SWR1 3vor8

23JUN2024
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Wenn ich einen Feind habe – irgendjemand, der mich als Konkurrentin bekämpft, mich klein hält oder mir sonst irgendwie das Leben schwer macht – und ich bekomme unverhofft die Chance, ihn ein für alle Mal loszuwerden und selbst in die Pfanne zu hauen… Wäre das nicht in Ordnung? Und wenn wirklich gelten würde: „Er oder ich“, wäre das nicht sogar normal und absolut gerechtfertigt?

Die Bibel erzählt im Alten Testament von genau so einer Situation:
Saul ist rechtmäßiger König Israels – aber er ist krank: schwermütig; in Ungnade gefallen bei Gott. Und: er hat sich verrannt, jagt und verfolgt einen seiner besten Männer: David. Saul wittert in ihn Konkurrenz und einen Verräter und will ihn töten. David auf der anderen Seite ist tatsächlich nicht abgeneigt, irgendwann den Thron zu besteigen – aber nicht durch Verrat! Nicht durch einen Krieg gegen den rechtmäßigen König.

David flieht mit seinen Leuten in die Wüste – Saul ihm mit seiner Armee hinterher, und es gilt: „Er oder ich – auf Leben und Tod.“ Aber dann nimmt der Machtkampf eine groteske Wendung: Saul muss nämlich mal – er muss unterwegs aufs Klo, und geht dazu in eine Höhle, um vor seinen Männern seine Würde zu bewahren. Und erwischt ausgerechnet die Höhle, in der sich David mit seiner kleinen Truppe versteckt hat.

Grotesk: David erwischt Saul mit heruntergelassenen Hosen, und der merkt es nicht einmal. Und David? Der schleicht sich an Saul. Er zückt sein Messer – schneidet ihm aber nur einen Zipfel von seinem Gewand ab.

Saul hat nichts gemerkt und verlässt die Höhle. Und David ihm hinterher! Er wirft sich vor dem König auf die Erde und hält ihm gleichzeitig seinen eigenen Gewand-Zipfel unter die Nase. Und stellt damit klar: Du verfolgst mich zu Unrecht und machst mir zu Unrecht das Leben schwer: Dafür verdienst Du eine Strafe. Aber das ist nicht meine Sache! Das ist Gottes Angelegenheit. Er wird über Dich urteilen – und auch über mich.

Zurück zu meiner Anfangsfrage, zu meinen Feinden und ob ich eine günstige Gelegenheit nutzen sollte, um sie loszuwerden. David tut das – er nutzt die Gelegenheit, um sich zu wehren. Aber vor allem nutzt er die einmalige Chance, das ohne Gewalt zu tun, ohne seinen Feind zu besiegen. Und ohne selbst zum Richter zu werden. Der Richter über „Richtig und Falsch“, „Gut und Böse“, „Er oder ich“, der bleibt Gott. Nur er darf letztlich urteilen.

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