SWR4 Sonntagsgedanken

16JUN2024
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Mein Sohn hat heute Firmung. Da kommt ein Bischof in unsere Kirche und legt jedem Jugendlichen die Hände auf den Kopf. Mit einem besonderen Öl macht er dann ein Kreuz auf dessen Stirn. Dazu spricht er die jungen Leute mit Vornamen an und sagt dann die Worte: "Sei besiegelt durch die Gabe Gottes, den Heiligen Geist."

Wenn ich mir diese Szene einmal ganz nüchtern vorstelle, dann könnte ich schon fragen: Was passiert da eigentlich? Ist das eine Art Zauberformel, mit der ein Geist, ein heiliger Geist angerufen wird? Und wozu das Ganze?

Der Grund der Firmung, ihr Zweck also, der steckt im Namen. „Firmare“ kommt aus dem lateinischen und bedeutet so viel wie: stark machen, bestärken. Gott stärkt die Jugendlichen mit seinem Geist! Das ist zunächst das Wichtigste. Die Firmung ist gleichzeitig die Fortsetzung und der Abschluss der Taufe. Damals haben die Eltern versprochen, dass sie ihre Kinder im Geist und nach dem Vorbild von Jesus Christus erziehen wollen. Jetzt bestätigen die Jugendlichen das selbst.

Sich firmen zu lassen ist also eine bewusste Entscheidung. Aber das ist nur der eine Teil. Der andere ist: Für den Heiligen Geist tatsächlich Platz zu lassen im eigenen Leben. Dass junge Leute sich darauf einlassen, das finde ich ganz schön mutig!

Denn zu verstehen, wer oder was der Heilige Geist ist, das ist gar nicht so einfach. Wie der Heilige Geist wirkt, kann man am besten in der biblischen Geschichte von Pfingsten nachlesen: Die Jünger von Jesus hatten nach seinem Tod eine riesen Angst und haben sich zurückgezogen. Plötzlich ist Feuer vom Himmel gekommen, auf jedem Jünger hat sich eine Flammenzunge niedergelassen. Die Angst war weg und sie haben angefangen zu reden und zu erzählen. In lauter verschiedenen Sprachen, die eigentlich fremd für sie waren. Und Menschen aus der ganzen Welt konnten sie verstehen. Diese Feuerzungen stehen für den Heiligen Geist. Dieser Geist Gottes ist da, wo die Angst verschwindet, wo Menschen sich verständigen, wo sie auf neue Ideen kommen und Wege finden. Wo es um Frieden und Freiheit geht.

Wenn der Bischof nun also seine Hand auf den Kopf eines Jugendlichen legt, wird der Heilige Geist weitergegeben. Ich stelle mir vor: Das funktioniert etwa so wie beim Spiel „Stille Post“: In einer Runde flüstert der Erste dem Nächsten etwas ins Ohr. Was am Ende der Runde rauskommt, weiß am Anfang keiner. Der Bischof macht es ähnlich: Er schickt im Namen Gottes den Heiligen Geist los. Was davon bei den Jugendlichen ankommt, das bleibt an diesem Tag der Firmung noch offen.

 

Mein Sohn gehört zu den jungen Leuten, die heute in unserer Gemeinde gefirmt werden. Sie haben sich vorbereitet auf diesen Tag. Haben diskutiert über Gott und den Glauben, haben überlegt, was eigentlich christlich ist. Das Motto der Vorbereitung lautet in diesem Jahr: „Trotzdem.“ Trotzdem Firmung. Das zeigt schon: sich firmen zu lassen, das braucht eine klare Haltung und ein bisschen Risikobereitschaft. Denn für viele Jugendliche gilt: Ich lasse mich trotzdem firmen, obwohl ich manchmal so meine Zweifel mit Gott habe, obwohl ich mir nicht sicher bin mit dem Glauben. Und obwohl ich nicht gut finde, dass Frauen in der katholischen Kirche diskriminiert werden.

Mein Sohn hat seine Entscheidung pragmatisch getroffen. Er sagt: „Ich bin mir ziemlich sicher, dass es mehr gibt, als ich mir jemals vorstellen kann. Und deshalb halte ich es für möglich, dass es Gott gibt. Also kann’s nicht schaden, wenn ich ihm eine Chance gebe.“

Ich glaube, genau darin liegt die Stärke der Firmung. Dieses Sakrament verlangt von den jungen Leuten eine besondere Haltung. Und die hilft auch im Alltag. Denn als Gefirmter kann ich mit dem Heiligen Geist rechnen. Das bedeutet: Ich lasse mich also auf etwas ein, dass ich nicht kenne. Ich wage etwas, das auf den ersten Blick verrückt scheint. Ich probiere was aus. Und ich halte es für möglich, dass es Dinge und Situationen gibt, die ich mir nicht vorstellen kann. Für mich ist all das eine wichtige und wertvolle Übung; um in schwierigen Zeiten oder in Krisen die Zuversicht nicht zu verlieren; und um hoffen zu können!

Ich verstehe das Firm-Sakrament auch als einen besonderen Segen. Als Reisesegen - für das Leben, das jetzt vor den jungen Leuten liegt. Daran denke ich, wenn der Bischof auch meinem Sohn heute die Hände auf den Kopf legt und ihn mit seinem Namen anspricht. Er bittet dabei nicht nur um die Kraft des Heiligen Geistes für ihn, er segnet ihn auch. Mit all seinen Begabungen, Wünschen und Träumen.

Von diesem Weggefährten, vom Heiligen Geist etwas ahnen und den Mut haben, ihn mitzunehmen auf die eigene Lebensreise - das wünsche ich allen jungen Leuten, die sich, trotzdem, und gerade in diesen Zeiten firmen lassen!

https://www.kirche-im-swr.de/?m=40125
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