzt nicht mehr länger hin! Ronja von Rönne erzählt in ihrem Buch über den Trotz die Geschichte von Adam und Eva im Paradies als wunderbare Trotzgeschichte. Eva pflückt den Apfel vom verbotenen Baum und beißt herzhaft hinein. Warum hat sie das getan, wenn ihr doch mindestens ein Paradies für immer offenstand? Ronja von Rönne meint: „Ein Initialmoment, ein Zufallsfunken. An einem jener unendlich vielen sonnigen Tage im Paradies blieb Adam brav, und eine Frau erschuf trotzig die Realität.“

Der Trotzkopf und die Trotzkraft: beide bringen uns weiter. Liegt die Kunst also im Unterscheiden, wann was dran sein könnte. In einem biblischen Psalm (73) finde ich beides: „Wenn mein Herz verbittert ist, dann bin ich so dumm wie ein Rindvieh und steh vor dir wie ein Ochse vor dem Berg. Und trotzdem, trotzdem bleibe ich immer bei dir, Gott. Du hast mich an die Hand genommen. Du führst mich nach deinem Plan. Und wenn mein Leben zu Ende geht und aller Trotz ein Ende hat, nimmst du mich auf in deine Herrlichkeit.“

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