SWR3 Gedanken

16JUN2024
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„Was ist nur los mit dir, Deutschland?“ Das sind meine ersten, ratlosen Gedanken, als ich letzten Sonntagabend die Ergebnisse der Europawahl sehe.

Klar kann ich sagen: „Das kam nicht überraschend – das war so klar.“ Aber doch haben mich diese Wahlergebnisse richtig mies erwischt. Dass sich ein immer größer werdender Teil unseres Landes für eine europafeindliche Partei entscheidet. Und sogar noch mehr von denen, die mir so am Herzen liegen: Die jungen Menschen zwischen 16 und 24, die teilweise das erste Mal wählen; dass gerade so viele von ihnen sich mit ihrer Stimme gegen ein Europa entscheiden – das finde ich, trotz aller Wahlprognosen, richtig krass.

Ich bin enttäuscht, frustriert und geschockt. Und so gehe ich diese Woche auch als Lehrerin in die Schule – spreche mit vielen Erstwählerinnen und Erstwählern über das Ergebnis. Und stelle fest: Da gibt es auch andere. Denn auch sie fragen sich: „Was ist nur los mit dir, Deutschland?“

Bei unseren Gesprächen erinnern sie mich daran, warum gerade diese jungen Menschen mir so sehr am Herzen liegen: Sie wollen nicht nur ihren Frust teilen. Sie wollen wirklich wissen, was in diesem Land gerade los ist und wie sie etwas verändern können. Sie sprechen darüber, an welchen Stellen sie etwas gegen Rechtsextremismus tun können. Wie sie in den sozialen Medien clever mit Hassparolen umgehen. Sie nehmen sich vor, nicht mit Hass auf Hass zu reagieren. Sie geben sich Tipps, wie sie im Netz oder im Jugendhaus mit anderen ins Gespräch kommen und sich gemeinsam stark machen können für ein friedvolles Miteinander.

Ich finde die Ideen meiner Schülerinnen und Schüler richtig stark. Aber vor allem beeindruckt mich, dass sie ihre Verantwortung ernst nehmen: Nicht beim Frust zu bleiben, sondern etwas zu tun für eine gute, gemeinsame Zukunft.

Wenn ich mich also frage: „Was ist nur los mit dir, Deutschland?“ Dann will ich nicht bei Frust bleiben, sondern wirklich wissen, was los ist. Zuhören, verstehen, im Gespräch bleiben UND vor allem aufstehen und anpacken. Gegen Rechtsextremismus. Und für eine gemeinsame Zukunft in unserem Europa.

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