SWR1 3vor8

16JUN2024
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Ich halte mich für einen guten Menschen. Weiß aber, dass ich nicht immer gut bin und nicht nur Gutes tue. Andere sehen das vielleicht anders. Sie sehen, was ich tun könnte, aber nicht tue. Oder sie sind anderer Meinung als ich und können mich deshalb nicht gut finden. Das ist eine vertrackte Angelegenheit.

Ich komme überhaupt nur darauf, weil heute in den katholischen Gottesdiensten eine Bibelstelle zu hören ist, die mich regelrecht dazu zwingt, mich dem Thema zu stellen. Paulus schreibt nach Korinth: Wir alle müssen vor dem Richterstuhl Christi offenbar werden, damit jeder seinen Lohn empfängt für das Gute oder Böse, das er im irdischen Leben getan hat. [1] Wenn es diese Perspektive nicht gäbe, dass es Gott interessiert, wie ich lebe, dann könnte es mir egal sein, ob ich gut oder böse bin, und erst recht, was andere über mich denken. Wenn ich aber ernst nehme, was Paulus da schreibt, dann muss ich mich prüfen. Und nicht nur ich allein, sondern ich muss dabei das berücksichtigen, wie andere mich sehen.

Paulus sagt im Grunde: Wenn du mehr Böses als Gutes getan hast, sieht es nicht gut aus bei Gott, dann musst du nach diesem irdischen Leben mit ernsten Folgen rechnen. Wenn Gottes Urteil dagegen positiv ausfällt, hast du eine berechtigte Hoffnung auf den Himmel. Als ob es nicht schon schwer genug wäre, sich selbst und mit Hilfe anderer einigermaßen realistisch einzuschätzen, werden nun auch noch Konsequenzen angedroht. Ich spüre immer noch den Druck, der von diesem Gedanken ausgeht. Früher wurde den Menschen so ein schlechtes Gewissen eingeredet, um sie durch Angst gefügig zu machen, um sie klein zu halten, damit sie ja nicht auf eigene Gedanken kommen. Einschüchterung als Machtinstrument der Kirche.

Gottlob kommt damit heute keiner mehr durch. Allerdings könnte es sein, dass sich die Furcht vor dem Gericht Gottes ins Gegenteil verkehrt hat. In eine Wurschtigkeit, der alles egal ist. Gut oder böse, alles egal. Wenn ich tot bin, bin ich tot. So kann und will ich nicht denken. Um meiner selbst willen nicht. Weil ich überzeugt bin, dass es in der Welt, in der ich lebe, auch auf mich ankommt. Ich will ein guter Mensch sein, Gutes tun. Ich habe die Wahl und will mich für den rechten Weg entscheiden. Das bin ich mir schuldig. Und zwar, so lange ich lebe. Wenn sich dann auch noch die Hoffnung erfüllt, dass Gott mich annimmt, wie ich bin, mit dem Guten und dem weniger Guten, das zu mir gehört - dann freue ich mich.

 

 

[1] 2. Korintherbrief 5,10

https://www.kirche-im-swr.de/?m=40124
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