SWR4 Abendgedanken

12JUL2024
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Wenn ich als Pfarrerin eine Beerdigung halte, dann besuche ich vorher die Angehörigen, und gemeinsam bereiten wir die Feier vor und natürlich auch das, was ich bei der Beerdigung sagen soll. Vor kurzem habe ich zu meinem Erstaunen erlebt, wie eine Verstorbene beim Trauergespräch selbst mitgeredet hat. Und das kam so:

Ich habe eine ältere Dame getroffen, deren Freundin Hertha verstorben war. Hertha hatte keine Verwandten mehr aber einen großen Freundeskreis. Zu meinem großen Erstaunen hat mir nun die Freundin einen Brief vorgelegt. Einen Brief von Hertha. „Zu meiner Beerdigung“ war die Überschrift. Und die Freundin hat mir erklärt, dass Hertha schon seit einigen Monaten gewusst hat, dass sie bald sterben würde. Und dass sie sich deswegen überlegt hatte, aufzuschreiben, was bei ihrer eigenen Beerdigung gesagt werden soll.

Zuerst war ich sehr skeptisch, ob das funktioniert.

In wenigen Zeilen hatte Hertha aufgelistet, was die Stationen ihres Lebens gewesen sind: Schule, Ausbildung, Beruf, Hobbys. Der weitaus längste Teil ihres Briefes handelte dann aber weniger von ihr als von den anderen: „Ich danke dir, Peter, dass du mich immer zum Lachen gebracht hast. Ich danke dir, Renate, dass du mir immer die letzte Rose aus dem Garten gebracht hast. Ich habe sie dann immer in Ehren gehalten. Ich bin dankbar über meine Kolleginnen. Wir waren ein so wunderbares Team.“

So geht das viele Zeilen weiter. Eine große Liste und ausschließlich Danksagungen. Ganz herzlich, ganz liebenswürdig und so berührend!

Ich stelle mir vor, wie Hertha in ihrem Krankenbett sich Schritt für Schritt in Gedanken darauf vorbereitet hat, dass sie nicht mehr gesund werden würde. Sie hat sich aufs Sterben vorbereitet, indem sie noch einmal an alle Menschen gedacht hat, die ihr etwas bedeuten, die ihr beigestanden haben und gutgetan haben. Und offenbar haben sie diese Gedanken mit einer tiefen Dankbarkeit erfüllt. Mir kommt das Wort „abdanken“ in den Sinn. Im guten Wortsinn heißt das ja, dass ich mich verabschiede, indem ich das benenne, wofür ich dankbar bin.

In einem alten Lied in der Bibel denkt ein Mensch über das Sterben nach und sagt zu Gott:
Lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen, auf dass wir klug werden. (Ps 90, 12).

Danke, Hertha, dass ich Ihren wunderbaren Brief habe lesen und zum Abschied vorlesen dürfen und dass ich von Ihrer Dankbarkeit lernen durfte!

https://www.kirche-im-swr.de/?m=40178
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